Dank Tieren in eine bessere Zukunft starten

Page 1

■ tierwelt ■

■ tierwelt ■

Dank Tieren in eine bessere Zukunft starten

Eine afrikanische Familie lebt besser, wenn sie Nutztiere halten kann.

W

er in Afrika ein Tier besitzt, ist angesehen. Der Besitz von Tieren verleiht Status. VSF-Suisse nutzt diese Tatsache und übergibt ehemaligen Kindersoldaten in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan kleine Ziegenherden von rund fünf Tieren. Mit dieser Reintegrationsmassnahme unterstützt VSF-Suisse die Kinder bei ihrer Rückkehr ins zivile Leben. «Sie bekommen eine Zukunftsperspektive und wir versuchen so zu verhindern, dass sie wieder in die Armee oder die Rebellengruppen zurückkehren», sagt Bonny Wilkinson, Geschäftsführerin von VSF-Suisse. Die Kinder werden geschult, wie sie mit den Tieren umgehen müssen. Der Verkauf der Milch kommt der ganzen Familie – oft ist dies nicht mehr die Herkunfts-, sondern eine Gastfamilie – zugute: Der Lebensmittelbedarf kann gedeckt werden, die Ernährung wird aufgewertet, die Familie kann sich Medikamente leisten und die Kinder haben die Möglichkeit, die Schule oder berufsbildende Einrichtungen zu besuchen. «Später, wenn die

16

Ziegen sich vermehrt haben, können auch Tiere verkauft und damit Einkommen generiert werden», erklärt Wilkinson. Einkommensfördernde Massnahmen sind einer der vier Hauptbereiche von VSF-Suisse, um gegen Hunger und Armut in Afrika anzukämpfen. Ausserdem sollen Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, reduziert werden. Die Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit in der Schweiz bezüglich der Probleme, mit denen Viehzüchter in Entwicklungsländern konfrontiert sind, ist ein weiteres Anliegen. Dank der Unterstützung haben die Menschen in Mali mehr und bessere Milch Der vierte Bereich von VSF-Suisse ist die Katastrophenvorsorge. Diese bezieht sich vor allem auf die Dürrebekämpfung, etwa in Kenia oder Äthiopien. «Kühe sind die ersten Tiere, die bei einer Dürre sterben», sagt Wilkinson, die lange Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika war. VSF-Mitarbeiter geben deshalb trächtige Kamelstuten an Viehzüchter ab, die ihre ganze Kuhherde verloren haben. Kamele sind dem Klima viel besser angepasst. Durch den Verkauf der Kamelmilch haben die Besitzer eine bessere Einkommensmöglichkeit und erlangen ihren Status als Tierbesitzer wieder zurück. In Mali gewährleistet VSF-Suisse eine leistungsfähige Milchwirtschaft um die Hauptstadt Bamako herum. Das umfasst Produkti-

on, Verarbeitung, aber auch Verkauf. «Wir unterstützen vom Melken bis zur Abgabe an den Endverbraucher den ganzen Prozess», berichtet Wilkinson. VSF-Spezialisten beraten die Tierhalter in den Bereichen Hygiene, Krankheitsprävention, aber auch Zucht. Um die Produktion zu steigern, werden etwa Kühe aus produktiveren Rassen eingekreuzt. Seit dem Start dieses Projektes 2005 sind das Angebot und die Qualität von lokal produzierter Milch markant gestiegen. VSF-Suisse gibt es seit 1988. Die Hilfsorganisation ist zurzeit in sieben afrikanischen Ländern tätig. Neue Projekte und neue Länder sollen im Moment nicht dazukommen. «2010 war ein schwieriges Jahr mit viel personellem Wechsel», sagt Wilkinson, die auch erst seit einem guten Jahr bei VSF dabei ist – das letzte halbe Jahr als Geschäftsführerin. In den nächsten drei bis fünf Jahren wolle man aber schon in weiteren Ländern tätig werden. Was die Projekte betrifft, werden die bestehenden ausgebaut oder örtlich etwas ausgedehnt. Inhaltlich wird sich also nicht viel ändern. Längerfristig möchte sich der VSF aber finanziell projektunabhängiger machen. «Viele unserer Projekte sind höchstens für 18 Monate mit Nothilfegeldern finanziert», sagt Wilkinson. Um mehr Stabilität ins Unternehmen zu bringen, möchte sie versuchen, Gelder für längerfristige, 3- bis 5-jährige Projekte zu beschaffen. Was der neuen Geschäftsführerin ebenfalls vorschwebt, sind Studien TIERWELT / 37, 13. september 2012

über die laufenden Projekte zu machen, um Guidelines für andere Hilfswerke erstellen zu können. «Geniale Ideen, wie die der Wiedereingliederung von Kindersoldaten, müssen unbedingt Nachahmung finden», fordert sie. Bei VSF-Suisse soll eine Zeit der Konsolidierung anbrechen Eine Schwierigkeit, die die kleine Organisation hat: «Wir sind noch zu wenig bekannt in der Schweiz», sagt Wilkinson. Obwohl nächstes Jahr das 25-Jahr-Jubiläum anstehe, denke jeder bei der Namensnennung zuerst an

­ Médecins Sans Frontières», also an Ärzte, « nicht aber an Tierärzte ohne Grenzen. Wenn sie dann erzähle, worum es bei VSF gehe, seien alle sofort begeistert. «Vielleicht haben wir Mühe, uns zu profilieren, weil unsere Idee zwar einzigartig ist, aber sich nicht kurz in einem Satz beschreiben lässt», mutmasst Wilkinson. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Medien gebe es auf jeden Fall noch Verbesserungspotenzial. Doch das komplett neu aufgestellte Team in Bern sei dynamisch, jung und habe Drive, meint Wilkinson, die nach einem Jahr bei VSF sagen kann: «Ich habe

die richtige Stelle.» Als Macherin sei sie am rechten Platz. Das kleine Unternehmen habe nämlich auch seine Vorteile. Man sei flexibler und könne schneller auf veränderte Umstände reagieren. Die Entscheidungswege seien kurz, die Hierarchie flach und die Bürokratie klein. Und was die Geschäftsführerin am wichtigsten findet: «Vor Ort haben wir ein gutes Netzwerk und sind ein geschätzter und Petra Schanz renommierter Partner.» Mehr Informationen über Tierärzte ohne Grenzen unter www.vsf-suisse.ch

Bild: Thomas Martin

Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse) ist eine kleine Hilfsorganisation, die sich über Tiere für Menschen einsetzt. So unterstützt VSF-Suisse in verschiedenen afrikanischen Ländern Einheimische, deren Lebensunterhalt von Nutztieren abhängt.

TIERWELT / 37, 13. september 2012

17


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.