ATLAS ePartizipation: Demokratische Stadtentwicklung

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Bau und Geomatik der FHNW: Mittels einer Internetrecherche untersuchte das Team 350 internationale ePartizipations-Projekte und klassifizierte sie nach zeitlichen und räumlichen Kriterien, nach unterschiedlichen Massstabsebenen sowie nach Projektphasen, Partizipationsformen und Toolarten. Dabei wurde deutlich, wie heterogen die Projekte in ihrer Grösse, Zielrichtung und Umsetzung sind. Gemeinsam ist jedoch vielen Projekten, dass eWerkzeuge vor allem während der Phase der Ideenfindung und Erhebung zur Anwendung kommen, hingegen in der qualitativen Ausarbeitung und Umsetzung sehr wenig Partizipation durch die Nutzenden stattfindet.

Bottom-up-Initiativen für mehr Bürgerbeteiligung mit offenen Partizipationsanlässen – Beispiele aus Hamburg, Zürich und Frankfurt am Main Stephan Landau und Markus Nollert stellten mit den Projekten NEXTHAMBURG und NEXTZÜRICH zwei Plattformen vor, die als Bürgervision konkrete Entwicklungsideen durch die Bevölkerung für die Zukunft der Städte Hamburg und Zürich erfassen. Durch die Auswertung der Ideen der Online-Plattform und konkreten Veranstaltungen im Stadtraum zielen die Next-Projekte auf eine kontinuierliche Beteiligung von möglichst vielfältigen Gruppen und Kooperationsformen in Online- und Offline-Formaten ab ( Stadtentwicklung von unten, S. 101). Herausforderungen ergeben sich hier bei der Frage, welche Ideen und Wünsche der Bevölkerung auf der Plattform ausgewählt werden, um sie konkret weiterzuverfolgen – gerade im Hinblick darauf, dass oftmals sehr allgemeine und abstrakte Wünsche den eigenen Lebensraum betreffend vermerkt werden, oder sich die Massstabsebene wiederum nur auf kleine, punktuelle Verbesserungen bezieht. Christian Kreutz, Initiator der Bürger-Plattform FRANKFURT GESTALTEN, stellte sein Projekt einleitend mit folgendem Statement vor: «Städte sind nicht planbar, sondern nur verhandelbar.» Dementsprechend fungiert seine Plattform, angereichert durch vielfältige Informationen aus Gemeinderatsbeschlüssen und Baustellendaten, als ein Diskussions- und Vernetzungsmedium für konkrete Ideen und Verbesserungen in der Stadt Frankfurt. Wichtige Fragen, die sich dem Referenten beispielhaft für viele andere ePartizipations-Projekte stellten, liegen u.a. in der Erreichbarkeit von Personen, die eWerkzeuge nutzen: Wann ist eine kritische Masse von Nutzenden erreicht, wie viele Ressourcen können die zumeist ehrenamtlich Tätigen in das Projekt investieren und wie kann die Wirksamkeit des Mediums überhaupt abgeschätzt werden?

Drei beispielhafte, von Verwaltung und Hochschule initiierte, anlassbezogene ePartizipations-Projekte Alain Aschwanden, Projektleiter beim Tiefbauamt des Kantons Basel-Landschaft, stellte mit E-PARTICIPATION@ELBA das bislang erste Projekt des Kantons vor. Hier kam zusätzlich zu klassischen Mitwirkungsverfahren der Einsatz eines eWerkzeugs zur Anwendung. ELBA steht für langfristige, überregionale Entwicklungsstrategien im Raum Leimental – Birseck – Allschwil und möchte diese durch 114

Lösungsansätze in der Abstimmung der Bereiche Siedlung, Verkehr und Landschaft umsetzen. Die ePartizipation, die aufgrund der schwach besuchten Mitwirkungsanlässe initiiert wurde, stellte ein Feedbackinstrument für unterschiedliche Planungsmodelle und konkrete Massnahmen dar, welche von den eBenutzenden favorisiert und kommentiert werden konnten. Heute, nach Abschluss des ePartizipations-Verfahrens, dient die Seite noch als Informationsinstrument und zur Archivierung von Wissen über den Planungsprozess. Mit dem Titel Kinder und Jugendliche im Dialog über Aarburg Nord präsentierte ein interdisziplinäres Forschungsteam der FHNW, vertreten durch Hans-Jörg Stark und Matthias Drilling, Ergebnisse vom Einsatz eines Tools und lenkte hierbei den Fokus auf eine bestimmte Anspruchsgruppe. Mittels einer MARK-A-SPOT-Anwendung auf dem Smartphone sowie einer klassischen Sozialraumbegehung wurden Kinder und Jugendliche aufgefordert, wichtige Orte und Alltagsräume in Aarburg Nord, einem städtebaulichen Entwicklungsgebiet mit wenig Freiräumen, direkt in der Anwendung und im persönlichen Gespräch zu kommentieren. Markantestes Ergebnis stellte nicht allein der Einsatz des Tools zur Raumbewertung dar, sondern das gemeinsame Gespräch über die Wahrnehmung der Räume. In der Kombination mit dem Tool konnten wichtige Bedürfnisse aus der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen gewonnen werden und in die Planung zurückfliessen. Wie anspruchsvoll die erfolgreiche Kombination aus Online- und Offline-Methoden im partizipativen Einsatz für die Gestaltung eines Stadtraumes ist, zeigte auch Matthias Trénel, Geschäftsführer der Firma Zebralog, welche ePartizipations-Projekte technisch und inhaltlich begleitet. Im Auftrag der Stadt Berlin wurde die MAASSENSTRASSE durch konkrete Gestaltungsvorschläge der Quartierbevölkerung zu einer Begegnungszone aufgewertet. Partizipation fand über einen Online-Dialog statt, in dem Planungsdokumente bewertet und eigene Vorschläge (z.B. in Form von Zeichnungen und Skizzen) auf die Website gestellt werden konnten. Hinzu kamen klassische Mitwirkungsmethoden wie ein World Café und Workshops, an denen die Quartierbewohnerinnen und -bewohner gemeinsam mit verantwortlichen Planern in direkten Dialog treten konnten. Hierbei entstanden gemeinsame Lernprozesse nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Verantwortlichen der Planung, indem sie die soziale und alltagsweltliche Bedeutung der Maassenstrasse aus Sicht der Nutzenden besser kennenlernen durften.

partizipieren.ch partizipieren.ch ist die Informationsplattform und Online-Datenbank des Netzwerks. Hier sind Partizipationsprojekte klassifiziert nach verschiedenen Phasen und mit Angaben von zahlreichen Informationen versehen, u.a. von eingesetzten Werkzeugen. Zusätzlich bietet die Plattform relevante Dokumente/Publikationen, Kontaktadressen, die Präsentationen aller Referierenden am Workshop vom 22.10.2014 sowie weitere Informationen zum Folgeworkshop am 27.05.2015 in Basel. An diesem Workshop werden Fragen nach der effektiven Gestaltung von Online-Beteiligung sowie nach den Bedingungen für einen sinnvollen Einsatz von ePartizipationswerkzeugen in der Stadtentwicklung vertiefend thematisiert. Durch die Bildung von Special Interest Groups werden diese Fragen nach dem Workshop weiter verfolgt werden. 115


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