Wer ist diese Stadt

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WER IST DIESE STADT ? KUNSTFEST NEUSTADT 4.–12. JULI 2015


Wer ist diese Stadt? – Ausstellung im Haus 27 1.OG und 3. OG (linke Wohnung) Seminar»Konzeptuelle und kontextuelle künstlerische Praxis« und »Konzepte und Projekte der Kunstvermittlung Außerschulische Kunstpädagogik, 4. Semester

Leitung: Verena Landau/Markus Laube In Kooperation mit dem Pöge-Haus e.V. Projektleitung: Stefan Kausch Coaching: REINIGUNGSGESELLSCHAFT

Die Ausstellung des Instituts für Kunstpädagogik im Rahmen der Kunstwoche am Neustädter Markt findet nun zum siebten Mal in Kooperation mit vielen Initiativen des Leipziger Ostens und Gastkünstler_innen statt. Im Seminar wurde anhand von Beispielen aus der Kunst sowie Künstlerschriften die Relevanz konzeptueller Ansätze und Herangehensweisen für heutige künstlerische Intentionen diskutiert. Im weiteren Verlauf wurden aktuelle Praktiken fokussiert, die an die Konzeptkunst anknüpfen: kontextuelle, gesellschaftskritische und partizipatorische Projekte als Schnittstelle zwischen künstlerischer Praxis und Vermittlung. Ziel des Seminars war das Entwickeln eigener Konzepte und die Beteiligung an der Ausstellung im Rahmen des Kunstfestes Neustadt. Von 2009 bis 2012 fanden die Präsentationen der konzeptuellen künstlerischen Arbeiten der Studierenden im PögeHaus statt, wo mittlerweile ein funktionierendes Hausprojekt mit kulturellem Schwerpunkt entstanden ist. In diesem Jahr steht unserem Institut das Haus 27 als eines der letzten leerstehenden Häuser des Quartiers zur Verfügung. Darüber hinaus werden andere, bisher ungenutzte Räume in der näheren Umgebung bespielt und belebt. Ein zentraler Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung im Seminar war die »an Orte gebundene Erinnerung«.

Daraus ergaben sich Fragen nach dem, was sich aus diesen persönlichen wie kollektiven Erinnerungen als Fiktionen für ein Stadtviertel entwerfen ließe. Diese Fragen bildeten den Nährboden für individuelle konzeptkünstlerische bzw. kontext-bezogene Arbeiten. Frei gestellt war, ob die Umsetzung in eine bildnerische bzw. installative Arbeit im Haus 27 mündet oder ob eine Kooperation im Stadtteil realisiert und dokumentiert wird. Vermittlungsprojekte waren Teil der Arbeit; sie knüpfen an eigene sowie die Arbeiten der anderen Projektbeteiligten an. Eine Besonderheit und große Bereicherung in diesem Sommersemester: Das Künstlerduo REINIGUNGSGESELLSCHAFT, alias Martin Keil und Henrik Mayer, führten als Experten für partizipatorische Praxis von April bis Juni 2015 ein Coaching für die Studierenden der außerschulischen Kunstpädagogik durch. Forschungsrundgänge, Besuche von Initiativen und Begegnungen mit Händler_innen und Ortsansässigen des Stadtteils gaben letztendlich die Initialzündung für die Entwicklung der Projektideen. Als weitere Gastkünstlerin ist Camen Loch mit einem partizipatorischen, fotografischen Projekt im 1.OG präsent.


Kunstproduk tion und Rezep tion im kunstpädagogischen Kontex t Ein Modul der Außerschulischen Kunstpädagogik, 2. Semester Leitung: Verena Landau/Prof. Frank Schulz Sommersemester 2015 In der zweiten Etage des Haus 27 werden Ergebnisse des Moduls Kunstproduktion und Rezeption im kunstpädagogischen Kontext gezeigt. Das Modul besteht aus der Übung »Bildnerische Vorbereitung der kunstpädagogischen Praxis«, geleitet von Verena Landau und einer Vorlesung mit seminaristischem Anteil, gehalten von Prof. Frank Schulz. In der Übung stand in diesem Sommersemester das Thema der ERINNERUNGSR ÄUME im Zentrum. Wer kennt das nicht? Man betritt einen R AUM und plötzlich wird eine Erinnerung an etwas ausgelöst. Welche Rolle spielt FARBE in der wahrgenommenen Atmosphäre? Erinnert uns das BILD, in das wir eintreten, an andere schon gesehene BILDER? Ausgehend von einem Raum und einer Erinnerung konnte ein Bildfindungsprozess beginnen – der Prozess der Transformation eines fotografischen Bildes zur Malerei. Die Übung bot die Möglichkeit, zeichnerische Grundlagen des Studiums der Figur und der Perspektive zu vertiefen und miteinander in Beziehung zu setzen.

Die Wechselwirkung verschiedener Medien wie fotografisches und filmisches Bild, Projektion, Fotoübermalung sowie Collage und Montagetechniken dienten als einzelne Schritte der Bildfindung. In diesem Semester stand die Übung in besonderem Zusammenhang mit dem Blockseminar von Prof. Frank Schulz. Die Gestaltungsprinzipien R AUM, FARBE, BILDWELT waren die drei zentralen Themen der Vorlesung und diese wurden in der »Bildnerischen Vorbereitung« in der Praxis erprobt. Für diese Ausstellung wurden in neun Räumen interaktive Stationen zu den verschiedenen Gestaltungsaspekten entwickelt. Die DEMONSTR ATIONSR ÄUME machen die bildnerischen Gestaltungsprinzipien reflexiv- objekthaft präsent und individuell-gestalterisch erlebbar.


DEMONSTR ATIONSRÄUME Das Prinzip Raum verweist zunächst einmal auf eine Praxis in der Kunst des 20. Jahrhunderts jenseits der gewohnten Umgangsweise mit vom Menschen gebauten und eingerichteten Räumen, die zum Wohnen, zum Arbeiten, zur Erholung usw. dienen und damit einen bestimmten Zweck erfüllen. In der zeitgenössischen Kunst werden Räume selbst zu Kunstwerken und bringen – wie ein Gemälde oder eine Grafik – das Weltverhältnis ihres Schöpfers zum Ausdruck. Seit den späten 1950er-Jahren sind es sogenannte Environments – dreidimensionale Kunstwerke – die ganze Einrichtungen umfassen. Später setzt sich für Raumkunstwerke zunehmend der Begriff Installation durch, wobei die Betonung darauf liegt, dass die Künstlerinnen und Künstler nicht nur eigene „Kunsträume“ schaffen, sondern mit künstlerischen Mitteln auch auf vorhandene Räume reagieren (vgl. Kirschenmann / Schulz 2004, S. 96 ff.). Überblickt man diesbezüglich die installativen Formen der modernen Kunst, so zeigt sich schnell, dass diese höchst differenziert in Erscheinung treten. Es ist ein Verdienst des griechischen Kurators und Kunstwissenschaftlers Sotirios Bahtsetzis, erstmals die Spezifik und Geschichte der Installationskunst in ihren differenzierten Erscheinungsformen dargestellt zu haben (2006). Dabei hebt er neben vielen anderen Formen auch den Demonstrationsraum hervor, der in der bisherigen Kunstrezeption so gut wie keine Beachtung fand. Er bezieht sich hier auf den russischen konstruktivistischen Künstler El Lissitzky, der als Vater einer „demonstrativen“ Raumkunst gelten kann. Lissitzky entwickelt sie im Zusammenhang mit der Präsentation seiner PROUN genannten und aus abstrakten Form- und Farbelementen bestehenden Gemälde (Proun = Wortschöpfung aus abgekürzten Wörtern

und übersetzbar mit »Für die Bejahung neuer Formen in der Kunst«, vgl. Lissitzky-Küppers 1976, S. 348 ff.). Hier präsentiert er seine Bilder nicht in konventioneller Hängung, sondern in Bezug auf den Raum – anders gesagt, der Raum wird zur Fortführung seiner Bilder. Zugleich bringt Lissitzky quasi seine als Konzept bzw. Theorie vertretenen Positionen zur Anschauung (zur »Vorführung«) (vgl. Bahtsetzis 2006, S. 157). Sein Raum lässt sich also nicht auf einen Ausstellungsraum reduzieren. Lissitzky selbst spricht ausdrücklich von einem »Ausstellungs-SchauRaum, für mich also Demonstrationsraum« (in: LissitzkyKüppers 1976, S. 365). Bahtsetzis sieht darin vor allem, dass die bildimmanente Thematik um die Art der Präsentation erweitert wird und somit die frühe Vorwegnahme dessen ist, was sich später zur ganz eigenständigen Kunstform der Installation entwickelt (Bathsetzis 2006, S. 158). Man kann aber gerade in Lissitzkys Demonstrationsräumen auch eine spezifische Synthese von künstlerisch-praktischen und reflexiv-theoretischen Ergebnissen seiner Arbeit sehen: Er führt sein künstlerisch-praktisches Handeln ebenso vor wie sein (kunst-)theoretisches Denken – offen für die aktive Präsenz der Ausstellungs-, besser der Vorführungsbesucher. Am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig haben derartige Demonstrationsräume im Rahmen anschaulich vermittelter Kunsttheorie – z. B. erfahr- und erlebbar gemachte Aspekte der künstlerischen Produktion wie Darstellung, Komposition, Proportion und Bewegung – ebenso eine Tradition wie in Verbindung mit konzeptueller und kontextueller künstlerischer Praxis. Auch Farbe kann dabei zum eindrucksvollen Demonstrationsmittel werden. Prof. Dr. Frank Schulz


ich sehe ich höre – Spa ziergang durch Erinnerungen der Neustadt Klara Binnewitt, Martha Kiesow, Juliane Trinks Ein Audio-Video-Rundgang, der das Wesen eines Ortes erfahrbar macht und gleichzeitig das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Erinnerung und Raum thematisiert. Die Besucher_innen laufen einen über ein videofähiges Abspielgerät vorgegebenen Weg entlang. Das Video auf dem Gerät zeigt die gleichen Orte, an denen sich auch der Besucher oder die Besucherin während des Spaziergangs befindet – also Abbilder grundsätzlicher physischer Übereinstimmung. Allerdings wird der Situation im Gerät eine andere zeitliche Dimension zugefügt, da der Betrachter oder die Betrachterin mit vorab filmisch festgehaltenen alltäglichen Szenen konfrontiert wird, die den Jetztzustand überlagern. Zusätzlich sind über Kopfhörer Eindrücke und Erinnerungen der Stadtteilbewohner_innen auditiv erlebbar. Eine Stimme aus dem Off begleitet die Teilnehmenden über die Route, ohne dabei Faktenwissen im Stil einer Sight-SeeingTour zuvermitteln. Der Audio-Video-Rundgang beschäftigt sich nicht mit rückwärtsgewandter und bewahrender Erinnerungsarbeit,sondern mit der Frage, wie der Blick zurück den Blick nach vorn bestimmt.


Wie es aussieht. Monumente der Erinnerung Elisabeth Würzl

Das Wort Denkmal vereint in sich das denken an jemanden sowie den Wunsch ein Mal zu hinterlassen. Ehren und Mahnen vereinen sich häufig im Verlangen ein einmaliges Monument des Erinnerns zu erschaffen und kreieren nicht selten autoritäre Abbilder einer Diktatur, eines nationalen Gedankengutes sowie den Wunsch eine völkische Geschichte zu schreiben, die bis dato noch gar nicht existiert. Wie es aussieht versammelt Denk- und Mahnmäler herrschaftlichen Ausmaßes und stellt sie modernen Formen der Denkmalkultur entgegen. Dazwischen mogeln sich immer wieder absurd fiktive Formen – ob all diese Fotografien reales oder fiktives abbilden und welche Form des der Erinnerung sie verbildlichen wird nicht verraten, sondern fordert die Betrachter_innen auf, Vergleiche anzustellen, eigene Wertungen zu entwickeln und genau hinzusehen. Den Mittelpunkt des Raumes bildet als Abschluss nicht etwa das Modell eines möglichen idealen Baues, das sich von heroischen, gewaltverherrlichenden Formen zu poetischen löst (wie es schon existierende Denkmäler beweisen) – wobei auch hier je nach Zeit immer wieder dieselben Formen von unterschiedlichen Künstler_innen neu arrangiert wurden – sondern der Abguss des Reichstages in Kerzenform. Denn nicht nur die Denkmäler selbst erinnern an eine Person oder ein Ereignis, in weiterer Folge gibt es wieder Reproduktionen und Abgüsse, die als handliche Souvenirs mitgenommen werden können. Auch wenn es so absurd und abwegig erscheinen mag wie der in Wachs gegossene Reichstag.


Malerei/Farbr aster Carlo Bernhardt, Hannes Birkholz, Sarah Gödde, Theresa Szymanowski

Bei unserem Demonstrationsraum geht es um das Aneignen von Wohnräumen und das Hinterlassen von Spuren, die die stetige Veränderung von Behausungen visualisieren und festhalten. Kalenderblätter, Uhren und geschichtete Tapetenreste stehen symbolisch für diesen Wandel. Thematisiert wird hier ein sich immer wiederholender Prozess – das Einziehen, Renovieren, Ausziehen und Umziehen – bei dem Spuren und Erinnerungen konserviert werden. In diesem Zusammenhang soll auch jede Besucherin und jeder Besucher die Möglichkeit haben ein Stück Tapete an die Wand zu kleistern und damit Teil des Prozesses zu werden. Weiterhin werden gestapelte Umzugskartons als Medium genutzt um zu verdeutlichen, wie durch den Einsatz von Farbe Raum geschaffen werden kann.


Interieur als Erinnerungsr aum Elena Ermilova, Lisa Gwosdz, Michaela Georgius

Auf den ersten Blick wirkt so mancher Raum in unserer Erinnerung trist und banal. Was früher einmal bunt war, verblasst in schwarz-weißem Zwielicht und die Perspektiven verschwimmen zunehmend, aber unter seiner Oberfläche und in unseren Köpfen spinnen sich phantasievolle Gewebe um die Gegenstände, die wir alltäglich vor unseren Augen haben. Ob es wirklich so war, vermag man kaum noch zu sagen.


Memory der Fähigkeiten Caroline Zellfelder, Caroline Kaiser, Susanne Straßburger

Wer ist diese Stadt? Wer ist insbesondere die Neustadt? Welche Menschen leben hier, welches Potenzial steckt in diesem Viertel? Im Spiel können die im Alltag mehr oder weniger unsichtbaren Fähigkeiten einiger Bewohner sprichwörtlich aufgedeckt werden: Fähigkeiten, die nicht genutzt werden können, weil sie nicht gefragt oder als Beruf ausgestorben sind, als Hobby oder ehrenamtlich ausgeübt werden oder brach liegen, weil ein berufsqualifizierenderAbschluss fehlt oder nicht anerkannt wird. Statt zweier identischer Bilder ergeben jeweils eine Kurzbiografie und ein die Fähigkeit andeutendes Foto ein Paar, was natürlich höhere Anforderungen ans Gedächtnis der Spieler stellt. Die konzeptuelle Arbeit wird ergänzt durch die Plattform der unsichtbaren Fähigkeiten – eine Art Tauschbörse für Talente und Kenntnisse aller Art, die im Laufe des Kunstfestes durch Beiträge der Besucher_innen erweitert und zur Vernetzung im Stadtteil genutzt werden kann.


Wintergarten Lichtspiele – Vergangen aber nicht vergessen Vera Maria Numberger, Eva-Maria Schneider Erinnerungen sind Dinge, die uns alle grundsätzlich prägen. Ein geselliger Abend mit Freunden, die traute Zweisamkeit oder gar die erste Runde im eigenen Auto. Unser steter Begleiter ist dabei die Kamera. Mit ihr halten wir das fest, von dem wir glauben, dass es einen ganz bestimmten Wert hat. Hinter jedem Bild, ob bewegt oder unbewegt, verbirgt sich eine Geschichte. Das Wintergartenprojekt bietet diesen Geschichten eine Plattform. So sehr sich Maßstäbe auch verschieben, so wichtig ist es, Vergangenes für die Zukunft zu bewahren. Die vorliegenden Zeugnisse in Haus 27 und der am am 11. Juli um 21:30 Uhr stattfindene Kinoabend vereinen Fotos, Videoaufnahmen und nicht zuletzt die persönliche Erinnerung. Auf diese Weise wird ein Stück der Leipziger Identität in das »Heute« transportiert, das Unvergessen illustriert. Also besuchen Sie und am Abend des 11. Juli in der Eisenbahnstraße 56, genießen Sie Filmvorführung und Live-Musik und treten Sie mit uns in den Dialog. Ein Kino als Ort der Begegnung.


Der SOg des Raums Miriam Banholzer, Alexandra Daut, Alina Salzer, Eva-Maria Schneider, Chen Hui, Winnie Schmidt

Luftblase – Ein Raum, der sich gleichzeitig ausdehnt und zusammenzieht? In dem sich die Wände verbiegen? Wie wäre es wohl, sich unter Wasser in einer großen Luftblase zu befinden und langsam zur hellen Oberfläche hin aufzusteigen? In unserem Demonstrationsraum ist ein Perspektivwechsel angesagt. Mit der durch eine Kreisform erzielten optischen Täuschung entsteht die Illusion verbogener Raumachsen wo zuvor gerade Wände waren. Die Wirkung zweier sich neu eröffnenden Raumebenen wird durch die weiße, das Licht reflektierende und die ultramarine, das Licht absorbierende Farbe verstärkt. Beim Betreten des Raumes betrachtet man die helle, lichtdurchflutete Blase vorerst von außen. Die Wände scheinen sich zu dehnen und der ganze Raum scheint bald solch einer Luftblase gleich platzen zu wollen. Schreitet man jedoch in den hinteren Teil des Raumes vor, dringt man ganz zeitgleich fast unmerklich in die Luftblase ein und findet sich mitten darin eingeschlossen wieder. Von hier aus gesehen ziehen sich plötzlich alle Flächen zusammen... Moment mal! Bewegen sich da etwa gerade die Wände aufeinander zu?


FIGUR/BEWEGUNG Uschi Schneider, Luise Thieme, Jule Warrelmann, Maleka Wiedemann, Julia Wolf

In der Mitte unseres Raumes befindet sich ein Spiegel, in dessen Spiegelungsich an der Decke angebrachte Fotografien wiederfinden. Diese Fotografien sind Teil der Entwicklung unserer Malerei, sozusagen Skizzen, aber grundlegend für das spätere Werk und somit ein wichtiger und interessanter Teil des gesamten Schaffensprozesses. Das Element Spiegel oder Reflektion, haben wir auch durcheinzelne Spiegelfolienfragmente, die sich an allen vier Wänden wiederfinden, erneut aufgegriffen. Somit ist der Raum, durch die sich spiegelnden und in Aktion befindenden Besucher quasi stetig in Bewegung. Der Bewegungsaspekt wird noch durch die auf dem Boden verteilte Asche verstärkt – die Besucher der Ausstellung hinterlassen also Ihre Spuren. Außerdem haben wir den Ofenschacht zu einem Depot für Botschaften umfunktioniert: Jeder Besucher kann durch einen Schlitz einen Zettel ziehen, der Bezug auf die gesamte Erinnerungsthematik nimmt und nochmals inhaltliche Bezüge für das Individuum herstellt, durch beispielsweise einen Apell oder eine Frage an die eigene Erinnerungswelt.


Farbe & Raum + Licht Hannah Franke, Raphael Schubert, Michelle Kluge

Wie wird mit Farbe und Licht eine Raumatmosphäre beeinflusst? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in unserem Demonstrationsraum im Haus 27. In der Zeit, in der wir an unseren Leinwänden arbeiteten, entstand bei uns die Frage, wie ein bestimmtes Licht dargestellt werden kann und wie es unsere Wahrnehmung beeinflusst. Denn oft wirkt ein Ort komplett anders, wenn sich das Licht verändert. Manche Lichtkonstellationen bleiben uns sogar besonders in Erinnerung. Und die Lichtvielfalt, die uns im Alltag begegnet, ist groß. Natürliches Sonnenlicht, Licht, welches durch architektonische Gegebenheiten verändert wird, grelles, buntes künstliches Licht... oft machen wir uns gar nicht bewusst, wie groß der Einfluss von Licht ist. Unser Demonstrationsraum wurde hell gestaltet, sodass das Licht dominieren kann. Die Ecken des Raumes wurden farbig nachgezogen, um diesen besser nachvollziehbar zu machen. Die Wandflächen haben ihre ursprüngliche Oberfläche behalten. DieDecke ist weiß, genauso wie der Boden des Raumes. Die zwei Fenster sind mit Folie bespannt, welche mit farbigen Flächen bemalt sind. Teilweise überlagern sich Flächen. Diese werden mit Sonnenlicht durchschienen. Zusätzlich steht ein Projektor im Raum, mit dem interaktiv verschieden farbige Folien den Raum erleuchten. Die Folien können in verschiedenen Kombinationen und mit Überlagerungen in den Raum geworfen werden. So können Lichtatmosphären geschaffen, wahrgenommen und verglichen werden.


Konditorei Höhne – Die offene Konditorei Milena Sebastian

Weithin sichtbar ist ihre Reklame, doch aus der Nähe betrachtet, hungrig und in appetitvoller Erwartung, wird man enttäuscht feststellen, dass die Konditorei Höhne in der HermannLiebmann-Straße 93 zugemauert ist. Warum musste diese Konditorei schließen? Wie hat es früher darin ausgesehen? Wer ist Konditor Höhne? Die Ausstellung im Haus 27 widmet sich diesen Fragen. Um die Erinnerung an die Konditorei Höhne lebendig zu halten, zieht sie als offene Konditorei auf die Straße. Der Leerstand wird gefüllt mit Backwaren sowie Geschichten der Anwohner_innen und Kunstfestbesucher_innen. Die offene Konditorei lädt als Ort des Verweilens zur Begegnung ein. Rezepte austauschen, voneinander lernen, Leckereien genießen, in Erinnerungen schwelgen - sie lebt von ihren Besucherinnen und Besuchern und kann ohne sie nicht existieren. Doch die offene Konditorei bietet mehr: Beim Backworkshop am 05. Juli kann man mit Konditor Höhne Brötchen im Holzofen backen und Anekdoten aus der Geschichte der Konditorei lauschen. Musikalisch wird es bei der offenen Jamsession am 07. Juli und beim einmaligen Tanzerlebnis auf der Straße am 10. Juli. Kommt vorbei, nutzt den Leerstand, macht ihn euch zu Eigen und füllt ihn mit Leben!


The Sound of Memory – wie klingt heimat? Melanie Piroschik

»Was ist Heimat? Woran erinnerst du dich, wenn du an Heimat denkst? Wie klingt Heimat?« Aus der Idee einfach mal keine Politik betreiben zu wollen, ist die Idee entstanden ganz unpolitisch zu singen. Aus der eigenen Herkunft die Idee, so viele Kulturen wie möglich einzufangen. Aus dem eigenen Unwissen, was genau jetzt Heimat ist – die Idee, einfach nachzufragen. Und weil ich Musikerin bin, ist es eben Musik geworden und nicht Worte. «Sing mir bitte ein Lied aus deiner Heimat vor.” «Singen?” «Ja, singen.” Heimat ist Erinnerung und Erinnerung ist meist mit Musik verbunden. Musik kann in uns längst verlorene Momente wecken. Lieder können uns aber auch an Dinge erinnern, die wir nie kannten. Es gibt Musik, die in uns etwas rührt, das nicht erklärbar ist. Die Musik aus der Kindheit der Eltern. Aus der Kindheit unserer Großeltern. Oder Musik aus einer fremden Kultur, die uns plötzlich wie unsere Eigene erscheint. Und wenn wir dann noch erfahren, worüber sie handelt, dass alle Lieder aller Kulturen dieselben Themen haben – dann gibt es plötzlich keine Grenzen mehr. «Können Sie mir sagen, worüber dieses Lied handelt?” «Um Liebe.” «Können Sie mir sagen, worüber dieses Lied handelt?” «Um Liebe. Natürlich.” www.wieklingtheimat.wordpress.com


Raum/Manipul ation – Verbindungslinien Sina Behrens, Pia Dallmann, Nanette Henschke, Leonie Ott

In dem von uns gestalteten Demonstrationsraum werden die Perspektivlinien der im Raum installierten Malereien durch eine schwarze, durchgehende Linie aufgegriffen. Diese weiterführende Linie zieht sich durch den ganzen Raum und verbindet sechs Malereien von vier Gruppenmitgliedern. Jedes Bild besitzt einen zugeordneten festen Platz, kann jedoch von den Besucher_innen auf und abgehangen werden. Dafür sollen die bereitgestellten Handschuhe benutzt werden. Es entsteht ein interaktiver Raum, in dem jeder dazu aufgefordert ist, die Bilder an ihren richtigen Platz zu hängen. Man kann selber entscheiden und ausprobieren, wie viele Bilder man gleichzeitig an die Wändebringen möchte, um selbst zu erfahren, wie sich die Wirkung des Raumes verändern lässt. Wenn man alle Bilder abhängt, ist der Raum bloß durch die schwarze Linie gestaltet. Sobald ein oder mehrere Bilder hängen, werden diese durch die Linie verbunden und schaffen je nach Anzahl ein Gesamtbild, welches sich mit jedem Besucher ändert. Die Besucher_innen erleben eine spannende Verbindung von Perspektive und Raumwirkung und werden durch das mögliche Einschreiten mit eingebunden. Dies erfordert, dass jeder Einzelne eine gewisse Behutsamkeit mit den Malereien aufbringt. Zugleich ist es eine interessante Erfahrung, da das Anfassen von Kunst nur selten erlaubt ist. Das Zuordnen der richtigen Perspektivlinien erfordert eine intensivere Beschäftigung mit den Bildern und ermöglicht, einen anderen Zugang zu finden und die Bilder in einen engeren Kontext zu setzen als das bloße Vorbeigehen und Betrachten bieten könnte.


ERINNERUNG/AUSSENR AUM. verschönert und verdr ängt – 2 Ansichten Leila Roxana Hardt, Maria Köhler, Helen Uhlig Bei unserem Demonstrationsraum geht es um das Aneignen von Wohnräumen und das Hinterlassen von Spuren, die die stetige Veränderung von Behausungen visualisieren und festhalten. Kalenderblätter, Uhren und geschichtete Tapetenreste stehen symbolisch für diesen Wandel. Thematisiert wird hier ein sich immer wiederholender Prozess –das Einziehen, Renovieren, Ausziehen und Umziehen – bei dem Spuren und Erinnerungen konserviert werden. In diesem Zusammenhang soll auch jeder Besucher die Möglichkeit haben ein Stück Tapete an die Wand zu kleistern und damit Teil des Prozesses zu werden. Weiterhin werden gestapelte Umzugskartons als Medium genutzt um zu verdeutlichen, wie durch den Einsatz von Farbe Raum geschaffen werden kann.


Erinnerung als metamorphes Phänomen Laura Fischinger

Zuhören – Zeichnen – Umdrehen – Weitergeben – Anschauen – Umdrehen – Zeichnen – Umdrehen – Weitergeben… Wie wandelt sich eine Erinnerung wenn sie in verbaler Form geäußert, dann zeichnerisch umgesetzt und erneut durch die Erinnerung wiedergegeben wird? Wann wird eine individuelle zur kollektiven Erinnerung? Den künstlerischen Impuls bildet eine persönliche Erinnerung. Durch Einbeziehung der bereits bestehenden Methode des Zeichenspiels (in Anlehnung an »Stille Post«) wird es möglich, zu visualisieren, wie Gesehen und Erinnert wird. Das Bildmotiv ist in ständiger Veränderung – Metamorphose – Verwandlung. Exakte Ausarbeitung spielt dabei keine Rolle. Es werden sowohl Arbeiten gezeigt, die bereits entstanden sind, und gleichzeitig wird dazu angeregt, selbst den Stift in die Hand zu nehmen und eine weitere Arbeit hinzuzufügen. Im Rahmen der Kunstwoche soll der Raum mit verschiedensten Erinnerungsmetamorphosen gefüllt werden.


Abdruck der Zuchtmeister – Wandel der Erinnerungskultur Kinga Bartczak Die Fotografie, ein hochwertiges Medium zu Speicherung von Ereignissen und somit Erinnerungen. Mithilfe der Medienrevolution steht die Erinnerungskultur in einem ganz neuen Kontext. Ein Fotoapparat wurde früher bei durchschnittlichen Familienverhältnissen nur zur besonderen Anlässen verwendet, denn jedes Bild kostete Geld. Heute werden Erinnerungen als digitalisierte Datenmengen in Gigabytegrößen auf Festplatten archiviert. Bilder werden nicht gelöscht, nicht sortiert. Wir greifen zu so leicht zugänglichen Aufnahmegeräten, digitalisieren unser Leben und veröffentlichen private Fotoalben ohne Scheu. Wir hinterlassen Spuren, die mit unseren Vorgenerationen nicht vergleichbar sind. Allein bei Facebook werden 1,8 Mrd. Fotografien täglich hochgeladen. Wir züchten Erinnerungen und zwar in Massen. In größeren Dimensionen gedacht, ist die fotografische Erinnerung auch die Spur der Gesellschaft, ein Abdruck ihrer Vergangenheit und Identität. Doch welche Identität übertragen die spontanen Essens-, Selfie- oder Katzenaufnahmen? Die ausgestellten Handyfotografien sind Ergebnisse der partizipatorischer Aktion im Bezirk und stammen von den Passanten des Leipziger Ostens. Die Partizipation als Direktdruck vom Mobiltelefon.


Rückenr äume Carmen Loch

Die seriell angelegte fotografische Arbeit zeigt einzelne Menschen oder Personengruppen in ihren jeweiligen, teilweise geteilten, Lebensräumen im Leipziger Osten. Da die Identität der Abgelichteten durch die Rückenansicht verborgen bleibt, stellt sich die Frage: »wer ist dieser Mensch?« Austausch und Kommunikation bzw. Begegnung und gegenseitiges Kennenlernen waren und sind Motivation und Ziel der Fotografien. Wer gerne Teil der Serie werden würde, meldet sich bitte per mail unter carmenloch@gmx.de


Raumillusion – aus einem Raum werden fünf Victoria Barthel, Jonas Bussmann, Nathalie Dittmann, Diara N‘Diaye

In dem Raum für den wir uns entschieden haben, gibt es vier Türen, jeweils zwei auf den gegenüberliegenden Seiten. Wir machten uns zur Aufgabe hinter jeder Tür die Illusion eines Raumes bzw. mehrerer Räume zu schaffen. Hierbei war es uns wichtig jeden „Raum“ unter einem anderen Aspekt zu gestalten. Somit haben wir einen Raum in dem wir durch die Komplementärfarben rot und blau verschiedene Tiefenwirkungen schaffen. In einem anderen wird die Räumlichkeit durch schwarze und weiße Kacheln geschaffen. Auch die räumliche Wirkung durch verschieden große Personen im konstruierten Raum findet sich hinter einer Tür. Durch den ganzen Raum zieht sich horizontal eine pinke Linie – sie soll die Augenhöhe darstellen. Im vierten Raum jedoch weicht die Höhe der Augenlinie von der der anderen Räume ab, man muss sich hier bücken, um einen genauen Blick auf die Raumillusion werfen zu können. Mit dieser Verschiebung wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die Konstruktion von Räumen/Objekten immer abhängig von der Augenhöhe ist.


tAuSCHgeSCHiCHten Sarah koplin

Die Idee meines Projektes besteht darin, verschiedene Menschen um einen Tausch mit mir zu bitten. Ich beginne mit einer kleinen Geschichte/Erinnerung über einen Gegenstand, und möchte, dass mein Tauschpartner mir ebenfalls eine Kleinigkeit gibt, an der eine Erinnerung hängt und mir diese erzählt. Die Geschichte/Erinnerung werde ich mit einem Aufnahmegerät festhalten. Ich erzähle meinem Tauschpartner immer die Erinnerung seines Vorgängers, sodass eine Erinnerungskette entsteht. Die Gegenstände jedoch, werde ich behalten und in dem Raum ausstellen/aushängen, die Tonaufnahmen werden abgespielt. Zuerst sollen die scheinbar unscheinbaren Dinge in dem Raum gesehen - und dann ihre einzelnen Erinnerungen gehört werden. Ich bitte um eine vergegenständlichte Erinnerung. Ein trivialer Gegenstand kann eine große Bedeutung haben oder eine Erinnerung hervorrufen. Dabei bemisst sich der Wert des Gegenstandes nicht nach Materiellem, sondern an der Geschichte die daran hängt. (Erinnerungsstücke) Eine neue Kommunikationsebene wird geschaffen durch die zufällige Begegnung mit Menschen in Leipzig, aus der eine persönliche Erinnerung erwächst. Vielleicht wird das Leben der Leute in Leipzig über die kleinen Dinge erzählt, vielleicht sagt eine persönliche Geschichte in einem Gegenstand etwas über den Menschen dahinter. Ich denke, dass der Blick auf die kleinen unscheinbaren Dinge spannende Geschichten über Menschen verbirgt. Ich bin interessiert an den kleinen und großen Geschichten. Ich finde es spannend auf fremde Leute zuzugehen und um eine Erinnerung zu bitten, die getauscht/ weitergegeben wird. Was passiert da? Für meinen Raum verwende ich nur die Aufnahmen und die Gegenstände, welche entweder bedeutungsaufgeladen präsentiert werden oder unscheinbar von der Decke hängen.


Impressum Kunstfest Neustadt 04.–12. Juli 2015 Mehr unter: kunstfest-neustadt.net und auf Facebook > Kunstfest Neustadt Ausstellungsgrafik: Miriam Reichert, Elisabeth Ludwig und Melanie Piroschik (Modul «Künstlerische Arbeit mit modernen Medien im Kontext der Kunstpädagogik» am Institut für Kunstpädagogik, Betreuung: Prof. Andreas Wendt, Dr. Roland Meinel) Webdesign: Miriam Reichert, Elisabeth Ludwig und Melanie Piroschik (Modul «Künstlerische Arbeit mit modernen Medien» am Institut für Kunstpädagogik, Betreuung: Prof. Andreas Wendt, Dr. Roland Meinel) Die Rechte liegen bei den Künstler_innen und den Autor_innen. Haftungshinweis: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für den Inhalt. Pöge-Haus e.V. Universität Leipzig – Institut für Kunstpädagogik


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