Ročenka 2004 - 2005

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Romuald Kaczmarek: Kleinpolen – Schlesien – Zips

den Kampf um den Krakauer Thron ausgelöst wurden, kam eine Machtstabilisierung, die durch die Krakauer Krönung Władysław Łokietek’s 1320 endlich besiegelt wurde.41 Dieses Ereignis, gemeinsam mit den neuen Bauunternehmungen, war bestimmt ein Faktor, der den erhöhten Bedarf an neuen Schnitzwerken begünstigte. In der Chronologie des geordneten Denkmälerbestandes in Kleinpolen herrschte bisher eine große Lücke, da die Holzplastik praktisch bis 1320–1330 fast nicht existierte. Es zeigt sich also, dass das Bild zu verändern möglich ist.

in der Ponderation und im dichten Rhythmus der Mantelfalten, die sich zum auf dem rechten Arm sitzenden Kind bewegen, den französischen Quellen des Typus und ihren niederrheinisch-maasländischen Nachfolgerinnen näher. Als Beispiele kann man die ElfenbeinMadonna aus Pariser Sainte-Chapelle (um 1250–1260),36 die Steinmadonna in Compie`gne (um 1270)37 oder die Marien-Holzfiguren aus Utrecht (um 1270) und Hommersum (um 1290–1300) nennen.38 [Abb. 11] Der lebendigere Kontakt zwischen Mutter und Kind wurde bei den beiden kleinpolnischen Statuen, besonders aber bei der aus Tylmanowa, fortgelassen, und das läßt uns die Entfernung des lokalen Schnitzers von seinen Vorbildern und ihren inhaltlichen Subtilitäten erahnen. Auf der anderen Seite wird der nur auf die Belebung der Gesichtsmimik begrenzte Gefühlsausdruck für die Marienfiguren in den besprochenen Regionen noch in der ganzen ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts charakteristisch sein. Man glaubte bisher, dass die kleinpolnischen Werkstätten, in denen man die Schnitzwerke herstellte, für welche auch die Gegenstücke in der Zips aufgefunden wurden, hauptsächlich in Nowy Sącz ansässig waren. So entstand auch der Dutkiewiczs Begriff „die SandezZipser Gruppe“. Später wurde von ungarischer und von slowakischer Seite die Rolle der Zips als Heimat einiger der wichtigsten der oben besprochenen Marienfiguren unterstrichen.39 Damit stellt sich die Frage nach der damaligen Situation im künstlerischen Milieu zu Krakau, dem – seiner politischen und wirtschaftlichen Position wegen – eher eine Hauptrolle in der Region zugefallen sein sollte, auch in dieser frühen Periode. Man darf in diesem Zusammenhang bemerken, dass an der Wende zum 14. Jahrhundert, d. h. mit der böhmischen Machtübernahme in der Hauptstadt Kleinpolens, ein intensiver Baubetrieb begann.40 Das könnte eine erhöhte Tätigkeit der Werkstätten, die an der Ausstattung der Kirchen arbeiteten, nach sich gezogen haben. Nach ungefähr einer Dekade der Unruhen, die durch den Tod Wenzels II. 1305 und den nachfolgen-

Romuald Kaczmarek, Instytut Historii Sztuki Uniwersytet Wrocławski, Wrocław

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DUTKIEWICZ 1949 (zit. Anm. 14), S. 53f., 56, 130. Eine jüngere Nachfolgerin hatte diese Madonna in der während des II. Weltkrieges verschollenen Figur von Łukowica, die Dutkiewicz auch viel zu spät, in die Zeit 1370–1380, datierte – ibidem, S. 130 mit Abb. auf S. 252. 36 WILLIAMSON, Paul: Gothic Sculpture 1140–1300. New Haven – London 1995, S. 149-150, Abb. 223. 37 SAUERLÄNDER, Willibald: Gotische Skulptur in Frankreich 1140– 1270. München 1970, S. 173, Abb. 275 links. 38 Madonna im Aartsbisschoppelijk Museum in Utrecht, vgl. LEGNER, Anton: Anmerkungen zu einer Chronologie der gotischen Skulptur des 13. und 14. Jahrhunderts im Rhein-Maas-Gebiet. In: Rhein und Maas 1973 (zit. Anm. 11), S. 454, 455f.; Madonna in Hommersum, vgl. DIDIER, Robert: Stehende Maria mit Kind. In: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800–1400. [Ausst. Kat.] Schnütgen-Museum. Köln 1972, S. 367. 39 RADOCSAY, Dénes: A középkori Magyarország faszobrai. Budapest 1967, S. 26; GLATZ 1983 (zit. Anm. 3), S. 23-25. Zu einer solchen Anschauung neigt auch GYALÓKAY 2003 (zit. Anm. 17), S. 20. 40 GRZYBKOWSKI, Andrzej: Architektura polska około 1300 roku. In: Polska około roku 1300 (zit. Anm. 4), S. 197. 41 BARAŃSKI, Marek: Książęta i społeczeństwo wobec zjednoczenia Polski na przełomie XIII i XIV wieku. In: Polska około roku 1300 (zit. Anm. 4), S. 44f., 48f., 52-56.

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