Ročenka 2004 - 2005

Page 49

Romuald Kaczmarek: Kleinpolen – Schlesien – Zips

gleichsbeispiele findet man auch in Italien, und zwar in Madonnenstatuen von Nicola Pisano [Abb. 4], wie z. B. auf Arca di San Domenico (1267) sowie auf der Sieneser Kanzel (1268) und in Werken von Arnolfo di Cambio.11 Angesichts dessen, was oben gesagt worden ist, drängt sich folgende Frage auf: Könnte das Vorhandensein dieser bildhauerischen Arbeiten in zwei 15 km voneinander entfernten Ortschaften, d. h. von Werken, die bestimmt am Ort und aus lokalem Kalkstein gefertigt wurden und beide Beziehungen zur Kunst des späten Duecentos aufweisen, zufällig sein? Ich glaube, dass es möglich wäre, diese auf den ersten Blick stilistisch verschiedenen Skulpturen als Werke einer Werkstatt oder Maestranza zu sehen. Auf welchem Weg aber ist eine solche Gruppe von Bildhauern nach Kleinpolen gekommen? Am ehesten fand dies am Ende der Regierung des Krakauer Herzogs Boleslaus V. (gest. 1279) statt. Dank der Ehe mit Kinga, der Tochter von Bela IV., war er Verbündeter der Arpaden bis er 1273 eine Allianz mit Přemysl Ottokar II. einging. Möglicherweise haben auch die Ordenskontakte der Franziskaner in diesem Fall die Hauptrolle gespielt.12 II Die Zusammenhänge der Zipser Plastik mit der schlesischen hat schon Erich Wiese untersucht. 13

museum Linz. Hg. Lothar SCHULTES – Bernhard PROKISCH. Weitra 2002, S. 256f. Herrn Dr. Lothar Schultes danke ich herzlich für den Hinweis auf die beiden Kataloge. – Mit Nachdruck als Plastik aus dem Kreis des späten Přemysl Ottokars II. sieht die Madonna SUCKALE, Robert: Die rudolfinische Schlichtheit. Auf der Suche nach Spuren der ersten Habsburger in der Skulptur Österreichs. In: DERS.: Das mittelalterliche Bild als Zeitzeuge. Sechs Studien. Berlin 2002, S. 220-222 und SUCKALE 2003, Beiträge (zit. Anm. 1), S. 91f. Die Frühdatierung wurde zuletzt auch wieder von der tschechischen Seite akzeptiert – BARTLOVÁ, Milena – LÁTAL, Hynek – STEHLÍKOVÁ, Dana: (Rez.) Lothar Schultes – Bernhard Prokisch (Hg.), Gotik Schätze: Oberösterreich (Rezension). In: Umění, 52, 2004, S. 89, 91, Anm. 8. 10 CERVINI – TIGLER 1997 (zit. Anm. 3), S. 17-23, vgl. vor allem Abb. 13, 15. 11 MIDDELDORF KOSEGARTEN 1978 (zit. Anm. 6), S. 136, Abb. 24-26. Es gibt auch seltene und ein bißchen andersartige Beispiele im nördlichen Europa, von denen das interessanteste die Madonna aus Tongres/Tongern zu sein scheint. Vgl. DIDIER, Robert: La sculpture mosane de la 2e moitié du XIIIe sie`cle. In: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800–1400. Bd. 2. Berichte, Beiträge und Forschungen zum Themenkreis der Austellung und des Katalogs. Köln 1973, S. 423, 426f. 12 Die polnischen Franziskaner gehörten zur böhmischen Ordensprovinz; der aus Böhmen stammende Franziskaner Bartholomäus stand mit dem Herzog Boleslaus dem Schamhaften im Kontakt, aber auch mit Přemysl Ottokar II., der sich für die Entfaltung des Kultes des hl. Stanislaus engagierte. Vgl. BARCIAK, Antoni: Polityka czeska wobec ziem polskich za panowania ostatnich Przemyślidów i Jana Luksemburskiego. In: Polska około roku 1300 (zit. Anm. 4), S. 233, 235f. 13 WIESE, Erich: Plastik. In: SCHÜRER, Oskar – WIESE, Erich: Deutsche Kunst in der Zips. Brünn – Wien – Leipzig 1938, S. 56-87.

4. Nicola Pisano. Madonna von Siena. 1264–1268. Foto: Archiv des Autors

wandten Motiven steht aber die kleinpolnische Figur wahrscheinlich der norditalienischen Plastik vom Ende des Duecentos näher, wie z.B. der Gruppe der hölzernen Madonnen aus dem Gebiet von Piemont-Aosta.10 Im Aufbau der Wiślicer Figur bemerkt man sehr charakteristische Eigenschaften, insbesondere eine ungewöhnlich niedrige Anbringung des Kindes, das mit beiden Beinen nach vorne sitzt, sowie den Gestus seiner Mutter, die mit ihrer rechten Hand die Füße des Sohnes zugleich hält und unterstützt. Die besten Ver48


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.