Ročenka 2004 - 2005

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Galéria – Ročenka SNG 2004–2005

zeitgenössisch ist, doch mehrere Details im Unklaren lässt. Es geht um einen Briefwechsel von 1504 zwischen Christoph von Utenheim, Bischof von Basel und Wimpfelings innigem Freund,10 sowie dem Chorherrenstift Sankt Paul zu Lyon, zu dem die direkt neben seiner Kirche stehende Laurentiuskirche gehörte, wo Gerson begraben lag. Wimpfeling hat Utenheims Anfrage und die Antwort des Kapitels 1506 in einem schmalen Heft veröffentlicht, zusammen mit mehreren Texten, die sich auf Gerson beziehen: Mit einem Abriss seiner Vita, mit einer brieflichen Aufforderung an das Pariser Navarra-Kolleg, Gersons noch unbekannte Werke aufzusuchen, sowie mit einer längeren Streitschrift Wimpfelings gegen den Erfurter Augustinereremiten Johannes von Paltz, der in seinem Supplementum Coelifodinae einige Aussagen Gersons angefochten hat.11 Der Basler Bischof erkundigte sich nach gewissen Wundern, die bei Gersons Grab geschahen, sowie nach einigen Versen und einem Bild in der Nähe desselben Grabes. Die Fragen und die Antworten ergänzen einander zum folgenden Bild der Ereignisse: Auf Anregung des Karmeliten und späteren königlichen Beichtvaters Laurent Bureau 12 errichtete der französische König Karl VIII. eine Kapelle zur Aufnahme des Grabes von Gerson, die als Zielpunkt von Pilgerfahrten

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2. Wie Abb. 1 – Die Situierung der Tafel an der Rückseite des Altars. Foto: Archív Pamiatkového úradu SR – R. Devoša 2000

kannt gewesen sein soll, zeigt erst der Titelholzschnitt desselben. [Abb. 3] Dieses Bild, an dem der Verfasser im Freien vor dem Gekreuzigten niederkniet, in der Rechten sein Herz hält und die Wörter Sursum corda sagt, war offensichtlich die unmittelbare Vorlage für das Gemälde am Altar des Leutschauer Stadtpfarrers. Obwohl für diese Darstellung Gersons außer dem Leutschauer Bild und dem Straßburger Holzschnitt kein weiteres Beispiel bekannt ist, ist der letztere auch nicht ohne eine kleine Vorgeschichte: Einige seiner Elemente gehen auf eine Darstellung zurück, über welche uns nur eine Quelle zur Verfügung steht, die zwar

Zu ihm immer noch: HERZOG, J[ohann] J[akob]: Christoph von Uttenheim, Bischof von Basel zur Zeit der Reformation. In: Beiträge zur Geschichte Basels. (Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 1.) Basel 1839, S. 33-93. 11 De vita et miraculis Joannis Gerson. Defensio Wymphelingii pro divo Joanne Gerson et clero seculari, qui in libro (cui titulus Supplemento Celifodine) graviter taxati sunt et reprehensi. [Straßburg: Johann Prüß d.Ä., 1506] (VD16 W3480), foll. A3r-A4r. Abgedruckt in Joannis Gersonii doctoris theologi & cancellarii Parisiensis opera omnia … Hg. Lud[ovicus] Ellies DU PIN. Antwerpiae 1706, Bd. 1, S. CLXXI. Wimpfelings Briefe an das Navarra-Kolleg sind herausgegeben in HERDING – MERTENS (Hg.) 1990 (zit. Anm. 6), Nr. 206, S. 544-548. Zu den Auseinandersetzungen zwischen Wimpfeling und Paltz vgl. HAMM, Berndt: Frömmigkeitstheologie am Anfang des 16. Jahrhunderts. Studien zu Johannes von Paltz und seinem Umkreis. (Beiträge zur historischen Theologie, 65.) Tübingen 1982, S. 271, 323; BURGER, Christoph: Aedificatio, fructus, utilitas. Johannes Gerson als Professor der Theologie und Kanzler der Universität Paris. (Beiträge zur historischen Theologie, 70.) Tübingen 1986, S. 177f. 12 Zu seiner Person s. JACKSON-HOLZBERG, Christine: Zwei Literaturgeschichten des Karmelitenordens. Untersuchungen und kritische Edition. (Erlanger Studien, 29.) Erlangen 1981, S. 57-88. Die dort angeführte Literatur ist zu ergänzen mit A. B.: Un humaniste: Laurent Bureau. In: Annales de Bourgogne 27, 1955, S. 125f. (der dort zusammengefasste Aufsatz war mir nicht zugänglich; s. PIVERT, Pierre: Un humaniste bourguignon: le carme Laurent Bureau. In: Bulletin trimestriel de la Société des Sciences historiques et naturelles de Semur-en-Aussois 1954, H. 2, S. 3-8.) sowie mit DE MAULDE-LA-CLAVIÈRE, [René-Alphonse-] M[arie]: Histoire de Louis XII, Première partie. Louis d’Orléans, Bd. 3. Paris 1891, S. 406f., wo die erste bekannte Erwähnung Bureaus in königlichem Dienst von 1498 zitiert wird.

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