Ročenka 2004 - 2005

Page 188

G a l é r i a – R o č e n k a S N G 2 0 0 4 –2005

Die Figuren der Bilder sind auffallend wenig beweglich, die Betonung der Zeichnung steht in krassem Gegensatz zur Zeittendenz. [Abb. 2] Diese Charakteristik weist noch auf das Erbe des Meisters von Matzdorf, auf den Bildern finden wir aber auch ausgesprochen modische Lösungen: kleinere Gegenstände, Goldschmiedewerke, Details der Kleidung, Möbelstücke. Auch ein eindeutiges Interesse an der Perspektive ist zu bemerken – schräg eingestellte, d. h. Tiefe suggerierende Dächer, Landschaftsausschnitte – was früher in der Zipser Malerei kaum bekannt war. Die Körperlichkeit wenig hervorhebende Vortragsweise wurde gewiß von einer nicht unbedeutenden Zahl der Stifter als Eleganz aufgefaßt, was ja der Werkstatt langes Leben und eine große Reihe der Retabeln garantierte. Die oft bemerkbare Verwendung damals gerade modischer Vorlagen, z. B. der Stiche des Meisters E. S.17 und manche malerische Feinheiten, wie die Darstellung der glänzenden Haarsträhne mit parallelen Pinselstrichen haben die Anziehungskraft der Stücke – diesen Altar mit dazugerechnet – gewiß erhöht. Den Maler nannte man seit Genthon „Meister von Smrečany“, die Brüder Kotrba haben aber bei der Restaurierung des Katharinenaltars in Leutschau eine Signatur „ihannes“ gefunden. Seitdem Glatz den Fund veröffentlicht hat,18 wird der Maler Johannes von Leutschau genannt. Györgyi Poszler und Ernő Marosi nehmen diesen Usus nicht an, sie sind geneigt, in der so aufgestellten Gruppe das Produkt einer Werkstatt zu sehen. Sie haben insoweit Recht, daß das allzu große Oeuvre kaum von der Hand eines Einzelnen stammen kann, aber die durch die Restaurierung gefundenen Buchstaben darf man nicht ignorieren. Wir sollten uns also eine schwer begrenzbare, vielleicht mit wechselnden Mitgliedern arbeitende Werkstatt vorstellen, die – wenigstens zeitlang – unter der Führung des Johannes tätig gewesen war. Und die Autorität dieses Leiters war groß genug, um eine auffallend lange dauernde Einheit zu garantieren. Die Aussentafeln gehören nicht in den Wirkungskreis dieser Werkstatt. Die Figuren sind zwar recht schlank, aber ganz anders, weniger puppenhaft geformt, und zeigen einen eindeutig malerischeren Charakter. Ihr Maler war zwar nicht qualitätvoller, aber moderner, als der Hauptmeister. Er hat den neuen Stil angeeignet, den der Maler der Aussentafeln des Hochaltars in Zipser Kapitel in die Gegend eingeführt hat.19 Die Bewegungen der Hände und Körper sind weniger stilisiert, und auch die Landschaftshintergründe haben an Bedeutung gewonnen. Als erster hat er wechselnd hellere und dunklere Flächen gebraucht, um Tiefenillusion zu erwirken. Es steht außer Zweifel, daß diese

Tafeln – obwohl in die ikonographische Komposition des ganzen Altars gut einpassen – eigentlich nicht dem Retabel angehören. Die großen Szenen sind nicht genügend hoch (und die Reihenfolge verwechselt), die Predella aber zu breit, darum mußte sie grob verstümmelt werden: anderthalb Aposteln wurden ganz einfach abgesägt. So konnte es geschehen, daß der Heiland jetzt nicht in der Mitte der Apostelreihe steht. Es ist eine andere, sehr wichtige Frage, ob wir den Bildschnitzer mit dem Maler identifizieren dürfen. Die Ähnlichkeit der Gesichter, der Proportionen, der zurückhaltenden Bewegungen ist verblüffend, sie spricht überzeugend für die Annahme von Radocsay. (Man kann dazu bemerken, daß die Konstruktion des Retabels, besonders die des Gesprenges auffallend flach, wenn man so will, einem Maler passend gestaltet ist.) Solange wir aber keine diese These untermauernde Beweise oder wenigstens überzeugende Analogien haben, können wir die Theorie nicht stichhaltig nennen. Zum Schluß etwas über dem Nachleben, über die Meinung der Bürger des Städtchens nach Jahrhunderten der Aufstellung. Zwischen 1926–1928 ließen sie den zu Ehren des heiligen Einsiedlers Antonius stehenden Altar renovieren, der rechts vom Hochaltar steht.20 Das Gesprenge des erneuerten Retabels zeigt einen ganz dem Marienaltar ähnlichen Aufbau, und auch die flach anmutenden Figuren entsprechen dem dortigen Vorbild. Die schöne Symmetrie hat diese Lösung eindeutig gefördert, wir können aber sicher sein, daß die Bewohner nach so vielen Jahren von dem prächtigen gotischen Retabel sehr beeindruckt waren. János Végh, Művészettörténeti Kutató Intézet MTA, Budapest

17

POSZLER, Györgyi: Kisvárosi és falusi Mária-oltárok. Adatok a szmrecsányi főoltár mesterének működéséhez. In: Annales de la Galerie National Hongroise, 5, 1991, S. 92-107; MAROSI, Ernő: Gótika, in: GALAVICS, Géza – MAROSI, Ernő – MIKÓ, Árpád – WEHLI, Tünde: Magyar művészet a kezdetektől 1800-ig. Budapest 2001, S. 197-198. 18 GLATZ 1975 (zit. Anm. 2), S. 35. 19 Über die Bedeutung der Aussentafeln des Hochaltarretabels in Zipser Kapitel für die Zipser Stilentwicklung VÉGH 2003 (zit. Anm. 2), S. 385-386. 20 GLATZ 2001 (zit. Anm. 1), S. 24; Über das Retabel, ohne das Gesprenge neulich FAJT, Jiří – SUCKALE, Robert: Oltár sv. Antona Pustovníka v Spišskej Sobote, In: BURAN (Hg.) 2003 (zit. Anm. 2), S. 732-733.

187


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.