Ročenka 2004 - 2005

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Galéria – Ročenka SNG 2004–2005

Über den Georgenberger Marienaltar JÁNOS VÉGH

Georgenberg (Spišská Sobota, Szepesszombat) ist eine der nicht großen, doch bedeutenden Zipser Ortschaften: klein, aber vom städtischen Charakter. Ihre Pfarrkirche gehört zu den besterhaltenen der Gegend,1 ihre Bedeutung wird durch schöne Flügelaltäre erhöht, fünf an der Zahl, und ein Hausaltärchen, das ursprünglich vermutlich nicht Teil des Kirchenschmucks war. Im weiteren wird das älteste der Retabel besprochen.2 Schriftliche Quellen stehen nicht zur Verfügung, wenn ja, dann irreführend. Ich meine den Vermerk „1464“ in der leider kaum zuverlässigen Historia domus und einen Brief des Baumeisters Jörg aus demselben Jahre 1464, der seine Dienste den Stadtoberen von Bartfeld anbietet, und dabei erwähnt, er habe den Chor der Kirche zu Georgenberg beendet. Schon Kornél Divald hat aufgrund des Briefes auf die Folgerung gekommen, unser Retabel – das er irrtümlicherweise für den ursprünglichen Hochaltar hält, obwohl die Kirche dem heiligen Georg geweiht ist – sei sofort nach der Beendigung des Chors, also der Historia Domus entsprechend in 1464 oder danach entstanden. Diese Annahme wird bis zu den 1960-er Jahren, ausnahmsweise auch später immer wieder vorgeführt.3 Das Altarretabel ist der Jungfrau Maria gewidmet, und wenn wir das ikonographische Programm näher untersuchen, wird es klar, daß die Zusammenstellung dieser Deutung völlig entspricht. [Abb. 1] Die Hauptfigur ist die „in der Sonne gekleidete“ Mondsichelmadonna, abgeleitet vom apokalyptischen Weib, deren Mandorla aus einem mit Feuerzungen bestückten Wolkenstreifen besteht, gekrönt ist sie aber nicht mit Sternen – wie im 14. Jahrhundert noch allgemein, ab Mitte des 15. Jahrhunderts jedoch immer seltener – sondern mit einer offenen Königinnenkrone.4 So tritt sie in ihrer schönsten und herrlichsten Form vor uns, in ihrer vollen himmlischen Majestät. In der unmittelbaren Nähe der Hauptfigur sind die am meisten geschätzten Mitglieder ihrer Hofhaltung situiert, die vier Märtyrerinnen Dorothea, Margareta, Katharina und Barbara, die zu dieser Zeit die Himmelskönigin so oft umringen, daß sie gemeinsam den Namen quattuor virgines capitales erhalten haben. (Die zwei rechts sind Kopien der nach 1992 von hier gestohlenen Bildwerken.) Sie sind halb so hoch, wie ihre Herrin, so können sie im

denselben Altarschrank übereinander je zwei auf beiden Seiten der Madonna Platz finden: dieser aus Schlesien in die Zips herüberkommende Typ heißt Viereral-

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Die einzige und neueste, leider allzu deskriptive, auf Quellenangaben verzichtende Monographie der Kirche, mit einem ausgesprochenen Interesse an ihren mittelalterlichen Retabeln ist GLATZ, Anton C.: St. Georgs-Kirche in Georgenberg (Spišská Sobota). Košice 2001. Die grundlegende Literatur in zusammenfassenden Werken über den Retabel SCHÜRER, Oskar – WIESE, Erich: Deutsche Kunst in der Zips. Brünn – Wien – Leipzig 1938, S. 66-67, 93, 154-155, 188, Abb. 219-348; RADOCSAY, Dénes: A középkori Magyarország táblaképei. Budapest 1955, S. 129, 445; RADOCSAY, Dénes: A középkori Magyarország faszobrai. Budapest 1966, S. 85-86, 216; HOMOLKA, Jaromír: Gotická plastika na Slovensku. Bratislava 1972, S. 167-168, 399; GLATZ, Anton C.: Doplnky k spišskej tabuľovej maľbe z obdobia 1440–1450. In: Galéria 3. Staré umenie. Zborník SNG. 1975, S. 32-34; GLATZ 2001 (zit. Anm. 1), S. 20-24, Abb. S. 9, 21-23; VÉGH, János: Spišské maliarstvo poslednej tretiny 15. storočia. In: Dejiny slovenského výtvarného umenia – Gotika. Hg. Dušan BURAN. Bratislava 2003, S. 386-388. Zweifel äußert über die Zuverlässigkeit der Historia domus Homolka 1972 (zit. Anm. 2), S. 399; Der Brief des Baumeisters wurde zuerst veröffentlicht von ÁBEL, Jenő: Műtörténeti adatok a 15. és 16. századból. In: Történelmi Tár, 6, 1884, S. 534-535, die uns angehenden Zeilen sind wieder abgedruckt bei SCHÜRER – WIESE 1938 (zit. Anm. 2), S. 154-155; Über Datierungsfragen DIVALD, Kornél: Szepesvármegye művészeti emlékei II. Budapest 1906, S. 46-47; WAGNER, Vladimír: Dejiny výtvarného umenia na Slovensku. Trnava 1930, S. 75. SCHÜRER – WIESE 1938 (zit. Anm. 2) 66-67, 188; GEREVICH, László: A felvidéki szobrászat stílusfejlődése. Budapest 1943, S. 11; WAGNER, Vladimír: Vývin výtvarného umenia na Slovensku. Bratislava 1948, S. 40; RADOCSAY 1966 (zit. Anm. 2), S. 85-86, 216; Súpis pamiatok na Slovensku, zv. 2. Bratislava 1968, S. 518; Die von dem Brief unabhängig arbeitenden nehmen meistens einen späteren Entstehungszeit an, wie KAMPIS, Antal: A középkori faszobrászat Magyarországon. Budapest 1940, S. 32-33, 146, oder datieren ganz unbestimmt, wie ŠOUREK, Karel: Die Kunst in der Slowakei. Prag 1939, S. 60, Abb. 443. Über das apokalyptische Weib: SCHILLER, Gertrude: Ikonographie der christlichen Kunst. Bd. 4,2 Gütersloh, 1980, S. 194, weiters Apokalyptische Frau III. Kunstgeschichte (O. STEINMANN). In: Marienlexikon. Hg. Remigius BÄUMER – Leo SCHEFFCZYK. Bd. 1. St. Ottilien 1988, S. 191-193.


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