Ročenka 2004 - 2005

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Galéria – Ročenka SNG 2004–2005

nicht enthalten sind, findet man verschiedene allegorische Bilder beziehungsweise Weisheiten, zusammengefügt nach einem Baum-Schema. Das erste Bild zeigt die Konkordanztabelle der Todsünden, in der den einzelnen Sünden bestimmte Tiere, Pflanzen, Körperteile, Dämonen und Völker aus dem Alten Testament entsprechen. Diesem folgt der sogenannte „Rat der Vögel“Baum, hier sind auf Spruchbändern, die von Vögeln gehalten werden, Ratschläge zum tugendhaften beziehungsweise zum lasterhaften Leben zu lesen. Die folgenden acht Kapitel lassen sich auf eine Figurae-Sammlung zurückführen, die vom ausgehenden 13. Jahrhundert, vermutlich aus Franziskanerkreisen, stammt und sich im 14. und 15. Jahrhundert in zahlreichen Varianten verbreitet hat. Man kennt sie am ehesten unter der Bezeichnung „Obstgarten des Trostes“ (Vrigier de solas). Dieser Teil des Bilderkatechismus der Concordantiae caritatis besteht aus dem Baum der Zwölf Lebensalter, dem Turm der Tugenden und weiteren Baum-Schemata, in denen man über einundzwanzig gute und einundzwanzig böse Menschen liest, über die Todsünden, die Haupttugenden, die zwölf Sätze des Credo, die sieben Bitten des Vaterunsers, ferner über die acht Seligpreisungen und die sieben Erlösungstaten der Leidensgeschichte.26 Die letzten beiden sind im frühesten Exemplar der Concordantiae caritatis, im Lilienfelder Kodex Hs. 151, vor dem Prolog angebracht. Einzelne Teile des Bilderkatechismus der Concordantiae caritatis lassen sich – wie dies auch am Beispiel des Klosterneuburger Kodex zu beobachten ist – auch unabhängig von den Concordantiae caritatis auffinden. Wir haben Kenntnis über je ein Exemplar der „Etymachia“, des „Soldaten Christi“ und des „Tugendenund Lasterwagens“ in Cod. 1054 der Grazer Universitätsbibliothek und im Cod. C 607 der Uppsalaer Universitätsbibliothek (f. 111v–116v), der Konkordanztabelle der Todsünden und des „Rats der Vögel“ in Kodex Cent VI 43e der Nürnberger Stadtbibliothek, der „Etymachia“ in den Handschriften Clm 7012 der Münchner Bayerischen Staatsbibliothek bzw. Cod. 4913 der Österreichischen Nationalbibliothek, der Konkordanztabelle der Todsünden in einem 1898 in Leipzig versteigerten Kodex und des „Rats der Vögel“ in Cod. XI 37 der Stiftsbibliothek Sankt Florian.27 Die Verbreitung der Gattung des Bilderkatechismus im 14. und 15. Jahrhundert – dabei denke ich nicht nur an die Concordantiae caritatis – hängt gewiss mit dem gestiegenen Anspruch von Laien auf persönlich zu erwerbendes Wissen zusammen. Parallel dazu erhielten die Bilder von katechetischem Thema auch in der monumentalen Kunst, die für ein erheblich breiteres Publikum als die Handschriften bestimmt war, so auch in der Wandmalerei, eine zunehmend bedeutende Rolle. Es sollte hier genügen, auf die einschlägigen Wandbilder der Jakobskirche von Levoča (Leutschau) hinzuweisen.28 Schließlich muss man sich noch die Frage stellen, welche Informationen sich aus dem Bilderkatechismus-Detail in Liebhard Egkenfelders Klosterneuburger

3. Wagen der Laster. Concordantiae caritatis. Budapest, Magyar Piarista Rendtartomány Központi Könyvtára, CX 2, f. 254r (alt 264r). Wien, 1413. Foto: Bibliothek

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SUCKALE, Robert: Untersuchungen zu den Mettener Handschriften (clm 8201 und clm 8201d). Habilitationsschrift. München 1975, S. 59-93; FREEMAN-SANDLER, Lucy: The Psalter of Robert de Lisle in the British Library. London – Oxford – New York – Wiesbaden 1983, S. 23-27; MUNSCHECK 2000 (zit. Anm. 1), S. 101-111. 27 Ibidem, S. 99, Anm. 358; S. 100, Anm. 360, 363; S. 102, Anm. 371; S. 103, Anm. 375. Der Tugenden- und Lasterwagen in der von SCHMIDTKE 1976 (zit. Anm. 1) erwähnten Handschrift 784 der Stiftsbibliothek Klosterneuburg sind mit den Wagen in Egkenfelders Klosterneuburger Handschrift meines Wissens nicht identisch. Über die Uppsalae Hs. Cohne (ohne Identifizierung dieser Texte) in: ANDERSSON-SCHMITT, Margarete – HALLBERG, Håkan – HEDLUND, Monica: Mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Uppsala. [Kat.] Bd. VI. Stockholm 1993, S. 101-106. 28 Dazu: BURAN, Dušan: Studien zur Wandmalerei um 1400 in der Slowakei. Die Pfarrkirche St. Jakob in Leutschau und die Pfarrkirche St. Franziskus Seraphicus in Poniky. Weimar 2002, S. 27-33, 43-70; TOGNER, Milan: Vyvrcholenie sakrálneho monumentálneho maliarstva okolo roku 1400; Cyklus siedmich skutkov milosrdenstva a siedmich smrteľných hriechov. In: BURAN, Dušan (Hg.): Dejiny slovenského výtvarného umenia – Gotika. Bratislava 2003, S. 237-249, 679-680. Ein durchaus nicht ergebnisloser Vergleich der (zwar im 19. Jahrhundert überarbeiteten) Texte auf den Spruchbändern der Propheten des Leutschauer Credo-Zyklus mit den Texten in den Concordantiae

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