Ročenka 2004 - 2005

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Galéria – Ročenka SNG 2004–2005

Dietrich Cammerer in Wiener Neustadt, das vor 1530 von dem in Burghausen (Bayern) tätigen Meister Siegmund Rueder gefertigt wurde.32 Das sich um einen schlanken, am obersten Teil einen Bogen bildenden Stab rankende Blattornament und die charakteristische Nutzung des Bohrers an dem Juncker-Grabstein hat gewisse Ähnlichkeiten mit der fragmentarisch erhaltenen Grabplatte von Friedrich Voyt [Abb. 4] in der Preßburger Pfarrkirche St. Martin (der heutige Dom).33 Auf einem zum 1487 gefertigten Gewölbe gehörenden Schlussstein des Chores kann man dieselbe Helmzier mit der Darstellung eines Bären beobachten, die auf der Platte erscheint.34 Der Marmor und auch die Arbeit sind wahrscheinlich österreichisch. Die Einwirkung von salzburgisch-süddeutschen Darstellungstypen charakterisiert einige bürgerliche Steindenkmäler schon viel früher – in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts –, nicht nur im Westen, sondern auch in der Mitte von Ungarn. Die Übernahme der frühesten, stilisierten Form eines Flügels in der Helmzier in Ungarn spiegelt den Einfluss der Grabplattendarstellungen des Salzachgebietes und der süddeutschen Gebiete (Salzburg, Burghausen, aber auch Niederösterreich) wider. So zeigen zum Beispiel die Grabplatten des Heinricus Paucher († 1373) bzw. des Nicolaus, Sohn des Thomas († 1375), aus dem Dominikanerkloster zu Ofen35 sowie ein fragmentarischer Stein mit der Jahreszahl 1373 aus Stuhlweißenburg36 und ein anderer aus Nagymaros37 (Komitat Pest) – alle aus höchstwahrscheinlich ungarischem Rotmarmor – genauso den schildartigen Flügel wie eine andere Platte mit der Jahreszahl 1388 in Ofen38 aus Travertin des dortigen Burgberges. Die Letztere zeigt dieselbe Abbildung im Wappenschild wie ein Wappenstein auf der Fassade

5. Grabplatte einer unbekannten Hausfrau (oder eines Ehepaares) mit dem Jahreszahl 1481, einst in der Stadtpfarrkirche St. Michael zu Ödenburg (Sopron). Zeichnung von Franz Storno (1879). Planarchiv des Ungarischen Denkmalamtes, Budapest, Inv.-Nr. 5303

frühere – Parallelen: an einigen Schöpfungen des um 1433 bis etwa 1455 mit ziemlicher Sicherheit in Augsburg tätigen, von Volker Liedke nach seinem Hauptwerk als „Meister der Schwangau-Tumba“ bezeichneten Bildschnitzers (ehemalige Tumbadeckplatte für Conrad von Schwangau, † 1437, und seine Gemahlin Margarete, † 1426, Füssen; das Epitaph für Margarete von Freyberg, † 1439, Landsberg a. Lech; das Epitaph für Ursula von Westerstetten, † 1442, Drackenstein) und des von 1459 bis zu seinem Tod 1482 tätigen Meisters Hanns Peurlin des Älteren (Grabplatte für Stephan von Schwangau, † 1465, Bayerniederhofen).31 Eine ähnliche Scharrierung dekoriert den Hintergrund der erhaben gearbeiteten Inschrift auf dem Grabmal von Bischof

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Das Material der Grabplatte konnte bis jetzt leider nicht geologisch untersucht werden. 30 LŐVEI 1991 (zit. Anm. 27), S. 57-58, Abb. 17-18. 31 LIEDKE, Volker: Die Augsburger Sepulkralskulptur der Spätgotik, Teil II. Zum Leben und Werk des „Meisters der SchwangauTumba“ und des Bildschnitzers Hanns Peurlin des Älteren. München 1986, S. 22-24, 27-30, 30-31, 51-54, Abb. 17, 21-22, 24, 40-41. 32 KOHN, Renate: Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Teil 2. Die Inschriften der Stadt Wiener Neustadt (Die Deutschen Inschriften 48). Wien 1998, S. 116-117 (Nr. 169), Abb. 64. 33 Seine fragmentarische Inschrift: Hie ligt begraben der fursichtig weis herr fridrich voyt p... ... 34 HENSZLMANN, Imre: Magyarország csúcs-íves stylű műemlékei II. Győr, Soprony, Pozsony, Sz.-György, Bazin, Modor és NagySzombat. Budapest 1880, S. 154, Abb. 140. 35 ENGEL – LŐVEI – VARGA 1984 (zit. Anm. 4), Abb. 1 und 2. 36 Magyarországi művészet 1300–1470 körül. Hg. Ernő MAROSI. Budapest 1987, I. Teil, S. 461. (Pál LŐVEI – Lívia VARGA); II. Teil, Abb. 621. 37 VARGA – LŐVEI 1990–1992 (zit. Anm. 12), Fig. 16. 38 Ibidem, Fig. 17.

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