Servus in Stadt & Land 12/23 DE

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Advent wie früher

Idyllische Weihnachtsmärkte

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Der Fischer vom Königssee Thomas und die Schwarzreiter

LEBEN DEZEMBER 12/2023 DE 5,50 EUR CH 7,90 CHF ES/IT/LU 5,50 EUR

Magische Weihnachten Von Raunächten und Barbarazweigen

Ein Stamperl Glück Feine Liköre nach alten Rezepten zum Verschenken & Genießen


SERVUS IM DEZEMBER

Wenn das Christkind nicht mehr weit ist Es duftet nach Bratäpfeln und Punsch, Lichterl und Laternen funkeln, alles glänzt und glitzert in den Abendstunden. Bald ist Heiligabend – diese Weihnachtsmärkte stimmen uns besinnlich darauf ein.

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Foto: Huber Images

Am Domplatz. Der Christkindlmarkt vor dem Dom St. Stephan in Passau zählt zu den stimmungsvollsten Weihnachtsmärkten in ganz Bayern. Zur blauen Stunde trifft sich hier die halbe Stadt.

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NATURWISSEN

Magische Weihnachten

Wir zelebrieren sie jedes Jahr mit inniger Vorfreude, weil sie den Zauber der besinnlichen Adventszeit entfachen. Doch woher kommen unsere Weihnachtsbräuche? Und was ist ihre tiefere Bedeutung? Text: Waltraud Hable

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ie Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig ist eine magische Zeit mit Bräuchen und Ritualen, die schon unsere Vorfahren begleitet haben. Manches davon ist älter als das Christentum – zumindest legt das die Kulturforschung nahe: Den Adventskranz, den Tannenbaum oder die Raunächte gab es schon vor Christi Geburt. Es sind Vermächtnisse heidnischer Völker, und sie finden ihren Ursprung in der Feier zur Wintersonnenwende, dem Julfest, das ein wichtiger Wendepunkt im Jahreskreis der Kelten und Altgermanen war. Mit dem 21. Dezember wurde der Sieg des Lichts über die Dunkelheit zelebriert. Man vertrieb mit Feuern die Wintergeister und rief die Sonne ins Leben zurück – ein Gedanke, der noch heute beim Entzünden von Kerzen am Adventskranz mitschwingt. Schon damals schätzten die Menschen Tannenzweige, denn die Tanne, dieser immergrüne Baum, unter dem wir heute unsere Krippen aufstellen, galt als Träger des Lichts und damit als besonderer

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Illustrationen: Andreas Posselt

Schutzbegleiter für diese spezielle Zeit. „Bei den Kelten wurde das Haus mit Tannen- und Fichtengrün geschmückt“, schreibt etwa der im Allgäu lebende Autor und Pflanzenexperte Wolf-Dieter Storl. Vielerorts wurden Julkränze gebunden, die unserem Adventskranz nicht unähnlich waren. Auch die wintergrüne Mistel war für das Julfest eine wichtige Ritualpflanze. Diese durften nur Druiden, die geistigen Führer der Kelten, ernten. GÜNSTIGES OMEN Auf das Julfest folgten im keltisch-germanischen Kulturkreis schließlich zwölf Nächte – die sogenannten Raunächte –, die dem Alpenraum bis heute erhalten sind. Damals wurde in dieser Zeit häufig geräuchert, um Geister und Dämonen zu vertreiben und um die Omen für ein ertragreiches und gesundes Jahr günstig zu stellen. Mit der Verbreitung des Christentums stand beim Räuchern der Charakter des Weihens im Vordergrund. Das gängige

Räucherwerk, das aus heiligen Schutz­ pflanzen wie Beifuß, Salbei und Wacholder bestand, wurde um Weihrauch ergänzt. Das Ende der Raunächte besiegelten bei den Kelten drei gütige Schicksals­göttinnen: Ambeth, Wilbeth und Borbeth. Sie repräsentierten Erd-, Mond- und Sonnenmutter. Die Legende zu diesem Dreigestirn hielt sich bis ins Mittelalter und wurde schließlich im christlichen Glauben von den Heiligen Drei Königen übernommen. Kurz: Wenn wir uns auf die stille, besinnliche Zeit einstimmen, dann können wir dies mit der Gewissheit tun, dass der Weihnachtszeit auch Zauber und Mystik längst vergangener Zeiten innewohnen – die Geschichten von tausenden Jahren schwingen beständig nach und manifestieren sich in den kleinen Details: den Lichtern, den Kränzen, dem Duft der Tanne, der orakelschwangeren Atmosphäre. Aber vor allem geht es – heute wie damals – um die Hoffnung für eine sorgenfreie Zukunft, die uns alle zusammenhält.


DIE SCHÖNSTEN WEIHNACHTSBRÄUCHE Christkindl, Raunacht, Mistelzweig – am Brauchtum rund um den Heiligen Abend hängt unser Herz ganz besonders. Ein Überblick.

Der Adventskranz Der Adventskranz, so wie wir ihn kennen, steckt voller christlicher Symbolik. Der Kreis ohne Anfang und Ende ist ein Zeichen für die Ewigkeit und die Auferstehung Jesu. Das Rot der Kerzen steht für den Geist oder das Blut Christi. Die immer­­ grünen Tannenzweige wiederum symbolisieren das Leben. Der Ursprung des Kranzes geht aber bis zu den Kelten und Alt­germanen und deren Julfeste zur Wintersonnenwende zurück. Schon vor gut 2.000 Jahren wurden Julkränze aus Tannen­zweigen, Efeu, Eibe, Mistel, K ­ iefer und Wacholder gebunden, die Menschen ver­ woben Wünsche für das kommende Jahr darin und schmück­ ten sie mit Kerzen, um die Dunkelheit zu vertreiben. Am Tag der Wintersonnen­wende wurden die Kränze in e­ inem großen Julfeuer den Flammen über­ geben, um die wiederkehrende Sonne zu begrüßen.

Der Mistelzweig Der Mistel werden seit Jahrtausenden ge­ heimnisvolle Kräfte zugeschrieben: Die immer­ grüne Pflanze, die sich den Regeln der Natur zu widersetzen scheint – immerhin bringt sie ihre Bee­ ren rund um die Wintersonnenwende hervor –, soll Gesundheit, Mut, Glück und Fruchtbarkeit bringen. Schon bei den Kelten und Germanen wurden Schutz­ amulette aus Mistel gefertigt, und man brachte Mistel­ zweige über den Türen an, um Hexen und Dämonen fernzuhalten. Der Glaube, dass ein Kuss unter einem Mistelzweig Paaren ewige Liebe bringen soll, entspringt ebenfalls der nordischen Mythologie. Der Legende nach soll der Sohn der germanischen Liebesgöttin Freya durch eine Pfeilspitze aus Mistelholz getötet worden sein. Freyas Tränen drangen in die weißen Beeren der ­Mistel, was wiederum ihren Stammhalter von den Toten zurückholte. Aus Freude darüber küsste sie jeden, der unter Misteln entlangging.

Die Barbarazweige Am 4. Dezember, dem Tag der heiligen Barbara, ist es bis heute Brauch, dass man möglichst schon um Mitternacht einen Kirschzweig von einem Baum schneidet (je nach Region darf es auch ein Zweig vom Apfel, von der Zwetschge, der Apri­ kose, der Hasel­nuss oder der Forsythie sein) und ihn in der warmen Stube ins Wasser stellt. Wenn der Zweig erblüht – und dies tut er mit er­staunlicher Genauigkeit zu Weihnachten –, dann bringt das im kom­ menden Jahr Glück und Segen. In erster Linie bezog sich dieses Glück auf Haus und Hof und ganz besonders auf die zu erwartende Ernte im kommenden Jahr. ­Mancherorts war es früher auch üblich, dass junge Mädchen ihren persönlich abgebrochenen Barbarazweig gewisser­ maßen als Liebesorakel benützten. Dabei achteten sie darauf, einen Zweig mit vielen Knospen auszuwählen und ihn zu ­Beginn eine Nacht lang in warmes Wasser zu legen. Denn im Volksglauben hieß es: Je mehr Blüten zu Weihnachten am Barbarazweig aus­ treiben, ­desto früher wird die Hoch­zeit sein.

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PLÄTZCHENFIGUREN

Zum Reinbeißen süß Sie sind die Botschafter der stillen Zeit, die alle schätzen: selbst gebackene und liebevoll verzierte Weihnachtsfiguren, Engerl, Schneemänner, Winterbäume, Nikoläuse und Stiefel. Rezepte: Alexander Rieder

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Fotos: Ingo Eisenhut


LEBKUCHENSTIEFEL Zutaten für ca. 45 Plätzchen Zeitaufwand: 1½ Stunden plus 12–24 Stunden zum Rasten Für den Teig 250 g Honig 100 g Zucker 15 g echter Vanillezucker 80 g Butterwürfel 350 g Roggenmehl 25 g Lebkuchengewürz ½ TL abgeriebene Orangenschale ½ TL abgeriebene Zitronenschale 1 TL Hirschhornsalz Für die Verzierung 200 g Puderzucker 1 Spritzer Zitronensaft 1 versprudeltes Eiweiß grob gehackte Backpistazien oder Nüsse Garn oder Schleifen zum Aufhängen Zubereitung 1. Honig, Zucker und Vanillezucker in einem kleinen Topf so lange köcheln lassen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Butterwürfel ein­ rühren und lauwarm abkühlen lassen.

6. Teig auf einer bemehlten Fläche ca. 5 mm dick ausrollen und mit ­einem Ausstecher in Stiefel­form ausstechen. Um die Leb­kuchen als Christbaumschmuck zu verwenden, in jedes Stück ein ca. 5 mm großes Loch stechen. 7. Lebkuchen auf ein mit Backpapier belegtes Backblech setzen und im Ofen auf der mittleren Schiene 15–17 Minuten backen. Anschlie­ ßend auf einem Kuchengitter voll­ ständig auskühlen lassen. 8. Puderzucker, Zitronensaft und ­Eiweiß glatt rühren und durch ein feines Sieb passieren. Die Glasur in eine Papiertüte füllen und feine Verzierungen auf die Stiefel zeich­ nen. Mit Pistazien oder Nüssen ­dekorieren und trocknen l­ assen. Garn oder Schleifen durch das Loch fädeln und die Lebkuchen­ stiefel auf den Christbaum hängen.

2. Roggenmehl in einer Schüssel mit Lebkuchengewürz, Zitrusschale und Hirschhornsalz mischen. 3. Den warmen Honig locker unter­ mengen und alles auf einer Arbeits­fläche zu einem glatten Teig verkneten. 4. Lebkuchenteig mit einem nassen Tuch bedecken und im Kühl­ schrank 12–24 Stunden rasten lassen. 5. Das Backrohr auf 170 °C Ober-/ Unterhitze vorheizen.

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LIKÖRE

Ein Stamperl Glück Wer gemütlich beisammensitzt und aufs Christkind wartet, genießt gerne ein süßes Gläschen. Und als Geschenk freut man sich immer über selbst gemachten Kaffee-, Schoko-, Orangen- oder Eierlikör. Rezepte: Alexander Rieder

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Fotos: Ingo Eisenhut


FAMOSER EIERLIKÖR VON DER ZELLER TANTE* Zutaten für 1 Liter Zeitaufwand: 11/2 Stunden

Zubereitung 1. Milch in einem Topf einmal aufkochen.

1 l Milch 300 g Zucker 1 Vanilleschote 9 Eigelb von sehr frischen Bio-Eiern (Größe M) 250 ml Weingeist (96 Vol.-% Alkohol) 1 cl Rum (80 Vol.-% Alkohol)

2. Von der heißen Milch 250 ml in eine Schüssel gießen und lauwarm abkühlen lassen. 3. Vanilleschote längs einschneiden, mit ­Zucker zu den restlichen 750 ml Milch in den Topf geben und bei geringer Hitze 30 Minuten leise köcheln. Dann zugedeckt lauwarm abkühlen lassen. 4. Eigelbe nach und nach mit einem Schneebesen in die 250 ml Milch schlagen.

5. Mit Zucker verkochte Milch, Weingeist und Rum in die Dottermilch rühren. 6. Eierlikör durch ein feines Sieb mithilfe eines Trichters direkt in die sterile Flasche füllen. Zwei Wochen ziehen lassen und an einem dunklen Ort gut verschlossen aufbewahren. *  Das Geheimnis hinter dem Rezept Unser Eierlikör ist ein Familienrezept von Servus-­Koch Alexander Rieder. Es gibt davon nur den handgeschriebenen Zettel der Zeller Tante, der Schwester von Rieders Großmutter, der von Generation zu Generation weiterge­ geben wird. Hier teilen wir erstmals die famose Rezeptur.

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DEKORIEREN

Goldene Weihnacht

Blätter, Bucheckern und Blüten: Die Natur hat die schönsten Schmuckstücke. Getrocknet und in Goldfarbe getaucht, werden sie zum zauberhaften Aufputz im farbenfrohen Gesteck und als zierlicher Kranz. Text: Alice Fernau

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Fotos: Christine Bauer


FESTLICHER SCHIMMER ��

Wer im Herbst Hortensien, Bucheckern, Zapfen, Disteln, Farn und Nüsse gesammelt hat, kann sich glücklich schätzen. Zuerst mit Sprühfarbe ver­ golden, gut trocknen lassen und in Seidenpapier legen. So gut geschützt kann den hübschen Anhängern bis zum Schmücken des Christbaums nichts mehr passieren.

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HANDWERK

Mit Liebe gemacht In der alten Lebzelterei wird noch mit der Hand gewalkt und gerollt, das lässt die Lebkuchen besonders gut schmecken. Vor Weihnachten ist der Trubel in der Backstube groß, da staubt es, dass es eine Freude ist. Text: Wolfgang Wieser

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Fotos: Stefan Knittel


Lebzelterei mit Geschichte Philipp Waldhans hält in Mödling bei Wien die Familientradition hoch. Linke Seite: Varianten des klassischen Lebkuchens – mit Ei oder Zucker bestrichen, mit Mandeln oder Früchten belegt.

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HEIMATLEUCHTEN

Klamme Mauern, warmes Herz

Obwohl es auf der Burg bitterkalt ist, wird im Advent den Besuchern der Festung Hohenwerfen im Salzburger Pongau regelmäßig warm ums Herz. Ein Lokalaugenschein in der Region. Text: Verena Randolf

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Fotos: Sebastian Gabriel & Julia Rotter


Eindrucksvoll Hoch über dem Salzachtal thront seit fast 950 Jahren die stolze mittelalterliche Burg Hohenwerfen.

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