The Red Bulletin AT 06/23

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STEILER TYP

Hard - Enduro -Ass MICHAEL WALKNER und sein Tanz auf dem Erzberg

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ABSEITS
BIKESPECIAL Die Tricks der Profis Das Gear von morgen Die besten Trails … UND LOS!
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Contributors

PAULINE KRÄTZIG

Zur Vorbereitung auf ihr Interview mit Gaming-YouTuberin Jasmin Sibel alias Gnu schaute die Münchner Autorin (u. a. „Neue Zürcher Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“) Videos, in denen Jasmin verlassene Villen putzt und Abenteuer mit Babyalligatoren erlebt. Neben Jasmins Begeisterung für TrashSpiele ging es im Gespräch auch um die harte Arbeit hinter ihren Videos. Ab Seite 52

FRE ISPIEL

KONSTANTIN REYER

Der Wiener Fotograf hat mit Vorliebe Athleten vor seiner Linse – und am allerliebsten seinen fünfjährigen Sohn beim Fahrradfahren. Für The Red Bulletin arbeitet er seit fünf Jahren, zu den Highlights seiner Shootings gehört die Story über die Riesen-Surfwelle in Nazaré, Portugal. Für die Coverstory mit EnduroFahrer Michael Walkner hat sich Konstantin durchs Geröll geschlagen. Ab Seite 60

Zieh ja nicht nach Australien! Erlaub dir ja keine Pausen! Jasmin Sibels Weg als YouTuberin war gepfastert mit guten Ratschlägen. Oder eher mit deren Gegenteil: gut gemeinten. Erst als die ausgebildete Grafkdesignerin beschloss, all diese Tipps zu ignorieren und ihrer Intuition zu folgen, startete sie richtig durch. Heute ist sie bekannt als Gnu –und Deutschlands erfolgreichste Gaming­YouTuberin. Im Interview ab Seite 52 erzählt sie, wie sie online ihren Humor auslebt und Sexisten an die Wand spielt. (Und warum Australien doch eine gute Idee war.)

Von Gnu und Australien zurück zum liebsten Verwechslungsopfer von Letzterem – Austria: Hier, genauer gesagt in Salzburg, trainiert Hard­EnduroAss Michael Walkner für das Red Bull Erzbergrodeo, das er unbedingt gewinnen will. Aber nicht auf die harte Tour – denn Walkner ist der „Dancing Star“ des Motorsports, einer, der bildgewaltig zwischen Gefühl und Geröll tänzelt. Und zwar ab Seite 60.

BARBARA KAUDELKA

Die Schauspielerin („Cop Stories“, „Janus“, „Covert Affairs“, „Der letzte Gipfel“), Sprecherin („Walking on Sunshine“, Hörbücher, Werbespots) und Kolumnistin sammelt alte Schreibmaschinen, liebt Krimis und Bogenschießen. Für uns hat sie den Pop-Art-Künstler FJ Baur in Wien zu einem unterhaltsamen Gespräch über Baurs unangepasstes Leben getroffen. Ab Seite 18

Kleiner Sprung auf Seite 70 – und ab da nur noch große Sprünge: Matthias Appenzeller ist einer der besten Cliff Diver Europas. Und da er auch angehender Staatsanwalt ist, probt er für uns den Absprung im Anzug. Runter im Namen der Republik!

Bis hierher war Alltag – ab hier ist Abenteuer. Die Redaktion

EDITORIAL
THE RED BULLETIN 3 KONSTANTIN REYER (COVER), CEM K

24

Jumps von Brücken, Stunts auf Alcatraz: die besten Bilder vom San-Francisco-Trip des Trial-Asses.

DER BAHN - BRECHER 36

Wie sich der Salzburger Michael Walkner in wenigen Jahren an die Spitze der Hard-Enduro-Welt tänzelte. Und worauf er gierig ist.

NENDA NEURURER 16

Die Wahl-Londonerin aus dem Ötztal rappt gegen Rassismus.

FJ BAUR 18

Wie der Pop-Art-Künstler mit seiner Welt brach, um authentisch zu sein.

PACIFIC FLOATERS 20

Von Kalifornien nach Hawaii rudern? Eine stürmische Challenge.

Der Ausnahmebiker Claudio Caluori baut Radbahnen für benachteiligte Kids – rund um die Welt.

TRAILS FÜR ALLE 44 Drei Mountainbike-Profs verraten ihre

Einer der besten Cliff Diver Europas ermittelt als Staatsanwalt.

INHALT Juni 2023
BIKE-SPECIAL DANNY MACASKILL
DAS GUTE GEAR 48 Bikes & mehr, die Lust
Sommer auf
FEATURE ALLE LIEBEN GNU 52 Die YouTuberin über ihren virtuellen Job – und ihre reale Mission. COVERSTORY RED BULL ERZBERGRODEO 60
persönlichen Lieblingsstrecken.
auf einen
zwei Rädern machen.
FEATURE MATTHIAS APPENZELLER 70
UND JETZT DU! REISEN 77 HÖREN 80 BIOHACKING 82 BIKEN 84 DENKEN 86 KAUFEN 88 ERLEBEN 90 GALLERY 6 ZAHLEN, BITTE! 12 FUNDSTÜCK 14
HEROES
MICHAEL KÖHLMEIERS BOULEVARD DER HELDEN 94 IMPRESSUM 96 CARTOON 98 52 24 4 THE RED BULLETIN DAVE MACKISON, FELIX KRÜGER

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GALLERY

Aldeyjarfoss, Island

RAUSCH DER LEIDENSCHAFT

Der Mann in der ockergelben Nussschale heißt Aniol Serrasolses und liebt den schnellen Abgang: Hier performt der spanische Kajak­Profi auf dem Aldeyjarfoss, einem isländischen Wasser fall. Bekannt ist der Spot für sein schäumend weißes Wasser und seine Basaltsäulen, die an Orgelpfeifen erinnern. Und bekannt ist auch Fotograf David Nogales Tarragó – richtig, für seine Wassersportaufnahmen. Dieses Bild brachte ihm einen Semifinalplatz beim Actionfoto­Bewerb Red Bull Illume. dnogales.com; redbullillume.com

THE RED BULLETIN 7 DAVID NOGALES TARRAGÓ/RED BULL ILLUME DAVYDD CHONG

Paris, Frankreich AUF EIFFEL-TOUR

Im Hintergrund steht stolz ein Wahrzeichen, das die ganze Welt kennt. Im Vordergrund tanzt eine junge Frau, die der Welt zeigt: Ich will noch höher hinaus! B­Girl Swami ist gebürtige Mexikanerin und stimmt sich schon auf das Weltfinale von Red Bull BC One ein, das am 21. Oktober im Stade Roland Garros steigt – und von Red Bull TV übertragen wird. Und ja, Breakerin Swami träumt vom Sieg – auch wenn sie mit beiden Beinen fest im Leben steht. Eigentlich. redbull.com; Instagram: @swami_bgirl

GALLERY

Johannesburg, Südafrika

DREHMOMENTE

Hier dreht sich alles um Autos, die sich drehen. Um sich selbst, so, als würden sie tanzen. „Spinning“ nennt sich der Sport, der seine Wurzeln in Südafrika hat und mit Spinning, wie wir es kennen (Strampelgruppe auf Indoor-Bikes), gar nichts zu tun hat. Bei dem MotorsportContest Red Bull Shay’ iMoto lenkt je ein Mitglied der Zweierteams den Wagen, das andere vollführt Stunts. Hier befeuert Lokalmatador Samkeliso Thubane das Publikum, während sein Partner Gummi gibt. Und durchdreht. Instagram: @samkeliso_samsam

THE RED BULLETIN 9 LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL, TYRONE BRADLEY/RED BULL CONTENT POOL DAVID PESENDORFER
GALLERY

Hale‘iwa, Hawaii, USA DAUERWELLE

Das Leben der Carissa Moore ist eine Dauerwelle – die Hawaiianerin ist fünffache Weltmeisterin im Surfen und die Siegerin bei der Olympia-Premiere ihrer Disziplin 2021 in Tokio. Auf diesem Bild brettert sie soeben zum Sieg bei der diesjährigen Vans Triple Crown, dem wichtigsten Bewerb nach den Weltmeisterschaften. Für Carissa ein absolutes Heimspiel, denn die North Shore der Insel O‘ahu ist ihr bevorzugtes Trainingsrevier. Einen Toast auf die Siegerin! (Im speziellen Fall einen Toast Hawaii.)

redbullcontentpool.com

THE RED BULLETIN 11 TREVOR MORAN/RED BULL CONTENT POOL DAVYDD CHONG

DER TYP SPINNT KOMPLETT

Am 1. Juni startet der junge Spinnenmann Miles Morales in „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ sein zweites AnimationsAbenteuer in unseren Kinos. Hier die animierenden Facts.

13

Jahre alt war der Titelheld Miles Morales, als er 2011 im Comicbuch „Ultimate Fallout #4“ erstmals auftauchte.

240

verschiedene animierte Charaktere werden in „Across the Spider-Verse“ zu sehen sein, 200 mehr als im ersten Teil „Into the Spider-Verse“ (2018).

500.000

Dollar (465.000 Euro) Gage kassiert Shameik Moore, die Stimme des Titelhelden Miles Morales.

3

Männer – Joaquim Dos Santos, Kemp Powers und Justin K. Thompson –führten bei „Across the Spider-Verse“ Regie. Für alle drei ein Debüt.

150

1.000

Mitarbeiter haben die Figuren in „Across the Spider-Verse“ zum Leben erweckt. Im ersten Teil waren es noch 142.

6

verschiedene Universen dienen als Schauplatz von „Across the Spider-Verse“, darunter die Erde im Jahr 2099.

384,3

Millionen Dollar (355,8 Millionen Euro) spielte „Into the Spider-Verse“ ein und wurde damit zum erfolgreichsten Animationsfilm von Sony Pictures.

2

Milliarden Aufrufe hatte der Titelsong „Sunflower“ von Post Malone und Swae Lee aus Teil 1 auf YouTube. Die neue Musik stammt von DJ und Producer Metro Boomin.

2024

kommt das Finale der animierten Trilogie, „Beyond the Spider-Verse“, auf die Leinwand.

1.000.000.000

Millionen Dollar, umgerechnet 138,9 Millionen Euro, soll das Budget von „Across the Spider-Verse“ betragen – 60 Millionen mehr als beim Vorgängerfilm „Into the Spider-Verse“.

Dollar (926 Millionen Euro) zahlt Netflix für die Streamingrechte an Filmen von Sony Pictures aus den Jahren 2022 bis 2026. Dazu zählt auch „Across the Spider-Verse“.

ZAHLEN, BITTE!
12 THE RED BULLETIN GETTY IMAGES (2), SONY PICTURES HANNES KROPIK CLAUDIA MEITERT

SEIN LIEDERMACHER

Der Walkman des Sängers Andreas Gabalier ist 25 Jahre alt –und spielt und spult noch immer.

Riemen gewechselt, Tonkopf gereinigt und entmagnetisiert – eine umfassende Revitalisierung hat er bereits hinter sich, zudem einen neuen Akku, der ihm wieder Kraft gibt: Seit dem Jahr 1998 singt dieser Sony WM-EX 672 Walkman für Andreas Gabalier „a Liad“ nach dem anderen,

ganz oldschool aus dem Radio aufgenommen und auf Audiokassette zusammengemixt. Gekauft hat der Sänger das gute Stück mit dem ersten selbst verdienten Geld, um sich den Schulweg musikalisch zu untermalen. Apropos Freiluft-Musik: Gabalier tourt wieder, Infos: andreas-gabalier.at

Andreas Gabalier brachte sein erstes Magazin auf den Markt. Bestellung: magazinabo.com/ andreas

FUNDSTÜCK
W llkommen in meiner kleinen steilen Welt FÜR BOND, BIENEN BÜGELN Fotoalmum Diemeiner  MEIN MAGAZIN FÜR EUCH! Der Volks-Rock ’n’ Rolle so privat wie nie
GABALIER Andreas
14 THE RED BULLETIN INGO EISENHUT URSULA MACHER

Natürlich erfrischend.

Zutaten aus 100 % natürlicher Herkunft. Einzigartig im Geschmack.

NENDA NEURURER

aus dem Tiroler Ötztal ist Rapperin, Schauspielerin und Filmemacherin.

Drei Berufe, ein Number-one-Hit, eine Berufung: Alltagsrassismus abbauen.

auf Platz eins der FM4-Singlecharts und Ende 2021 sogar an der Spitze der Jahrescharts. „Mir war zu dem Zeitpunkt alles wurscht. Ich hab’s einfach gemacht.“

Und die Mischung macht’s offensichtlich auch in dem Fall: eingängige Beats, englischer Rap, Passagen im Ötztaler Dialekt und scharfsinnige Lyrics darüber, wie (schwierig) es ist, als junge Frau mit dunkler Haut und lockigem Haar in einem kleinen Tiroler Bergdorf aufzuwachsen: „Last time I checked there was no snow in Nigeria. Verstehsch’ du, wo i her bin: Austria“, singt Nenda. Und das trifft einen Nerv: „Dass das auf Anhieb so funktioniert hat, war komplett überwältigend“, sagt Nenda.

Sympathy for the Oachkatzlschwoaf

Instagram:

@nenda.nintendo

„Und, woher bist du?“ – Für viele eine ganz normale Smalltalk-Frage, für Nenda Neururer vielmehr Rechtfertigungsdruck. Speziell dann, wenn sie mit Tiroler Akzent samt ultraharten Konsonanten „Ötztal“ antwortet, und vom Gegenüber mit irritiertem Blick so was folgt wie: „Ach so – aber deine Eltern? Deine Großeltern? Dein Onkel zweiten Grades mütterlicherseits?“

„Die kennen noch nicht einmal meinen Namen und fragen nach meinem halben Stammbaum“, erzählt die 29-Jährige merklich genervt von solchen Begegnungen. Auch wenn sie weiß, dass in den allermeisten Fällen keine böse Absicht dahintersteckt. Doch genau das sei das Problem mit Mikro- und Alltagsrassismen, wie sie erklärt: „Meistens habe ich die Frage ehrlich gesagt schon erwartet. Aber ich bekomme dadurch trotzdem jedes Mal aufs Neue vermittelt: Du bist anders.“

Mittlerweile hat Nenda mehrere Ventile gefunden, um solche Erfahrungen zu verarbeiten. Mehr noch: Sie hat gelernt, ihre vermeintliche Andersartigkeit zu ihrer Stärke zu machen.

„Es war eine Überlebenstaktik, mich doppelt so sehr anzustrengen und andere zu beeindrucken.“ Zum einen durch Musik. „Ich saß früher, schon als ich noch klein war, in meinem Kinderzimmer und habe Texte auswendig gelernt. Insgeheim war ich so gesehen schon immer Rapperin“, sagt sie. Im Corona-Lockdown hat sie dann, eher aus Langeweile, damit angefangen, selbst Songs zu schreiben – und landete mit ihrer ersten Single „Mixed Feelings“ prompt

Ihre noch größere Leidenschaft sei trotz des musikalischen Erfolgs aber die Schauspielerei, wie sie betont. Weshalb es Nenda auch nach der Matura (und einem eher erfolglosen Semester als Chemie- und Russischstudentin an der Uni Innsbruck) in die Showmetropole London zog. Im Beruf der Schauspielerei wird ihr nämlich eine Aufmerksamkeit zuteil, die sie selbst wählt: „Dort liegt der Fokus auf mir wegen meines Könnens, nicht wegen meines Aussehens.“ Etwa am Theater, wo sie unter anderem in der Bühnenfassung von Zadie Smiths „White Teeth“ zu sehen war. Oder vor der Kamera für die SkyMystery-Crime-Serie „The Rising“.

Doch auch die andere Seite der Kamera reizt Nenda: „Ich habe schon die erste Folge für eine Serie geschrieben und ein paar Ideen für verschiedene Filme.“ Dass sie als Regisseurin und Drehbuchautorin durchaus Talent hat, bewies sie Ende 2022: Nach einer Ausschreibung der BBC für deren Kurzflmserie „Found in Translation“ wurde auch Nendas achtminütiges Werk „Oachkatzlschwoaf“ ausgesucht, das sie selbst skriptete, flmte und produzierte. Sie zeigt darin eindringlich, dass kaum ein anderes Wort im bairisch-österreichischen Idiom so einend und gleichzeitig so ausgrenzend ist. Je nachdem, ob man zur Gruppe derjenigen gehört, die es aussprechen können – oder eben nicht. Oder es im Zweifelsfall auch nur so aussieht, als würde man es nicht aussprechen können

Warum Nenda die Arbeit als Regisseurin so reizt, hat ganz konkrete Gründe: „Ich möchte durch sozialkritische Inhalte etwas bewirken. Ich will, dass Menschen sich gesehen und wahrgenommen fühlen.“ Und als Schauspielerin allein könne man das nicht immer steuern, weil andere die Fäden ziehen würden, wie Nenda Neururer erklärt. Und nach kurzer Überlegung voller Überzeugung hinzufügt: „Ich will auch zu den Fädenzieherinnen gehören.“

Nenda Neururer will nicht gezogen werden. Und schon gar nicht am Oachkatzlschwoaf.

HEROES
16 THE RED BULLETIN
TEXT LISA HECHENBERGER FOTO CARLOS BLANCHARD
No snow in Nigeria, verstehsch’ du, wo i her bin: Austria.“
THE RED BULLETIN 17
Nenda Neururer, 29, rappt über den Alltag einer Tirolerin of Colour.

FJ BAUR

ist heute als Pop-Art-Künstler gefragt.

Doch dafür hat er viel gewagt: Um richtig gut zu werden, brach er radikal mit der einzigen Welt, die er kannte.

damaliges Dilemma anklingen. Doch der tief verwurzelte Sicherheitsgedanke steht in krassem Gegensatz zu seinem Wunsch nach Freiheit – zwei Kräfte, die stark an ihm zerren. Und zwar in entgegengesetzte Richtungen. „Ich hatte 18 Jahre lang einen sicheren Job im Eventbereich, ein fxes Einkommen, aber die innere Stimme schrie: ‚Das ist nicht dein Leben!‘“ Zu sehr drängte die Kreativität nach außen, zu groß war die Sehnsucht nach Freiheit: Der Paradiesvogel – er will nicht nach Dienstschluss konfus fattern. Sondern richtig fiegen. Mit dreißig schließlich lässt er die schwäbischen Glaubenssätze hinter sich, zieht aus der Provinz ins kreative Berlin und stellte erste künstlerische Arbeiten aus: „Ich habe mein Zuhause verlassen, ohne zu wissen, wohin es eigentlich geht. Da musste ich mir selbst vertrauen, dass das der richtige Weg ist“, sagt FJ.

Einer schwimmt gegen den Stream

Die nächste Ausstellung von FJ Baur in Wien: von 11. bis 13. September.

Instagram: @fjbaur

FJ sorgte 2021 mit seinen extravaganten Modekreationen bei „Germany’s Next Topmodel“ für Furore und stellt seine poppigen Hybride aus Malerei und textilen Bildobjekten in Kunstmetropolen wie Berlin oder Miami aus. Heute ist der Wahl­Wiener Franz­Josef Baur, kurz FJ genannt, ein echter Paradiesvogel. Aber keiner, der hysterisch fattert und schnattert – sondern lieber in die Tiefe geht. „Ich musste alles aufgeben, um alles zu bekommen“, sagt er.

Aber „alles“, was ist das zunächst? In den Achtzigerjahren wächst FJ Baur auf einem Bauernhof am Rande eines erzkatholischen 800­Seelen­Dorfs in Oberschwaben, BadenWürttemberg, auf. Als Kind schon spürt er, dass er „anders“ ist. „Ich ging im VolksschulFasching als Rotkäppchen, während andere Buben viel lieber Cowboys waren“, blickt Baur zurück und lächelt versonnen. „Es war schon sehr früh mein großer Traum, kreativ zu arbeiten, aber am Land war das damals kaum realisierbar“, sagt er. „Und meine Eltern konnten damit auch nix anfangen.“

Also muss beruflich zunächst „etwas Handfestes“ her, der Teenager Franz­Josef beginnt eine Kochlehre. „Damit war ich drin im Rad der Normalität, obwohl ich immer stärker spürte: Das bin nicht ich.“ Normativität, gesellschaftliche Konventionen – Grenzen, die Baur stets aufbrechen will. Doch es dämmert ihm bald, dass dies für ihn nicht ohne Risiko und Mut möglich sein sollte. „Sicherheit zählt im Schwabenland sehr viel“, lässt er sein

Was nach Künstlerromantik klingt, ist eher Überlebenskampf. Baur erinnert sich nur zu gut an die Frühphase seiner Laufbahn: Da heißt es Klinken putzen, um Projekte zu lancieren, für die er erst einmal Absagen kassiert. Denn: Baurs Kunst war und ist nicht im Mainstream verortet. Und es benötigte Kraft, um gegen den Stream zu schwimmen. Und Baur hat Biss: „Für mich geht’s stets ums Durchhalten. Es ist so simpel, wie es klingt. Glaube an dich selbst, dann werden es auch die anderen tun.“

Er sollte recht behalten. Bald ergeben sich Kooperationen und Ausstellungen im In­ und Ausland, etwa in Miami, wo er regelmäßig auf der Miami Art Week ausstellt. Features in namhaften Magazinen wie „Harper’s Bazaar“ oder der „PhotoVogue“ folgen – sowie Zusammenarbeiten mit US­Mode­Ikone und Transfrau Amanda Lepore und mit der Kunstfgur Conchita Wurst. Auch sie war aus einem kleinen, konservativen Dorf ausgezogen, auf der Suche nach einer Welt, die ihr gefällt

So bunt, verspielt und avantgardistisch FJ Baurs Werke auch wirken, in jedem Exponat fndet die stets gesellschaftskritische Perspektive des Künstlers ihren Ausdruck: „Ich versuche, relevante Themen aufzugreifen, zu adaptieren und neu zugänglich zu machen. Kunst soll im öffentlichen Raum sein, soll berühren. Sie steht für Zeitgeist und Lösungsvorschläge.“

Nicht nur sein Vorname verbindet FranzJosef Baur mit Österreich und dessen imperialer Vergangenheit. Auch seinen Stammsitz samt Atelier hat er mittlerweile hierherverlegt, genauer gesagt in eine Altbauwohnung in der Wiener Innenstadt. „Schon als Kind hab ich immer österreichisches Kinderfernsehen gekuckt und bin mit ‚Am dam des‘ aufgewachsen“, erzählt er lächelnd. „Und ich war total verknallt in Thomas Brezina.“

HEROES
18 THE RED BULLETIN HILDE VAN MAS
„ Die anderen waren die Cowboys –ich das Rotkäppchen.“
THE RED BULLETIN 19
Franz-Josef Baur, 45, über sein frühes Sendungsbewusstsein

PACIFIC FLOATERS

nennen sich zwei Abenteurer

aus Salzburg: Sie rudern von Kalifornien nach Hawaii – geschüttelt, durchnässt, doch von Tag zu Tag gelassener.

motiviert, über sich selbst hinauszuwachsen. Etwas anzupacken, das sie sich vielleicht lange nicht zugetraut haben. Oder sich zunächst ein kleines sportliches Ziel zu stecken, wie etwa mal drei Kilometer langsam zu joggen.“

Für ihre Ozean-Odyssee nehmen die beiden auch den überschaubaren Komfort in Kauf: Ein solarbetriebener Watermaker wandelt Salzwasser in Trinkwasser um, Expedition Food wie Chicken Tikka löffeln Catharina und Wolfgang dann aus dem Sackerl. Die beiden wissen bereits von früheren Unternehmungen, dass der Körper nach Wochen des Verzichts über spezielle Skills verfügt: „Manchmal kann man das Buttercroissant richtig schmecken, wenn man es sich lange genug vorstellt“, sagt Wolfgang. Zu solch imaginierten Delikatessen kommt ein schwer verdaulicher Dauerzustand: Blasen an den Händen, Nervenschmerzen am Gesäß, Sonnenstich bei Tag, Schlaflosigkeit bei Nacht, weil Sturm und Wellen das Boot zu stark schütteln. Die Toilette? Ein Kübel. Und waschen braucht man nichts, auch nicht die Kleidung. Sie trocknet ja sowieso nicht.

Kalt ist das neue Cool

Instagram:

@pacificfloaters

Website:

pacificfloaters.com

Jeder schafft alles, man braucht bloß ein klares Ziel vor Augen und Planken unter den Füßen –zurückrudern ausgeschlossen! Der Salzburger Wolfgang Fankhauser und die aus Hamburg stammende Wahl-Salzburgerin Catharina Streit, die sonst gediegenen Bürojobs nachgehen, regelmäßig sporteln und mittlerweile sogar verschwägert sind, haben beschlossen, mal schnell vom Festland der USA, genauer gesagt vom Hafen in Monterey, Kalifornien, 4444 Kilometer zur Hawaii-Insel Kauai zu rudern.

Im Rahmen des „Pacifc Challenge“ genannten Abenteuers starten am 12. Juni vierzehn Boote mit Zweier- bis Fünferteams. Jedes ist auf sich allein gestellt, jedes könnte irgendwo im Nirgendwo rausgefscht werden, weil Sturm und Wellen das Abenteuer unberechenbar machen – oder einfach die Kräfte schwinden.

In einem sieben Meter langen Ruderboot namens „Frida“ werden Catharina, 36, und Wolfgang, 42, Richtung Hawaii aufbrechen. Ihr Ziel: 24 Stunden pro Tag an sieben Tagen pro Woche rudern – mit alternierenden Ruhephasen –, um nach 40 bis 60 Tagen auf Kauai anzukommen. Aber warum um alles in der Welt rudert man freiwillig eine gefühlte Ewigkeit durchs gefühlte Nichts? Wolfgang: „Es ist ein Abenteuer und eine Herausforderung.“ Und der Meerwert? „Es ist für den guten Zweck. Die Challenge unterstützt Wings for Life und das Raphael Hospiz Salzburg.“ Catharina: „Bereits in der Vorbereitung sehen wir auf Social Media, dass unsere Challenge Menschen

Die erste Woche werde wohl besonders anstrengend, prognostiziert Catharina. „Eine starke Strömung kreuzt unsere Route. Man bekommt also immer Druck und jede Menge Wasser ins Boot.“ Das bedeutet: eine konstante Erfrischung mit 14 Grad kühlem Salzwasser. Unsere „Pacifc Floaters“, wie sich das Duo nennt, lassen sich von den bevorstehenden Strapazen nicht beeindrucken. Beide haben 2019 schon den Atlantik überquert, Wolfgang in einem Solo Row in 57 Tagen, Catharina als Skipperin und Kapitänin mit drei Hamburger Freundinnen in 42 Tagen. Und schon damals galt: „Wir hatten es uns in den Kopf gesetzt und ohne Vorkenntnisse 18 Monate darauf hintrainiert“, sagt Catharina. Und am Ende war es dann eine doppelte Erleichterung – Catharina: „Zunächst im Kopf, weil der Alltag an der Küste bleibt.“ Wolfgang: „Man wird gelassener, Kleinigkeiten stressen einen weniger. Man sieht Situationen im Kontext.“ Und dann tat auch noch die Anstrengung das ihre: Catharina und ihre Teamkolleginnen erreichten Antigua um je sieben bis elf Kilo leichter.

Zusätzlich brachte die Atlantik-Überquerung Catharina und Wolfgang privates Glück. Wolfgang machte am Ziel seiner Freundin Julia einen Heiratsantrag, Catharina verliebte sich in Wolfgangs Bruder Andi. Mit der Unterstützung ihrer Partner haben die „Pacifc Floaters“ ihr Ziel fest vor Augen. Und bis dahin alles, was da so unter und über ihrem Wasserweg liegt: „Delphine, Haie, Wasserschildkröten, den Sternenhimmel und viele, viele Sonnenaufgänge!“ Wer könnte da noch zurückrudern?

HEROES
20 THE RED BULLETIN
TEXT NINA KALTENBÖCK FOTO PHILIPP HORAK
So eine Tour kann richtig erleichternd wirken –um sieben bis elf Kilo.“
THE RED BULLETIN 21
Catharina Streit, hier mit Ruder-Partner Wolfgang Fankhauser, über die Vorteile ihrer Ozean-Odyssee

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BIKE-SPECIAL

ENDLICH WIEDER RAUS: WIR ZEIGEN AUSSERGEWÖHNLICHE PROFIS, SPANNENDE TRAILS UND NEUE AUSRÜSTUNG.

Danny MacAskill trickst sich quer durch San Francisco. S. 24 Claudio Caluori baut Pumptracks auf der ganzen Welt. S. 36 Laura Stigger, Lars Forster und Adrian Guggemos präsentieren ihre liebsten Trails. S. 44 Plus: das Equipment von morgen. S. 48

24 36 44 48
THE RED BULLETIN 23 DAVE MACKISON, GIAN PAUL LOZZA, FALCONER, SEDRUN DISENTIS TOURISMUS SA & ANDERMATT SEDRUN DISENTIS

DAN

FRANCISCO

Trial-Ass Daniel „Danny“ MacAskill, 37, aus Schottland ist Spezialist für unmögliche Bike-Tricks. Doch sein Videoprojekt in San Francisco brachte ihn an seine Grenzen: Es kostete ihn fünf Jahre und eine Kniescheibe. Und dennoch: „Es war jede Träne wert.“

FAHRRADKETTE

„Okay, es ist vielleicht nicht der schwierigste Trick, auf einer klobigen Kette zu fahren, aber es sieht toll aus. Weil wir nur ein knappes Zeitfenster hatten und an der Location viele Touristen unterwegs sind, fuhren wir schon ganz früh hin. Es war auf jeden Fall sehr cool, die Fort-PointKetten sind eine berühmte Sehenswürdigkeit in San Francisco.“

TEXT MARK NOBLE FOTOS DAVE MACKISON
BIKE-SPECIAL 24 THE RED BULLETIN

DIE WUCHT DER SCHLUCHT

„Die Idee des Films war es, die schönsten Orte zu besuchen und unter dem Motto ‚Postkarte aus San Francisco‘ miteinander zu verbinden. Diese berühmte Ansicht von Nob Hill ist eine davon. Aber mein Hauptanliegen war natürlich, die coolsten Bike­Trails zu fahren, die ich finden konnte.“

anny MacAskill war elf Jahre alt, als er vom rechten Weg abkam. Und auch vom linken. Und mit seinem ersten Trial-Bike lieber abseits der Fahrradwege fuhr. Nicht ahnend, dass er 13 Jahre später damit zum Superstar werden würde. Für sein Video „Inspired Bicycles“ verwandelte er 2009 die Stadt Edinburgh in seinen ganz persönlichen Funpark – und schuf einen der ersten BikeClips, auf die das Internet viral abgefahren ist. 39 Millionen Menschen sahen den Film auf YouTube. Das Besondere an dem 37-Jährigen: Der Schotte widersetzt sich den Gesetzen der Schwerkraft und vollführt auf zwei Rädern Kunststücke, die eigentlich unmöglich sind. Mal fährt er auf einer Panzerkanone, ein anderes Mal balanciert er über einen Windmühlenfügel oder fährt auf einem rollenden Heuballen. Geht nicht? Gibt’s nicht für Danny. „Ich möchte in meinen Filmen etwas zeigen, was noch keiner gemacht hat“, sagt der Prof.

Sein aktueller Film heißt „Danny MacAskill: Postcard from San Francisco“. Die Dreharbeiten begannen bereits 2017 – aber am zweiten Drehtag rutschte Danny bei einem Trickversuch aus und brach sich die Kniescheibe. Es dauerte fünf Jahre, bis er vollständig genesen nach Kalifornien zurückkehrte, um zu beenden, was er angefangen hatte.

San Francisco genießt vor allem in der BMX- und Skateboard-Szene einen beinahe mythischen Status, viele legendäre Videos wurden hier aufgenommen. „Ich habe viel Zeit damit verbracht, nach den richtigen Plätzen zu suchen. Mittlerweile kenne ich außerhalb Großbritanniens wohl keine Stadt so gut wie Frisco“, sagt Danny. „Wenn

Dman für alles offen ist, sieht man in jeder Ecke Potenzial.“ Er fertigte eine lange Liste mit möglichen Locations an, und nachdem davon etwa 40 ausgewählt worden waren, beantragte er bei der Stadtverwaltung die Drehgenehmigungen, was sich ziemlich schwierig gestaltete. Einige wurden abgelehnt, andere waren nur für eine begrenzte Zeit und zu ungewöhnlichen Tageszeiten zugänglich.

Die Herausforderung: Die Schauplätze lagen zum Teil weit über die Stadt verstreut. Das Team konnte also nicht mal eben so den Ort wechseln, wenn ein Trick nicht klappte. Danny musste sich zusammenreißen, und das oft vor Schaulustigen. „Wenn man versucht, etwas zu machen, was man noch nie zuvor getan hat, kann man leicht mehrere Tage dafür brauchen, obwohl es am Ende nur zehn Sekunden im fertigen Film sind. Ich hatte nicht berücksichtigt, wie es ist, mit Drehgenehmigungen zu flmen, die einem nur vier Stunden Zeit geben, um einen Trick zu lernen.“

Am Ende steht allen Schwierigkeiten zum Trotz ein großartiger Bike-Film – und eine Liebeserklärung an San Francisco. Danny rutscht, springt und fährt durch die Stadt und zeigt dabei typische Sehenswürdigkeiten von einer neuen Seite. Oder wer hätte bei der Gefängnisinsel Alcatraz je an einen Abenteuerspielplatz gedacht? Eigentlich könnte Danny nach fünf Jahren nun endlich mal das Rad abstellen und die Beine ausschütteln. Aber er beschäftigt sich schon mit neuen Plänen: „ Anstatt darüber nachzudenken, was ich bisher erreicht habe, denke ich an die Dinge, die mir entgangen sind.“

BIKE-SPECIAL THE RED BULLETIN 27
Die schottische Trial­Bike­Legende Danny MacAskill durchkämmte Frisco.
„ An jeder Ecke lauern Möglichkeiten – wenn du für alles offen bist.“
BIKE-SPECIAL 28 THE RED BULLETIN
Danny MacAskill, 37, über die Suche nach der Herausforderung

BRETTSPIEL

„China Beach ist ein unbekannter, aber sehr cooler Teil der Stadt. Der Drop vom Pfeiler war richtig heikel. Ich musste aus zwei Meter Höhe auf diesem dünnen Brett landen. Dabei durfte ich mein Vorderrad nicht senken, sonst wäre ich über den Lenker gekippt und im Holzstapel gelandet.“

BIKE-SPECIAL 30 THE RED BULLETIN

ÜBERBRÜCKUNG

„Die Idee war, dass ich über das Geländer auf den schmalen Brückenträger hüpfe. Das Problem: Die Brüstung war sehr hoch und mein Anlauf extrem kurz. Außerdem konnte ich den Träger nicht sehen. Ich war so angespannt, dass meine Arme gezittert haben. Gar nicht so einfach, den Kopf auszuschalten, während man in knapp acht Meter Höhe auf ein Geländer springt.“

THE RED BULLETIN 31

DER JAIL-TRAIL

„Alcatraz ist ein seltsamer Ort. Man bekommt ein bedrückendes Gefühl, wenn man die Zellen sieht. Gleichzeitig ist es eine Touristenattraktion.

Ich habe viel Zeit auf schottischen Inseln verbracht, auf Verteidigungsanlagen aus beiden Weltkriegen.

In gewisser Weise fühlte es sich hier also an wie zu Hause.“

ZEITENSPRUNG

„Das war im Freizeithof von Alcatraz. Der Trick war simpel: ein Sprung auf die Rail und dann runter in den Hof. Es war schon sehr cool, an diesem geschichtsträchtigen Ort zu fahren. Es gibt einen Clip mit dem Skateboarder Mark ‚The Gonz‘ Gonzales, der auch hier aufgenommen wurde.“

ALARMSTUFE ROT

„An einem so legendären Ort wie Alcatraz wollte ich etwas Cooles machen, nämlich einen Frontflip. Die Stufen waren gerade hoch genug dafür. Aber bei diesem Versuch platzte mir dann das Hinterrad, und ich stürzte auf den Rücken. Zwei Tage später musste ich noch mal kommen, um den Trick zu vollenden.“

BIKE-SPECIAL THE RED BULLETIN 33

BLUMIG IM ABGANG

„Für diesen Frontflip Bonk musste das Team eigens ein kleines Blumenbeet anlegen. Erst visualisierte ich meinen Plan am Notizblock. Ich habe eine Liste von Tricks, die ich alle aufschreibe und mit kleinen Strichmännchen illustriere – denen ich dann nacheifere.“

Der komplette Clip „Danny MacAskill: Postcard from San Francisco“ plus Bonusmaterial zu den Dreharbeiten: redbull.com

BIKE-SPECIAL 34 THE RED BULLETIN

THE NEW EAU DE PARFUM

OCEAN LUNA ROSSA

JAKE GYLLENHAAL
36 THE RED BULLETIN
Schiefe Bahn Claudio Caluori beim Fotoshoot auf seinem Pumptrack in Igis, Graubünden

DER ASPHALTCOWBOY

Mountainbike-Legende Claudio Caluori, 45, zieht um die Welt, um Rad-Bahnen zu bauen. Als Abenteuer für Kids, die sonst wenig zu lachen haben. Und als Beweis dafür, dass man ein wenig schräg sein muss, um wirklich gut zu sein.

TEXT CHRISTOF GERTSCH FOTOS GIAN PAUL LOZZA
BIKE-SPECIAL
„Wenn du eine Idee wirklich umsetzen willst, rechne damit, dass man dich für verrückt hält.“

Pure Freude Caluori, der siebenfache MountainbikeMeister, zeigt noch immer gerne, was er am Fahrrad kann.

EEr weiß ganz genau, was er hier tut. Und du spürst sofort, wie sehr er all das liebt: die Natur, das Radfahren, die Geschwindigkeit, das Erzählen. Er jauchzt und jubelt, er redet schneller, als er fährt und nachdenkt. Man hört den Fahrtwind, das Knirschen der Erde unter den Rädern und das kalte Klatschen der Steine. Kaum je zeigte jemand seine Begeisterung für den Radsport schöner als Claudio.

Wer Claudio Caluori, den siebenfachen Schweizer Mountainbike-Meister, nicht kennen sollte, googelt am besten schnell seinen Namen und klickt dann auf eines der „Course Preview“-Videos aus dem Suchergebnis. Mit seiner Helmkamera rast er da auf dem Mountainbike die Downhill-Strecken hinunter und kommentiert dazu jede Passage, dass es einem vorkommt, als würde man selbst im Sattel sitzen. Vor mehr als zehn Jahren hat Caluori diese Form der Streckenbesichtigung in den Bikesport gebracht und damit schnell Kultstatus erlangt: Die Videos wurden millionenfach geklickt, und Caluori wurde viel bekannter, als er es als Bike-Prof je gewesen war.

Claudio Caluori, 45 Jahre alt, aufgewachsen in Zürich, viel herumgezogen, sesshaft geworden in Chur, ist einer, der sich stets von der Freude, von der Neugier, von der Lust auf Neues leiten lässt. Er hat schon immer mehrere Dinge gleichzeitig ausprobiert und außer der unvermeidlichen Schule nie eine Ausbildung abgeschlossen, sondern sich immer alles selbst beigebracht. Dass er sich also seit einigen Jahren zunehmend auf eine einzige Sache konzentriert – und inzwischen sogar die Streckenbesichtigungen eingestellt hat –, muss also etwas heißen. Aber was?

BIKE-SPECIAL THE RED BULLETIN 39

Im Rahmen seines Projekts „Pump for Peace“ baut Caluori seit 2017 Pumptracks in Regionen, die sich das selbst nicht leisten könnten. Ein Pumptrack – dies kurz zur Erklärung – ist eine Wellen- und Muldenbahn für alles, was Räder, aber keinen Motor hat: Bikes, Roller, Skateboards. Auf einem Pumptrack tritt man nicht, man pumpt. Man kreiert Geschwindigkeit durch das Hochdrücken des Körpers aus der Tiefe. Wer einen Pumptrack beherrscht, kommt in den dazugehörigen Steilwandkurven auf so viel Tempo, dass danach mehrere Wellen auf einmal übersprungen werden können. Und Caluori ist der Pumptrack-Pionier. Vor ihm bestanden Pumptracks aus ein paar dreckigen Erdhügeln, die bei Regen im eigenen Schlamm versanken. Doch dann kam der Asphalt-Cowboy angeritten.

Bergdörfer und Weltstädte

Caluoris kleine Revolution ist das Ergebnis mehrerer Einfälle, die aufeinander aufbauen, einander teilweise widersprechen und von verschiedenen Leuten stammen. Sie nimmt ihren Anfang im Jahr 2009 auf dem Zürichberg, als Caluori einem Freund dabei half, einen Pumptrack zu bauen und mit einem Zementgemisch zu stabilisieren. Das hatte die Stadt so bestellt. Aber Caluori glaubte nicht an die Idee und baute kurz darauf in seinem damaligen Wohnort Jenaz im Prättigau den ersten Pumptrack aus Beton. Es folgten weitere Beton-Pumptracks in Chur, Mendrisio, Pontresina, Zürich. Dann bekam Caluori einen Anruf von Alex Jost, dem damaligen Leiter des Churer Gartenbauamts. Jost fragte: „Warum versuchst du es nicht mit Asphalt?“ Für alle, die nicht im Straßenbau arbeiten: Asphalt ist eine Mischung aus Gesteinskörnungen und dem Bindemittel Bitumen. Der schwarze Gummi entsteht, wenn man dem Erdöl Benzin, Petroleum, Diesel-, Heiz-, Maschinen- und Gasöl entzieht. Was Asphalt nicht ist: Teer. Teer ist krebserregend und im Straßenbau seit Jahrzehnten verboten.

Also Asphalt. Caluori gefel der Vorschlag, weshalb er sich bald darauf im Werkhof eines Bündner Straßenbauunternehmens ans Werk machte. Er baute eine Testkurve, um sie versuchshalber asphaltieren zu lassen: Konnte das klappen, mit Asphalt nicht einfach nur eine ebene Straße herzustellen, sondern eine komplexe Gestalt zu formen, die von einer Bodenwelle in eine konkave Form übergeht und wieder in eine Bodenwelle mündet? Unglaublich, dachte Claudio Caluori, es funktioniert wirklich! Wenig später baute er in Chur den Prototyp des Pumptracks, dessen Weiterentwicklung er seither mehr als 600 Mal überall auf der Welt errichtet hat: in Bergdörfern und Weltstädten, in Urwäldern und an Wüstenrändern.

Asphalt ist robuster und günstiger als Beton. Ein BetonSkatepark kostet schnell ein paar Millionen, einen Asphalt-Pumptrack von Caluori bekommt man ab 200.000 Franken. Das war ein Teil der Revolution: dass ein Pumptrack für weniger Geld zu haben war als ein Skatepark. Plötzlich konnten auch fnanzschwache Ortschaften ihren Jugendlichen etwas bieten. Außerdem hat Asphalt mehr Grip als Beton, man kann sich also auch auf einen Pumptrack wagen, wenn man das Rad bisher nur für die Fahrt ins Schwimmbad benutzt hat.

Der Leiter des Churer Gartenbauamts ist längst pensioniert, aber Caluori meldet sich immer mal wieder bei ihm, um ihm zu erzählen, was seit den Anfängen der Idee, seiner Idee, geschehen ist: Caluoris Firma Velosolutions beschäftigt heute 350 Mit-

Am Anfang war Zement, dann Beton, dann Asphalt. Klingt hart, wurde aber zur sanften Revolution.

arbeitende in 25 Ländern und erwirtschaftet pro Jahr über 27 Millionen Franken Umsatz. In den ersten Jahren kümmerte sich Caluori um alle Baustellen noch selbst, war monatelang weg von zu Hause und den zwei Kindern. Herkömmlichen Baggerfahrern, befand er, fehle das Verständnis für das Zusammenspiel der Wellen und Kurven. „Du musst selbst ein Pumptrack-Fahrer sein, um zu spüren, wie die Piste geformt werden soll“, sagt er.

Inzwischen ist sein Team so groß, dass er andere ehemalige Sportler in die Aufgabe eingearbeitet hat. Doch selbst wenn er wollte, könnte er nicht mehr auf jeder Baustelle sein: Seine Firma setzt inzwischen mehrere Projekte gleichzeitig um. Zudem hat er sich einer neuen Herzenssache angenommen: „Pump for Peace“. Sozusagen die Fortsetzung der Velosolutions-Idee mit anderen Mitteln. Und weniger Mitteln.

Und plötzlich die Gewissensfrage

Alles begann im Jahr 2014 im thailändischen Dorf Aranyaprathet an der Grenze zu Kambodscha. Ein lokaler Politiker hatte bei Caluori einen Pumptrack bestellt, der erste Auftrag außerhalb Europas. Drei Wochen dauerte der Bau. Zusammen mit ein paar Locals trug Caluori den Humus ab und planierte den Boden. Sie brachten den Kies und begannen ihn zu formen. Sie legten eine Drainage, damit das Regenwasser abläuft. Das Team harmonierte, alles lief reibungslos. Aber eine Sache störte.

„Ist das nicht dekadent?“, fragte sich Caluori. Schon seit seiner Ankunft wurde er von den Kindern aus dem Dorf neugierig beobachtet. Sie lebten in Blechhütten, liefen in Stofffetzen herum. „Diese Menschen haben nichts“, dachte Caluori, „warum stellen wir ihnen dann einen Pumptrack hin? Ist der am Ende nur für die Reichen?“ Er schämte sich, hielt sich für einen ignoranten Westler. Was dann geschah, rührt ihn noch heute – fast zehn Jahre später – zu Tränen, wenn er davon erzählt.

Kaum hatten sie nämlich Asphalt über den Kies gelegt, näherten sich von überallher Kinder. Keiner wusste, wie, aber sie alle hatten irgendwo alte Fahrräder aufgetrieben – und innert weniger Minuten verwandelten sie den Pumptrack in ihr kleines Paradies. Auf und ab, pumpend, springend, aber stets vorwärts. Und durch steile Kurven, ein Kick, ein Kitzel, eine Challenge, aber ohne Gefahr. Das Abenteuer Leben, so wie es sein sollte. Als Ablenkung vom ganz alltäglichen Überlebenskampf.

„It’s times like these you learn to live again, it’s times like these you give and give again, it’s times like these you learn to love again“, singt Dave Grohl, Frontman der

BIKE-SPECIAL 40 THE RED BULLETIN DAN GRIFFITHS

Ziba, ein Dorf in Uganda – Caluoris erster „Peace-Track“

2017 baut Caluori (der Mann mit dem weiß-roten Schlapphut) mit seinem Team und Einheimischen den ersten Track seines Projekts „Pump for Peace“: Zunächst wird die Erde abgetragen und der Boden geebnet (Bild 1). Dann wird der Asphalt aufgetragen und die Bahn planiert (2 und 3). Danach testen die Kids den Parcours (4, 5). Bild 6: Mission completed, ein Erinnerungsbild zum Abschied.

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Verkehr verkehrt

Claudio Caluori in der Steilkurve. Manchmal „nur“ waagrecht, manchmal sogar ein bisschen mehr.

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Foo Fighters in „Times Like These“. Leben, lieben. Und die Kids dabei zu unterstützen, sich ihren Optimismus zu erhalten. Und da Caluori ganz nebenbei auch ein ansehnlicher Gitarrist ist, spielt er den Song immer und immer wieder. Irgendwann einmal würde er ihn gerne mit Grohl gemeinsam performen. Und Caluori glaubt an seine Ideen, auch wenn sie hoch gegriffen sind. Und so dachte er, dass das, was in Thailand funktionierte, doch auch möglich sein müsste, wenn nicht irgendein steinreicher Politiker die Baukosten übernimmt. So entstand die „Pump for Peace“­Idee. Aber wer sollte das fnanzieren? Selbst wenn Caluori die Arbeitszeit seiner Crew gratis zur Verfügung stellen würde, bräuchte es jemanden, der das Areal stellt, die Gerätschaft bezahlt, das Material organisiert. Zudem wollte Caluori in Krisenregionen oder in Ländern des Globalen Südens die Einheimischen in den Aufbau des Pumptracks involvieren. Aber wer würde deren Löhne übernehmen?

Drei Jahre nach dem Erlebnis auf der Baustelle in Thailand fand Caluori die Person, die er gesucht hatte: einen Regisseur, der in Lesotho, einem kleinen Königreich im Süden Afrikas, einen BikeFilm drehen wollte und sich den Ex­Prof Caluori für die rollende Hauptrolle wünschte. „Ich kann nicht“, antwortete dieser, gerade auf einer Baustelle in Chile beschäftigt, und die nächsten Pumptracks waren schon bestellt. Doch der Regisseur ließ nicht locker, bis Caluori sagte, er mache mit unter einer Bedingung: dass sich die Reise nach Lesotho mit einem „Pump for Peace“­Projekt verbinden lasse.

„So ein Zufall“, sagte der Regisseur, er wisse da von jemandem, der sich in Lesotho schon lange einen Pumptrack wünsche, nur habe er bisher niemanden gefunden, der sich um den Bau kümmere. Im Jahr 2017 setzte Caluori in Lesotho sein erstes „Pump for Peace“­Projekt um. Seither sind – fnanziert durch Spenden, Sponsoren und Velosolutions selbst – schon 16 weitere entstanden, in Südafrika, Uganda, Ruanda, Kenia, Nepal und Armenien. Im Gespräch sind weitere Tracks in Nepal, Südafrika, Ruanda, Uganda, Kolumbien, Trinidad und Tobago, Äthiopien und im Libanon. Eine Weltrevolution der Asphalt­Cowboys!

Caluori sagt, die Arbeit auf den Baustellen erfülle ihn. „Anderen Menschen mit meiner Arbeit Freude zu bereiten ist für mich etwas vom Schönsten im Leben.“ Sechs Jahre nach dem Anfang sind noch alle „Pump for Peace“­Pumptracks in Be­

Sein großer Traum: eine Jamsession mit Foo Fighter Dave Grohl.

trieb, nur bei einem gibt es Probleme. Es ist ausgerechnet jener in Lesotho. Der Track steht auf dem Gelände einer TouristenLodge, und der neue Pächter will nicht, dass die Jugend aus den umliegenden Dörfern seine Gäste stört. Aber Caluori und seine Crew arbeiten schon an einer Lösung, mit dem Besitzer der Lodge verhandeln sie bereits über deren Kaufpreis.

Instagram: @claudiocaluori

„Wenn du eine Idee umsetzen willst, hab keine Scheu, allen davon zu erzählen, einfach allen“, sagt Claudio Caluori. „Du darfst keine Angst haben, dass dir jemand die Idee streitig macht oder man dich für verrückt erklärt. Ganz egal, wie viele dich für einen Schwätzer halten. Vielleicht dauert es Jahre, aber irgendwann fndest du die Person, die an deine Idee glaubt.“ Selbst wenn die Person Dave Grohl heißt, ein Rockstar ist und gemeinsam mit dem Schweizer AsphaltCowboy „Times Like These“ singen soll.

BIKE-SPECIAL
Guitar Man Caluori spielt oft, gerne und gut Gitarre, manchmal mit der Band Okto Vulgaris.
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IM SATTEL EIN FEST

Von entspannt bis fugtauglich: Drei Mountainbike-Profs empfehlen außergewöhnliche Trails für jeden Bedarf –in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Steile Karriere Laura Stigger gilt als Fixgröße in der CrossCountry­Szene. Uns verrät sie ihre Lieblingstrails.

EINFACH ABHEBEN

1 FÜR KURVENCRACKS

Der Name: SüßKartoffel Trail

Der Ort: Stattegg (Steiermark)

Die Daten: 297 Höhenmeter; 2,7 km

Schwierigkeitsstufe:

● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Diesen Singletrail liebe ich nicht nur, weil ich hier meine ersten Wettkampf-Erfolge feiern konnte, sondern vor allem, weil es eine natürliche Strecke ist, ganzjährig befahrbar und immer in gutem Zustand. Unterwegs reiht sich eine Kurve an die nächste, und auch einige Sprünge sind dabei.

Ein Stück weit führt der Trail sogar über die lokale CrossCountry-Strecke.“

2 FÜR DOWNHILLEXPERTEN

Der Name: Olm Volle Line

Der Ort: Sölden (Tirol)

Die Daten: 367 Höhenmeter; 1,5 km

Schwierigkeitsstufe:

● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Die Olm Volle Line in der Bike Republic in Sölden taugt mir, weil ich gerne ‚A irtime‘ verspüre und an die Grenzen gehen muss, um diesen Trail zu absolvieren. Ich würde für diese Strecke ein Enduro- oder Downhill-Bike vorschlagen, weil einige Hindernisse wie hohe Sprünge, anspruchsvolle Rockgardens und Wallrides auf einen zukommen. Achtung, nichts für Einsteiger!“

3 FÜR JEDERMANN

Der Name: Hangman II

Der Ort: Leogang (Salzburg)

Die Daten: 455 Höhenmeter; 4,2 km

Schwierigkeitsstufe: ● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Der Hangman II im Bikepark Leogang gefällt mir ganz besonders, weil man schnell in einen guten Flow kommt und ihn einfach genießen kann!

Diesen Trail könnte ich mehrmals am Tag fahren, ohne dass mir langweilig wird!

Der Hangman II ist für jeden machbar. Er ist ein Flow-Trail mit Anlieger und möglichen Tables zum Springen. Zudem ist die Aussicht fabelhaf t.“

LAURAS

EXTRA ­TIPP

„Handgelenke, Schultern, Knie und Sprunggelenke besonders gründlich aufwärmen – so beugst du den häufigsten Verletzungen vor. Wenn die Konzentration nachlässt: Leg eine Pause ein.“

Downhill im Flow Die Tirolerin Laura Stigger schätzt den Trail Hangman II in Leogang, Salzburg, und stärkt sich mit selbst gemachtem Bananenbrot.
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Cross-Country-Junioren-Weltmeisterin Laura Stigger, 22, zeigt Trails mit satter Air-Time in Österreich.
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BARTEK WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL, KLEMENS KÖNIG

AUSSICHT VOR ABFAHRT

Mountainbike-Europameister 2021 und Cross-Country-Prof Lars Forster, 29, zeigt Schweizer Trails mit einer Extra-Portion Spaß.

1 FÜR SPASSVÖGEL

Der Name: See-Trail

LARS’ EXTRA­TIPP

„Immer wieder in Ruhe auf einem großen Platz die Grundskills trainieren: das Stillstehen, Hinterrad-Umsetzen und den Bunny Hop, das Hüpfen. Dann ist man im Trail bereit, wenn es drauf ankommt.“

Der Ort: Buchberg / Wangen am Oberen Zürichsee (Schwyz)

Die Daten: 220 Höhenmeter; 1,3 km

Schwierigkeitsstufe: ● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Hier hab ich meine ersten Bike-Erfahrungen gemacht, allein deswegen liegt mir der Trail am Herzen. Man kann den Hügel Buchberg umrunden, der Trail ist neu gemacht worden. Der größte Teil ist bewaldet und hat einen weichen, erdigen Boden mit Wurzeln drin. Es gibt ein paar schöne Kurven und ein paar Sprünge, hier kann man also richtig Spaß haben.“

2 FÜR WELTCUPSIEGER

Der Name: Ninos Gold-Trail by ÖKK

Der Ort: Lenzerheide (Graubünden)

Die Daten: 242 Höhenmeter; 3,7 km

Schwierigkeitsstufe: ● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Für jeden Bike-Fan ein Highlight, schließlich ist Ninos Gold-Trail by ÖKK unsere Weltcupstrecke. Der kleine Aufstieg bei der Gondelstation Rothorn ist der einfache Teil, anschließend braucht es vollste Konzentration, es geht ständig auf und ab. Gefragt sind schnelles Umstellen und eine gute Technik, auch bei den technischen Passagen wie kleinen Sprüngen über Steine.“

Über den Wolken

Was bei allem Spaß am Runterbrettern guttut: eine Pause machen und dabei die Aussicht genießen – hier am Piz Plaun.

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3 FÜR HÖHENJUNKIES

Der Name: Bostg-Trail

Der Ort: Bostg / Piz Plaun Grond (Graubünden)

Die Daten: 550 Höhenmeter; 8 km

Schwierigkeitsstufe: ● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Mit der Gondel geht’s hoch zu diesem Höhentrail, dann noch 200 Höhenmeter volle Kraft, damit man raufkommt. Die Aussicht ist einzigartig. Anschließend auf steinigem Untergrund runter bis zur Waldpassage – technisch anspruchsvoll. Höhenangst sollte man keine haben, es gibt eine Passage über einen schmalen Pfad, wo es auf einer Seite sehr steil runtergeht.“

46 THE RED BULLETIN JONATHAN GOERKE @GPIXLT, SEDRUN DISENTIS TOURISMUS SA & ANDERMATT SEDRUN DISENTIS, KIFFCAT/MARTIN STEFFEN, DAVID SCHULTHEISS

FREIER FALL GEFÄLLIG?

Trial-Motorrad-Prof und E-Mountainbiker Adrian Guggemos, 29, zeigt deutsche Trails, die mal bergauf, mal Richtung Abgrund führen.

1 FÜR SCHWINDELFREIE

Der Name:

Layer Trail (im Stadtwald)

Der Ort: Koblenz (Rheinland-Pfalz)

Die Daten:

138 Höhenmeter; 0,72 km

Schwierigkeitsstufe: ● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„ Alle Trails hier sind durch kurze Anstiege verbunden, runter kannst du es auch mal länger rollen lassen, der Waldboden ist hart und meist trocken. Nicht ohne: der Layer Trail. Die ersten Meter sind steil und führen direkt auf einen drei Meter hohen, senkrecht abfallenden Felsen zu, den sogenannten ‚Freefall‘. Hier sollte man wissen, was man tut. Sonst: umfahren.“

2 FÜR BALANCEKÖNNER

Der Name: Tobis Trail

Der Ort Miltenberg (Bayern)

Die Daten: 144 Höhenmeter; 1,2 km

Schwierigkeitsstufe: ● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Wer ohne E-Bike unterwegs ist, sollte ft sein, damit man beim Start auf 400 Höhenmetern nicht abgekämpft in die Abfahrt geht. Erst ist die Strecke sehr naturbelassen und nicht extrem steil – du gleitest dahin, mit ein paar Sprüngen hier und da. Mein Highlight: ein Abschnitt, in dem sich erhöhte Wege aus Holz durch den Wald schlängeln. Hier ist Nervenstärke gefragt.“

3 FÜR BERGZIEGEN

Der Name: Canadian Trail

Der Ort: Kybfelsen, Freiburg (Baden-Württemberg)

Die Daten:

400 Höhenmeter; 7,73 km

Schwierigkeitsstufe:

● ● ● ● ●

Die Liebeserklärung:

„Mein absoluter Favorit! Hoch geht’s über den ‚Canadian Uphill‘, einen eigens angelegten Bergauf-Trail. Oben liegt der Einstieg im Wald, durch die ersten Kurven musst du weder bremsen noch treten. Einfach rollen lassen! Jetzt wird’s steil und steinig. Hier besser mal absteigen und schauen, wo die Löcher sind, damit du nicht über den Lenker gehst. Gilt auch für die großen Sprünge!“

Mach die Biege Durch die ersten Kurven des „Canadian Trail“ in Freiburg kannst du noch entspannt rollen – dann kommt die Action.

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ADRIANS EXTRA­TIPP

„Ob mit E oder nicht: Trails auf jeden Fall mit Fully fahren, also vorn und hinten gefedert. Wer’s wendiger mag, nimmt 27,5-Zoll-Laufräder, 29-Zöller bringen mehr Laufruhe.“

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BEST BIKES –BEST BUDDIES

Klarer Himmel, sanfte Brise, und dein Rad wird zum Freund. Hier sind die besten Tipps für die Partnerschaft.

TEXT WERNER JESSNER

ALLES IN ERDNUSSBUTTER

YT Industries

Jeffsy Uncaged 8

29-Zoll-All-MountainBike mit individueller Ausstattung: Gabel wie Dämpfer kommen von Cane Creek, die SRAMEagle-Schaltung funktioniert kabellos. Den erdnussbutterfarbenen Rahmen gibt es bis Größe XXL! 5299 Euro, yt-industries.com

DER E - MINI

Husqvarna 12eDrive Es ist nie zu früh, um ordentlich Gas zu geben – gerade wenn ein E-Motor dahintersteckt. Husqvarnas Elektro-Laufrad gibt es in 12 und 16 Zoll, es hat einen robusten Alu-Rahmen und wiegt weniger als 8 Kilo. 844,92 Euro, husqvarna-bicycles.com

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AERO - OPTIK

POC Propel Brille goes Aero: optimierte Form dank Strömungssimulation in der Entwicklung, besonders in Verbindung mit den hauseigenen Helmen. Verstellbare Bügel, drei Nasen-Pads, verschiedene Gläser. 249 Euro, pocsports.com

GENERALISTIN

Salewa Vento Hemp/ DST Shorts W Fürs Biken und Hiken geeignet – dank speziellem Materialmix: Hanf wird mit recycelten Polyester-Garnen verstärkt. Selbstredend: an die weibliche Anatomie angepasster Schnitt. 130 Euro, salewa.com

ALLES IM RAHMEN

Specialized Diverge STR Expert Revolutionäres Konzept: Der ultrasteife Carbon-Rahmen sorgt für direkten Vortrieb, während der Fahrer durch 30 mm Federweg in der Sattelstütze und 20 mm im Vorbau auf ruppigem Terrain ungekannten Komfort genießt. 7500 Euro, specialized.com

ÜBERALL DAHEIM

KTM X-Strada 10 Pro Auf der Straße flott wie ein Rennrad, wegen der fetten, leicht profilierten Reifen auf Schotterstraßen genauso daheim, dank Montagepunkten für Kotschützer und Gepäckträger am neu entwickelten Alu-Rahmen sogar fit für die ganz große Tour. 2599 Euro, ktm-bikes.com

COOL BLEIBEN

Sweet Protection

Falconer 2Vi® Mips

Ideal für heiße Tage: leicht, sicher, stylish, gut belüftet; dank FidlockMagnetverschluss einhändig bedienbares Band. 249 Euro, sweetprotection.com

GIB GUMMI

Leatt Shoe 4.0 Clip Pro

Diese MountainbikeSchuhe zeigen Haltung. Mit einem neuen Sohlengummi namens RideGrip Pro, der noch weicher und klebriger ist. Besser belüftet sind sie auch. 179 Euro, leatt.com

BIKE-SPECIAL
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HOSE FÜRS LEBEN

Norrøna Fjørå Gore-Tex Pro Pants

Extrem strapazierfähig, wasser- und winddicht, genügend Platz, um Knieschützer darunter zu tragen, dazu kluge Details wie innenliegende Handy-Tasche oder Klettverschluss am Knöchel, um der Kette aus dem Weg zu gehen. 599 Euro, norrona.com

CARBON - FIEBER

Malaguti

Superiore LTD-C

Das erste Carbon-E-Bike der österreichischen Firma mit italienischen Wurzeln besticht mit einem 85 Nm starken Bosch-Motor, riesigem 625-Wh-Akku, elektronischer SRAM-Schaltung, Farb-Display und moderaten 23 Kilo. 9899 Euro, malaguti-bicycles.com

WIE DAMALS UND DOCH NEU

Scott Lumen eRide 900 SL Light-E-Bikes mit geringerer Motor-Unterstützung und kleinem Akku bringen das ursprüngliche MountainbikeGefühl zurück. 50 Nm E-Power, Option auf einen externen Akku im Flaschenkorb, sensationelles Gewicht: 15,5 Kilo! 15.999 Euro, scott-sports.com

KOPF -ABENTEUER

Alpina Idol

Die Schale besteht aus pflanzlichen Ölen, die Bänder aus recyceltem Kunststoff, das Innenleben aus wiederverwertetem Garn. SicherheitsPlus: das integrierte Rücklicht. 129,95 Euro, alpina-sports.com

UNDER - STATEMENT

Mons Royale Covert

Lite Crew

Sieht nicht nach klassischer Bike-Wäsche aus: Merinowolle ist leicht, weich, warm, atmungsaktiv und so kuschelig, dass man sie auch im Alltag trägt. 139,95 Euro, monsroyale.com

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EINES FÜR ALLES

GasGas G Trekking 3.0 Zwischen Tour und Stadtverkehr, zwischen Abenteuer und Alltag ist dieses vollgefederte, komplett ausgestattete Trekkingbike angesiedelt. YamahaMotor mit 70 Nm, üppig dimensionierter Akku mit 630 Wh, hydraulische Scheibenbremsen.

4299 Euro, gasgas.com

EIN RACE IM REGEN

Skinfit Val Müstair Touren im Regen haben eine eigene Magie –solange kein Wasser durchdringt. Diese atmungsaktive Jacke kommt mit verschweißten Nähten, verlängertem Rückenteil und enger Kapuze, die unter dem Helm getragen werden kann. 290 Euro, skinfit.eu

> Motorradversicherung

> www.hdi.at/motorrad

SICHER ON TOUR

Kalte Kuchl, Silvretta oder über die Dolomiten zum Gardasee?

BIKE-SPECIAL

WILLKOMMEN GnuTube BEI

Kampferprobt Ihren Durchbruch schaffte Jasmin mit dem ShooterKlassiker „Fortnite“.

Sie zockt Trash-Games, reißt derbe Witze – und zerreißt Sexisten in der Luft. Das Geheimnis von YouTuberin Jasmin Sibel alias Gnu: Sie bleibt immer sie selbst – gerade weil ihr Leben ein unendliches Spiel ist.

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TEXT PAULINE KRÄTZIG FOTOS FELIX KRÜGER

eady, set, go: Jasmin Sibel wird 1989 in Regensburg geboren. Mit sechs fängt sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder an zu zocken. Mit elf gibt sie sich den SpielerNicknamen „Gnu“. In den Nullerjahren wird sie mit der Gaming-Branche erwachsen. 2015 startet sie ihren YouTube-Kanal – und 2018 mit „Fortnite“-Videos durch. Anfang März 2021 knackt Jasmin die EineMillion-Marke bei Abos, ist Deutschlands erfolgreichste Gamerin auf YouTube und „Spielerin des Jahres“ 2021. Heute hat sie drei YouTube-Kanäle. Auf Twitch zählt sie mit über 600.000 Followern zu den größten deutschen Streamerinnen.

Doch was sich abgekürzt wie ein steile, geradlinige Karriere liest, war – wie in jedem Videogame – mit Challenges gespickt. Die Spielwelten wurden dreidimensional, realistischer, komplexer; nur eines blieb lange gleich: Männer waren am Drücker. YouTube war ein heißes Pfaster für eine Frau, die mit Zocken durchstarten und keine Schmink-Tutorials flmen will. Die Herausforderungen gehen aber weit über die virtuelle Welt hinaus. Im Sommer 2022 veröffentlicht Jasmin ein Buch, „eine Art ‚Let’s Play‘ meines Lebens“, wie sie das bezeichnet. Darin schreibt sie sehr persönlich über Schönheitsideale, Sexismus, Selbstliebe und Realitätsfucht. „Du schaffst das nicht“ erreicht die „Spiegel“-Bestsellerliste.

Die selbst ernannte „virtuelle Mama“ füttert ihre Community seit acht Jahren mit weit mehr als 1000 Videos: Gameplays von „Among Us“ bis „Zelda“, garniert mit Cosplays, Vlogs, Comedy, Fitness und Real Talk. Jasmins Gnu-Herde feiert ihre Leitfgur für ihre Offenheit, ihre Ehrlichkeit und vor allem für ihren gnadenlosen Humor. Nur wer ihr dumm kommt, hat ausgezockt. Jasmin hat ihren Platz in der Gaming-Welt gefunden.

Sich mit Jasmin zu unterhalten ist, wie mit einer guten Freundin zu quatschen. Sie ist aufgeschlossen, nahbar, null gekünstelt. Und mit ihr entstehen defnitiv keine peinlichen Gesprächspausen: „Du könntest während des Interviews überfallen werden, und ich würde einfach weiterlabern!“ –Und dann kommt es, dieses typische laute, ansteckende Gnu-Lachen. Und es kommt immer wieder. Und immer lauter.

the red bulletin: Vor kurzem haben dir tausende Menschen dabei zugesehen, wie du Fantasietiere erlegst, ein Spukhaus putzt und als Baby­Alligator Abenteuer erlebst. Wie erklärst du dir selbst den Reiz deiner Videos? jasmin sibel: Für mich waren GamingVideos immer eine Art Laber-Podcast, um runterzukommen – ich habe den Leuten gerne beim Quatschen zugehört. Vor allem geht es aber darum, ein Spiel gemeinsam mit anderen zu erleben, zu genießen, ob als Watcher oder als Player. Ich spiele auch nicht gern allein, ich möchte meinen Spaß oder die Spannung teilen – zusammen ausrasten, wenn endlich mal der Plot Twist in einem Game revealed wird.

Deine Community kommentiert dich vor allem mit lachenden Emojis. Das hoffe ich doch! Ich nehme mich selbst nicht zu ernst und habe gar nichts dagegen, wenn Leute mit mir über mich lachen.

Die beliebtesten Videos auf deinem Hauptkanal haben über zwei Millionen Aufrufe. Im meistgeklickten unterrichtest du eine nicht ganz so helle Schulklasse.

Ich liebe einfach Trash-Games! Ich habe einen sehr speziellen Humor, und ich glaube, der kommt bei diesen Spielen besonders gut zur Geltung.

Zukunft im Blick Schon in der Schule nannte Jasmin als Berufswunsch GamingModeratorin.

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„Ich habe mir selbst radikale Ehrlichkeit verschrieben: Wenn ich mies drauf bin, merkt das im Stream jeder.“

Eine für alle Von aufgedreht bis ausgelaugt: Jasmin hat viele Gesichter – und zeigt sie ihrer Community ungefiltert. Die wiederum ist nicht weniger vielfältig. Knapp 70 Prozent der Follower sind junge Frauen, viele Fans stammen aus der LGBTQIA+ Community. Über Tags wie „Safe Space“ können sie sich während einer Live-Übertragung leicht vernetzen.

Styling: Tim Heyduck / Shotview

Make-up: Natalia Soboleva / Liganord

Top: Diesel via Zalando, Hose: Weekday, Sneakers: Li-Ning

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Am 1. April 2015 hast du dein erstes Video auf YouTube hochgeladen. „Five Nights at Freddy’s“ – ein Horror­Game – bekam 13 Aufrufe. Auf YouTube verdient man pro 1000 Klicks etwa einen Euro. Wann kam bei dir Geld rein?

Nach ungefähr drei Jahren, dank meiner „Fortnite“­Streams. Plötzlich ist mein Kanal explodiert. Ich habe aber erst mal abgewartet und nicht gleich alles andere hingeschmissen. Man sagt nämlich: Wenn der Hype sich ein Jahr hält, kann man davon ausgehen, dass man ein paar Jahre davon leben kann.

Die „virtuelle Mutter“ sagt also auf gut Schwäbisch: „Kind, lern was Gscheit’s!“ Du hast dein Grafk studium beendet. Ich kenne viele Kollegen, die nach zwei Jahren übelstem Hype auf einmal weg vom Fenster waren, aber ihre Ausbildung im dritten Lehrjahr abgebrochen hatten. Deswegen, Leute, setzt nie alles auf eine Karte! Alles, was ich im Grafkdesign gelernt habe, all die Programme und Abläufe, haben mir geholfen, nebenbei online Fuß zu fassen. Und schafft euch einen fnanziellen Puffer!

Sieht halt easy aus: ein bisschen zocken, Kamera draufhalten … Es steckt aber so viel mehr dahinter. Früher war ich Cutterin, Fotografn, Projektplanerin, Social­Media­Managerin, Moderatorin, Regisseurin, Kamerafrau und Aufnahmeleiterin in einem. Heute habe ich ein Team. Aber natürlich muss ich noch regelmäßig uploaden, für manche Videos recherchiere ich wochenlang, zwischendrin geht’s auf Events, dafür brauche ich auch wieder Content, danach muss ich zig Plattformen bespielen – und bei den Videos dann echt aufpassen: Ein kleiner Fehler, wie zum Beispiel einmal das Wort „Sex“ nicht zensiert, kann dafür sorgen, dass YouTube meine Videos als nicht vertrauenswürdig einstuft und entmonetarisiert. Ich arbeite von sechs Uhr morgens bis elf, zwölf Uhr abends. Auch oft am Wochenende. Das muss man wirklich wollen.

Uff.

Es ist schon viel und auch anstrengend, aber ich merk’s manchmal nicht. Wenn ich nicht diesen Job hätte, würde ich nach der Arbeit auch zu Hause zocken. Mein Hobby ist mein Beruf, genau das ist aber manchmal das Problem an der Sache. (Lacht.)

Wie gehst du damit um?

Ich habe mir selbst radikale Ehrlichkeit verschrieben. An manchen Tagen will ich auch nur rumliegen oder merke: Heut geht nix, heut bin ich nicht lustig. Ich erzähle online auch fast alles. Wenn meine Laune

mies ist – das passiert mindestens einmal im Monat –, weiß das jeder im Stream. Ich spiele den Leuten kein Happy Life vor. Und das wissen sie auch zu schätzen.

Immer mehr Menschen wollen in dieses Geschäft. Würdest du es heute wieder versuchen?

Ich würde es jederzeit wieder durchziehen! Das ist ja das Schöne an Plattformen wie YouTube: Man kann sich ständig neu erfnden oder auf Trends aufspringen.

Was ist – neben Durchhaltevermögen –entscheidend für den Erfolg?

Ein Alleinstellungsmerkmal. Du musst deine eigene Persönlichkeit und deinen eigenen Stil fnden. Wenn ich andere nachahme, wirke ich nur wie eine billige Kopie. Man muss sich wohlfühlen, um authentisch zu bleiben, wenn man da stundenlang auf seinem Gaming­Stuhl hockt. Ich bin online und of fline dieselbe Person.

Was macht die Spielerin Gnu aus?

Ich wurde damit bekannt, dass ich immer versuche, Spielen einen anderen Dreh zu geben. Beim Ego­Shooter „Fortnite“ hab ich zum Beispiel angefangen, mich mit den Gegnern anzufreunden. Mein Gegner Eduardo hat sogar mal aus Liebe sein Leben für mich geopfert.

Konntest du schon immer ohne Punkt und Komma reden und kommentieren?

Als ich angefangen habe, war mir das super unangenehm, das merkt man auch in meinen ersten Videos. Aber ich sage immer:

Raus aus der Komfortzone! Fragt euch zwei Dinge, wenn ihr Schiss vor etwas habt: Was kann im schlimmsten Fall passieren? Und wie wahrscheinlich ist der Worst Case?

Traut euch! Ich rede mittlerweile die ganze Zeit mit mir selbst – auch wenn ich allein vor dem Fernseher sitze, voll gruselig! (Lacht.)

Einsamkeit ist ein großes gesellschaftliches Problem, auch unter jungen Menschen. Welche Chancen liegen hier im Digitalen?

Gerade als Gamer ist es sehr einfach, online mit Leuten in Kontakt zu kommen. Das Schöne ist aber, dass sich online und offline nicht ausschließen. Über meine Community entstehen echte Freundschaften. Manche Leute sind schon seit sechs Jahren dabei, die sehe ich auf jeder Gamescom. Meine Community ist auch einer der Gründe, weswegen ich das alles mache. Natürlich verdiene ich auch daran, mir geht es aber darum, etwas zurückzugeben. In einer Zeit, als ich sehr isoliert war, in der es mir schlecht ging, hat YouTube mich abgelenkt und mich aus dem Tief gezogen. Umso mehr Power stecke ich in meine Arbeit, weil ich hoffe, anderen Menschen mit meinen Videos auch auf irgendeine Art zu helfen.

Es gibt auch immer wieder Leute, die dir schreiben: „Dich will keiner mehr sehen.“

Dabei sind meine Klicks gut! (Lacht.) Ich glaube, wir kennen das alle: Hundert liebe Kommentare, einer ist negativ, und an dem hängen wir uns auf. Man muss sich immer bewusst machen: Viele wollen einfach nur provozieren oder sind neidisch.

Dieses Selbstbewusstsein kann man aber nicht einfach wie Skills in einem Spiel freischalten.

THE RED BULLETIN 57
«Figur und Kleidung normal, kein Superbrain in knappem Outft: Ich mag die neue Lara Croft.»
„Ich möchte meinen Spaß teilen – und mit anderen ausrasten.“

Klar, das affectet jeden anders. Viele Kolleginnen machen Pause vom Streamen oder hören ganz auf, weil sie es nicht mehr packen. Es ist nun mal ein Unterschied, ob du of fline oder online ein Café leitest. Wenn es pleitegeht, kann ich im Real Life allen erzählen: „Ich hab’s verkauft, es lief so gut!“ Auf YouTube oder auf Twitch kannst du deine Misserfolge nicht verheimlichen. Ich wurde erst ab dem Moment richtig erfolgreich, als mir egal war, was andere über mich denken.

Wann kam dieser Moment?

Als ich gemerkt habe, dass die meisten Leute mich schauen, weil sie meine Art mögen und meine Einstellung cool fnden. Und eben nicht – was viele mir einreden wollten –, weil ich gut aussehe. Wenn ich in meinen Games oder Streams nicht aufgebrezelt bin, sondern ungeschminkt mit Pickeln dasitze, habe ich dieselbe Zuschauerzahl. Ich kann einfach ich sein – das tut mir sehr, sehr gut. Dank meiner Community habe ich mich gefunden und bin bei mir geblieben: die weirde, laute Frau, die auch im absurdesten Spiel noch irgendeinen Mehrwert fndet und beim Zocken derbe Witze macht. Und der es egal ist, ob irgendwer sie sexy fndet.

Kann man diese Oberfächlichkeit als Frau überhaupt verhindern?

Ehrlich gesagt: Ich könnte sogar mein Gesicht verpixeln, dann würden irgendwelche Idioten halt das über mich schreiben, was ihnen ihre Fantasien so zufüstern. Als ich gemerkt habe, dass ich daran nichts ändern kann, egal, was ich anziehe, war es mir wurscht. Ich blende solche Kommentare mittlerweile aus. Wenn du die Trolle fütterst, kommen nur mehr.

Manche Trolle gehen aber deutlich zu weit.

Dann zeige ich sie an. Oft traut man sich nicht, etwas anzusprechen, aus Angst, umso mehr ins Fadenkreuz zu geraten –oder weil wir denken, wir können nichts ändern. Wenn etwas zu weit geht: Lasst euch nichts gefallen, seid laut und holt euch Unterstützung! Ich habe schon einiges erlebt und verdaut und bin jetzt an einem Punkt, wo ich mich freiwillig ins Fadenkreuz schmeiße.

In einem Video, das du vor kurzem auf Reddit hochgeladen hast, machen du und vier Meinungsblogger krassen sexistischen Entgleisungen eine Ansage. Auf der Messaging-Plattform Discord war schlimmes Material zu fnden, unter anderem Deep-Fake-Pornos mit mir. Eine Hacktivistin schickt dem LKA fast täglich weitere Täter mit Daten. Mittlerweile ist die Zahl zweistellig. Wir haben ein richtiges Wespennest ausgehoben. Natürlich haben alle versucht, sich zu löschen. Zu spät!

Wie waren die Reaktionen?

Sehr positiv. Ich wusste auch gar nicht, dass viele das Thema Deep Fake nicht auf dem Schirm hatten. Mir haben so viele Creatorinnen geschrieben und gedankt, auch Creators, deren Freundin das belastet. Sind die Charaktere in Spielen heute diverser oder immer noch ein Haufen Klischees?

Eindeutig vielfältiger. Die neue Lara Croft mag ich, weil sie sehr nahbar ist – ängstlich, panisch, normale Kleidung, normale Figur, nicht das Superbrain, das mit Körbchengröße Doppel-E in knappem Outft durch den Dschungel hüpft. Super Entwicklung. In „The Last of Us“ steht die Hauptdarstellerin auf Frauen. Mir ist aber ehrlich gesagt komplett egal, auf wen oder was meine Spielfgur steht, Hauptsache, es wird mir eine gute, realistische Story geboten.

Was macht dir Hoffnung für die Zukunft?

Zum Beispiel wie wir Frauen uns organisieren: In der WhatsApp-Gruppe „Women in Gaming“ sind fast alle Frauen aus der Gaming-Branche, von Creatorinnen bis Publisherinnen. Dass alle mehr Rücksicht nehmen, aufeinander achten, nicht mehr alles durchgehen lassen – dieser Zusammenhalt macht mir Hoffnung, dass die Industrie noch kunterbunter wird. Ich sag ja immer: Gaming ist für alle da. Und bald haben’s auch alle gecheckt. youtube.com/@gnu

twitch.com/gnu_live
Gnu in Aktion Ein Behind-theScenes-Video vom Shooting in Berlin. Ein Interview, in dem Jasmin nur mit Gesten antwortet. Hier findest du Extra-Content:
THE RED BULLETIN 59
„Ab dem Moment, in dem mir egal war, was andere von mir denken, wurde ich erfolgreich.“

Saubere Leistung

Michael Walkner auf seiner GasGas

EC 300 beim Training in einem Steinbruch nahe Krispl, Salzburg

60 THE RED BULLETIN

DIRTY DANCING

TEXT WERNER JESSNER FOTOS KONSTANTIN REYER

Nur eines wollte Rupert „Rupi“ Walkner, Sieger des Motocross-WM-Laufs in Schwanenstadt im Jahr 1996, nie: dass seine Söhne Thomas, geboren im Jahr von Ruperts größtem sportlichen Erfolg, oder dessen Bruder Michael, 16 Monate jünger, auch Motocrosser werden. Nun gut, Kinder-Mopeds gehörten im Hause Walkner von Beginn an zum guten, etwas rauen Ton, immerhin wurde Rupi nach Karriereende Testfahrer bei KTM und blieb seinem Sport so erhalten. Und dennoch, er, der zwar deutscher, aber nie österreichischer Motocross-Meister war, befand Trial-Motorräder, die entfernt an BMX-Räder erinnern, einfach für sicherer – zumal es beim Trial rein um artistisches Geschick im eng abgesteckten Gelände geht, nicht um Geschwindigkeit. Doch der Plan des Vaters ging nicht auf. Sohn Michael wollte irgendwann mehr, nämlich Hard Enduro – und das ist Trial plus Tempo, plus extremes Gelände, plus Läufe, die sich auf mehrere Stunden erstrecken können. „Ich fand das Red Bull Erzbergrodeo schon als Jugendlicher richtig geil“, erinnert sich Michael an sein prägendes Sport-Event, „denn das ist Enduro in Reinkultur. Meine Lieblingsszene: als der Brite Jonny Walker einen Graben einfach übersprang, in dem sich alle abmühten.“

Bis zur Reifeprüfung bestand Michael Walkners einzige Enduro-Erfahrung aus den jährlichen Fa -

milienausfügen in unsanftes Gelände, meist nach Italien. Doch unmittelbar vor der Matura, 2016, bat er seine Lehrer, ihn bei den Prüfungen in die PolePosition vorzureihen, um bereits einen Tag danach zum ersten Mal beim Red Bull Erzbergrodeo an den Start zu gehen. Schulisch und körperlich ft war er, immerhin ist Mutter Walkner Lehrerin für Sport und Mathematik. Und auf dem Weg zum Race erlebte der frisch gebackene Maturant aus Krispl im Salzburger Tennengau einen jener Momente, die ihm bis heute, mit 25, unvergesslich sind: „Wenn du zum ersten Mal den Erzberg über der Straße auftauchen siehst.“ Der zweite Gänsehaut-Moment ohne Ablaufdatum: „Die Atmosphäre im Fahrerlager – die Hubschrauber, die Party, die Motoren, es geht voll ab.“

Eine Premiere im Stau

Michaels erster Auftritt in Eisenerz war der eines blutigen Amateurs. Kaum Vorbereitung, Qualifkation für die fünften Startreihe: „Wenn du nicht in den ersten zwei, drei Reihen losfährst, kannst du eigentlich gleich wieder einpacken. Du hast keine Chance aufs Ziel, weil du nur im Stau stehst. Ich wollte das damals nicht wahrhaben, aber es ist wirklich genau so: Da hinten wartest du nur auf den Moment, in dem die Sirene nach den vier Stunden Renndauer das Ende anzeigt und du ins Fahrerlager rollen kannst.“ Das liegt daran, dass die Auffahrten beim härtesten Hard-Enduro-Bewerb der Welt durch Scheiternde, Versuchende und Kämpfende heillos verstopft sind und es keine Chance auf eine freie Spur im nahezu unbefahrbaren Gelände gibt. Vergangenes Jahr in Reihe eins gestartet, passierte Michael die Stelle, an der er bei der Premiere aufgeben musste, bereits nach einer Viertelstunde.

Egal, nach der Premiere am Erzberg reifte im Hause Walkner der Entschluss, die Sache „g’scheit oder gar nicht“ anzugehen. Letztendlich wurde es Variante eins, denn Papa Rupi erkannte Michaels Potenzial – ganz durch die scharfe Expertenbrille, nicht den verklärenden Vaterblick. Wobei: Die Liebe zum Motorrad war spätestens seit jenem Sommer, in dem Michi auch ein Ferialpraktikum bei KTM, Abteilung Motoren-Entwicklung, absolvierte, ohnehin nicht mehr wegzuleugnen. Bruder Thomas hatte da ebenfalls bereits zur übergeordneten Pierer Mobility Group gefunden und ist inzwischen als Techniker stiller Co-Pilot seines Bruders. Jedenfalls fel die Entscheidung im Familienrat, Michael trotz seiner vergleichsweise reifen 19 Jahre eine

Michael Walkner tanzt zwischen Gefühl und Geröll – so leidenschaftlich, dass er zu essen und trinken vergisst. Gierig ist er nur auf einen Sieg beim Red Bull Erzbergrodeo, dem härtesten Eintages-Enduro-Rennen der Welt.
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Früh sozialisiert. Walkner am Mini-Motocross-Moped seiner Kindheit

Locker bleiben Walkner will seine äußere Gelassenheit nach innen übertragen – was nicht immer gelingt. Aber immer öfter.

Chance auf die Prof-Karriere zu ermöglichen: „Ein Studium hätte mich zwar gereizt, aber ich wollte mir die Gelegenheit, mich ein paar Jahre lang exklusiv auf den Sport konzentrieren zu können, nicht entgehen lassen.“

Man macht sich wenig Vorstellungen davon, was es bedeutet, Hard Enduro „g’scheit“ zu betreiben. In der Regel trainiert Walkner zwei Tage pro Woche mit dem Enduro-Bike im Gelände in Italien, da sind die Bedingungen ungleich besser als im reglementierten Österreich. An den Tagen daheim fährt er Trial auf einem benachbarten Gelände und arbeitet an der generellen Fitness: Kraft, Ausdauer. Rund zehn Stunden klassisches körperliches Training kommen da pro Woche zusammen. Bei 20 Stunden körperlicher Betätigung wird die Regeneration beinahe so wichtig wie das eigentliche Training: „ Als Prof wird dein Tag ganz schön kurz“, sagt Walkner.

Ein einprägsames Familienbild

Doch er wusste, worauf er sich einlässt, sein familiäres Umfeld bot ihm nachhaltige Impressionen: Vater Ex-Motocross-Prof, Matthias Walkner DakarSieger, Tüftler, ehrgeizig bis zum Abwinken, zudem dessen Schwester Eva Ski-Freeride-Weltmeisterin. Wie sie verwandt sind? „Cousins zweiten Grades oder so.“ Trial-Staatsmeister Bernhard Walkner, der ebenso aus dem Tennengau stammt, ist übrigens nicht mit Michael verwandt – und war doch ebenso Inspirationsquelle wie Beinahe-Nachbar und SkiIkone Marcel Hirscher: „Dank ihnen allen wusste ich, was mich erwartet. Mich hat der Einsatz, der im Spitzensport notwendig ist, nie geschreckt. Aber vor allem mein Vater hat mir den Weg an die Spitze mit seiner Erfahrung enorm abgekürzt.“

Ein Erfolgsfaktor, den ein Außenstehender leicht unterschätzt, ist das technische Verständnis, das für Hard-Enduro-Bewerbe wie das Red Bull Erzbergrodeo unverzichtbar ist. Die Zeiten, als man sich mit einem Serien-Bike an den Start stellen und auf eine Podiumsplatzierung hoffen konnte, sind längst verfogen. Ein Motorrad perfekt abzustimmen hat bei aller Professionalität weniger mit Messbarkeit zu tun, als man meinen möchte. Sehr oft entscheidet das Bauchgefühl, und da kommt Rupi Walkners unendliche Expertise ins Spiel. Dreht man an einer Schraube, muss man in der Regel auch drei andere justieren, um das Ergebnis zu harmonisieren.

Technisches Vorwissen ist also eine Grundvoraussetzung für den Erfolg, aber längst nicht die einzige: „Ob ich mit der einen oder anderen Ein-

stellung einen Steilhang schaffe oder nicht, muss nicht ausschließlich am Bike liegen. Es kann ein loser Stein sein, der mich mit dem eigentlich besseren Set-up scheitern lässt. Das gilt auch für gestoppte Zeiten: Einmal liegt der entscheidende Stein im Weg, einmal nicht.“ Es geht dabei um Fahrwerk und Geometrie, aber auch um das Tuning des Motors, das sogenannte Mapping: Für jeden Millimeter, den man am Gashebel dreht, kann man der Elektronik präzise vorschreiben, wie viel Sprit die Einspritzung bekommt, wie viel Leistung man abrufen will. Das ergibt eine Million Punkte oder mehr auf einer virtuellen Drehzahlkurve, eine Million Möglichkeiten, sich zu vertun – ein Mix zwischen Lotto und Toto.

Und genau hier kommt nun Bruder Thomas ins Spiel, der Motorentechniker in der Motorsport-Abteilung der Pierer Mobility Group und selbst guter Enduro-Fahrer, „aber alles andere als ein Rennfahrer“, lacht Vater Rupi. Dank Thomas hat sein Bruder Michael stets früh Zugriff auf neue Entwicklungen. Beim Testen ergänzen sich die drei Walkners perfekt: Rupi, inzwischen für E-Motorräder bei KTM zuständig, bringt die Erfahrung, Thomas die Technik und Michi den Speed: die Familie als perfekte Kleineinheit, die losgelöst von den anderen Testfahrern des Konzerns funktioniert, dazu immer wieder Tipps vom Dakar-Champ Matthias „Hiasi“ Walkner: „Es gibt wahrscheinlich kaum Fahrer, die solche Materialtüftler sind wie er und ich. Auch mental kann ich mir von Hiasi viel abschauen: Er ist immer so unfassbar motiviert: ‚Heute ist der Tag des Donners‘, hat er mir vor dem entscheidenden Tag bei den Red Bull Romaniacs (mehrtägiges Enduro ­Rennen in Rumänien; Anm.) mit auf den Weg gegeben.“ Das Ergebnis: Platz fünf, trotz Fußverletzung nur knapp an einem Podiumsplatz vorbei. Immerhin ein verhaltener Donner. Ganz im Unterschied zu jenem Hiasis.

Brutaler Speed, spielerische Balance

Es gibt nämlich unterschiedliche Arten des Schnellseins im Gelände, entweder die brutale von Hiasi oder jene von Michael: leicht, fast spielerisch tänzelnd. Elegant, niemals mit der Brechstange, immer in Balance. Ein Verdienst der Jugend auf dem Trial-Bike. Diese Beobachtung hat auch Marcel Hirscher gemacht, als er mit Michael im Vorjahr gemeinsam für den Erzberg trainierte: „Michi fährt die ärgsten Steilhänge beinahe mit Standgas rauf.“ Volle Absicht, erklärt dieser: „Kommst du schon am

MARCEL HIRSCHER, WALKNERS TRAININGS - PARTNER 64 THE RED BULLETIN
„Der Michi bewältigt die ärgsten Steilhänge – fast im Standgas.“

Wheelie Aufbäumen vor dem Abgrund – für Beobachter großes Drama, für Walkner eine leichte Übung

letzten Zacken an Schlüsselstellen, hast du kaum mehr die Chance, das Motorrad zu beschleunigen, um das Hindernis zu überwinden. Und es hat einen zweiten Effekt: Ist das Motorrad unter dir ruhig, färbt das auch auf den Fahrer ab.“ Und genau das braucht Michael Walkner dringend. Denn sucht man einen Riss in seiner Rüstung, so sind es die Nerven. „Ich bin am Start wahnsinnig nervös, ganz egal ob es sich um ein kleines lokales Rennen handelt oder um das Red Bull Erzbergrodeo.“

Im vergangenen Jahr hätte Michael am Erzberg gewinnen können – bis ihn in der gefürchteten Sektion „Carl’s Diner“ komplett die Kräfte verließen. Der Grund dafür war ein ganz banaler Anfängerfehler: „Ich hatte in meiner Nervosität und im Rennfeber schlicht zu trinken vergessen und war nach einer Stunde Fahrzeit dehydrier t.“ Wobei Walkner die eigene Nervosität immer wieder schon vor dem Start überholte: „Ich konnte oft nicht mehr klar denken, Fragen nicht mehr sinnvoll beantworten. Es war echt nicht lustig. Mir war körperlich übel. Schlimmer noch als früher vor Prüfungen in der Schule.“ Ein Punkt, an dem er arbeitet: „Inzwischen schaffe ich es, selbst an Renntagen vernünftig zu frühstücken, selbst wenn ich mich dazu zwingen muss.“ Die Ernährungsberater im Red Bull Athlete Performance Center in Thalgau waren ihm diesbezüglich eine große Hilfe, wie er sagt.

Benzinbruder mit Kinderstube

Und ja, dieser Michael Walkner hat auch ein EgoProblem – er ist zu wenig ich­zentriert, wenn es gilt! „Es ist total komisch: Du besichtigst mit den anderen Fahrern die Strecke, hast eine Gaudi, und dann sollst du gegen sie fahren und voll die Ellbogen ausfahren. Ich müsste viel egoistischer sein. Generell will ich immer, dass es allen gut geht. Es kann

passieren, dass ich im Fahrerlager meinem Bruder noch was zu essen bringe, obwohl ich mich schon aufs Rennen vorbereiten sollte. Ich wäre ein guter Teamsportler.“ Die einfachste und doch schwierigste Lösung für das heurige Red Bull Erzbergrodeo: „ Allen vom Start weg davonfahren, dann habe ich keine Probleme mit meiner Höflichkeit.“

Ob die harsche Gangart schon diesmal für einen Sieg reicht? „Die Ergebnisse bei den bisherigen Rennen passen. Ich will aufs Podium. Und ich gebe mir nicht ewig lang Zeit – in den nächsten ein, zwei Jahren sollte es schon passieren.“

Und so was hört Vater Rupi Walkner gerne. Denn selbst wenn „es“ in den nächsten ein, zwei Jahren passiert, so hätte sich neben Michael Walkners größtem Wunsch auch seiner erfüllt: Der Sohn ist kein Motocrosser geworden, sondern ein Tänzer. Auch wenn der Berg, auf dem er tanzt, Anfang Juni wieder zum Vulkan wird.

Mann am Mond Walkner in der Geröllwüste seines „HeimatSteinbruchs“

bei Krispl: rein landschaftlich nahe am Mond

Instagram: @walknermichael

Weitere Infos & Anmeldung zum Prolog, um beim Abenteuer Red Bull Erzbergrodeo dabei zu sein:

redbull.com/erzbergrodeo

„Ich will, dass es immer und überall allen gut geht, und das ist mein größtes Problem: Ich bin einfach nicht egoistisch genug.“
MICHAEL WALKNER
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Masters of Qualm

Wo die Brüder mit ihrem BMW M4 driften, seht ihr auf Insta: @redbulldriftbrothers

GANG SCHLEUDER-

elias hountondji: Ich kann mich erinnern, dass alle meine Spielzeugautos immer nur quer gefahren sind. Dieser Zustand hat mir immer am besten gefallen. Privat bin ich mit dem Auto langsam unterwegs, heiße bei uns im Team sogar „Captain Slow“, aber wenn ich mal mit Beifahrern drifte, haben die immer ein breites Grinsen im Gesicht: Wenn man sich mit dem Auto quer vorwärts bewegt – das ist wie beim Surfen, wenn einen die erste Welle mitträgt.

Wo sieht man euch professionell driften?

VIER TAGE VOLLGAS

Facts zum HardEnduro-Event

Elias und Johannes Hountondji, zwei Brüder aus Stuttgart, leben im Schleudergang: Als Fahrlehrer fürs Driften sind sie beim Red Bull Erzbergrodeo vor Ort, um Fahranfängern Sicherheit zu vermitteln. „Die Autos werden leiden, aber wir wollen Skills weitergeben“, sagen die zwei. Führerscheinneulinge können sich auf redbull. com/drivingschool.com dafür anmelden.

the red bulletin: Woher kommt eure Faszination fürs Driften?

johannes hountondji: Zum Driften brachte uns unser Onkel, der mit uns am Rücksitz in einem Ford Capri im Winter auf einem Parkplatz mit der Handbremse das Auto rutschen ließ. So kamen wir zum Drift-Virus. Als wir den Führerschein hatten, fuhren wir auf abgesperrten Straßen, bis das Heck ein bisschen rutschte, und wir bemerkten: „Das macht richtig Spaß!“

johannes: Wir waren oft am F1-Wochenende auf dem Red Bull Ring zu sehen. Dieses Jahr sind wir bei den F1-Showruns in Dänemark, Portugal und Griechenland dabei und bei der Drift Show beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring.

Wie trainiert ihr Skills für das bewusste Übersteuern eines Autos?

johannes: Beim Driften geht es darum, alle Limits des Autos verstehen und nützen zu lernen – vor allem bei den Twin Battles. Wir trainieren die Reaktion, Hand-AugeKoordination und die Ausdauer, weil man sehr viel sitzt.

Wie reagiert man privat als Autofahrer, wenn das Heck ungewollt ausbricht?

elias: Langsam vom Gas gehen und dosiert gegenlenken. Wer das bei einem Fahrsicherheitstraining übt und diese Koordination trainiert, bleibt im Ernstfall gelassener und handelt dann intuitiv richtig.

Beim Red Bull Erzbergrodeo von 8. bis 11. Juni herrscht pure Action. Es kommen nur die Besten ins Ziel, aber jeder kann sich der Herausforderung stellen und sich zum Prolog anmelden. Neben dem Speed-Klassiker Blåkläder Iron Road Prolog und dem Red Bull Erzbergrodeo steht für die Teilnehmer auch das spektakuläre Rocket Ride Steilhangrennen auf dem Plan. Beim Sturm auf Eisenerz geht die weltweit größte Zahl an Enduro-, Trial und Motocross-Maschinen auf „Spritztour“ durch die Stadtgemeinde Eisenerz. Ein weiteres Highlight: Das Red Bull Erzbergrodeo, KTM und die Wings for Life Stiftung machen gemeinsame Sache und verlosen zugunsten der Rückenmarksforschung ein VIP-Erlebnis. Im Hauptpreis enthalten: ein Helikopterflug über das Gelände sowie exklusiver Zugang zum Startbereich. Lose könnt ihr bis 28. Mai unter viprize.org/ Erzberg erwerben. Infos & Anmeldung: redbullerzbergrodeo.com

Am Erzberg laden die Red Bull Driftbrothers zum rasanten Fahr-Training.
68 THE RED BULLETIN JÖRG MITTER/RED BULL CONTENT POOL, GABRIELE SEGHIZZI/RED BULL CONTENT POOL NINA KALTENBÖCK
Profi­Motorsportteam Elias (li.), 37, und Johannes Hountondji, 42, sind die Red Bull Driftbrothers.

Wir sind Wavemaker, um Menschen zu bewegen und zu begeistern. Unser größtes Anliegen ist es, unseren Stoke für die Surfkultur mit allen zu teilen.

Blaupause

Klippenspringer Matthias Appenzeller posiert im ozeanfarbenen Anzug auf dem Sprungbrett des Freibads Dübendorf, Kanton Zürich.

AUF EINEN SPRUNG BEIM ANWALT

Kein Meer, keine Klippen – und dennoch:

Matthias Appenzeller, 29, ist einer der besten Cliff Diver Europas. Und angehender Schweizer Staatsanwalt.

Sein erster Fall: Er war vier, trug Schwimmflügel, kletterte auf den Sprungturm.

Heute stürzt er sich mit 85 km/h in die Tiefe …

THE RED BULLETIN 71
TEXT ALEXANDER NEUMANN - DELBARRE FOTOS PHILIPP MUELLER

Er sieht so unglaublich locker aus, wie er da auf der Plattform tänzelt, 27 Meter über dem türkisgrünen Urnersee, und die Arme parallel in die Höhe reckt. Wie er die Zuschauer unten – es sind hunderte, die auf Schlauchbooten im Wasser treiben – zu rhythmischem Klatschen animiert. Wie er sich dann ganz ruhig an die Absprungkante stellt, ein muskulöser, tätowierter, langmähniger Surfer­Typ. Und wie er dann abhebt – und in einer einzigen eleganten Bewegung drei Saltos und eineinhalb Schrauben in die zwei Sekunden packt, die ihm bleiben, bevor er mit 85 km/h die Wasseroberfäche durchschlägt.

Als er wieder auftaucht, reckt er den Arm in die Höhe. Das Publikum beim Red Bull Cliff Diving World Series­Event 2018 in Sisikon jubelt. Matthias Appenzeller, Schweizer Lokalmatador, hat einen begeisternden Auftritt hingelegt, bei den Zuschauern herrscht Partystimmung. Aber wohl nur die wenigsten von ihnen wissen: Die Vorbereitung für den Sprung, den sie eben sahen, für die zwei Sekunden, die soeben vor ihren Augen verfogen, hat schon ein Jahr zuvor begonnen. Und der Sonnyboy, der ihn vollführte, hat auch noch eine ganz, ganz andere Seite.

Fünf Jahre nach seinem Debüt bei der Red Bull Cliff Diving World Series sitzt Matthias Appenzeller, bald 29, im gebügelten Hemd und mit zum Dutt zusammengebun­

denen Haaren in seinem Büro bei der Staatsanwaltschaft Zürich­Sihl und lächelt, als er an den Urnersee denkt. „Das war schon großartig, mein erster großer Auftritt.“

Mittlerweile ist aus dem Rookie, der 2018 sein Debüt bei der World Series gab, einer der etabliertesten und besten Klippenspringer Europas geworden. Kommenden

Juli will Matthias sein Land bei der HighDiving ­Weltmeisterschaft in Japan vertreten, im August als Wildcard­Diver beim World Series­Springen in Stockholm an den Start gehen. Es dürfte auch dort wieder laut werden, wenn der Publikumsliebling auf die Sprungplattform tritt. Dort oben, sagt Matthias, da sei er eine „Rampensau“.

EAber es gibt auch den anderen Matthias Appenzeller. Den, der jetzt im Büro sitzt, der keine Shorts trägt, sondern Hemd, und der sich weniger mit den Gesetzen der Schwerkraft befasst als mit denjenigen, die in der Bundesverfassung stehen. Seit Anfang des Jahres arbeitet er als Auditor bei der Zürcher Staatsanwaltschaft. Es ist der letzte Ausbildungsschritt auf dem Weg zum Staatsanwalt, dem Berufsziel, das er schon lange verfolgt. Matthias ist nicht nur ein couragierter Klippenspringer, sondern auch ein engagierter Jurist. Und seit Jahren zu Hause in zwei Welten, die zunächst völlig verschieden erscheinen – sich aber auf erstaunliche Weise ergänzen und befruchten.

Vier Jahre und zehn Meter

In die erste dieser beiden Welten taucht er schon als kleiner Bub ein: Er ist vier Jahre alt und trägt noch Schwimmfügel, als er im Freibad seinen ersten Sprung vom Zehn­Meter­Brett absolviert. „Ich dachte überhaupt nicht nach“, sagt er und lacht, „ich lief einfach vor und sprang.“ Die Bademeister sind froh, dass nichts passiert ist, und einer empfehlt Matthias bald einen Verein, bei dem er das Turmspringen richtig lernen kann. Mit zehn Jahren trainiert Matthias fünfmal pro Woche. Er geht auf eine Sportschule, dann aufs Sportgymnasium, das Training wird noch intensiver, sein Ziel immer klarer: Er will als Turmspringer zu den Olympischen Spielen.

Tatsächlich schafft er es in den Kader der Schweizer Wassersprung­Nationalmannschaft. Doch die internationale Konkurrenz ist stark, der Druck enorm, und sein Körper beginnt sich zu melden. Verletzungen an Kreuzband, Ellbogen, Sehnen. Sie bremsen ihn, lassen die Zweifel wachsen: Willst du das hier noch? Willst du das wirklich? Und mit welchem Ziel? Schließlich, da ist Matthias 19 Jahre alt, lautet seine Antwort auf diese Fragen: Ich fokussiere mich auf etwas Neues – ein Studium der Rechtswissenschaften. „Ich spürte einfach, dass es Zeit war, etwas anderes anzugehen.“

Die Verwandlung Eben noch im feinen Tuch des Anwalts, hier schon in lässiger Beachwear

72 THE RED BULLETIN

Das Fach wählt Matthias schlicht aus Interesse. Schnell merkt er, wie gut es ihm liegt. Auch wenn er zwischenzeitlich nicht mehr fiegt. „Vieles, was ich durchs Turmspringen gelernt hatte, brachte mir enorme Vorteile“, sagt er. Zum Beispiel: sich voll auf ein großes Ziel fokussieren zu können. „Solange ich Turmspringen machte, war ich ein eher unterdurchschnittlicher Schüler. Mein Fokus lag auf dem Sport, total. Aber sobald ich ihn aufs Studium legte, wurden meine Noten deutlich besser.“

Die zweite nützliche Turmspringer-Fähigkeit: akribisches Arbeiten. „Man muss in beiden Bereichen sehr genau sein, Dinge hinterfragen, Prozesse optimieren. Und viel Disziplin mitbringen.“ Und dann wäre da noch eine wichtige Erkenntnis, die er mit ins Jurastudium nimmt: Einen Berg besteigt man Etappe für Etappe. Man setzt sich also kleine, machbare Ziele, um sich von einer riesig erscheinenden Aufgabe nicht überwältigt zu fühlen, sei es ein Dreifachsalto oder ein Universitätsabschluss.

Zwei Jahre hält sich Matthias von Sprungtürmen fern und konzentriert sich nur auf das anspruchsvolle Studium. Dann beginnt er wieder sporadisch zu trainieren, nimmt gelegentlich an Wettkämpfen teil. Der Enthusiasmus aber kehrt erst zurück, als ihm der befreundete Klippenspringer Alain Kohl von dem für 2018 geplanten Event in Sisikon erzählt. „Du hast noch ein Jahr Zeit“, sagt Kohl, „bereite dich vor, dann reichen wir ein Sprungvideo von dir ein – vielleicht kannst du mit einer Wildcard teilnehmen.“

Erst Feuer, dann Wasser

„Plötzlich war wieder das Feuer da“, sagt Matthias. Er trainiert, bekommt die Wildcard, tritt in Sisikon an. Danach hat er einen Namen in der Welt der Klippenspringer. Und einen noch dichteren Terminkalender. Die Einladungen zu Cliff Diving-Events werden sprunghaft mehr, die Uni-Seminare nicht weniger. „Es kam nicht selten vor, dass ich mit gepacktem Koffer eine Prüfung an der Uni schrieb und zwei Stunden später im Flieger zum nächsten Wettbewerb saß.“

Wie kriegt man das hin? Einen Sport auf Weltklasseniveau zu betreiben und parallel dazu erst ein Jurastudium zu absolvieren und dann den anspruchsvollen Beruf bei der Staatsanwaltschaft auszuüben? „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt er lapidar. „Mir war schnell klar, dass ich unbedingt beides in meinem Leben haben wollte: das ruhige, bedachte Arbeiten mit den Paragraphen, aber auch die Adrenalinmomente beim Springen, die Wettkampfsituation, die Emotionen, das Rampensau-Sein.“ Der Weg, den er für sich gefunden hat: sehr lange Tage, transparente Kommunikation mit Vorgesetzten und Freunden, gute Planung

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„Da Paragrafen, dort Adrenalin und Emotionen –ich, die Rampensau …“

Sprunghaft

Muskeln, Mähne und Tattoos –zum Aufwärmen springt Appenzeller im Stand.

und eine gewisse Flexibilität. „Dann kriegt man das auf die Reihe“, sagt er. „ Aber herausfordernd ist es schon.“

Sein Alltag: 50 bis 60 Stunden Staatsanwaltschaft, dazu vier­ bis fünfmal die Woche schwitzen fürs Klippenspringen. Meist sitzt er um 6.30 Uhr schon im Büro und geht nach einem langen Arbeitstag noch zwei bis drei Stunden trainieren. Wann er sich erholt? „ Abends mit Freunden im Restaurant, oder beim Golfspielen, das ich neuerdings angefangen habe.“

Nicht immer fndet Matthias’ körperliches Training im Wasser statt. Er geht auch joggen, macht CrossFit, dazu dann drei­ bis viermal die Woche Turm­Training. Es gibt nur sehr wenige Trainingsanlagen, auf denen er Sprünge aus 27 Meter Höhe absolvieren kann, wie die Springer bei der Red Bull Cliff Diving World Series sie zeigen. Deshalb trainiert er vom Zehn­Meter­Brett einzelne Teile der Sprünge – Absprungphase, Drehungen, Eintauchphase – und setzt sie erst später am 27­Meter­Podest zum Gesamtkunstwerk zusammen.

„ Es kam schon vor, dass ich mich zu Wettkämpfen mit Sprüngen angemeldet habe, von denen ich nicht wusste, ob ich sie beherrsche. Erst beim Abschlusstraining an der Event­Venue habe ich die eingeübten Einzelteile dann zusammengefügt und den kompletten 27­Meter­Sprung getestet. Dafür muss das Mentale wirklich stimmen: Du musst überzeugt sein, dass du es kannst.“

Das Hirn der Muskeln

Und diese Überzeugung entsteht durch Erfahrung und Wiederholung: Immer wieder übt Appenzeller im Training dieselben präzisen Bewegungsabläufe, geht sie im Kopf durch. Bis sie in Fleisch und Blut übergegangen sind, in das, was Klippenspringer „Muscle Memor y“ nennen, also das Muskelgedächtnis. Wenn sein Körper den Sprung im Grunde von selbst absolviert, fühlt sich Matthias bereit. Und dieses Gefühl nimmt ihm später, wenn er in 27 Meter Höhe steht, um einen Sprung zu wagen, den er nicht oder kaum geübt hat, die Angst. „Es ist dann keine Furcht mehr, die ich dort oben fühle, es ist Respekt.“

Denn natürlich, man kann sich verletzen bei einem misslungenen Sprung, gerade aus 27 Metern, denn mit jedem Meter Höhe wird der Aufprall härter. „Jeder Springer weiß, dass es ein gewisses Risiko gibt. Darum bereitet sich auch jeder absolut seriös vor. Und darum ist auch der Zusammenhalt unter den Springern so groß. Keiner würde dem anderen etwas Schlechtes wünschen. Im Gegenteil. Wir trainieren, reisen, schlafen zusammen und unterstützen einander, so gut es geht. Und zwar jeder jeden. Auch das liebe ich an diesem Spor t.“

Geteilter Sprung. Der angehende Anwalt Appenzeller springt in Businesskluft vom Zehn-Meter-Turm des Freibads Dübendorf. Im Training unterteilt er seine Jumps in einzelne Figuren, im Wettbewerb setzt er sie zum Ganzen zusammen.

In Stockholm wird er ihn am 19. August wieder zelebrieren können. Und es soll nicht das letzte Mal sein. „Die Motivation ist gerade groß bei mir, und ich habe richtig Spaß.“ Mit dem neuen Job sei die Belastung noch größer geworden, klar. „ Aber ich probiere, das Beste herauszuholen, und dann schauen wir, wo es hingeht“, sagt Matthias Appenzeller. „Wer es nicht probiert, kann es auch nicht schaffen.“

Da freier Fall, dort schwere Fälle. Und dazwischen ein überbrückender Sprung. Der Sprung seines Lebens.

Instagram: @matt.zz

Die Red Bull Cliff Diving World Series findet in diesem Jahr zwischen 3. Juni und 19. November an sieben Austragungsorten statt, Red Bull TV überträgt live. Mehr Infos: redbullcliffdiving.com

Instragram: @redbullcliffdiving

„Ein Dreifachsalto, ein Uni -Abschluss: Ich besteige jeden Berg in Etappen.“
THE RED BULLETIN 75

MUST-HAVES

1 BERGABENTEUER? EINE LEICHTIGKEIT!

Die Pedroc Pro Polartec® Alpha® Jacke von Salewa ist ein Leichtgewicht. Sie schützt vor Nässe, ist atmungsaktiv und bietet dank hoher Dehnfähigkeit des Materials enorme Flexibilität beim Speed Hiking. Kombiniert mit dem winddichten Außenmaterial bist du für jedes Bergabenteuer gerüstet. salewa.com

2 BUCHTIPP: BEING MARC MÁRQUEZ

In der bildgewaltigen Biografie öffnet der achtfache Weltmeister Marc Márquez erstmals sein Visier und gestattet Autor Werner Jessner einen tiefen Blick in die Seele eines kompromisslosen Racers und optimistischen Familienmenschen. Ein Muss für jeden MotoGP­ und Motorrad­Fan. pantauro.com

3 DIE GANZE WÜRZE AFRIKAS

Oder: dein BBQ­Starterpack, weil in der AFRO SPICES GRILLGEWÜRZ­BOX alle Gewürze drin sind, die du brauchst. Würzig­scharfes „Harissa“ für Steak und Co, kräftig­scharfes „Cajun“ zu Fisch und Huhn und das erdignussige „Dukkah“ für das Gemüse und den Käse. afrocoffee.com

4 ECHTER STYLE IST ZEITLOS

Das zeigt der Shoei Ex­Zero, die Neuinterpretation eines Offroadhelms der 1980erJahre. Die Außenschale besteht aus Advanced Integrated Matrix und bietet in Verbindung mit dem PolystyrolkernSystem einen optimalen Aufprallschutz. Erhältlich im Onlineshop unter: polo-motorrad.com

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Dein Guide für ein Leben abseits des Alltäglichen

Großer Preis von Österreich 2022: Max Verstappen am Red Bull Ring in Spielberg, bejubelt von seinen Fans. Am Ende wurde er Zweiter.

UND JETZT DU!

HÖREN, DENKEN UND ERLEBEN
REISEN,
THE RED BULLETIN 77 GEPA PICTURES

Mark Webber, Jahrgang 1976, fuhr zwölf Saisonen in der Formel 1 (neun Siege). Im PorscheWerksteam gewann er die LangstreckenWeltmeisterschaft.

STEIRER-MARK

Ein rasanter Reiseleiter: Rennlegende

Mark Webber führt dich durch den Grand Prix am Red Bull Ring Spielberg Wie, verrät er hier.

Wann immer ich ein

Formel-1-Fahrerlager betrete, ist es wie Heimkommen – auch wenn meine aktive Zeit schon ein paar Jährchen her ist. 2002 hat meine F1-Karriere begonnen, aber auch nach dem Ende 2013 ist der Kontakt nie abgerissen. Ich kenne noch sehr viele Menschen im Paddock. Und die Red Bull Energy Station ist überhaupt der perfekte Ort für Socializing. Keine Firma der Welt – wirklich keine – erlaubt einen so lockeren Zugang in die Welt ihrer Athleten wie Red Bull. Als die Anfrage kam, ob ich gerne Gastgeber

Grün, blauer Himmel, Schnee auf den Gipfeln. Was mich besonders beeindruckt, und zwar jedes Mal wieder: wie ordentlich das alles ist! Die gepfegten Gärten, die glatt gemähten Wiesen, die hübschen Häuser. Ich bin viel am Red Bull Ring sein würde, habe ich nicht gezögert und sofort zugesagt. Der Vibe dort ist einfach perfekt.

Außerdem: Ich liebe Österreich und die Steiermark ganz besonders. Da passt einfach alles. Die Gastfreundschaft der Menschen, das gute Essen, die tollen Hotels …

Und dann diese Landschaft! Wow! Ich bin ein großer Freund der Berge – allerdings, ich gestehe, nur im Sommer. Skifahren im Winter bei minus 10 Grad, nein, danke, das sollen andere machen. Aber Österreichs Berge im Sommer – das ist eigentlich

kaum zu toppen. Bei unserer Porsche-Ausfahrt nach dem Grand Prix kommen wir in Gegenden, die könnte man eins zu eins auf Postkarten drucken. Dörfer, die sich an Wälder schmiegen, dahinter majestätische Berge. Sattes

REISEN
78 THE RED BULLETIN
Mit einem Porsche unterwegs: Die Tour führt über den Sölkpass nach Admont und über Fohnsdorf retour nach Spielberg.

Die Start-ZielGerade auf dem Red Bull Ring am Spielberg: noch näher dran mit Mark Webber

herumgekommen in der Welt – aber das ist einzigartig.

Wer die Gäste sind, die mit mir die Formel 1 erleben? Ich würde sagen, ein ziemlich bunter Mix. Natürlich sind alle F1-interessiert. Einige sind eingeschworene Fans von Red Bull Racing, andere wollen bloß so nahe an das Herz des Rennzirkus kommen, wie es nur irgendwie geht. Was auffällt, ist, dass es oft ein familiäres Erlebnis ist. Ich hatte Väter und ihre Söhne als Gäste, Ehepaare, Brüder – aber auch Schwestern und Töchter. Allen versuche ich, die Formel 1 mit den Augen eines In-

Reise, die in dieser Form einzigartig ist. So nah ans Formel-1-Geschehen ranzukommen ist so faszinierend und so imposant, dass die Eindrücke für sich sprechen –da braucht es mich eigentlich gar nicht dazu.

Okay, ich hatte ein wenig Erfolg in der Formel 1. Nicht so viel, wie ich haben wollte, aber all meine neun GrandPrix-Siege und sämtliche Podiumsplätze habe ich, mit einer Ausnahme, mit Red Bull Racing geholt. Also gut, völlig ungeeignet bin ich wahrscheinlich nicht für den Job bei Destination Red Bull.

ANREISE

Der Weg nach Spielberg

Von Wien über die S6 bis zum Knoten St. Michael, dann weiter auf der S36. Von Salzburg über die A9, Knoten St. Michael, S36.

GUT ZU WISSEN

Destination Red BullTeilnehmer sind beim Qualifying dabei, Box und Boxengasse werden erkundet. Außerdem gibt es, angeführt von Mark Webber, eine PorscheGenusstour mit Stopp im Gasthaus Krenn, die u. a. über den Sölkpass führt, und einen HelikopterRundflug über den Ring. Übernachtet wird im wunderschönen Landhotel Schönberghof.

Reisedatum: 30. Juni bis 4. Juli 2023.

Formel-1-Legende mit Insider-Wissen: Mark Webber im Talk mit DestinationTeilnehmerinnen und -Teilnehmern

siders zu zeigen. Und auch in Erinnerungen zu schwelgen.

Wir sind hautnah am Geschehen – und, glauben Sie mir, da geschieht jede Menge, was man bei einer TV-Übertragung eben nur „übertragen“ mitbekommt.

Ich bin eine Art Reiseführer – allerdings einer für eine

Eines der Highlights ist das gemeinsame Abendessen in der Red Bull Energy Station. Das Essen dort ist legendär. Gut möglich, dass ich mir wieder einmal ein Schnitzel – das liebe ich fast noch mehr als die Berge – bestelle, während an den Nebentischen die Mitarbeiter von Red Bull Racing und der Scuderia Alpha Tauri zu Abend essen, daneben hochkarätige Sportler anderer Disziplinen, die sich die Formel 1 in Österreich nicht entgehen lassen wollen. Oder dass auch die Bosse von Red Bull Racing vorbeischauen, um mit uns zu plaudern.

Wenn ich vorab noch einen Insider-Tipp geben darf: Lasst euch nicht von den Eindrücken „erschlagen“, sondern genießt es. Fallt nicht in Ohnmacht, wenn etwa Max Verstappen vor euch steht. Jeder Star ist zuerst ein Mensch. Auch in der Formel 1.

Für alle Infos zur Buchung einfach den QR-Code scannen.

Weitere Reisen mit Red Bull-Athleten gibt’s im aktuellen Destination Red Bull-Magazin und auf destination.redbull.com

REIN INS ABENTEUER! Mit Rallye-Superstar Cyril Despres über die Dünen donnern FREESKIING MIT NADINE WALLNER FORMEL MIT MARK WEBBER TRAVEL EDITION
Spielberg Wien THE RED BULLETIN 79 JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL WERNER JESSNER, WOLFGANG WIESER
Österreich

Ellie Gouldings Album „Higher Than Heaven“ ist jetzt im Handel. Mehr Infos: elliegoulding.com

FEEL GOOD MIT FLEETWOOD

Die britische Singer-Songwriterin Ellie Goulding verrät, welche vier Songs sie am meisten inspirieren.

Der QR-Code führt zur Podcast-Playlist von und mit Ellie Goulding auf Spotify.

Eine Popkarriere war für Ellie Goulding nicht unbedingt vorgezeichnet. Sie ist mit drei Geschwistern bei ihrer Mutter in einer Sozialwohnung in Lyonshall aufgewachsen – ihr Vater, ein Bestattungsunternehmer, hat die Familie verlassen, als Ellie fünf Jahre alt war. Mit fünfzehn hat sie dann begonnen, erste Songs zu schreiben. Heute ist sie 36 Jahre alt und hat drei PlatinAlben, zwei BRIT Awards und eine GrammyNominierung für ihren Hit „Love Me Like You Do“ aus dem Jahr 2015 vorzuweisen. Anlässlich der Veröffentlichung ihres fünften Studioalbums „Higher Than Heaven“ spricht die Mutter eines Sohnes mit dem klingenden Namen Arthur Ever Winter euphorisch über vier Songs, die sie inspirieren.

Blur PARKLIFE (1994)

„Das war der erste Song, den ich je gekauft habe – und der meine Liebe zu Indie Rock entfachte. Oh ja, dieser Titel hat die Musikliebhaberin Ellie geprägt! Diese unmittelbare, intuitive Art, Musik zu machen, würde ich mir heute öfter wünschen. Denn es wird immer schwieriger, nur dazusitzen und Balladen darüber zu hören, wie deprimierend denn nicht alles ist.“

Lauryn Hill THE MISEDUCATION OF LAURYN HILL (1998)

„Der Song hat mir eine ganz neue Welt eröffnet und wirklich alles verändert – denn er brachte mich dazu, es selbst mit dem Singen zu versuchen. Ich liebe, wie persönlich Lauryn Hill ihre Lieder hält, ich liebe den Klang ihrer Stimme und diesen ganz speziellen Tonfall. Ich mag, wie kraftvoll und direkt sie ist, und ich bewundere ihre Energie. Der Song ist bahnbrechend!“

Fleetwood Mac DREAMS (1977)

„‚Dreams‘ ist ein Klassiker. Ich wusste ja nicht, dass ein Lied so gut klingen kann! Ich bin neidisch auf jeden, der diesen Song zum ersten Mal hört – und natürlich hören ihn die Kids jetzt auch auf TikTok. Ich habe ihn für mich entdeckt, als ich ihn zufällig bei einem Freund im Radio hörte. Ich habe nur gedacht: ‚Wow, so ein schönes Lied!‘ Es war wie eine Offenbarung für mich.“

Active Child HANGING ON (2011)

„Dieser Song ist ein bisschen moderner, ich habe ihn sogar gecovert. Er ist eine Kombination aus sehr hohem, choralem Gesang und Musik, die vom Hip-Hop beeinflusst ist – nur eben wie ein Chor arrangiert und fast spirituell. Es ist unmöglich, den Song nicht zu lieben. Er ist mit nichts zu vergleichen, was ich je zuvor gehört habe. Die Nummer ist unglaublich. Hört mal rein!“

HÖREN
80 THE RED BULLETIN UNIVERSAL MUSIC MARCEL ANDERS

Jetzt überall, wo es Podcasts gibt.

Der Podcast über Anfänge

Jeden zweiten Mittwoch sprechen Persönlichkeiten über erste Versuche und kleine Siege auf dem Weg zum großen Erfolg. Im Interview verraten sie, wie du deine eigenen Talente entdeckst und dich dazu motivierst, neue Abenteuer zu wagen.

Aktuelle Episoden:

Bernhard Aichner

Österreichs erfolgreichster Krimi­Autor erklärt, wie Ängste die Kreativität beflügeln.

Angy Eiter

Eine der besten Sportkletterinnen der Welt verrät, wie ihr der Sturschädel zu Weltrekorden verhilft.

Philipp Hansa

Der Moderator („Ö3­Wecker“, „Starmania“) erzählt, warum Umwege für die Traumkarriere wichtig sind.

FANG

DAS LICHT!

Auch wenn der Morgen strahlt –ohne Sonnenbrille wird dein Tag noch besser! Warum, verrät

Biohacker Andreas Breitfeld

Bessere Laune, mehr Antrieb und tieferer Schlaf gefällig? Und das alles kostenlos? Dann hab ich den einfachsten aller Hacks für dich: Geh morgens und vormittags raus ins Sonnenlicht – und lass die Sonnenbrille daheim. Das ist ein echter Turbo für dein Wohlbefnden.

Lange Zeit ging ich bei wolkenlosem Himmel nur mit Sonnenbrille außer Haus – aber seit ich mich in das Thema eingearbeitet habe, trage ich sie frühestens ab dem mittleren Nachmittag.

Und das hat einen guten Grund: Eine Sonnenbrille mag cool und bequem sein, aber natürlich ist sie nicht. Denn in unseren Augen befnden sich Lichtrezeptoren, die mithilfe des Sonnenlichts unseren Organismus steuern. Und das ist gerade in der ersten Tageshälfte so entscheidend, weil das natürliche Morgen- und Mittagslicht uns erst so richtig in Fahrt bringt.

Natürliches Licht wirkt sich stark auf deinen DopaminSpiegel aus. Dopamin ist unser Motivations- und Antriebshormon. Heißt so viel wie:

AB 15 UHR DARF’S

DUNKEL WERDEN

Nichts spricht gegen die Benutzung deiner Sonnenbrille ab etwa 15 Uhr, da der Körper sich ab dann schon auf den Abend und die Schlafenszeit einstellt. Und kurze Entwarnung für Brillenträger: Es geht in diesem Zusammenhang nicht um UV-Licht, sondern um Helligkeit. Ungetönte optische Brillen und Kontaktlinsen kannst du also ruhig den ganzen Tag lang tragen.

mehr Sonnenstrahlen, bessere Laune, mehr Lebensenergie.

Das helle Licht am Morgen hat auch nachweisbaren Einfuss auf die Qualität deines Schlafes. Denn die Bildung unseres Einschlafhormons Melatonin beginnt etwa zwölf Stunden nach dem ersten Kontakt mit hellem Tageslicht. Wer sich also morgens und vormittags hinter einer dunklen Brille versteckt, schläft abends schwerer ein.

Zudem verbessert die frühe Helligkeit deine Hormonbalance, beeinfusst die Intensität des weiblichen Zyklus (PMS) und kann im Winter die saisonale Depression (SAD) verhindern. All das wird einzig und allein über diese enorm mächtigen Lichtrezeptoren im Auge gesteuert!

Das erste gemeinsame Sachbuch von Andreas Breitfeld und Stefan Wagner erscheint am 17. Mai (ecoWing).

Andreas Breitfeld ist Deutschlands bekanntester Biohacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. Biohacking umfasst, vereinfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.

Die Biohacking-Praxis ist der PerformanceLifestyle-Podcast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören.

BIOHACKING
Gute Laune, Energie oder besserer Schlaf – mehr Sonnenlicht ist ein Turbo-Boost.
82 THE RED BULLETIN PRIVAT ANDREAS BREITFELD BRATISLAV MILENKOVIC ´
Ihren
Hotels & Residences erleben
einen Sommer,
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Spinning ist super. Aber Sommer ist besser. In
Falkensteiner
Sie
der
den Schatten stellt. Umgeben von Bergen, am See oder am Strand – besser geht es einfach nicht.

HER MIT DEM SCHOTTER

Zell am See-Kaprun ist eine mehr als vielseitige Radregion: Von schmalen Trails zu den Berggipfeln der Region bis zur gemächlichen Fahrt auf asphaltierten Nebenstraßen, ausgewiesenen Radrouten, von Wegen durch den Wald bis zur Runde um den Zeller See reicht die sportliche Palette. Passionierte Rennradfahrer sind des öfteren auf der Radstrecke Ironman 70.3 Zell am See-Kaprun anzutreffen, und auf der Suche nach dem Flow locken die Singletrails und Freeride-Lines am Kitzsteinhorn. Aber auch Liebhaber des Gravelbikens zieht es nach Zell am See-Kaprun. Gravelbikes – simpel übersetzt Schotterräder – werden auch Querfeldein- oder Crossräder genannt. Diese Mischung aus Rennrad und Mountain-

bike punktet mit proflierten Reifen – etwas breiter als beim klassischen Straßenrennrad –, mit leichtem, rennradähnlichem Rahmen und geschwungenem Lenker. Das sind ideale Gefährten, da sich auch die Griff- und Sitzposition während der Fahrt leicht anpassen lassen. „Mit ihren robusten Reifen sind Gravelbikes wirklich optimal für Touren auf unterschiedlichstem Terrain – bestens für die Region hier, denn wir haben auch einige Schotterstraßen“, sagt Biker Stefan Pirnbacher aus Zell am See, der bis zu 10.000 Kilometer im Jahr auf dem Rad abspult. Er hat für uns seine zwei absoluten Lieblingsrouten im Gepäck:

Mittelschwere Maiskogelrunde

Vom Ortszentrum in Kaprun geht es entlang des Tauernradwegs bereits mit einem schönen Gletscherblick auf das Kitzsteinhorn los: hinauf auf die Schaufelbergstraße, zu Beginn noch auf Asphalt, dann an der Jausenstation Unteraigen vorbei Richtung Saulochalm. Da ist man schon fast an der Bergstation der Maiskogelbahn. Der Lohn: ein überwältigender Ausblick über die Täler. Danach empfehlt sich die Route zum Berggasthof Glocknerblick. Ab da geht’s dann zur Entspannung nur noch bergab.

Streckenprofil: 17,3 Kilometer und 817 Höhenmeter Dauer: 2½ Stunden

Vielseitige Seeblickrunde

Der Name sagt fast alles: Die Tour wartet mit einem Blick auf den Zeller See in Kombination mit köstlicher Kulinarik auf. Von Zell am See geht es entlang des Sees nach Thumersbach. Über kleine Bäche, wo man seine Wasserfasche auf füllen kann, gelangt man hinauf zur Enzianhütte auf 1300 Meter Höhe. Auf Vorbestellung bereitet Wirt Tom Schweinshaxen, knusprige Hendln und Ripperl zu. Nach der Rast auf der Hütte locken die Awesome Views mit einem großen Bilderrahmen für Selfes samt Gletscherblick auf das Kitzsteinhorn. Von da geht es nur noch ein Stückerl bergauf, dann kommod bergab auf die Erlhofplatte. Nach der Radtour lässt sich der Tag im Strandband am See beim Stand-up-Paddling abrunden.

Streckenprofil: 37 Kilometer und 857 Höhenmeter

Dauer: 3½ bis 4 Stunden

BIKEN Mehr Infos unter zellamsee-kaprun.com
Mit der Natur verbunden: Die Umrundung des Zeller Sees dauert etwa 35 Minuten.
Wer im Salzburger Land urlaubt, schwingt sich am besten auch mal aufs Gravelbike.
Stefan Pirnbacher, 35, Gravelbiker und Rennradfahrer aus Zell am See
„Worum es beim Gravelbiken geht?
Um Geschwindigkeit – auf Asphalt und auf Schotter.“
84 THE RED BULLETIN ZELL AM SEE-KAPRUN TOURISMUS, H2 AGENTUR
Zell am SeeKaprun
Edition GABALIER Andreas Wi llkommen in meiner kleinen steilen Welt ! MEINE LEIDENSCHAFT FÜR BOND, BIENEN & BÜGELN DIE WICHTIGSTEN MENSCHEN MEINES LEBENS MEIN HEISSES DATE MIT MONIKA GRUBER MEIN GEHEIMES PARADIES IN DEN BERGEN
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ARENDT RELOADED

Lernen von Geistesgrößen. Diesmal:

Hannah Arendt erklärt, weshalb wir uns dank KI besser mitteilen können – aber nicht wirklich ausdrücken.

Als Philosophinnen wenden wir unsere Aufmerksamkeit gerne den großen Trends der Zeit zu. Die Faszination für künstliche Intelligenz ist so ein Trend, und ich halte es für bedeutsam, der Frage nachzugehen, was eigentlich dahintersteckt. Dafür müssen wir aber zunächst einmal klären, was so ein Chatbot eigentlich tut, wenn er einen Text aufsetzt: Er verarbeitet vorhandene Daten mit dem Ziel, eine Aufgabe mithilfe von Algorithmen zu erledigen. Er folgt dabei einer technischen Dynamik, die ich mit dem Wort „Herstellung“ beschrieben habe. Das heißt: Die digitale Maschine setzt aus vorhandenen Worten, Textbausteinen und dergleichen nach Maßgabe defnierter Regeln der Grammatik einen Text zusammen. Er ist ein Werkstück, er wird verfertigt, so wie ein

Techniker aus Teilen eine Maschine zusammenbaut. Für Gebrauchstexte, die auf einen möglichst schlüssigen und standardisierten Informationstransfer abzielen, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz hilfreich und sinnvoll.

Ob dieser Text aber etwas in sich Sinnvolles bedeutet, ist damit nicht gewährleistet. Es könnte wohl sein, dass er den Eindruck erweckt, bedeutungsvolle Aussagen zu treffen, bei näherer Betrachtung aber werden Sie feststellen, dass dies unmöglich ist. Denn es ist ein Text ohne – Sprache.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern: Sie lassen vom Chatbot einen Liebesbrief an Ihre Freundin schreiben. Er liefert Ihnen einen grammatikalisch perfekten Text, für den er Versatzstücke aus den literarischen Liebesbriefsammlungen der letzten 100 Jahre

Hannah Arendt (1906–1975) gilt als eine der bedeutendsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. In ihrem Buch „Vita activa“ analysierte sie die unterschiedlichen Formen menschlicher Tätigkeit und beschrieb es als Wesensmerkmal des Menschen, als individuelle Person zu handeln und zu sprechen.

verarbeitet hat. Der Text liest sich vorzüglich, voller Erwartung schicken Sie ihn an Ihre Freundin. Beim nächsten Treffen sind Sie so unvorsichtig und sagen, der Brief sei von einem Schreib-Bot verfasst. Ihre Freundin macht daraufhin Schluss mit Ihnen. Zu Recht. Denn Sie haben Sie getäuscht und betrogen. Sie haben ihr einen Text gegeben, in dem Sie selbst nicht vorkommen. Sie haben sich nicht mitgeteilt, sondern leere Worte benutzt, um einen bestimmten Effekt zu erreichen.

Und da liegt das Problem: Sprache, die ihren Namen verdient, ist keine Technik, auch kein Werkzeug oder Instrument, mit dem man etwas herstellt oder macht. Sprache ist nur als Ausdruck, mit dem sich Menschen in der Welt zeigen und bekunden. Wenn Sprache maschinell hergestellt wird, ist da aber niemand, der sich mitteilt. Was dabei herauskommt, ist nicht echt – und kann es nicht sein, weil es keine Person gibt, die dabei zur Sprache kommt. Maschinellen Worten fehlt das Leben. Das Leben aber ist die Grundlage der Sprache.

Christoph Quarch beantwortet neue Fragen im Namen der alten Denker. Er ist Philosoph, Hochschullehrer, Gründer der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3. org) und Autor zahlreicher philosophischer Bücher, unter anderem „Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen“, legendaQ.

Echte Texte sind nicht gemacht, sondern gewachsen. Sie wachsen aus freudvoller und leidvoller Erfahrung. Sie wachsen im Geist von Menschen, deren Lebenszeit begrenzt ist und die sich mit der Zerbrechlichkeit des Daseins arrangieren. Chatbots können das nicht. Sie wissen nicht, was es heißt, ein Mensch zu sein, der bei allem um Sinn ringt. Folglich können sie auch keine sinnvollen Texte schreiben. Sie können etwas herstellen, mitteilen – aber sie haben selbst nichts zu sagen.

86 THE RED BULLETIN GETTY IMAGES, ULRICH MAYER DR. CHRISTOPH QUARCH
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DIE ZEICHEN

DER ZEIT

Dieses Interview überwindet 39 Jahre

Altersunterschied in sieben Minuten: Der Schweizer Uhren-Rebell Jean-Claude

Biver, 73, und NORQAIN-Gründer & CEO

Ben Küffer, 34, über den Mut, genau das zu tun, was man für richtig hält.

Orangensaft, Kaffee und gute Laune beim Brunch im Vernissagehotel „Backstage“ in Zermatt mit zwei der wirklich großen Namen der Schweizer

Uhrenindustrie: Jean-Claude Biver, 73, ehemaliger Präsident von Hublot, Leiter des Uhrengeschäfts (TAG Heuer und Zenith) des weltgrößten Luxusgüterkonzerns LVMH

Moët Hennessy, und Ben Küffer, 34, der seinem Familiennamen als Markenverantwortlicher für Breitling in Asien gerecht wurde, fanden zusammen, um Dinge zu tun, die in ihrer Branche sonst kaum einer tut: a) mit der Gründung der Uhrenmarke

NORQAIN die Regeln ihrer Branche neu zu schreiben und b) Klartext zu reden, wenn es um die Bedeutung von Armbanduhren in Zeiten von iPhone und Krisengejammer geht – und dass es egal ist, was andere über dich denken.

the red bulletin: Darf ich Ihnen eine unverschämte Frage stellen?

ben Küffer: Nur zu.

Wer braucht noch eine Armbanduhr? Wenn ich wissen will, wie spät es ist, schau ich aufs Handy.

Jean-Claude biver: Kein Mensch trägt eine Uhr, um die Zeit abzulesen. Die Zeit bekomme ich überall. Am Smartphone, über die Kirchturmuhr … Ich müsste be-

kloppt sein, Geld für etwas auszugeben, das es gratis gibt.

Und warum kaufen Menschen dann Ihre Produkte?

Jean-Claude: Wegen der Emotion. Uhren verbinden mich mit Erinnerungen. Beispiel: Sie haben Ihre Frau in Zermatt kennengelernt und hier im Ort eine NORQAIN gekauft. Und jedes Mal, wenn Sie auf die Uhr sehen, erinnern Sie sich daran und freuen sich. Das ist Psychologie. Das ist wichtig. Und das macht den Riesenunterschied aus zur Technokratie. Was wir in der Schule lernen: auf keinen Fall Gefühle! Eins und eins ist zwei – und fertig!

Eins und eins ist ja zwei.

schiedlicher nicht sein könnte.

Jean-Claude: Ich bin 73, und ich stehe dazu – und dazu, dass es in meinem Alter Zeit ist, der Welt etwas zurückzugeben. Und das mach ich jetzt mit Ben.

Warum mit Ben?

Jean-Claude: Weil er mich an mich selbst in diesem Alter erinnert. Weil ich das Potenzial in ihm sehe; die Energie der Jugend; diese Bereitschaft, etwas völlig Neues zu riskieren und sich dafür richtig anzustrengen. Das ist Unternehmergeist in meinem Sinne. Das ist auch das Wesen von NORQAIN.

Wofür steht NORQAIN?

Stellen die Uhrenindustrie auf den Kopf – mit einem Lächeln im Gesicht: JeanClaude Biver (li.) und Ben Küffer

Jean-Claude: Nein! Oder ja, in der Mathematik. Aber im richtigen Leben ist eins und eins mindestens drei. Wenn sich zwei zusammentun, wenn sie Partner werden, kommt drei heraus. Denn die Partnerschaft ist eine Stärke für sich.

Sie sind ja auch ein Zweiergespann, eines, das unter-

ben: Für Unabhängigkeit. Dafür, dass ich meinen eigenen Weg gehe. Ganz egal was die anderen darüber denken.

KAUFEN
88 THE RED BULLETIN
„Wer sich eine Uhr kauft, um die Zeit abzulesen, muss bekloppt sein.“

„My Life. My Way“ eben. Das ist auch unser Claim. Und wir meinen das so. Hat irgendjemand auf diesem Planeten eine weitere mechanische Uhr in diesem Preissegment gebraucht? Hat irgendjemand NORQAIN gebraucht?

Jean-Claude: Nein. ben: Das war uns aber egal. Wir waren überzeugt davon, dass wir uns durchsetzen, wenn wir unserem eigenen Claim treu bleiben und hart daran arbeiten. Bevor ich

Jean­Claude kennenlernte, hatte ich keine Ahnung, was harte Arbeit im Geiste eines Monsieur Biver bedeutet. Zum Glück habe ich kleine Kinder zu Hause. Deshalb war ich immer schon wach, wenn Jean­Claude im Morgengrauen anrief.

Jean-Claude: Ich fange immer schon so früh mit der

Arbeit an. Das hat mir der Schweizer Bundesrat JeanPascal Delamuraz beigebracht, als ich so jung war wie Ben heute: Ich dachte damals noch – ganz im französischen Sinne –, dass man staatliche Subventionen braucht, wenn man als Unternehmer erfolgreich starten will, und suchte um einen Termin bei Delamuraz an. Den bekam ich auch. Um fünf Uhr in der Früh! Ich geh da also hin und erkläre Delamuraz, warum ich jetzt unbedingt so und so viel Subvention brauche. Delamuraz hört sich das alles an und sagt zu mir: „Biver!“

Ich: „Ja, Herr Bundesrat?“

Typisch „My Life. My Way“?

ben: Exakt. Unabhängigkeit erfordert Mut zum Risiko.

Jean-Claude: Deshalb sind viele Leute lieber abhängig. Denn Freiheit bedeutet auch Gefahr. Was sie vergessen: Das Leben an sich ist lebensgefährlich. Das fängt schon im Mutterleib an. Was da alles passieren kann! Aber die Mutter meistert das. Genauso wie die Probleme, die danach kommen. Man könnte meinen, es sei ein Wunder, dass überhaupt jemand überlebt. Aber: Dieser Mut, diese Haltung zur Unabhängigkeit, dieser Glaube an sich selbst gibt auch Stärke.

The Wild ONE ist die Speerspitze der Entwicklung bei NORQAIN. Dreieinhalbmal leichter als Titan, ultrarobust, zu 100 Prozent in der Schweiz und aus nachhaltigen Materialien erzeugt. In ihr tickt das chronometerzertifizierte Manufakturkaliber NN20/1.

Er: „Biver, weißt du, warum ich dich für fünf Uhr in der Früh herbestellt habe? Weil du kein Geld aus der Staatskasse brauchst, sondern Zeit. Du gehst also jetzt gleich in deine Firma und fängst an zu arbeiten. Damit bist du gute zwei Stunden früher dran als deine Konkurrenten. Das sind zehn Stunden pro Woche und dann mindestens 40 Stunden pro Monat. Du hast also jeden Monat eine ganze Woche Vorsprung!“

Hatte Delamuraz recht?

Jean-Claude: Klar. Es kommt immer auf dich an, auf deine Haltung. Du musst dich selbst herausfordern. ben (grinst): Jean­Claude fordert dich permanent heraus. So etwas von Innovationslust habe ich noch nicht erlebt. Wenn dein Produkt nicht einzigartig ist, kriegst du keine positive Entscheidung von ihm als Partner. Dann müssen du und dein Team noch mal ran. Und noch einmal. Aber genau so gelang uns die Entwicklung von NORTEQ. Dieses Material, so leicht, so robust und so nachhaltig, das gab es bisher noch nicht in der Uhrenindustrie.

Jean-Claude: Das wird ein neuer Standard in unserer Branche, das schwöre ich dir.

Apropos: Der Start Ihrer Zusammenarbeit fel exakt mit dem Beginn der CovidKrise zusammen.

Jean-Claude: Krisen bedeuten immer auch Gelegenheiten. Das ist wie in einem Korb voller Äpfel. In guten Zeiten sind alle Äpfel saftig und grün. In Krisenzeiten musst du so lange in dem Korb herumkramen, bis du zwischen all den verdorbenen einen guten Apfel fndest. Genau das macht gutes Unternehmertum aus. Und ist eine Riesenchance.

Im Klartext?

ben: Wegen unserer kleinen Strukturen konnten wir uns viel schneller an die neuen Gegebenheiten wie Lieferketten etc. anpassen als die großen Konzerne. Wir konnten Entscheidungen sofort treffen und am nächsten Tag bereits umsetzen. NORQAIN produziert daher die Wild ONE Kollektion zu hundert Prozent in der Schweiz inklusive aller Komponenten und ist obendrein auch gänzlich aus nachhaltigen Materialien zusammengebaut. In gewisser Hinsicht war die Krise vermutlich das Beste, was uns geschehen konnte. Alexander Müller-Macheck

THE RED BULLETIN 89 REMONEUHAUS.COM

NEED FOR SPEED

Diese Events machen Lust auf Biken, Stagediven, Cruisen – und Fotografieren.

WORLD TOUR INNSBRUCK

Der einzige europäische Stopp der Crankworx World Tour 2023 ist Innsbruck. Die besten Bikerinnen und Biker kämpfen am Fuß der Tiroler Berge um die Titel King und Queen of Crankworx und um die Crankworx FMBA Slopestyle World Championships. Im Bikepark Innsbruck in Mutters verschmelzen urbane Vibes und alpines Bergerlebnis zu einem Festival für Pros und die Community. Das Datum passt perfekt in den internationalen Rennkalender, somit kündigt sich die Mountainbike-Elite – Pro Racer und Downhill-Teams – an und wird auf den frischen Kursen des Crankworx Innsbruck alle Bewerbe austragen. Der letzte Wettbewerbstag im Jahr 2022 ging mit einer starken österreichischen Leistung zu Ende. Vali Höll, Siegerin im DownhillBewerb, strahlte: „Es war unglaublich heiß, aber ich hab die Challenge angenommen. Es hat sich ausgezahlt – und fühlte sich super an.“ Mehr Infos auf: crankworx.com; und hier geht’s zum Livestream: redbull.com/crankworxinnsbruck

BIS 10. JUNI GAISBERGRENNEN 2023

In Salzburg findet zum 19. Mal das Gaisbergrennen für historische Automobile statt. Am Donnerstag beginnt es mit der Fahrzeugpräsentation am Residenzplatz, danach steht der Stadt-Grand Prix am Programm. Der Freitag ist den Wertungsläufen am Gaisberg gewidmet und der GaisbergAusfahrt. Am Samstag sagt man am Salzburgring „Bühne frei!“ für die rennbegeisterten Teilnehmer und Zuschauer. Mehr Infos unter: src.co.at

BIS 10. JUNI RED BULL STAGE AM NOVA ROCK

Das Line-up auf der Red Bull Stage am Nova Rock Festival hat es in sich. Auf den Pannonia Fields in Nickelsdorf, Burgenland, starten die Donots und Annisokay mit richtig gutem Alternative-Dampf in den ersten Festivaltag. Für die perfekte Abwechslung sorgen der Wiener Rapper Bibiza und der Alternative-Pop-Boy fiio. Fette Metalsounds gibt’s von Bad Wolves, Paledusk und The Scratch. novarock.at

ERLEBEN
Vali Höll bei der Crankworx World Tour in Innsbruck im Juni 2022
21
Vali Höll startet heuer als Titelverteidigerin im DownhillBewerb. BIS 25. JUNI CRANKWORX
8 7
90 THE RED BULLETIN BORIS BEYER/RED BULL CONTENT POOL,
BULL CONTENT POOL,
BERGER/RED
ILLUME
MICHAEL PHILIPP BADER, MATTHIAS HESCHL/RED
MARKUS
BULL

7.

BULL ILLUME IMAGE QUEST

Der größte Actionsport-Fotowettbewerb holt die Künstler hinter der Kamera ins Rampenlicht: die Fotografinnen und Fotografen, die für ihre Bilder nicht selten an Grenzen gehen und dabei Menschen inspirieren. Der Salzburger Markus Berger gewann zuletzt bei Red Bull Illume in der Kategorie „Playground by WhiteWall“. Sein Foto zeigt Wakeboarder Dominik Hernler in einer Eishöhle unter dem Hintertuxer Gletscher. Ob ihr Profi seid oder Amateur, reicht bis 31. Juli eure Werke ein – über Instagram mit den Tags @redbullillume und #rbi23submission oder auf redbullillume.com

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3×3-Basketball heißt: sechs Spieler auf dem Feld, gespielt wird auf einen Korb. Das weltweite Wachstum des 3×3-Basketballs bietet Spielerinnen und Spielern jetzt die Möglichkeit, nicht nur Pick-up-Spiele im Park zu organisieren, sondern auch an offiziellen FIBA3×3-Turnieren im ganzen Land teilzunehmen: Die 3×3-Basketball-Weltmeisterschaft presented by win2day findet dieses Jahr erstmals in Wien direkt am Rathausplatz statt. Mehr Infos auf: play.fiba3x3.com

JUNI RED BULL ERZBERGRODEO

1 Berg, 500 Starter, 23 Checkpoints, 4 Stunden Zeit – und nur eine Handvoll Fahrer erreicht das Ziel! Das Red Bull Erzbergrodeo gilt als härtestes Ein-Tages-Hard-Enduro-Rennen der Welt. Nur die Allerbesten erreichen den Zielbogen und dürfen sich somit zur Weltelite im Extrem-Endurosport zählen. Zur Übertragung in Österreich bei ServusTV und Red Bull TV: Ab 14 Uhr LiveÜbertragung bei ServusTV On, ab 18.40 Uhr folgen die Highlights vom Red Bull Erzbergrodeo bei ServusTV.

1 Zink trägt zu einer normalen DNA- und Eiweißsynthese und dem Schutz der Zelle vor oxidativem Stress bei und hat eine Funktion bei der Zellteilung. 2 Thiamin trägt zu einem normalen
3 Aging (Albany NY). 2018;10(1):19-33 doi: 10.18632/aging/101354.
Energiestoffwechsel und einer normalen Herzfunktion bei.
30
11
BIS 31. JULI RED MAI BIS 4. JUNI FIBA 3 × 3

ÜBER ALLE BERGE

Red Bull X-Alps feiert sein 20-jähriges

Bestehen: Dafür geht es zu Fuß oder mit dem Gleitschirm 1223 Kilometer über die Alpen. Und durch fünf Länder.

Jedes Jubiläum verdient eine Feier; und in diesem Jahr wird der 20. Jahrestag des ersten Red Bull X-Alps, des härtesten Abenteuerrennens der Welt, gebührend zelebriert. Bis zu 150 Kilometer und 4000 Höhenmeter gilt es täglich zu Fuß oder mit dem Gleitschirm zu überwinden. 2003 starteten nach einer Idee des Piloten Hannes Arch 17 Athleten von den Hängen des Dachsteinmassivs aus über die Alpen. Der Schweizer Gleitschirmpilot Kaspar Henny hat die Strecke damals in 11 Tagen, 22 Stunden und 55 Minuten zurückgelegt und gewonnen. Am 11. Juni dieses Jahres werden 34 Athleten in Kitzbühel-Kirchberg starten,

1223 Kilometer gilt es heuer zu überwinden. Einer der Teilnehmer ist Paul Guschlbauer. Es ist seine siebente Teilnahme, viermal wurde er bereits Dritter. „Vor zwei Jahren bin ich mit einem frisch verheilten, kurz zuvor gebrochenen Fuß gestartet. Es ist alles gut gegangen, ich hatte nur wirklich viele schlimme Blasen“, erzählt der Steirer. Warum das alles, könnte man fragen. Paul fasst zusammen: „Man lernt, sicher, effzient und fexibel unterwegs zu sein, egal was auf einem zukommt.“ Sein erklärtes Lebensziel: die Angst loslassen.

Das will auch Gleitschirmfuglehrerin Elisabeth Egger, die erste österreichische Athletin im Starterfeld.

Am 11. Juni startet das elfte Red Bull X-Alps. Mehr Infos und Live-Tracking:

„Ich kann hier tun, was ich liebe: fiegen, wandern und im Wettbewerb stehen. Es sind viele Entscheidungen zu treffen, Taktik und Einsatz sind gefragt, und ich weiß, dass ich darin gut bin.“

Das Rennen ist auch für unterhaltsame Anekdoten gut: Der Österreicher Stephan Gruber glaubte, den perfekten Landepunkt gefunden zu haben, fand sich aber im Privatgarten von Prinzessin Stéphanie von Monaco wieder. Dort hießen ihn ein bewaffneter Security-Guard und ein Elefant willkommen. „Ich dachte schon, ich sei in Afrika gelandet“, sagt Gruber und grinst. Und Gleitschirmpilot Gavin McClurg aus den USA bekam nach einem anstrengenden Renntag von seinen Kollegen im Van Katzenfutter serviert. Auch eine Art Kraftnahrung.

ERLEBEN
Paul Guschlbauer auf einer seiner Flugetappen im Juni 2021
„ Mein größtes Kopfabenteuer: Ich entdecke die Einfachheit in komplexen Dingen.“
Paul Guschlbauer, Teilnehmer und Paragliding-Profi
Start Ziel GER SUI ITA AUT FRA 92 THE RED BULLETIN ZOOOM PRODUCTIONS/RED BULL CONTENT POOL, MIRJA GEH/RED BULL CONTENT POOL NINA KALTENBÖCK
Streckenverlauf: Von Kitzbühel geht es über Bayern, die Schweiz, Chamonix und Norditalien zurück an den Zeller See.

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carpe diem

Chaplins Gast bei der Uraufführung des Films „Lichter der Großstadt“. Die beiden fuhren in einer offenen Limousine über den Hollywood Boulevard zum Filmtheater, tausende jubelnde Menschen säumten die Straße. Die Anekdote berichtet, Einstein habe den Chauffeur gefragt, was denn los sei, warum solche Menschenmassen die Straße säumten. Der Chauffeur habe geantwortet: „Das ist wegen Ihnen beiden.“ Einstein sei sehr irritiert gewesen. Da habe sich Chaplin an ihn gewandt und habe gelächelt. „Mir jubeln sie zu, weil mich jeder versteht“, habe er gesagt, „und Ihnen, weil Sie keiner versteht.“

Die Anekdote kann aufschlussreich sein, wenn man tiefer gräbt. Zunächst scheint das Rätsel auf Einsteins Seite. Er wird geliebt, weil keiner begreift, was er tut, dies aber als etwas Großes gedacht wird. Die Menschen bewundern ihn. Er ist ein Prometheus, der uns Licht bringt. Als er 1916 die allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, gab es nicht mehr als eine Handvoll Menschen auf der ganzen Welt, die ihn verstanden. Andererseits ist der Gegenstand dieser Forschung ergründbar, zwar schwierig, aber ergründbar, und die Ergebnisse sind beweisbar – das heißt: Die Physik, und sei sie noch so komplex, kann enträtselt werden.

Michael Köhlmeier

erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.

TIEFE DER OBERFLÄCHE

Folge 35: Charlie Chaplin – wie er uns durch sein Staunen die Welt erklärt, ohne etwas zu sagen.

Dieser Mann“, soll Albert Einstein über Charlie Chaplin gesagt haben, „versteht von Physik so viel wie ich von der Schauspielkunst.“

Charlie Chaplin seinerseits soll Einstein behandelt haben wie ein Wundertier. Als ihn der berühmteste Wissenschaftler seiner Zeit bei einem Berlin-Besuch in seine Wohnung einlud, habe sich der berühmteste Schauspieler seiner Zeit benommen, als werde er in einen heiligen Tempel geführt.

Ja, diese beiden Größten bewunderten sich gegenseitig, aber einer konnte mit dem anderen nur wenig anfangen. Ihre Gespräche hätten sich im Wesentlichen auf Lächeln beschränkt. Im Jänner 1931 war Einstein

A

nders die Kunst des Charlie Chaplin: Sie beschäftigt sich mit der Seele des Menschen, der tiefsten Unbekannten im Universum. Das Besondere dabei ist, dass Chaplin immer an der Oberfäche bleibt. Seine große Zeit war die des Stummflms. Das heißt, was er mit seiner Schauspielkunst zum Ausdruck bringen wollte, konnte er nur mit Mimik und Gestik leisten. Chaplin ist der Shakespeare des Körpers. Shakespeare hatte allerdings das Wort zur Verfügung. Mithilfe des Wortes können wir sehr tief im Wesen des Menschen graben. Worte sind zweideutig, mehrdeutig, aber auch präzise und klar. Mit Worten kann ich ausdrücken, was ich weder sehen noch hören kann. Das Wort überschreitet den Bereich des Sinnlichen und greift ins Unendliche. Chaplin hat auf das Wort verzichtet. Er hat verzichten müssen, weil das Kino zur Zeit seiner ersten großen Erfolge noch nicht Bild und Ton zusammenführen konnte.

In der Kunst des Charlie Chaplin erkennen wir, dass das Wesen des Menschen rätselhaft ist und bleibt. Das Rätsel Mensch beschäftigt uns, seit wir denken können. Chaplins Arbeit ist nicht rational beschreibbar, aber sie gibt dennoch Auskunft über unsere Welt. Jeder versteht, was er tut, aber den Gegenstand seiner Arbeit, den Menschen, den versteht letztlich niemand. Gerade umgekehrt verhält es sich bei der Arbeit des Albert Einstein: Keiner versteht, was er tut, aber das Rätsel seiner Welt kann Schritt für Schritt aufgelöst werden. Am Ende dieses Weges steht die Hoffnung, dass wir eines Tages alles wissen. Das Rätsel Mensch aber scheint immer größer zu werden, je mehr wir über ihn erfahren.

Charlie Chaplin war der Großmeister des Staunens. Wenn wir in seiner Biografe dieser These nachgehen, werden wir fnden: dass er über sich selbst am meisten staunte. Er staunt darüber, was eine winzige Geste an psychologischer Einsicht liefern kann. Er staunt dar über und führt es uns zugleich vor, wie sich der

BOULEVARD DER HELDEN
94 THE RED BULLETIN
MICHAEL KÖHLMEIER GINA MÜLLER, CLAUDIA MEITERT GETTY IMAGES

Mensch verändert, wenn er seine Kleidung verändert. Kleidung ist pure Oberfäche, ein Hut ist ein Hut, eine Jacke ist eine Jacke, eine Hose ist eine Hose, und Schuhe sind Schuhe und nichts anderes. Aber wie Kleidung getragen wird, wie sich ein Mensch in ihr bewegt, wie Kleidung die Mimik verändert, das ist ein Konzert aus unendlich vielen Tönen, Akkorden, Melodien, Rhythmen. Jeder kennt die Ausstattung des Tramps.

Die Figur des Tramps hat Charlie Chaplin berühmt gemacht. Wenn heute einer den Namen „Charlie Chaplin“ ausspricht, sieht jeder den Tramp vor sich: auf dem Kopf eine Melone, die Jacke mindestens eine Nummer zu eng, dafür die Hose zwei Nummern zu groß, ebenso die Schuhe. In der Hand ein Stöckchen, unter der Nase ein Zwei-Finger-Bärtchen. Es heißt, innerhalb weniger Minuten habe Chaplin am Beginn seiner Filmkarriere dieses Outft zusammengestellt. Er habe sich in einer Drehpause in der Garderobe bedient. Ruckzuck war die wohl berühmteste Figur der Filmgeschichte geboren. Eine Ikone. Und es heißt, von dieser Stunde an in dieser Montur habe sich Chaplin anders bewegt, er habe mit seiner Mimik anders gespielt – er sei ein anderer gewesen. Eben „der Tramp“.

haplins größter Erfolg war der Film „Der große Diktator“ – Regie: Charlie Chaplin, Drehbuch: Charlie Chaplin, Musik: Charlie Chaplin, Produzent: Charlie Chaplin. Und Charlie Chaplin in zwei Rollen, nämlich als jüdischer Friseur und als der Diktator Anton Hynkel. Der Film ist der erste Tonflm, den Chaplin gedreht hat. Er war als Parodie auf Adolf Hitler gemeint. Chaplin sagte später, wenn er damals – 1940 – gewusst hätte, wie unfassbar grausam das nationalsozialistische Regime gewütet hat, dann hätte er diesen Film nicht drehen können. Der Film ist, wie fast alle Filme Chaplins, eine Tragikomödie – diese Form stellt die vielleicht größte dramatische Kunst dar. In vielen Szenen weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Wie sich Chaplin in seine Charaktere vertiefte, wie er eins mit ihnen wurde, schildert folgende Anekdote: Zuerst seien alle Szenen mit dem jüdischen Friseur gedreht worden. Der ist aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt und hat alle seine Erinnerungen verloren. Er muss sich im Ghetto erst wieder zurechtfnden. Der Friseur ist noch der alte Tramp. Chaplin lehnte den Tonflm ab, lange meinte er, diese Art von Kino werde sich nicht durchsetzen. Kino sei Sehen und nicht Hören. In den beiden Rollen, die er im „Großen Diktator“ spielt, gibt er nur wenige Worte.

Wenn Hynkel seine berühmte Nonsens-Rede hält, könnte man meinen, der Filmemacher Chaplin verspotte neben Hitler auch den Tonflm. Nachdem die Szenen aus dem Ghetto abgedreht waren, sei Chaplin in eine Depression gefallen. Man müsse den Film aufgeben, habe er zu seinem Bruder Sydney gesagt – mit ihm teilte er sich die Produktion. Nachdem er „am eigenen Leib erfahren habe“, wie die Juden unter den Nazis leiden, könne er den Diktator nicht mehr spielen. Man hätte sich das am Beginn der Dreharbeiten überlegen müssen, man hätte mit den Szenen um Anton Hynkel beginnen müssen. Sydney bekniete seinen Bruder. Zu viel Geld sei bereits investiert worden. In diesen Film,

das muss dazugesagt werden, hatte Chaplin nur eigenes Geld gesteckt. Wenn der Film abgebrochen worden wäre, wäre er bankrott gewesen. Während der Arbeit an den Ghettoszenen war Chaplin der liebenswürdigste Mensch, der sich denken lässt, er kümmerte sich um den Liebeskummer des Skriptgirls ebenso, wie er die Geburt einer Tochter eines Mitarbeiters feiern ließ und damit kostbare Drehzeit vergeudete. Er habe sich ganz dem Tramp angeglichen: ein liebevoller Kauz.

Michael Köhlmeier

Der Vorarlberger

Bestsellerautor gilt als bester Erzähler deutscher Zunge. Jüngstes Werk: der Roman „Frankie“, 208 Seiten, Hanser Verlag.

Nun, als er sich entschloss, doch die Szenen mit dem Diktator zu spielen, habe sich die Atmosphäre auf dem Set schlagartig verändert. Chaplin habe sich vom Schneider die Uniform des Anton Hynkel anpassen lassen, er habe sich vor den Spiegel gestellt, habe sich darin betrachtet, sein Gesicht und seine Gesten hätten sich dem Auftreten Adolf Hitlers immer mehr angeglichen – das Oberlippenbärtchen hatten sie ja bereits gemeinsam –, und schließlich habe er auf den Schneider gezeigt und im schnarrenden Tonfall des deutschen Diktators zu Sydney gesagt: „Für alles, was nun folgt, ist allein dieser Herr hier verantwortlich.“ Im weiteren Dreh sei er unausstehlich gewesen, ein Diktator eben, böse wie Hynkel, böse wie Hitler.

harles Spencer Chaplin wurde am 16. April 1889 – vier Tage vor dem von ihm so unvergleichlich verspotteten Adolf Hitler – geboren. Vater und Mutter waren Schausteller, der Vater ein hoffnungsloser Alkoholiker, die Mutter psychisch schwer beeinträchtigt und immer wieder in stationärer Behandlung. Charlie und sein Halbbruder Sydney wurden nicht nur einmal in ein Waisenhaus gesteckt. Die beiden klammerten sich aneinander, ein Leben lang waren sie einander die Nächsten. Sie wuchsen im Elend auf. Sie weinten, froren und hungerten. Noch als Buben schlossen sie sich der Schaustellertruppe um den legendären Fred Karno an.

Der Podcast

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören im The Red BulletinPodcast-Kanal.

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Mit vierzehn spielte Charlie die Rolle eines Pagen in dem Stück „Sherlock Holmes“, und obwohl die Rolle marginal war, begeisterte er die Zuschauer so sehr, dass etliche seiner Auftritte noch während des Stücks wiederholt wurden, so vehement verlangte das Publikum danach. Es dauerte nicht lange, da war er der Star des Londoner Komödientheaters. Chaplin war Anfang zwanzig, als die Truppe auf einer Tournee durch die USA zog. Dort trennte er sich von Fred Karno und heuerte bei der Filmindustrie an. Nach einer Reihe von kurzen Slapstick-Filmen gelang ihm mit „The Tramp“ ein erster großer Erfolg. 1919 gründete er zusammen mit Douglas Fairbanks und Mary Pickford United Artists. Es folgten Klassiker wie „Goldrausch“, „Der Zirkus“, „Lichter der Großstadt“, „Moderne Zeiten“ und schließlich „Der große Diktator“. Während der sogenannten McCarthy-Ära zwischen 1950 und 1955 wurde er als Kommunist denunziert und verhört. Daraufhin verließ er die USA und zog in die Schweiz. Er kehrte nie wieder nach Amerika zurück.

Übrigens: Nur mit dem „Großen Diktator“ wurde er für einen Oscar nominiert, ging aber leer aus. 1972, fünf Jahre vor seinem Tod, wurde Charlie Chaplin der Oscar für sein Lebenswerk verliehen. Keinem seiner Filme wurde diese Ehre zuteil. Schande über die Academy!

C C THE RED BULLETIN 95

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