The Red Bulletin CD 05/23

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SCHWEIZ, CHF 3.80 05 / 2023 JETZT ABONNIEREN getredbulletin.ch

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

HIER LACHT DIE SKI - MACHT

125-Kilo-Hanteln, planmässige Lässigkeit und AC/DC: Worauf Marco Odermatt wirklich abfährt.


Elegance Elegance is an is an attitude attitude Marco Marco Odermatt Odermatt


LONGINES LONGINES SPIRIT SPIRIT


E D ITO R I A L

ZIEL IM BLICK

Contributors

Ihr erstes Etappenziel hat Naomi Lareine bereits geschafft, sich in Charts und TV-Shows gesungen. Nun ist die Schweizer Queen des R ’n’ B bereit für den nächsten big step: Sie will auf die Weltbühne (ab Seite 48). Genau die hat Marco Odermatt längst schon erobert. Was ist das Geheimnis des derzeit besten Skifahrers alive? Dass hartes Training viel, aber nicht alles ist und worauf es wirklich ankommt, erfahren wir von «Odi» ab Seite 38. Um alles oder nichts geht es in der fantastischen Welt der «League of Legends». Wer konkurriert in dem Milliarden-Business, was steht auf dem Spiel (ab Seite 64)? Apropos Spiel: Warum es in der Gaming-Welt dringend mehr Diversität braucht, erklärt Insiderin Marissa «Slayz» Duret auf Seite 22. Denn auch die Genfer Spiele-Designerin hat ein klares Ziel im Blick. Bis hierher war Alltag – ab hier ist Abenteuer!

DAN CERMAK Bunt und direkt sind die preisgekrönten Fotografien von Dan Cermak, aber «so schweizerisch wie ein Semmel­ knödel», sagt der gebürtige Tscheche. Beim Shoot in der Zürcher Binz bewunderte er Naomi Lareines Kletterkünste – und hielt die poppigen Farben mit Blitzlicht fest. Ab Seite 48

IRENE SACKMANN Mit Aquarell und Tusche zeich­ net sie «so frei wie möglich, so präzise wie nötig»: Sackmann zählt zu den besten Illustratorin­ nen Deutschlands und arbeitet mit der Agentur «Botschaft der ­Illustration» zusammen. Für euch hat sie Marco Odermatts Krafttraining veranschaulicht. Staunen und selbst versuchen! Seite 46

4

Beim Fotoshoot im ewigen Weiss über Zermatt gab sich Marco Odermatt ganz entspannt. Über die innere Leichtigkeit des Ski-Schwergewichts erfährst du mehr ab Seite 38.

THE RED BULLETIN

SANDRO BAEBLER (COVER)

DANIEL BROWN Er lebt in San Francisco, ist leitender Redakteur bei «The Athletic» und wagte sich für uns zum ersten Mal in die Wunderwelt des E-Sports: Im ­Vorfeld der «League of Legends»-WM stiess er auf ein Milliarden-Business mit zwei absoluten Superstars und jeder Menge packender Battles. Ab Seite 64


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CONTENTS

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48

G A L L E R Y 8 Z A H L E N , B I T T E ! 14 H Y P E C H E C K 16 HEROES

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Never gonna give him up! Die Legende der achtziger Jahre ist zurück – eine Pop-Auferstehung.

MAYA HAWKE

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Strange, aber cool: Für den «Stranger Things»-Star ist Nest­ bauen wichtig – ganz egal wo.

UND JETZT DU!

NAOMI LAREINE

MARISSA «SLAYZ» DURET 22

IM NAMEN DER KÖNIGIN

Die Schweizer Gaming-Expertin fordert mehr Diversität – nicht nur in der virtuellen Realität.

R ’n’ B in der Stimme, Pop im Klang, Rock in der Seele: In der Schweiz wird sie gefeiert – nun will sie den Rest der Welt erobern.

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H Ö R E N 82 B I O H A C K I N G 83 E R L E B E N 92 IMPRESSUM

PICTORIAL

RED BULL ILLUME

24

Hier schon vorab die Hot Shots aus dem weltweit grössten Wettbewerb der Adventure- und Actionsport-Fotografie.

Was treibt der derzeit beste Skifahrer der Welt abseits der Piste? Und was treibt ihn? Wir trafen einen Mann zwischen Qualen und Strahlen.

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HINTER DEM MYTHOS

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C A R T O O N 98

RAF CAMORA

54

Der Rapper ist der meistgestreamte Artist im deutschen Sprachraum. Aber wer ist Raphael Ragucci? GAMING

M A R C O O D E R M AT T

DER SCHNEEKÖNIG

R E I S E N 75

HANNES BERGER, DAN CERMAK

RICK ASTLEY

38

LIGA DER LEGENDEN

64

Das Computerspiel, aus dem eine ganz, ganz eigene Welt erwuchs: So wurde «League of Legends» zum Sport für Millionen.

THE RED BULLETIN


BEFLÜÜÜGELT DURCH DEN WINTER. MIT DEM GESCHMACK VON BIRNE-ZIMT.

NEU

BELEBT GEIST UND KÖRPER.


Kitzbühel, Österreich

SCHWERE(S) LOS Federleicht und unbeschwert wirkt dieser Gleitschirmflieger-Schwarm. Die perfekte Illusion! Denn das hier ist bloss das Warmup zum härtesten Abenteuerrennen der Welt, den Red Bull X-Alps: Auf 1223 Kilo­ metern ging es durch fünf Länder, wandernd, kletternd, kriechend, fliegend. Am Ende gewann der Schweizer Christian Maurer. Nach exakt sechs Tagen, sechs Stunden, einer Minute. Und nein, die Zeit verging nicht immer wie im Flug! Die Storys dahinter: redbullxalps.com


THE RED BULLETIN

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ADI GEISEGGER/RED BULL CONTENT POOL

DAVID PESENDORFER


Bedford, Indiana, USA

MISTER MYSTERY Der zweifache Wakeskating-Weltmeister Brian Grubb träumte stets davon, einen unterirdischen Fluss zu bewältigen. Das Schweben des Brian: Er startete sein E‑Foil (elektrisches Tragflächen-Surfbrett) 30 Meter unter der Erde, und ab ging es über den Myst’ry River. Mit 32 km/h legte er ein Zehntel der 34 Kilometer langen Strecke zurück. Und wie war der Ritt über den U-Fluss? «Es war alles viel enger als erwartet», sagt Brian. Das ganze Abenteuer auf redbull.com

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THE RED BULLETIN


ROBERT SNOW/RED BULL CONTENT POOL

DAVYDD CHONG


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THE RED BULLETIN

TIM MARCOUR/RED BULL CONTENT POOL

DAVYDD CHONG


Stechelberg, Schweiz

ON THE ROCKS

Letzte Kraft, gleich hat sie’s geschafft! Hier sehen wir (wenn wir sehr genau hinschauen) die österreichische Bergsteigerin und Freeskierin Nadine Wallner (links) und den Schweizer Bergführer Samuel Wahli auf dem Silberhornrücken in der Finalphase des Vertical Jungfrau Marathons 2023. Wallner schaffte den Aufstieg vom Lauterbrunnental zum Gipfel der Jungfrau (4158 Meter) über gleich zwei Routen in 16 Stunden und 20 Minuten. Als erste Frau an nur einem Tag, also: Aufsteigerin des Jahres! redbull.com


Z A H L E N , B IT T E !

HUNGRIGES HOLLYWOOD

Die «Tribute von Panem» und ihre «Hunger Games» sind zurück: Am 16. November startet das Prequel «The Ballad of Songbirds and Snakes» in unseren Kinos.

500 000

4 556 778

3000

Statisten waren vor den Hochöfen des Landschaftsparks Duisburg im Einsatz, der im neuen Film als ­Kulisse dient.

64

1971

wurde Regisseur Francis Lawrence als Sohn ­amerikanischer Eltern in Wien geboren.

Jahre vor Beginn der Serie ist das Prequel angesetzt. Im Mittelpunkt: Coriolanus Snow, gespielt von Tom Blyth.

30 000

165

Konkurrentinnen hatte die neue Hauptdarstellerin Rachel Zegler für ihre vorangegangene Filmrolle ausgestochen.

Minuten dauert das neue Movie, das längste der gesamten Serie.

105

Prozent mehr Mitglieder verzeichnete der US-Bogenschützenverband nach dem Start des ersten «Tribute von Panem»-Teils 2012 – denn der Bogen gehörte zur Ausrüstung der Haupt­darstellerin Jennifer Lawrence.

14

2 690 000 000

Schweizer Franken spielten die bisherigen vier «Tribute von Panem»-­Filme seit 2012 weltweit ein; allein in den USA waren es 1,45 Milliarden Dollar (CHF 1,32 Milliarden).

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

Menschen leben im Fan­­ tasie­land Panem, benannt nach dem lateinischen ­«panem et circenses» («Brot und Spiele»).

HANNES KROPIK

Mal wurde James Newton Howard, der die Musik für alle «Tribute von Panem»-­Filme komponierte, für den Oscar nominiert. Gewonnen: keinen.

517

Seiten lang ist «The Ballad of Songbirds and Snakes» – ­Suzanne Collins’ vierter Roman der «Tribute von Panem»-Serie und literarische Filmvorlage.

MURRAY CLOSE7STUDIOCANAL, LIONSGATE

9

Dollar (CHF 454 000) kassierte Jennifer Lawrence in Teil 1 der «Tribute von Panem». In Teil 2 lag die Gage schon bei 10 Millionen Dollar (CHF 9,1 Millionen).


Der neue Amarok Bereit für grosse Abenteuer? Bärenstark und trotzdem ein Blickfang. Vielseitig und mit modernster Technik. Der neue Amarok meistert jeden Untergrund souverän. So macht er aus Alltag und Freizeit ein grosses Erlebnis.

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H Y PE C H EC K

CHECK IN? DRIVE IN!

Auf TikTok jagt ein Hype den nächsten. Creator Kirafin checkt für uns Trends, die abheben. Dieses Mal: Modobag.

16

DAS TEIL

«Du willst am Flughafen nie wieder zum Gate hetzen? Good news: Koffer wie dieser chauffieren dich easy hin. Einfach draufsetzen und E-Motor aktivieren. Der Top-Speed des Modobags liegt bei 13 km/h, Höchstgewicht: 118 Kilo.»

DER HYPE

«So viele TikToks gibt es gar nicht, schliesslich kostet das gute Stück über 1000 US-Dollar. Aber wann immer ein Video erscheint, geht es viral. @djspindizzy generierte 3,1 Millionen Views. Auch Komiker Knossi will ihn, und DJ Stella Bossi macht damit bereits die Flughäfen unsicher.»

DER CHECK

«Okay, der Koffer sieht nach Spass aus. Aber der Preis ist eine echte Herausforderung. Und dann wiegt das Teil alleine schon neun Kilo, da ist Übergewicht programmiert. Also: Für Video-Content cool, für den Alltag eher nicht.»

THE RED BULLETIN

MODOBAG.COM

Kirafin heisst bürgerlich Jonas Willbold, ist 29 und unter­hält seine 1,2 Millionen Follower auf TikTok mit Comedy-Formaten. Neben­her folgt er seiner Faszination für Tech, Produkte und Trends.


Natürlich miteinander.

CH-BIO-004

Natürlich erfrischend.


H E RO ES

RICK ASTLEY

war ein prägendes Gesicht des 80er-Pop. Und wer ihn nicht kennt, muss ihn sich vorstellen wie eine gebügelte Version von Ed Sheeran. Doch nun, mit 57, ist er wieder voll da – und erobert locker-lässig das Kult-Festival von Glastonbury. TEXT MARCEL ANDERS

Er war ein linkischer Ex-Chorknabe aus dem nordwestenglischen Newton-leWillows. Bis 1987, als Richard «Rick» Paul Astleys Debüt-Single herauskam. «Never Gonna Give You Up» schaffte in 25 Ländern Platz eins der Charts und machte ihn mit Anfang 20 über Nacht zum Megastar. Doch hätte man Astley damals prophezeit, dass ihm derselbe Titel auch noch 37 Jahre später Türen öffnen würde, hätte er einen ausgelacht. Heute weiss er es besser: Astley spielt seine eigenen Songs neben Coverversionen der Kultbands The Smiths und AC/DC beim Glastonbury Festival in England. Aktuell verzeichnet das Musik­ video zu «Never Gonna Give You Up» an die 1,4 Milliarden Klicks auf YouTube. Bis zu einem gewissen Grad hat das mit dem Scherz-Phänomen des Rickrolling zu tun, das einzig darin besteht, einen beliebigen Link zu ebenjenem Video umzuleiten. Auf diese Weise fand Astleys Musik ein völlig neues Publikum: Soeben nahm er sein neuntes Album auf – «Are We There Yet?» – und plant eine UK-Tour. the red bulletin: Deine Reise begann mit «Never Gonna Give You Up». Wann hast du dieses Lied erstmals gehört? rick astley: Ich arbeitete als Assistent bei Stock Aitken Waterman (legendäres Brit-Produzenten­trio in den Achtzigern; Anm.), und e­ ines Tages sagte Pete Water­ man: «Möchtest du mal im Studio vorbei­ schauen? Du wirst Tee kochen müssen, dafür lernst du aber auch einiges.» Ich sagte: «Ja, klar!» Als Mike Stock sich dann hinsetzte und die ersten Akkorde von ­«Never Gonna Give You Up» auf einem Fairlight-Synthesizer spielte, brachte ich gerade – nein, nicht Tee, Kaffee. Und aus Mikes ­Improvisation wurde mein Song.

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FOTO AUSTIN HARGRAVE

Hättest du ihn gerne selbst geschrieben? Nicht jeder kann Lennon oder McCartney sein. Ich habe zwar ein paar Songs selbst geschrieben, einige waren in Amerika so­ gar erfolgreich. Aber «Never Gonna Give You Up» und «Together Forever» habe ich nicht selbst geschrieben. Hätte ich wahr­ scheinlich gar nicht können. Man muss ­einen extrem engen Fokus haben, um zu sagen: «Coolness interessiert mich nicht, ich schreibe einen Popsong für die Ewig­ keit.» Stock Aitken Waterman fanden eine Formel und blieben dabei, weil sie funk­ tionierte. Deshalb wollte ich da weg. «Never Gonna Give You Up» hat dich an überraschende Orte geführt, etwa auf die Bühne mit den Foo Fighters … Ich habe die Jungs vor einigen Jahren in Japan kennengelernt und bin dann nach ein paar Bier zu ihnen auf die Bühne gesprungen. Zusammen performten wir Nirvanas «Smells Like Teen ­Spirit», und ich konnte mit «Never Gonna Give You Up» noch eins draufsetzen. Ich hatte die Foo Fighters zuvor noch nie getroffen, aber Dave Grohl, der Frontman, lud mich ein, den Song zu spielen. «Hast du Lust, hier und jetzt, vor 50 000 Leuten?», flüsterte er mir ins Ohr, und ich sagte: «Ja!» Nach dem Auftritt haben wir uns noch ein paar weitere Biere hinter die Binde gekippt und viel gelacht. Dave macht das gern: auf Leute zugehen und sie ausfragen, wer sie sind und was sie so machen. Er ist der neugierigste Mensch, den ich je im Musikgeschäft traf. Bei einem deiner Glastonbury-Gigs hast du «Highway to Hell» von AC/DC gesungen und bist dabei selbst an den Drums gesessen. Wird das Teil der neuen Tour? So gern ich das spiele, müssen wir jetzt einmal etwas anderes machen – wir brau­ chen ein bisschen Abwechslung.

Wirst du noch «gerickrollt»? Viel seltener. Aber die Jungen kommen auf mich zu und machen die typischen Tanzmoves aus dem Video, das finde ich schon lustig. Andererseits kann ich auch jene Leute verstehen, die nicht wollen, dass ihre Songs vom Internet gekapert werden – wenn es etwa eine Ballade wäre, in der ich den Verlust eines geliebten Menschen betrauere, wäre ich vielleicht viel weniger entspannt. Aber hey, es geht um einen Eighties-Dance-Pop-Song, dem ich unfassbar viel verdanke und der Teil meiner DNA ist: Wenn man mich auf­ schneidet, singt es «Never Gonna Give You Up» aus mir heraus. Ich liebe den Song, aber ich kann auch über ihn lachen. Ist doch ein irres Geschenk, dass Zehnjährige den Text können! Selbst wenn sie ihn nicht mögen, er ist da – wie Kaugummi. Der klebt da und geht nicht mehr weg. Du siehst mit 57 noch recht jugendlich aus. Liegt das an der Musik? Ich glaube, es hat mit einem stressfreien Leben zu tun. Zum Glück bin ich nie nachts wachgelegen und habe gegrübelt, wie ich meine Hypothek zurückzahle. Mein einziger Stress in letzter Zeit war Lampen­ fieber vor den Auftritten in Glastonbury, aber das ist schöner Stress. Ich darf mich unfassbar glücklich schätzen. You should be so lucky … Ganz genau. Übrigens bin ich nächsten Sonntag mit Kylie Minogue verabredet. Rick Astleys neues Album «Are We There Yet?» ist jetzt erhältlich. rickastley.co.uk

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«Dieser Song ist wie Kaugummi: Der klebt da und geht nicht mehr weg.» Rick Astley, über seine Zeitlosigkeit und das Phänomen «Never Gonna Give You Up»

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19


H E RO ES

MAYA HAWKE

eroberte mit «Stranger Things» die Film­branche. Eigen, aber clever: Die Schauspielerin baut sich Nester, immer und überall – im Kinder­zimmer, am Set, mitten im Central Park. TEXT RÜDIGER STURM

Die Mini-Globetrotterin Doch eigentlich lernte die aus New York stammende Schauspielerin, die auch als Sängerin und Model aktiv ist, schon viel früher, mit chaotisch-unberechenbaren Situationen zurechtzukommen. Das hat sie nicht zuletzt ihren Eltern zu verdan­ ken, die bis zur Trennung im Jahr 2003 als eines der Traumpaare Hollywoods galten – Uma Thurman und Ethan Hawke. Tochter Maya: «Sie sind mit mir rund um die Welt gezogen, besonders als ich noch ganz klein war. Meinen vierten Ge­ burtstag habe ich zum Beispiel mit ihnen in China verbracht. Das alles war sehr aufregend, aber es hat in mir auch diesen Wunsch nach Beständigkeit geweckt. Ich habe mich jedes Mal gefreut, nach Hause zu kommen.» Und wie! Maya Hawkes Strategie für Stabilität bestand von klein auf darin, sich «ein Nest zu bauen»: «Ich war schon immer so –

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soweit ich denken kann. Es begann schon mit der Einrichtung meines Zimmers – ich kümmerte mich etwa stets darum, dass ich auch farblich passende Decken hatte. Und ich wollte unbedingt einen Boden, der sich wohlig anfühlt. Gleich­ zeitig habe ich aber auch die grosse, weite Welt in meine kleine geholt. Ich hatte stets Landkarten an die Wände gepinnt – und ich sammelte Insekten und kleine Glastierchen.» Einbahn nach Hause Geborgenheit fand Grossstadtkind Maya auch in der unmittelbaren Natur: «Ich wollte mich selbst kennenlernen, indem ich im New Yorker Central Park unter­ wegs war oder in den Wäldern nördlich der Stadt.» Und auch heute noch treibt Maya diese Sehnsucht nach einer festen Basis: «Wenn ich reise, ist mein Motto: Lasst uns aufbrechen – um dann nach Hause zu kommen.» Und selbst beim Dreh zu «Asteroid City» in Spanien entstand für Maya so etwas wie ein emotionales Zuhause: «Wegen der Pandemie haben wir dort alle zusammengewohnt. So habe ich meine Zeit konzentriert an einem Ort mit den wunderbarsten Menschen verbringen können.» Gruppendynamik inklusive: «Wir haben den gesamten Prozess ge­ meinsam absolviert, was für ein starkes Zusammengehörigkeits­gefühl gesorgt hat. Manchmal mussten wir etwa als Kom­parsen aushelfen und einfach nur im Hintergrund durchs Bild laufen, wäh­ rend im Vordergrund andere Kollegen eine Szene spielten. Es gab Einstellungen, die wir gefühlt dreihundertmal wieder­ holten, aber es war grossartig.» Diese Konstellation wäre für Maya ein Wunschszenario, wenn sie wieder einmal einen Lockdown durchmachen müsste: «Ich würde sofort alle meine Freunde

zusammen­sammeln, und wir würden uns für diese Zeit eine gemeinsame Loca­ tion in einer wunderschönen Umgebung suchen.» Feste Strukturen in Sachen Seelen­ heimat, feste Strukturen im Job – die Voraussetzung dafür schafft Maya Hawke durch eine minutiöse Vorbereitung: «Bei ‹Asteroid City› habe ich das Drehbuch genau analysiert und die Ausdrucksweise von Wes Anderson studiert. Erst habe ich den Text für mich gesungen – und dann erst gesprochen. Auf diese Weise dringen die Worte regelrecht in dein Knochen­ mark ein. Denn wenn du dich an deine Textzeilen erst mühsam erinnern musst, während du drehst, bist du schon ver­ loren. Vielleicht können andere Kollegen so arbeiten, aber ich nicht.» Ein Leben nach New York Doch so wichtig das Gefühl von Sicherheit und Erwartbarkeit für Maya auch ist – ih­ ren Horizont will sie dennoch erweitern. Deshalb ist sie ihren Eltern für das «gross­ artige Geschenk“ der zahlreichen Reisen trotz chronischem Heimweh dankbar. «Ich will selbst um die Welt ziehen und Abenteuer erleben. Und ich will auch eines Tages wo­anders leben als in New York. Ich habe zwar ein bisschen Angst davor, aber egal.» Nicht zuletzt weil sie weiss, was es bringen kann, Angst zu überwinden. Das spürte sie bei ihrer improvisierten Tanzszene: «Da konnte ich mich so richtig ausdrücken und war ganz ich selbst.» Instagram: @maya_hawke Die fünfte (und angeblich finale) Staffel von «Stranger Things» mit Maya Hawke dürfen wir – trotz eines Autorenstreiks, der die Dreharbeiten verzögerte – 2024 erwarten.

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DANIA MAXWELL/LOS ANGELES TIMES/CONTOUR BY GETTY IMAGES

Am Set zum Film «Asteroid City» schlot­ terten Maya Ray Thurman-Hawke zu­ nächst einmal ganz gehörig die Knie: Da wollte Regisseur Wes Anderson («Grand Budapest Hotel») von ihr in einer Szene doch tatsächlich eine Tanzein­lage. «Aber ich konnte ganz einfach nicht tanzen», sagt die 25-Jährige, die mit der NetflixSerie «Stranger Things» schlagartig bekannt geworden war. Also bat sie den Filmemacher um zumindest ein paar Pro­ ben, die er ihr auch versprach: «Jeden Tag habe ich ihn danach gefragt, aber es ist nie dazu gekommen. Wir haben das Tänz­ chen dann einfach gedreht, und ich habe begriffen: Meine Nervosität und Unsicher­ heit passten zur Szene.»


«Am Anfang singe ich alle meine Rollen – so werden sie ein Teil von mir.» Maya Hawke, 25, über das Gefühl innerer Sicherheit

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H E RO ES

MARISSA «SLAYZ» DURET aus Genf ist E-Sport-Expertin, Spiele-Designerin und Producerin, und ihr Target sind die erstarrten Machtverhältnisse im Gaming-Business. Weiss, männlich, hetero – das ist der Rahmen, den sie ganz sanft sprengt. TEXT PAULINE KRÄTZIG

Das englische Verb to slay bedeutet ur­ sprünglich «erschlagen». Zum Beispiel Monster, Zombies, Cyborgs und Aliens in Computerspielen wie «Horizon Zero Dawn», «Control», «Returnal» oder «­Uncharted: The Lost Legacy». Das Be­ sondere daran: Die Slayer sind in diesen Spielen weiblich. Sie besetzen keine lä­ cherlichen Nebenrollen, sondern sind die Heldinnen der G ­ eschichte. Das Adjektiv slay adelt im Slang Per­sonen, die krass beeindrucken. Wie auch die 27-jährige Marissa Duret alias «Slayz», die im Namen aller Spielbegeisterten da­für kämpft, dass nicht nur heterosexuelle­weisse Kerle virtuelle Welten digital erschaffen und ingame Frauen retten dürfen. Ihre Skills: 18 Jahre Gaming-Experience, Studium an der ersten Schweizer Hochschule für Motion Design, Special Effects und virtuelle Welten, E-Sport-Insiderin. Cha­ rakter: emanzi­piert, engagiert, energisch, ehrlich. Spezialitäten: subtiler ­Humor, schnelles Mundwerk. Emanzipierte Nachtelfe Die Schweizerin stieg früh ins Spiel ein. Mit neun Jahren zockte sie «World of Warcraft« als Nachtelfe Cassiopéa – ein Wesen mit grossen Brüsten in einem Hauch von Rüstung. Als sie mit «Over­ watch» begann, übernahm sie den battle tag ihres Bruders, «Slayz», der ihr bleiben sollte. Gaming im Namen eines Mannes? 2016 ermittelte die International Game Developers Association, dass 75 Prozent der Entwickler männlich sind, 76 Prozent weiss, 81 Prozent heterosexuell. Schwach, keine Frage, aber kein Grund, den weib­­li­ chen Weg mit Vorschlaghammer und Feu­ er­werfer zu ebnen, findet Marissa. «Damit kann man ein Computerspiel gewinnen,

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FOTO DOMINIC NAHR

für Gleichberechtigung tut das nichts, eher im Gegenteil. Wut ist gut, aber nur, wenn man diese Energie einsetzt, um et­ was aufzubauen, nicht um zu zerstören.» Genau wie im Spiel erreiche man das Ziel schneller, wenn man sich bei Gleich­ gesinnten einhakt, statt die Ellbogen auszufahren. Marissa gründete nach ihrem Uni­ abschluss 2020 ein eigenes kleines IndieVideospiel-Entwicklungsstudio: Koi Games. «Als CEO kann ich so inklusiv sein, wie ich es mir von der gesamten Branche wünsche.» Denn die zeigt erst seit weni­ gen Jahren mehr Vielfalt – auch weil die wachsende Sensibilisierung der real world einen Wandel verlangt. «Es sind ja nicht nur Frauen unterrepräsentiert und stereo­ typisiert, das gilt auch für marginalisierte Geschlechter, sexuelle Identitäten, Natio­ nalitäten, Ethnien, Konfektionsgrössen, körperliche Einschränkungen – so vieles!» Als weltweit grösste Unterhaltungsindus­ trie hat Gaming enormen Impact. Umso wichtiger sei, was und wie in den Spielen erzählt wird. Und umso entscheidender sei daher auch, wer diese Spiele gestaltet: Die Koi-Crew etwa ist ein bunter Mix aus Frauen und Männern aus Frankreich, Marokko, Chile, England, Kanada und der Schweiz. «Fünf Personen mit ähnlichen An­ sichten kommen in der Spielentwicklung nicht wirklich weiter. Je mehr Perspek­ tiven, desto breiter wird das Spektrum an Ideen – die Story gewinnt an Tiefe, die Charaktere werden vielschichtiger, auch die männlichen», sagt Marissa. «Es sollten nicht immer Muskelpakete mit Bärten sein, die Frauen beglücken.» Charaktere sollten sich greifbar und ver­ traut anfühlen. «Einen schwarzen Dude in die Story zu schreiben, dessen Rolle gar keinen Sinn hat, ist Futter für Hater», weiss ­Marissa. Für sie war das Action-

Adventure und Survival-Horror-Game «The Last of Us» ein Wendepunkt. Dessen Heldin Ellie ist lesbisch, kein Hot Girl in Hotpants, sondern ein toughes Mädchen in Sweater und ausgelatschten Chucks mit einer Narbe im Gesicht; ihre Freundin Dina ist jüdisch, Antagonistin Abby eine muskulöse Amazone, der junge Asiate Lev transgender. «Es sind keine Superhelden, keine Stereotype, sondern Menschen mit Geschichten», sagt Marissa. «Die Story und die Charaktere berühren mich.» Im Namen der Omas Koi Games hat unter anderem kleine VRPuzzles und Exploration-Games entwickelt. Jede fängt einmal klein an; überhaupt loszulegen ist entscheidend. «Repräsen­ tation und Sichtbarkeit sind so wichtig», sagt Marissa und wird lauter. «Wenn jun­ ge Menschen sehen: ‹Hey, es gibt Frauen, Homosexuelle, Schwarze, Weisse, Bunte in dem Business›, sagen sie eher: ‹Das ist auch was für mich!›» Seit 2016 ist Marissa im E-Sport aktiv, hat über 30 Events und virtuelle Wettkämpfe organisiert, einige davon auch moderiert, wie 2022 «Red Bull Itemania». Sie erinnert sich schmun­ zelnd an ein LAN-Event. «14 Egos haben sich erst einmal nur gestritten, wer Schuld an dem Problem hat. Ich sass mit Popcorn daneben und hab in Ruhe überlegt: Wo ist das Problem? Was können wir tun, wer kann was tun?» Nicht immer sei der schnellste, kürzeste Weg der b ­ este. «So viele grossartige Frauen haben den Weg bis hierher für uns geebnet. Ich glaube, meine Oma und alle Omas vor ihr wären echt beleidigt, wenn ich jetzt aufhörte», sagt Marissa im Halbernst, und die Krie­ gerin in ihr ruft: «Fight till the end!»

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«Wut ist gut – wenn man sie einsetzt, um etwas aufzubauen.» Marissa «Slayz» Duret über ihren Kampf für mehr Vielfalt im Gaming

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WELLE DER ZUVERSICHT

kategorie: creative

Fotograf: Bryan Niven Location: Pismo State Beach, Kalifornien, USA «Die Sonne war drauf und dran, die Wolkendecke zu durchbrechen, als ich mir Kamera und Flossen schnappte, um schwimmend nach Motiven zu suchen. Ich brauchte ganz einfach etwas, was meine Laune hob und mich ablenkte. Zuvor hatte mein Arzt angerufen und mir Unerfreuliches mitgeteilt.» Doch dann, völlig losgelöst – zwei Surfer. Und eine Welle der Zuversicht. bryanniven.com, Insta: @bryanniven

MEER UND MEHR BRYAN NIVEN/RED BULL ILLUME

Red Bull Illume ist der weltweit grösste Wett­ bewerb für Adventure- und Actionsportfotografie. Ende November werden die Sieger für 2023 gekürt. Hier eine erste Vorauswahl zwischen tosender Gischt, Felsen – und dem Naturwunder Mensch. TEXT DAVID PESENDORFER

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BERLINER MAUERN

kategorie: emerging with canon Fotograf: Elias Giselbrecht Location: Berlin, Deutschland «Die erste Nacht in Berlin nach 13-stündiger Anreise – und endlich hatte ich die Gelegenheit, am ­Marie-Elisabeth-Lüders-Haus zu f­ otografieren, denn das wollte ich schon immer.» Und dann überschlugen sich ganz offensichtlich die Ereignisse. Sogar mehrmals. Insta: @brichti_revo

DIE WÜSTE BEBT

kategorie: energy

Fotograf: Hannes Berger Location: Alsisar, Indien «Mountainbike-Ass Fabio Wibmer und ich waren auf Location-Suche, als unser Reiseführer wie beiläufig einen nahe gelegenen Wüsten­ ausläufer erwähnte. Ein Blick – und Fabio und ich wussten, wohin es geht.» Endstation Sandkiste! hannesberger.com


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ELIAS GISELBRECHT/RED BULL ILLUME, HANNES BERGER/RED BULL ILLUME


WEISS(T)RAUM

kategorie: masterpiece by sölden Fotograf: Guy Fattal Location: Whistler, BC, Kanada

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GUY FATTAL/RED BULL ILLUME

«Das Backcountry von Whistler hatte sich in einen Spielplatz aus unberühr­ tem Schnee und kristallklarem Licht verwandelt. Ich mag diesen Kontrast zwischen der verspielten Spur meines Kumpels Tom Pfeiffer und der ruhigen Kulisse.» Zudem symbolisiert das Bild jede Menge Aufbruch – es war Guys erste Fotoexpedition nach einem lang­ wierigen Kreuzbandriss. guyfattal.com, Insta: @guyfattalphoto

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STAR AUF STRIPES

kategorie: playground by radiant photo

Fotograf: Ian Collins Location: Big Water, Utah, USA

Fotograf: JB Liautard Location: Nazca, Peru

«Mountainbike-Champ Brandon Semenuk und ich fuhren für einen Shoot in die Wüste, ein Mix aus Privatprojekt und Werbejob. Da fanden wir diesen Felsen.» Brandon fuhr sofort auf ihn ab! iancollinsphotography.com, Insta: @iancollinsphotography

«Diese Düne ist 500 Meter hoch und zählt zu den grössten der Welt. Der Wind hatte sie so schön in Falten gelegt, dass es wie eine Fälschung aussah.» Garantiert echt: Mountainbike-Filmer Kilian Bron, der Sandmann. jbliautard.com, Insta: @jbliautard

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IAN COLLINS/RED BULL ILLUME, JB LIAUTARD/RED BULL ILLUME, JUAN GARCIA PRIETO/RED BULL ILLUME

KREISVERKEHR

kategorie: playground by radiant photo


WASSERRAD-FAHRER

kategorie: innovation by mpb Fotograf: Juan García Prieto Location: Parque Araucano, Santiago, Chile «Das Foto hält den Moment fest, in dem BMX-­Ikone Jorge Arias alias Kazique einen Backflip über der Fontäne eines Springbrunnens hinlegt. Es steht für die Überwindung der Schwerkraft.» Und für perfektes Timing. Insta: @juanonas


DIE KOPFWÄSCHE

kategorie: photos of instagram Fotograf: Kevin Kielty Location: Newport Beach, Kalifornien, USA

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KEVIN KIELTY/RED BULL ILLUME

«The Wedge ist ein Surfbreak in Newport Beach, der für seine Grösse und seine rauen Bedingungen bekannt ist. An diesem Tag waren die Wellen gut und gerne sechs Meter hoch. Hier geht es so drunter und drüber, dass ich immer erst zu Hause sehe, was ich da mit der Kamera so ein­gefangen habe – wie etwa dieses Juwel.» Der Surfer ist namenlos – aber nicht so kopflos, wie die Momentaufnahme vielleicht vermuten lässt. kpk66.myportfolio.com, Insta: @kksurfphotography

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LICHTMOMENT

kategorie: photos of instagram Fotograf: Léo Grosgurin Location: Briançon, France «Es war sehr schwierig, dieses Bild zu ­machen, mit diesem wunderschönen Baum, den Wasserfällen im Hintergrund – alles so perfekt», sagt Grosgurin. Alles gleich­ zeitig wollte er in einer Aufnahme mit dem Mountainbiker Arthur Deblonde fest­halten. «Am Morgen haben wir eine Rampe gebaut, dann habe ich ein Kilogramm Blitze an einer Drohne befestigt und sie über den Baum geschickt. Es war sehr windig, die Drohne stürzte mehrmals ab.» Dann ging es schnell: Ein Test, eine Aufnahme – und das makellose Bild war im Kasten. Insta: @leogrgr


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LÉO GROSGURIN/RED BULL ILLUME


FRAU ÜBER BOARD

kategorie: lifestyle by cooph

Fotograf: Kevin Molano Location: Bogotá, Kolumbien «In der Welt des Skateboardens, in der j­eder Trick eine Challenge darstellt und Stürze ganz normal sind, steht ‹Skate or Die› für totale Hingabe an den Sport und für Selbstüberwindung.» Und auch Skaterin Nataly Lucano rollt gleich wieder weiter. kevinmolanoph.com, Insta: @kevinmolanoph

HÜTTENGAUDI

kategorie: lifestyle by cooph

Fotograf: Tom McNally Location: Langdale, Cumbria, England «Leider ist das Langdale Valley einer der feuchtesten Orte des Landes. Wenn die Felsen also mal wieder triefen, weicht Kletterer Will Birkett spontan in seinen Schuppen aus.» Truly Trockentraining! tommcnally.co.uk, Insta: @tommcnallyphotography

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KEVIN MOLANO/RED BULL ILLUME, TOM MCNALLY/RED BULL ILLUME, DENIS KLERO/RED BULL ILLUME

BRETT AUF VIOLETT kategorie: raw

Fotograf: Denis Klero Location: Rampstroy House, Moskau, Russland «Ganz ehrlich – eine Aufnahme mit ähnlicher Inszenierung habe ich bei einem Porträt­ fotografen gesehen. Bei seiner Aufnahme stand das Model aufrecht in einem Lichtstrahl, eingehüllt in eine fette Farbfüllung.» Also musste Denis «nur» noch aus Statik Dynamik machen. klero.ru, Insta: @denisklero

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Code scannen, und hol dir das Red Bull Illume 2023 Photobook. Die Preisverleihung für den diesjährigen Wettbewerb findet am 30. November statt. redbullillume.com

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Sonne scheint, Odermatt strahlt Egal ob in der Kraftkammer oder auf dem Gletscher – Marco trainiert praktisch immer.

DAS GEHEIMNIS DES SCHNEE-­ KÖNIGS Marco Odermatt ist der beste Skifahrer der Welt. Sein Weg dorthin? Hanteln wie Felsblöcke. Gewitter und Feuerwerke. Und Hard Rock gegen den Schmerz. TEXT CHRISTOF GERTSCH FOTOS SANDRO BAEBLER

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W

enn Marco im Kraftraum trainiert, ist das wie eine Explosion. Als würde über ihm ein Ge­witter hereinbrechen oder ein Feuerwerk hoch­gehen. Man sieht das für gewöhnlich ja nicht, weil er im Fernsehen immer Skianzug und Helm trägt, aber er ist ein Modellathlet: 1,84 Meter gross und 87 Kilo schwer. Es ist ein Vormittag im Hochsommer, und es gibt absolut keinen Grund, jetzt an den Winter zu denken. Ausser man heisst Marco Odermatt. Für den besten Skifahrer der Welt ist der Winter gerade ganz nah, näher, als ihm manchmal lieb ist. In Oberdorf bei Stans steigt er die Stufen zu dem Kraftraum hoch, in dem er sich in der Saison­pause drei- bis fünfmal wöchentlich quält. Er wirft die Tasche in eine Ecke, schliesst das Handy an die Lautsprecherbox an und atmet tief durch. «Saisonpause» – was für ein unpassendes Wort. Regelrecht irreführend. Denn mit einer Pause hat das, was Marco den Sommer über tut, nichts zu tun. Na gut, im Sommer sind keine Rennen, während im Winter eines auf das nächste folgt, weil Marco nicht eine und nicht zwei, sondern drei Disziplinen bestreitet: Riesenslalom, Super-G, Abfahrt. Aber sonst? «Der Sommer ist härter als der Winter», sagt Marco und atmet gleich noch einmal tief durch. Nur wenige seiner Gegner sind so vielseitig wie er, doch in diesem Fall ist die Begabung auch eine Herausforderung: Je mehr Rennen Marco absolviert, desto grösser sind zwar seine Chancen im Gesamtweltcup – den er zuletzt zweimal gewonnen hat –, desto kürzer sind

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Aufwärmen für neue Bestzeiten Marco beim SwissSki-Training auf den Pisten bei Zermatt diesen September

aber auch die Pausen zwischen den Rennen. Von Mitte November, wenn die Saison richtig beginnt, bis Mitte März hat er 30 Wettkampfeinsätze. Das ist im Schnitt einer alle vier Tage. Und um auf die Härte des Winters vorbereitet zu sein, ist der Sommer da. Es ist der einzige Zweck des Sommers: sich für den Winter zu stählen. Will Marco Odermatt im Winter dreissig­mal zu den Besten gehören, muss er im Sommer besser als alle anderen trainieren. Das sagt sich leicht, aber was heisst «besser»? «Lass es mich so erklären», sagt Marco. «Wenn ich morgens aufstehe und in den Kraftraum muss, denke ich nie: ‹Geil, heute kann ich in den Kraftraum.› Die Kraftraumsessions würde ich nie freiwillig machen. Wenn ich meine Profi­ karriere mal beende, ist Krafttraining das Erste, was ich aus meinem Leben streiche.»

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Fokus und Weitblick Marco während einer kurzen Trainingspause. «Die Vorbereitung ist härter als der Winter.»



das heisst, er legt die Hantel auf der Brust und den «umgeklappten» Handgelenken ab. Seine Beine federn den Druck leicht ab, der Rumpf wirkt stabilisierend. Jetzt, Ende Juli, macht er von dieser Übung vier Serien à sieben Wiederholungen. Später wird er die Wiederholungen auf fünf, dann auf drei reduzieren. Je näher der Weltcupstart in Sölden Ende Oktober rückt, desto weniger Wieder­holungen sind es. Am Ende macht Marco jede Übung nur noch einmal. Dafür legt er mehr Gewicht auf. Noch mehr, muss man sagen, bei all den 20-Kilo-Scheiben, die er schon Ende Juli auf der Langhantel montiert, die selbst bereits 20 Kilo wiegt. 125 Kilo vermag er bei der Umsetzübung hochzuheben, das ist das Anderthalbfache seines Körpergewichts. Aus der Lautsprecherbox dröhnt Green Day, Rage Against the Machine, AC/DC. Aus Marcos Haaren tropft der Schweiss. Er verzerrt sein Gesicht, beisst die Zähne zusammen, gibt zischende Laute und zwischendurch selbstmotivierende Rufe von sich: «C’mon, Marco!» Hantel umfassen. Rücken aufrichten. Hantel hochziehen. Gewicht umsetzen. Hantel auf der Brust ablegen.

Hoch hinaus Marco in der Gondel hinauf zum Matterhorn Glacier Paradise, der höchstgelegenen Bergstation Europas auf 3883 Metern

Letzte Handgriffe Marco bereitet sich im Ausgang zur Bergstation auf die Piste vor.

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Nun gibt es natürlich verschiedene Arten von Krafttraining. Man kann es machen wie wahrscheinlich die meisten, die in ihrer Freizeit ins Fitnesscenter gehen: Man steckt sich Kopfhörer ins Ohr, wärmt sich auf dem Laufband auf, stemmt ein paar Gewichte, legt sich auf die Beinpresse. Anstrengend, aber nicht übertrieben anstrengend. Nachher muss die Kraft ja noch für die Arbeit, den Einkauf, die Kinder reichen. Marcos intensive Momente im Kraftraum hingegen sind kurz, aber brutal. Gott, sind die brutal. Marco schiebt sie vor sich her, doch nach einer Dreiviertelstunde Aufwärmen kann er sie nicht länger hinauszögern. Was dann als Erstes folgt, nennt er die «Umsetzübung». Er umfasst die am Boden liegende Langhantel mit beiden Händen, richtet den Rücken auf und blickt geradeaus. Dann streckt er die Beine von der Hüfte bis zu den Zehen explosiv durch und zieht die Hantel nahe am Körper nach oben. Im höchsten Punkt setzt er das Gewicht um,

Süsser Selbstbetrug? Völlig zwecklos! Es wäre so leicht, die letzte Wiederholung einfach wegzulassen. Niemand würde es be­ merken, nicht einmal die Swiss-Ski-Kollegen Marco Kohler und Yannick Chabloz, die heute ebenfalls hier trainieren. Aber es wäre dumm. Denn Marco selbst würde es bemerken, irgendwann im Winter. Jede Serie, die er zu Ende führt, stärkt nicht nur seine Kraft, sondern auch sein Selbstvertrauen – weil er weiss, dass er nicht gekniffen hat. Es ist auch dieses Wissen, das ihm letzte Saison einen besonders bemerkenswerten Rekord eingebracht hat: den Weltcup-Punkterekord. Der vormalige Inhaber der Bestmarke war Hermann Maier, der «Herminator», der in der Saison 1999/2000 auf genau 2000 Punkte kam (ein Weltcupsieg bringt 100 Punkte). Von Maiers Leistung hiess es, dass sie nie übertroffen würde. Marco übertraf sie nun um 42 Punkte. Nach der letzten Wiederholung lässt er die Hantel mit einem lauten Stöhnen zu Boden fallen, trinkt einen Schluck, tigert durch den Raum, richtet den Blick wieder auf die Gewichte und konzentriert sich neu. Denn hier im Kraftraum geht es – auch wenn man das denken könnte – nicht bloss um rohe Kraft. Es geht darum, jeden Muskel richtig anzusteuern, jede Faser des Körpers im Griff zu haben. Es geht darum, sich nicht zu verletzen, obwohl derart extreme Belastungen geradezu prädestiniert dafür sind. Denn im Winter im Schnee wird genau das gefragt sein: die Fähigkeit, den Körper ans Limit zu treiben – und dabei nicht zu zerstören. Es geht darum, nie die Kontrolle zu verlieren. Nie, nie, nie darf man die Kontrolle verlieren. Und doch ist Marco alles andere als ein Kontrollfreak. Aber dazu kommen wir noch.

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Wenn man danebensteht, während sich Marco auf die nächste Übung vorbereitet – ein­ beinige Kniebeugen mit der Langhantel im Na­ cken –, versteht man langsam, dass man nicht nur Skifahren lernen muss, wenn man Profi wer­ den will. Man muss auch Krafttraining lernen. Die Bewegungsabläufe sind derart anspruchs­ voll, die Gewichte so schwer, dass kleinste ko­ ordinative Fehler die Arbeit eines ganzen Som­ mers vernichten können. Etwa drei Stunden dauert an diesem Vor­ mittag im Hochsommer das Krafttraining. Zwi­ schen den Hauptübungen mit der Langhantel macht Marco Nebenübungen: Prellsprünge mit den Händen auf der Bank und Anhocksprünge seitlich über die Bank. Eine Übung heisst «Good Morning», was harmloser klingt, als es ist: Es ist eine Rückenübung mit drei 20-Kilo-Gewichten im Nacken. Zum Abschluss trainiert er mit dem eigenen Körpergewicht: «Muscle-ups» an der Stange, «Nordic Hamstring Curls» an der Spros­ senwand, Bauchaufzüge an den Ringen. Am Ende leert Marco in einem Zug zwei Wasser­ flaschen und legt sich erschöpft auf eine Matte. Bisher haben wir nur von Marcos Körper gesprochen, aber es gibt im Leben des besten Skifahrers der Welt noch eine zweite Heraus­ forderung: den Kopf. Oder nein, man muss das anders formulieren. Der Kopf ist nicht Marcos Herausforderung, er ist vielmehr sein Kapital: In seinem Kopf entstehen die Zuversicht und die Freude, die ihn als Skifahrer ausmachen. Als Herausforderung muss man das bezeichnen, was auf diesen Kopf einprasselt. Marco sagt: «Skifahren ist wie Boxen. Die Schläge, die unsere Körper auf eisigen Pisten erleiden, sind heftig. Aber der mentale Druck über eine ganze Saison frisst genauso viel Ener­ gie. Die Reiserei, die Hotels, die neuen Orte – das sind Faktoren, die sich nicht messen lassen, aber sie sind echt.» Und dann noch der Status als Nationalheld und der Druck der öffentlichen Erwartungen: Der Vergleich mit Roger Federer hinkt und doch auch nicht. Marco Odermatt ist nicht in einer weltumspannenden Sportart tätig wie einst Federer, aber in der Schweiz ist er ein Riese, laut einer aktuellen Umfrage der beliebteste Sportler. Und im Gegensatz zu Federer ist er nicht zehn Monate pro Jahr auf irgendwelchen Tennisplätzen irgendwo auf der Welt unter­ wegs, sondern nur im Winter auf Skipisten in Adelboden, Wengen, Val-d’Isère, die viele von uns aus den Ferien kennen. Er hat seinen Wohn­ sitz nicht in Dubai, VAE, sondern in Beckenried, NW, einem Dorf wie jenen, in denen viele von uns aufgewachsen sind. Ihn betrachten die Menschen nicht ehrfürchtig. Ihn betrachten sie als einen von ihnen. Möglich, dass es die Idee des volksnahen Sportlers anderswo auf der Welt gar nicht mehr gibt, in der Schweiz aber existiert sie noch, je­ denfalls in den Nationalsportarten Schwingen und Skifahren. Da ist man auf eine eigenartige

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Weise stolz, wenn die Sportler gross sind, aber nicht zu gross. Federer war nie ein solcher Sportler. Bei ihm hätte sich niemand getraut, ihn von der Seite für ein Selfie anzuspringen, ihm von hinten auf die Schulter zu klopfen oder ihm von weitem viel Glück zu wünschen. Bei Odermatt schon. Marco Odermatt, am 8. Oktober 26 Jahre alt geworden, ist «Odi national». Er ist, was in den 1970er-Jahren Bernhard Russi und in den 1980er-Jahren Pirmin Zurbriggen war. Marco ist ein Kulturgut und ein Überflieger, grösser als er kann man im Skifahren nicht werden. Er hat den härtesten Winter aller Ski­fahrer, weil er von den vielen Rennen, die er be­strei­tet, auch noch die meisten gewinnt. Dadurch wer­ den seine Wettkampftage drei oder vier Stunden länger – so viel Zeit fressen Leaderbox, Sieger­ ehrung, Medienkonferenz, Doping­kontrolle. Im Sommer wiederum lässt er kein Training aus, wirklich keines, nicht einmal an den Tagen mit Sponsoren- oder anderen Terminen, und häufig bewegt er sich auch noch am Sonntag: Dann geht er mit seiner Partnerin – der Medizin­ studentin Stella Parpan – wandern, mit Kolle­ gen biken oder auf dem Vierwaldstätter­see ­wakeboarden. Dass er bei all dem aber immer auch noch die Menschen an sich heranlässt, da­ von wird bei ihm ganz selbstverständlich aus­ gegangen. Zwischen Superstar und Jedermann «Nicht falsch verstehen!», sagt Marco schnell, und man merkt, dass ihm das, was jetzt kommt, wichtig ist, und er überlegt lange, wie er es rich­ tig ausdrücken will. «Als Sportler bist du nie­ mand ohne Fans. Ohne Fans bist du bloss einer, der schnell den Berg runterfährt. Mit Fans bist du der, der die Menschen erreicht.»

Form-Check Beim HerbstTraining testet Marco nicht nur Equipment – sondern vor allem sich selbst.

« Skifahren ist wie Boxen: Die Schläge der eisigen Pisten sind heftig.»

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Es ist ein schöner und wahrer Gedanke: Wer berufshalber Sport treibt, erfüllt keinen höheren Zweck als vielleicht eine Putzkraft, ein Krankenpfleger, eine Bäuerin, die alle mehr oder weniger direkt etwas für die Menschheit tun. Ein Sportler verfolgt zuallererst persönliche und für den Fortgang der Welt völlig gleichgültige Ziele. Doch das stimmt nur, solange man den Sportler ohne die Menschen denkt, die er inspiriert. Sie leiden, wenn er leidet, und jubeln, wenn er jubelt. Über seine Leistung tritt er mit ihnen in Kontakt. Er ist Teil ihres Lebens. Für Marco Odermatt, den zweifachen Schwei­zer «Sportler des Jahres», sind seine Fans die Bestätigung, dass er etwas Sinnvolles macht. Es käme ihm darum auch nie in den Sinn, sich über die Aufmerksamkeit zu beklagen, man muss schon mit Leuten aus seinem Umfeld sprechen, um zu erfahren, dass die Nähe, die er zulässt, manchmal auch diesem höflichen und gutmütigen Menschen zu viel

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wird. Noch meidet Marco die Orte nicht, an denen er auf viele Menschen trifft, er geht ans Züri-Fäscht, zum Fussball, ans Schwingfest. Aber ein paar Regeln hat er sich aufgestellt. Erstens: im Ausgang keine Selfies. Zweitens: In Sölden zu Beginn der Weltcup­ saison lädt er alle Freunde und Bekannte, die vor Ort sind, zu einem Apéro ein. Er hasst es, wenn Leute seinetwegen so weit reisen und er sie dann nicht einmal zu Gesicht bekommt, weil die Medien, der Verband, einfach alle ihn in Beschlag nehmen. Drittens: Abgesehen von den offiziellen Verbandsterminen und den Pressekonferenzen nach den Rennen, reduziert er Interviews auf ein Minimum. Pro Woche erhält er zehn An­ fragen. Das sind mehr als 500 im Jahr. A ­ llein 30 waren es diesen Sommer vom SRF. Dafür, dass er es hasst, Nein zu sagen, sagt er zu Medien­anfragen nur noch sehr selten Ja – etwa zehnmal pro Jahr.

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ODERMATTS KRAFTPAKET

Zur – massvollen – Nachahmung empfohlen: fünf harte Klassiker, die Marco Odermatt pistenfit machen. 3. Good Mornings Der Name klingt freundlich, die Rückenübung hat es jedoch ins sich: hüftbreit stehen, Langhantelstange (mit oder ohne Gewicht) hinter dem Kopf mit beiden Händen fassen, aus der Halterung nehmen und Rücken aufrichten. Mit leichtem Hohlkreuz Oberkörper kontrolliert nach vorn bis in die Waagrechte beugen. Schwierigkeitsgrad: hoch – sowie auch die Verletzungsgefahr, wenn nicht richtig durchgeführt. Am besten unter professioneller Anleitung beginnen.

1. Ice Skater Jumps Mit diesen seitlichen Sprüngen lassen sich Schnellkraft und Koordination trainieren. Beginne in einer seitlichen Ausfallschritt-Position, wobei das eine Bein gebeugt und das andere gestreckt ist. Explosiv zur anderen Seite springen, dabei das gebeugte Bein strecken und das gestreckte Bein beugen. Bei dieser Übung kommt es auf eine saubere Technik an. Marco macht Sets aus je sechs Sprüngen. Je tiefer die Ausgangs- beziehungsweise Landeposition, desto besser!

2. Muscle-ups Muscle-ups – auch Zugstemmen genannt – kombinieren Klimmzug und Dip (Stütz). Die Stange im False Grip – Handflächen zeigen vom Körper weg – fassen. Erst Klimmzug durchführen, Körper dann in den Stütz hoch­drücken, bis die Arme fast durchgestreckt sind. Muscle-ups be­ anspruchen zunächst die obere Rückenmuskulatur und den Bizeps beim Klimmzug. Beim Dip sind dann Brust­ muskulatur und Trizeps gefragt.

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5. Nordic Hamstring Curls Für diese Curls müssen die Beine im Bereich der Knöchel oder unteren Waden fixiert werden. Marco hängt sich dafür an einer Sprossenwand ein. Ausgangsposition: kniend, mit aufrechtem Oberkörper und leichtem Hohlkreuz. Die Arme kannst du vor der Brust verschränken, Blick nach vorn. Dann Oberkörper nach unten senken, bis Oberkörper und Oberschenkel eine waagrechte Linie bilden. Ausatmen beim Absenken, einatmen beim Wiederaufrichten.

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IRENE SACKMANN

4. The Clean Marco führt diese Übung – auch «Umsetzen» genannt – vom Boden aus durch. Hüftbreit stehen, Langhantel mit beiden Händen fassen, Rücken aufrichten und geradeaus blicken. Dann Beine durchstrecken und dabei die Hantel nach oben ziehen. Auf Schulterhöhe die Handgelenke ­«umklappen» und das Gewicht auf den Körper verlagern. Marco hebt zum Ende seines Trainingszyklus 125 Kilogramm. Dringender Rat: ganz langsam beginnen!


Die wichtigste Regel, und nun stossen wir langsam zum Kern von Marcos Wesen vor, lautet aber, sich nicht zu viele Regeln aufzu­ stellen. Zu sagen, dass man als Kontrollfreak im Skifahren nicht erfolgreich sein könne, ist natürlich Blödsinn. Didier Cuche war ein rie­ siger Kontrollfreak, und Marcel Hirscher, der erfolgreichste Skifahrer der Geschichte, war der grösste Kontrollfreak von allen. Marco ist keiner. Er ist – im Gegenteil – sogar überzeugt, dass er sich das Leben einfacher macht, wenn er nicht jedes Detail kontrollieren, nicht jede Trai­ ningsleistung auswerten, nicht auch noch das letzte Quäntchen Energie aus sich raus­pressen will. Möglich, dass er sogar noch eine Winzig­ keit schneller wäre, wenn er nicht dreimal jährlich, sondern stattdessen dreimal monat­ lich mit der Mentaltrainerin zusammen­sässe. Odermatt sagt: «So viele Dinge können wir als Skifahrer nicht steuern. Besser, du versuchst es gar nicht erst.»

Zuversicht Marco blickt optimistisch auf die neue Saison.

« Meine wichtigste Regel: nicht zu viele Regeln!»

Phlegma als Wunderwaffe Diese Fähigkeit, die Dinge zu nehmen, wie sie sind, ist Marco Odermatt aber nicht einfach so zugeflogen. Also ein bisschen vielleicht schon. Aber er hat sie sich auch ganz bewusst an­ geeignet. Marco ist nicht einer, der aus Büchern lernt. Er lernt von den Menschen in seinem Um­ feld. Von Vater Walter, der ihn die ersten Jahre trainiert und ihm noch lange die Ski präpariert hat, hat er das Analytische und Skifahrerische. Die soziale Kompetenz hat er von Mutter Priska, die sich für Skifahren nie besonders interessiert hat, aber für die Menschen um sich herum und dafür, dass ihre Kinder nicht nur an sich selbst denken. Das Zufriedene und Geerdete hat er von Grossmutter Therese, mit der er früher ganze Tage im Garten, im Wald, in der Natur verbracht hat. Das Weltoffene und Neugierige hat er von Götti Paul, einem erfolgreichen Ge­ schäftsmann, Präsident seines Fanclubs. Marco Odermatt ist nicht der beste Skifahrer der Welt geworden, weil er sich in Konzepte verbiss und stur irgendwelchen fixen Vorstel­ lungen folgte. Er ist es geworden, weil er im­ mer auch Raum liess für das Leben neben dem Sport. Es ist sozusagen sein Trick: dass er von allem ein bisschen macht, aber von nichts zu viel. Er ernährt sich gesund, isst aber auch mal Burger und Pommes. Im Ausgang überbordet er nicht, aber ein paar Biere liegen ab und zu drin. Marco hat verstanden, dass in seinem Le­ ben auch Platz für Normales sein muss, wenn er auf der Piste Extremes leisten will. Und wie es aussieht, könnte das noch eine Weile so bleiben. Darauf deuten jedenfalls die Kraftwerte hin, die er diesen Sommer aus­ nahmsweise dann doch einmal messen liess: Sie waren noch besser als in den Jahren zu­ vor. Und schon damals war er der Konkurrenz überlegen. Instagram: @marcoodermatt

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KÖNIGLICH ICH Schwierige Kindheit, bekannter Vater, berührendes Outing: R ’n’ B-Königin Naomi Lareine emanzipiert sich von der medialen Wucht ihrer eigenen Geschichte. Mit Härte, mit Liebe, vor allem aber mit der Kraft ihrer Musik. TEXT ANNA KERBER

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FOTOS DAN CERMAK

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Neuer Drive Am Fahrersitz ihres Lebens: Naomi Lareine beim Foto­shooting für The Red Bulletin in Zürich.


«Kämpfen, Dinge durchziehen wie im Sport – das macht dich im Pop-Biz tough.»


A Haltever… – what? Auch in der Zürcher Binz lässt sich Naomi nichts vorschreiben. Wenn es sein muss, geht es auch mal mit dem Kopf durch die Wand – und sie schlägt Wurzeln im Halteverbot.

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us den Boxen im Backstage-Raum des L’Amal­ game in Yverdon-les-Bains dröhnt eine RageAgainst-the-Machine-Hymne: «And now you do what they told ya …» Naomi Lareine ist vor ihrem Auftritt entspannt, singt halblaut mit, ohne dabei den Fokus auf ihren TischfussballMatch zu verlieren. Verlieren ist nicht so ihres. Seit sie weiss, wie sich Gewinnen anfühlt. Seit der Veröffentlichung ihrer ersten Single «Sweet Latina» 2018 ist viel passiert. Dank ihrer samtigen Stimme, ihrer mühelosen Art, Riffs zu singen und sich im Scheinwerferlicht zu bewegen, und nicht zuletzt dank ihres ehrlichen Charmes wurde sie von der Fachpresse hochgelobt, 2020 war sie bei den Swiss Music Awards als «Best Talent» nominiert, glänzte im TV-Format «Sing meinen Song» und wurde zur Schweizer «Queen of R ’n’ B» geadelt. Gut, mit der Wahl ihres Künstlerinnennamens «la reine» – französisch für «die Königin» – hat sie die Weichen dafür irgendwie ganz alleine gestellt. Aber Arroganz? Nein. Ihr geht es um Selbstwert und Stolz; und beides musste sie sich erarbeiten. Die Medien stürzten sich auf sie, denn da waren so viele Storys, die sich um ihre Person rankten, so viel Futter für den gefrässigen Boulevard: dass die 29-jährige Naomi Lareine mit bürgerlichem Namen Bruderer heisst, ihr Vater Ex-Eishockey-Profi Martin Bruderer ist, ihre Mutter – halb Senegalesin, halb Mauretanierin, in Frankreich adoptiert – unter psychischen Problemen litt. Dass Naomis Kindheit von Umzügen geprägt war und sie in der Schule

gemobbt wurde, weil sie zu dünn war oder wegen ihrer Hautfarbe. Dass sie sich mit Fäusten wehrte, weil sie nicht wusste, wie sonst. Dass sie im Fussball Halt fand, als Verteidigerin in der U-19-Nationalmannschaft spielte, dass sie lesbisch ist und ihr öffentliches Coming-out über ihre Musik feierte. Dass sie tätowiert ist, Alicia Keys verehrt und via TikTok eine FashionInspiration für die Generation Z ist. Geoutet hat Naomi sich vor ein paar Jahren über ihre Songs, in denen aus «Boys» dann «Girls» wurden. «Eine befreiende Erfahrung», sagt sie rückblickend. Selbstverständlich habe dies Mut erfordert, vor allem, weil sie selbst so lange gebraucht hatte, um ihre Sexualität anzunehmen. Für andere war das einfacher. «Das ­ergibt voll Sinn», meinte die Mutter lapidar. Der Rest ihres Umfelds nahm es noch gelassener, wenn das überhaupt möglich ist. Heute scheint dieser Aspekt nebensächlich, die Medien haben mehrfach gezeigt, was es zu sehen gibt: Naomi wohnt mit ihrer Freundin (dem einstigen «girl next door», das Naomi besang) und zwei Katzen in einer Wohnung in Opfikon, und die ständige Frage, ob und wann sie heiraten werden, «nervt». Genauso wie die Blicke, die sie regelmässig anziehen. Partnerin Gina ist Tätowiererin, hat selbst viele Tattoos. Ob manche Menschen einfach keine Manieren haben, fragt sich Naomi, wenn das Paar auf der Strasse wieder einmal penetrant unauffällig gemustert wird: «Jetzt aber mal echt!» Sonst mache sie eigentlich wenig hässig. Nun gut, ange­hupt werde sie nicht gerne, sagt Naomi, die erst seit kurzem regelmässig Auto fährt. Seit sie Lexus-Ambassadorin ist und ein Exemplar der Nobelmarke fährt. Die Zürcher Strassen machten ihr manchmal zu schaffen: «Da merke ich, wie fucking aggro so viele Leute sind!» Doch das kann eine Königin nicht aus dem Takt bringen, nicht mehr. Das Zepter des Steinbocks «Ich habe vieles aus dem Sport gelernt», reflektiert sie über ihre Zeit als Fussballerin. «Kämpfen, Dinge durchziehen. Das macht dich tough», lautet ihr Erfolgsrezept. Zudem sei sie Steinbock im Sternzeichen. Mit dem Kopf durch die Wand also? Auch das müsse gelegentlich sein. Anfang dieses Jahres stellte sie eine komplett neue Band zusammen und hält seither das Zepter ihrer musikalischen Entwicklung königlich fest in der Hand. «Die beste Entscheidung ever», ist sie überzeugt. «Wir wissen, was wir machen und wohin wir wollen.»

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Beim ersten Song schwingt so viel mit: Kann ich das? Bin ich eine Hochstaplerin …? Das Ziel: die internationale Bühne. Den Glam dafür hat sie, die Professionalität auch. «Leute vergessen, dass ich erst am Anfang stehe», sagt sie. Es gebe ja noch so viel, was sie ausprobieren möchte.

Es bitzeli Luxus Naomi mit einem Lexus RZ in der Binz. Mit dem Erfolg kam auch ein wenig Luxus – und ein Lexus.

Rausschmiss als Boost Dass sie dabei manchmal selbst ihr schlimmster Feind ist, weiss sie. Sie geht mit sich selbst härter ins Gericht, als es andere tun und sie es jemals mit anderen tun würde. Viele Sätze, die sie an sich selbst richtet, beginnen mit «Du musst …», und Gedanken enden mit: «Es ist nicht genug.» Auch deswegen hatte sie den Sprung in die Selbständigkeit, in das Leben als freie Künstlerin, lange hinausgezögert. Vielleicht hätte sie ihn bis heute nicht gewagt, hätte sie das Kreditkarteninstitut, für das sie im Customer Support arbeitete, nicht gekündigt – aufgrund der Fehlzeiten, die sie der Musik widmete. Es folgten Existenzängste bis hin zu Panikattacken. Kann ich nächsten Monat die Miete noch zahlen? Wie geht es weiter? Wird

es in der Musik neue Werbepartnerschaften geben, die mich über Wasser halten? «Es geht ja nicht nur um einen selbst, sondern man hat ja auch Verantwortung anderen gegenüber.» Trotz allen Zuspruchs kann sie auch die Angst noch nicht ganz abschütteln, dass vielleicht niemand zu ihren Konzerten kommen könnte. Dass vielleicht niemand ihre Musik ­hören, ihre Performance sehen möchte – obwohl sie bei Auftritten von tausenden Menschen abgefeiert und bejubelt wird. Wie etwa beim Jazzfestival in Montreux, ein Highlight des intensiven Festival-Sommers, auf den sie zurück­blickt: «Die vordersten Reihen haben ­alles mitgesungen, das war mega, megaschön!» Und doch, der erste Song bei einem Konzert, der sei immer noch schwierig. Bisher alles nur Zufallserfolge, oder bringe ich’s wirklich? All das schwingt da beharrlich mit. Ab dem zweiten Song sei es dann aber ein voller Genuss. «Am Anfang steht irgendwie doch noch das Impostor-Syndrom», sagt sie lachend und meint damit die latente Angst, dass sie als Hochstaplerin rüberkommen könnte. Unterstützung findet sie nicht nur in der Musikszene, etwa bei i­ hrem Mentor, dem Rapper Stress, und Produzent Mykel Costa, sondern auch bei ihrer Freundin, dem Ruhepol in der Beziehung. «Sie ist jünger als ich, aber eigentlich älter», sagt Naomi. «Ich habe fix mehr von ihr gelernt als sie von mir.» Lebenslust im Uptempo Wie es weitergehen soll? «Ich sehe mich als unberechenbare Künstlerin», sagt Naomi. «Ich will frei sein und Spass haben an der Musik, die ich mache.» Nur dann sei das alles «real». «Die Leute checken das, wenn jemand Freude hat an der eigenen Musik.» Nur dann liesse sich das auch entsprechend performen. «Momentan bin ich sehr bei mir selbst und habe Lust, positive Musik zu machen.» Uptempo, tanzbar. Nicht weil alles stets rosig ist. Aber manchmal müsse man eben Mut aus «happy beats» schöpfen – und das ist für sie ein Mix aus R ’n’ B, Pop, Elektro- und Afro-Beats. Und nach alldem soll auch die neue EP klingen, die sie noch vor Jahresende veröffentlicht. Weitere folgen im Frühling. «Aber wenn ich morgen einen Rocksong machen will, mache ich eben einen Rocksong», fügt sie hinzu. Sie sagt das nicht mehr mit dem Trotz der Rebellin, die auf dem Schulhof die Fäuste ballte, sondern als die Frau, die sich emanzipierte, vor allem von all diesen Geschichten veröffentlichter Privatheit. Inzwischen hat sich das Publikum in Yverdon für die Headlinerin in den Saal bewegt. Der aufgeheizte Tischfussball-Match im Backstage-Raum darüber endete mit einem Sieg von Team Naomi. Und Rage Against the Machine enden mit jener Zeile, die jeder kennt: «Fuck you, I won’t do what you tell me!» Dann heisst es Showtime. Und, nein, keiner wagt, Naomi ­Lareine zu sagen, was sie zu tun hat. Instagram: @naomi_lareine

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Voll im Rahmen Naomi Lareine steckt die Dimen­sio­nen ihrer Karriere ab: Sie will auf die internationalen Pop-Bühnen.


ZWISCHEN RAPHAEL ... 54

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Back in Black Raphael Ragucci alias RAF Camora – eine Silhouette in Schwarz

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... UND CAMORA Wir treffen RAF Camora und reden mit ihm über Raphael Ragucci. Was steckt hinter dem Künstler-Ich des Rappers, der alle Streaming-Rekorde bricht? Ein ruhiger, reflektierter Mensch, dem die Düsternis Kraft gibt. Aber auch Mozart und Donald Duck. Und dann ist da noch diese Sehnsucht: Sonntag, es ist Mittag, und eine Frau und zwei Kinder sitzen mit ihm am Tisch … INTERVIEW NINA KALTENBÖCK, DAVID PESENDORFER

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FOTOS MARKUS MANSI

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Er kratzt an den Wolken Der Rekord-Artist beim Fotoshoot vor der Skyline von Dubai

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Das Sinnbild «Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich RAF und Raphael.»

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the red bulletin: Herr Camora – gibt es eigentlich Formfanatiker, die dich so ansprechen? raf camora: Kaum, vielleicht einmal ein Kind auf der Strasse, das höflich sein will. Im Business sagen sie Herr Ragucci zu mir oder einfach RAF oder Raphael. Und wenn dieser Herr Ragucci einmal romantisch oder melancholisch aufgelegt ist, was dreht sich dann am Plattenteller? Man besteht ja aus mehreren Persönlichkeiten: Eine Seite von mir ist der Kurt-Cobain-RAF, da höre ich gerne eine ganze Palette 1990erJahre-­ Grunge. Dann gibt es den House/­ Techno-­R AF und den Strassen-Gangsta-RapRAF mit franzö­sischem und englischem Drill (einem Subgenre des Trap und Rap; Anm.). Was hört der Candlelight-Dinner-RAF? Bei Damenbesuch läuft Deep House. Eine Playlist dazu kann man übrigens von mir auf Spotify finden. Wenn du dich in verschiedene Persönlichkeiten einteilst, gibt es da auch so etwas wie die spiessige Persönlichkeit, das kleinbürgerliche kleine Glück? Nee, gar nicht. Das ist eigentlich das, was man für den Erfolg aufgegeben hat. Das kleine Fami­ lienglück hab ich mit meiner Mutter, meiner Schwester, meinem Neffen. Aber das ist natürlich etwas anderes als deine eigene Familie,

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Partnerschaft und Kinder. Ich gleiche das mit meiner Musik aus. Da finde ich Erfüllung und Geborgenheit.

Diesen Gap versuche ich auch dadurch zu schliessen, dass ich mich als RAF Camora et­ was anpasse.

Wie jetzt? Geborgenheit im Rap? Ja, wenn es dir schlecht geht oder du wütend bist, machst du einen Beat, dann schreibst du – und dann bist du in einer komplett an­ deren Welt. Hätte ich jetzt meine Karriere und noch eine andere Person an meiner Seite … da fickst du deinen Kopf. Durch eine Karriere wird ja auch die andere Person in Mitleiden­ schaft ­gezogen. Das war dann für mich eine Ent­scheidung: vorerst besser nicht.

Wie würdig kann RAF altern? Oder muss man ihn irgendwann k ­ ompromisslos ­killen? Es gibt auch Fussballer wie Ronaldo, die wirk­ lich für ihre Karriere bluten und daran arbei­ ten, dass sie so lange wie möglich stabile Spie­ ler und trainierter sind als andere. Man darf sich auch für Sachen loben, und ich finde, dass ich immer aktuell geblieben bin. Wenn ich auf Festivals gehe und dort Songs spiele, dann ste­ hen nicht nur die 35-Jährigen vor der Bühne, sondern auch Kids, die den neuen TikTok-Hit «All Night» hören, und Ältere, die einen Hit von 2016 kennen. Das ist für mich der grösste Ritter­ schlag, jetzt immer noch am Start zu sein. Ein Teil der Kunst ist es, aktuell zu bleiben. Meine Kunst ist unverändert hungrig und aggressiv.

Aber ist RAF Camora denn nicht «nur» eine Kunstfigur wie etwa David Bowies ­Ziggy Stardust? Nicht wirklich. Raphael Ragucci und RAF ­Camora unterscheiden sich nicht so krass. RAF Camora ist ein Teil von Raphael Ragucci. Wenn du in der Früh in den Spiegel schaust, wen siehst du? RAF und Raphael. Was ich gelernt habe – und das ist mir superwichtig: Wenn RAF einen Miss­ erfolg hat, bedeutet es nicht, dass Raphael Ra­ gucci ein vollkommener Spast ist. Ich kann das abspalten. Du bist neununddreissig. Besteht nicht die Gefahr, dass der Gap zwischen RAF Camora und deiner Lebenswirklichkeit so gross wird, dass du für dich selbst sagst: «Das geht sich nicht mehr aus»? Das ist ein grosses Thema für mich. Mein ak­ tuelles Album heisst «XV». Das steht auf Fran­ zösisch für ex-voyou. Das heisst so viel wie ExStrassenjunge, denn das bin ich nicht mehr. Ich stehe nicht mehr mit den Jungs am Block und verkaufe Gras. Ich bin ein erwachsener Mann. Ich wollte, dass sich dieses Album image- und stylemässig von dem abhebt, was ich 2016 ge­ macht habe. Das war schon ein anderer Film.

Der gemütliche Move vom Rapper zum Popstar kommt für dich nicht infrage? Heutzutage ist Rap ja Pop. Apache 207 hat ei­ nen erfolgreichen Pop-Hit mit Udo Lindenberg oder Ski Aggu mit Otto Waalkes. Mit wem würdest du gerne «crossovern»? Da ist mir niemand düster genug. Warum muss es immer düster sein? Weil das die Form meiner Kunst ist. Wenn es mich nicht aggressiv oder traurig macht oder mir keine Dopamin-Kicks gibt, berührt es mich nicht. Vielleicht mit Lana Del Rey vor zwanzig Jahren. Die fand ich krass. Andreas Gabalier? Ich mag es nicht, wenn man Vorurteile gegen­ über anderen Stars und Künstlern hat, aber Andreas Gabalier ist so auf einer anderen Bau­ stelle. Diese Baustelle ist nicht mal im selben Bundesland.

«Ich zwischen Helene Fischer und ‹Hello Kitty›: Das würde meine Fans wirklich verstören.» THE RED BULLETIN

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Du flimmerst mit 4,5 Milliarden Streams als meistgestreamter deutschsprachiger Künstler über eine überdimensionale ­Video­wall am Times Square in New York … Dabei komme ich eigentlich aus der klassischen Musik. Ich habe mit vier Jahren Geige gespielt, mit sechs Jahren mit Klavier angefangen und später in Wien Musikwissenschaft studiert, eines meiner Lieblingsstücke ist Mozarts Re­ quiem – das ist meine Seele, ganz tief und dunkel. Und das ist so ein Ding, das ich gerne machen ­würde: etwas, was mich an eine Opern­ aufführung erinnert, ein klassisches Stück. Am besten im Ernst-Happel-Stadion. Sollte für dich kein Problem sein. Für mich ist das nicht so easy. Auch vor meinem Gig am Donauinselfest, bei dem dann 120.000 Menschen waren, war es das nicht. Um 17 Uhr sass ich noch gedankenverloren in meiner Woh­ nung und dachte: «Wenn das heute in die Hose geht …» Ich war sehr, sehr nervös. Das heisst, der Coole, der Düstere, der Dunkle ist unruhig, bevor er auf die Bühne geht? Ja. Immer. Ich hätte es gerne nicht so. Wenn ich mir meinen Rap-Kollegen Bonez MC anschaue: Der ist null nervös. Nie. Ich hätte meine Ner­ vo­sität gerne weg. Die grösste Anstrengung ist nicht der Auftritt, sondern der ganze Tag davor. Weil du jeden Tag aufs Neue das Gefühl hast, du könntest scheitern? Ja. Und der Perfektionismus ist es wohl auch. Für mich ist das halt wahnsinnig wichtig. Die­ sen Scheiss-drauf-Modus gibt’s bei mir nicht. Kunst und Routine gehen nicht wirklich ­zusammen? Bei mir nicht. Weil mir das alles viel zu viel wert ist. Ich war kürzlich bei einem Festival und habe das Phänomen bemerkt, dass Booker oft nicht mit der Zeit mithalten. Die buchen häufig

Bands als Headliner, die ihren Peak schon vor ein paar Jahren hatten. Da frag ich mich dann: «Warum ist der Headliner? Diese eine andere Band ist doch gerade der Shit!» Dein zweites Buch heisst «Dark Zen» und ist quasi eine Glücksanleitung. Kannst du Gefühle der Sicherheit nicht für die Momente des Selbstzweifels speichern? Speichern funktioniert schlecht, alles ist immer unberechenbar. Das hat bestimmt damit zu tun, dass es früher so oft nicht geklappt hat. Ich habe so lange Ablehnung gefressen. Des­wegen weiss ich genau, wie sie sich anfühlt: wenn du auf einer Bühne stehst und du machst deine Augen zu, weil du weisst, da steht niemand im Publikum oder halt mal zehn Fans. Das ist so ein armseliges Bild! Du hast dir aber richtig krass Mühe gegeben, auch die Band, die Jungs vom Licht – und alle leiden gerade. Du siehst eine Stunde lang Misserfolg. Und ein paar Men­ schen klatschen aus Höflichkeit. Nein, so was vergisst man nie. Und es scheint zu motivieren: Im R ­ egal hier lehnt ein gerahmtes Cover des ­Wirtschaftsmagazins «Forbes» für Deutsch­ land, Österreich und die Schweiz mit ­deinem Konterfei. Was bedeutet dir das? Sehr viel. Das schafft nicht jeder. Du bist auch ein erfolgreicher Businessman. Ist Geldverdienen für dich reiner Lust­ gewinn? Oder geht es auch um die Verlust­ angst eines Menschen, der nicht immer von ­goldenen Löffeln gespeist hat? Beides. Wenn ich heute zum Billa einkaufen gehe, hab ich immer noch Angst, dass meine Kreditkarte das Limit erreicht hat. Ich hab die­ ses Gefühl immer noch in mir: Versuchen wir mal, ob das Zahlen noch klappt, und alle schau­ en dich an der Kassa an, wenn du überlegst, was du zurücklegst. Ich nehme immer noch Bargeld mit – obwohl ich eigentlich ausgesorgt

«Meine Musik ist wie ‹Rambo› schauen: Es geht um reizen, bewegen, catchen.» 60

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Sein Weg Dubai by night – so dunkel wie die Wiener Rapper-Seele

habe. Aber die Angst bleibt. Vielleicht macht sie das Leben komplizierter – vielleicht ist sie aber auch ein krasser Motor. Wofür? Ich hab zwei Hände, ich hab zwei Beine. Wenn es sein muss, arbeite ich auf dem Bau, und danach mach ich Musik. Ich schaff das, weil ich hab den Biss. Und den Kopf. Deswegen sag ich trotz allem Image immer: Achtung vor Drogen! Denn Drogen machen dir den Kopf kaputt. Und wenn dein Gehirn nicht mehr funktioniert, endest du vielleicht auf der Strasse. Davon bist du weit entfernt, du fährst ­Maseratis oder Ferraris. Ist die Mama stolz, oder geniert sie sich, wenn der Bub mit ­diesen Autos um die Ecke biegt? Ich hab von meiner Mutter erst letztens eine Sprachnachricht bekommen. Und im Hintergrund höre ich: wruuummm, wruuuummmm, wruummm! Und ich frage sie: «Fährst du ge­rade mit dem Ferrari?» Sagt sie: «Seeehr schönes Auto! Man kann damit ganz normal fahren.» Einmal hab ich Fotos bekommen, als mein Ferrari in Wien-Ottakring quer über den Gehsteig geparkt war, und ich dachte: Wer meiner Freunde hatte die Frechheit, die Schlüssel zu nehmen? Und ich frag meine Mutter, und sie schickt mir ein Video von sich und ihrer Freundin. Die waren das! Die haben sich schick angezogen, sind durch Ottakring gefahren und haben dann wild geparkt. Meine Mutter liebt das sehr. Persönliche Beobachtung: junge Leute, so um die zwanzig, die auf der Jesuiten­ wiese im Wiener Prater zu «Ponny» von Yung Hurn abtanzen. Darunter ein paar Bekannte, alles starke, selbstbewusste Frauen – aber wie können die RAF oder Yung Hurn mögen? Wieso, weil wir solche Frauenunterdrücker sind? Oder weil unsere Themen so explizit sind? Ich beschreib’s mal so: Wenn ein Junge aus Sieben­brunn Bushido mit expliziten Texten hört, eventuell ein junger HTL-Schüler, der mit diesen Texten nichts zu tun hat – das ist, als würde er sich vielleicht «Rambo» mit Sylvester Stallone anschauen, wo Leute nieder­geschossen werden. Der will ja deswegen nicht ­Rambo sein. Es bedeutet auch nicht, dass er es gut findet, dass Rambo Menschen tötet. Er guckt es und bekommt in dem Moment Adrenalin. Es ist ein Film. Bei Yung Hurn und mir weiss man, wir sind reflektiert genug, und wir sehen unsere Musik auch wie einen Film. Musik ist vollkommen von der Emotion abhängig. Sie muss dich reizen, bewegen, catchen – sonst gibt sie dir nichts. Deswegen fahren diese starken, selbstbewussten Frauen eventuell gerade diesen Film. Glaubst du, es würde deine Fans verstören, wenn sie wüssten, dass RAF ein total

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Macht der Nacht Die Fotoserie in Dubai entstand für RAFs neues Album «XV».

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reflektierter Mensch ist? Der sitzt da in ­seiner Wohnung, trinkt Espresso und hört das ­Requiem von Mozart? Nein, das wissen die. Es würde sie verstören, wenn die Wohnung voll mit «Hello Kitty» wäre und ich Helene Fischer hören würde. Gibt es etwas, was dir Freude macht, aber eigentlich gar nicht zu einem erfolgreichen Hip-Hop Artist passt? Wenig. Ich spiel sehr gern mit meinen Freun­ den «Wer bin ich?». Und ich mag Comics, Do­ nald Duck. Ich lese total gern Disneys «Lustige Taschenbücher». Das ist vielleicht ein guilty pleasure. Von den Comics zu deinem kleinen Neffen: Zitiert er deine Songs? Ja, er hört sie. Er hört gern «500 PS», «Blaues Licht» oder «Risiko». Und das Witzige ist, der will nur die Hits hören. Er weiss aber gar nicht, was die Hits sind. Das heisst, Kinder haben ein Gespür dafür, was geht und was nicht. Manch­ mal spiel ich ihm im Auto Lieder vor und gucke, wie er drauf reagiert. Dann weiss ich manch­ mal, okay, das hat Potenzial. Das ist nicht zu unterschätzen. Denn die Musik muss dir gute Vibes geben. Wie jetzt? Deine dunkle Musik? Bonez MC hat auch immer gesagt, die Musik muss lebensbejahend sein. Ich dachte zwar: «Scheiss auf lebensbejahend, ich bin Genera­ tion Kurt Cobain!» O Gott, meine Zunge fällt allein bei dem Wort ab, aber Musik muss den­ noch auf irgendeine Weise «lebensbejahend» sein – und das spüren die Kids. «Forbes», wo du jetzt am Cover bist, ist auch bekannt für die «30 Under 30»-Liste. Welche jungen Menschen inspirieren dich? Mein Manager sagt gerne: «Der Tag, an dem wir eine Altersarroganz an den Tag legen und denken, die Jungen reden Scheisse, ist der Tag, an dem wir verlieren.» Die Jungen sagen uns, wo es langgeht. Mich inspirieren viele junge Artists wie Ski Aggu oder HoodBlaq. Ich unter­ halte mich gerne mit Leuten, die jünger sind als ich, und tausche mich über Alltägliches oder aber auch über «Fortnite» aus. Meinen Teenie-Halbbruder väterlicherseits frage ich auch gerne, was so geht oder was er so hört. Er sagt dann Sachen wie: «Die Musikrichtung Drill ist das Ding.» Du hast einen Buchverlag, einen Barber­ shop, ein Tattoo-Studio, eine BrandAgentur und so weiter. Welcher Erfolg bedeutet dir besonders viel? Der, bei dem die Challenge richtig gross war. Der Barbershop war schwer zu machen. Als der im neunten Bezirk in Wien geöffnet hat, das hat mich wirklich gehoben. Das hat mir echt viel bedeutet.

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«Meine Traumfrau muss schon witzig sein – ein bisschen wie Fran Fine aus der Fernsehserie ‹Die Nanny›.» Jeder erfolgreiche Mann, auch jeder Super­held hat eine sympathische Schwäche. Welche hast du? Ich hab mit «Dark Zen» ein ganzes Buch über meine Schwächen geschrieben. Abgesehen von der Nervosität bin ich sehr, sehr, sehr em­ pa­thisch. Viel empathischer, als man denken würde. Ich leide total krass mit. Zum Schluss noch eine kleine Zusatzfrage: Worum geht es eigentlich im Leben? What’s it all about? Es geht um Selbstreflexion, damit du überhaupt weisst, was dich glücklich macht. Dann geht es um die «Spass-Erfüllungs-Balance». Das heisst, du musst genug deftiges McDonald’s-Zeugs, aber auch genug Buchweizen in deinem Leben haben. Und das Dritte ist die Unsterblichkeit – in irgendeiner Form: sei es nun durch künst­ lerische Selbstverwirklichung oder Familien­ gründung. Du schliesst die Augen und stellst dir deine eigene kleine Familie vor, wie sie am Sonntag um den Küchentisch sitzt – was genau siehst du? Wenn ich mal heiraten sollte, will ich das in der Reindorfkirche in Wien-Fünfhaus tun – mit einem grossen Strassenfest für den ganzen Bezirk. Ich würde zwei Kinder sehen, die viel­ leicht aussehen wie mein kleiner, süsser Neffe. Vielleicht eine italienische Frau, vielleicht eine, die aussieht wie Adriana Lima in meinem Song. Ich will mich aber gar nicht auf ein bestimmtes Ideal festlegen. Ist deine Traumfrau düster – oder fröhlich und quirlig? Doch, die muss schon witzig sein. Ein bisschen wie Fran Fine aus «Die Nanny». Herr Camora, wir danken für das Gespräch.

Instagram: raf_camora Out now: das Album «XV» und RAFs zweites Buch «Dark Zen»

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DIE LIGA DER LEBENDEN LEGENDEN TEXT DANIEL BROWN

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Bloss ein Computerspiel? «League of Legends», kurz «LoL», ist viel, viel mehr: Ein Sport, der Millionen begeistert – und umsetzt. Der zwei Stars zu Rivalen machte wie Ronaldo und Messi. Und der nun einem neuen Höhepunkt entgegensteuert: der Weltmeisterschaft in Seoul.

Deft – der Shootingstar Er verlor so oft. Meist war es an den Tagen rund um seinen Geburtstag – ein Trauma. Dann der Traum: Er wurde Weltmeister!

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Faker – der Superstar Er wirkt so brav, fast irgendwie scheu. Doch er gilt als der beste «LoL»-Spieler der Welt. Auch wenn ihn Deft 2022 besiegen konnte.


ach dem Schlusstakt seiner Hymne «Star Walkin’» verschwindet Rapper Lil Nas X hinter der Bühne. In den Gängen des Chase Center in San Francisco sticht er sogar an einem Tag wie diesem mit seiner rotblonden Perücke und dem metallisch schimmernden Brustpanzer aus der Menge. Dabei haben sich viele der 14 548 Fans für das Finale der «League of Legends»-Weltmeisterschaft 2022 mit aufwendigen Kostümen herausgeputzt. «Killed it!», bemerkt eine Besucherin im Vorbeigehen anerkennend. «Und ich liebe dein Kleid», gibt Nas routi­ niert zurück, ohne gross stehen zu bleiben. Doch da hält ihm schon ein Reporter ein Mikrofon vor die Nase: «Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass dir gerade Millionen von Menschen zugesehen haben?» – «Wie sich das anfühlt?», wiederholt Nas und grinst. «Crazy! Das hier sind echt verrückt viele Leute.» Eine akkurate Kurz­ analyse, denn, ja, «crazy» trifft es auf den Punkt. Die «League of Legends» World Championship, kurz die Worlds, ist der grösste Gaming-Wettkampf der Welt und sämtlicher Parallelwelten. Der jährliche Höhe­ punkt einer globalen Spielsaison, runtergebrochen auf regionale Ligen. Hier kämpfen 24 Teams in einem fünf­wöchigen Turnier um den Titel im grössten E-SportGame: «League of Legends», für Eingeweihte kurz «LoL». Schach der Schlachtfelder Ein typisches Spiel läuft so ab: Zwei Teams mit je fünf Spielern treten auf einem magischen Battlefield gegeneinander an, dem sogenannten Summoner’s Rift. Auf einer riesigen Landkarte startet jedes Team in seiner Base, Nexus genannt, von zwei gegenüberliegenden Enden des Spielfelds. Durch die Mitte führen drei Wege – eine obere, mittlere und untere Lane. Alles andere ist Dschungel. Das Team, das den Nexus des Gegners zerstört, gewinnt das Spiel. Das war der einfache Teil. Dazu kommen allerdings noch über 160 auswähl­ bare Charaktere, Champions genannt – jeder mit seinen eigenen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen sowie unendlich vielen Einsatzmöglichkeiten. In etwa – aber nur in etwa – wie beim Schachspiel, bei dem sich alle Figuren in Echtzeit bewegen, kämpfen, Erfahrungspunkte sammeln, Gold horten und wiederbelebt werden, wenn sie sterben. Dazu – oder besser gesagt: dazwischen –

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Der Opener Rapper Lil Nas X performt zur Eröff­ nung der WM 2022 in glänzender Rüs­ tung und Perücke. Der Aufmarsch Faker, der Super­ star (in der Mitte), ist mit seinem Team T1 auf dem Weg zur gigan­ tischen Bühne.

Herr Jun und das Echtzeit-Drama «Was da bei dieser WM passierte, hatte definitiv etwas von einem riesigen Märchen›», sagt Jeon Yong-jun alias Caster Jun aus Seoul, Südkorea. Caster, so nennt man im E-Sport die Live-Kommentatoren, und dieser hier dehnt die Vokale wie Brasilianer beim «Gooooool» und schreit krächzend und stöhnend wie – fragt mal euren Opa – Ingenieur Edi Finger sen. beim Wunder vom Córdoba. «Es war unglaublich, dass sich diese dramatische Geschichte wirklich in Echtzeit vor meinen Augen abspielte.» Und diese dramatische Geschichte ging ungefähr so: DRX, ein Team, dem man nicht einmal Aussenseiter­ chancen einräumte, taumelte gerade mal so ins globale Finalturnier. Und krönte eine unwahrscheinliche Glückssträhne, indem es T1 besiegte, das mächtigste Team in der Geschichte von «League of Legends». Und dabei unterlag der unglaublich beliebte Dreifach-Weltmeister Faker, für viele der grösste «LoL»-Spieler aller Zeiten, der «Michael Jordan des E-Sports», einem leidgeprüften Spieler namens Deft. Dieser war bis dahin nur durch spektakuläre Erstrunden-Niederlagen im zeitlichen Umfeld seines Geburtstags aufgefallen, denn der fällt stets in die Tage der Worlds. Für Jahre, sagt er, sei sein Geburtstag deshalb ein «Tag des Kummers» gewesen.

80 Sattelschlepper und 2000 Mitarbeiter – die Eckdaten einer neuen Wunderwelt.

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­ ommen noch allerlei Monster, Lakaien, Gefechtstürme k und andere überraschende Plot-Twists. Den Höhenflug des 14 Jahre alten Games führte bereits die Eröffnungszeremonie der WM 2022 in San Francisco imposant vor Augen – und Ohren. Was einst vom US-Spieleentwickler Riot Games als netter (nun ja, nett) Zeitvertreib fürs Kinderzimmer geplant war, brachte jetzt einen zweifachen Grammy-­Gewinner samt offizieller Turnier-Wettkampfhymne an den Start (Lil Nas X wurde übrigens zwei Monate zuvor zum «­President of ‹League of Legends›» ernannt). Und zwar in einem 1,6 Milliarden US-Dollar teuren Stadion inmitten einer holografischen Darstellung von Runeterra – der Gegenwelt, in der das ganze Spiel stattfindet. Teil der Bühnen-Choreo: gigantische Versionen von «LoL»Charakteren wie K’Sante und Azir (zu deren Fähig­keiten leider weder Gesang noch Tanz gehören). Die exakt drei Minuten und 57 Sekunden dauernde Performance beschäftigte im Vorfeld ein 2000 Personen starkes Produktionsteam sowie 80 Sattelschlepper mit Equipment. Zum Vergleich: Für ein «ganz normales» Stadionkonzert fahren gerade einmal 20 Mega-Brummer vor.


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Einer der Gute und einer der Böse? Beide verdammt gut – aber ewige Widersacher.

keinen Bösewicht.» Und auch aus ökonomischer Sicht sucht man vergeblich nach Verlierern.

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So frustrierend, dass er seine Karriere deshalb schon mehr als einmal beenden wollte. Doch im Vorjahr war Deft (bürgerlich: Kim Hyuk-kyu) neben Faker (richtiger Name: Lee Sang-hyeok) dann plötzlich die zweite zen­ trale Figur des Events – dessen allererstes Kapitel bereits an der Highschool geschrieben wurde. Faker und Deft waren an der Mapo High in Südkorea Klassenkameraden – und schon damals keine Freunde. Denn Faker überstrahlte seinen Rivalen von Anfang an. «Ich führte die ‹LoL›-Rangliste der Schule an. Mein Spitzname war ‹Mapo High School’s Fiery Fist›», erzählte Faker entflammt. «Und ich war auf der Rangliste ungefähr Hundertster», erinnert sich Deft. Faker kommentierte das später so: «Wir sind so daran gewöhnt, Rivalen zu sein, dass wir keine persönliche Beziehung haben.» Wäre es Fussball, man würde wohl von einem «Derby» sprechen. Doch für richtig böses Blut ist hier der gegenseitige Respekt zu gross. «Von der Persönlichkeit her sind sich beide sehr ähnlich, beide sind richtig gute Kerle», sagt Tyler Erzberger, Branchenexperte und ehemaliger E-Sport-Journalist. «Eigentlich möchte man ja beiden die Daumen drücken. In dieser Story gibt es

Der Taylor-Swift-Effekt Die grössten E-Sport-Stars erhalten inzwischen Verträge im siebenstelligen Dollar-Bereich, in US-Highschools und -Colleges sind E-Sport-Teams inzwischen allgegenwärtig. Und auch die Fans ziehen mit: Die Worlds 2022 etwa waren in weniger als fünf Minuten ausverkauft – ein Rekord für das Chase Center. Online war das Finale der Worlds in mehr als 240 Ländern Thema, das Interesse gleichmässig über den Globus verteilt. Allein die englischsprachige Übertragung verfolgten rekordverdächtige 1,6 Millionen Zuschauer, eine Steigerung von 41 Prozent gegenüber den Worlds 2021. Zudem verbuchten die Finals 121,7 Millionen summierte Strea­ ming-Stunden. Und die Weltmeisterschaft 2023 (von 10. Oktober bis 19. November), deren Finale im Gocheok Sky Dome von Seoul – dem grössten überdachten Veranstaltungsort des Landes mit einem Fassungsvermögen von rund 17 000 Zuschauern – stattfindet, nimmt diesen Schwung voll mit. Denn Südkorea gilt als Wiege des E-Sports, die oft unscheinbar wirkenden Stars erreichen Ruhm von Taylor-Swift’schen Ausmassen. Wie viele ihrer Protagonisten hat auch die «LoL»Weltmeisterschaft eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte: Die erste fand 2011 auf einer Spielekonferenz in Schweden statt, der «Dreamhack». Naz Aletaha, globale Chefin von League of Legends Esports, erinnert sich an die Entscheidung von Riot Games, die Sause per Livestream zu übertragen: «Wenn man sich heute die Bilder von damals anschaut, versteht man gut, war­um ‹Phreak’s Keller› in der Community zum geflügelten Wort wurde», sagt sie. Der bis heute unvergessene Insider-­ Joke bezieht sich auf David «Phreak» Turley, einen ehemaligen «LoL»-Caster, der die erste Staffel der Worlds aus einem schummrigen Hinterzimmer ­übertragen hat. «Aber trotz der unterirdischen Produktionsqualität

Kurve einmal anders. Beim WM-Finale 2022 in San Francisco marschierten unzählige «Ultras» in liebevoll kombinierter Fanwear auf – man achte auf das rote Einhorn.

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Die Stille vor dem Sturm Lee Sang-hyeok, 27 und besser bekannt als «Faker», vor seinem WM-Auftritt in San Francisco


Kohle für die abgebrannten Kids Nun endlich hatten die Spieler die Chance, Profis zu werden. Erwachsen werden, einen «richtigen» Job an­ nehmen? Das war nicht mehr zwingend nötig. Der Grund, weshalb die «LoL»-Wunderkinder der früheren Jahre mit Anfang zwanzig von der Bildfläche verschwanden, galt nun nicht mehr. Denn plötzlich wurden sie richtig bezahlt. Und Südkorea war dem Rest der Welt da schon ein paar Jahre voraus: Bereits im Jahr 2000 wurden dort Lizenzen für professionelle E-Sportler ver­ geben. Und die 24-Stunden-Spielekanäle OnGameNet und MBCGame übertrugen regelmässig «StarCraft», ein Echtzeit-Strategiespiel im Weltraum-Setting. «Südkorea ist stolz darauf, die Heimat des E-Sports zu sein», sagt Aiden Lee, Generalsekretär der League of Legends Champions Korea (LCK), der nationalen Profi-Liga. «Wir sind auch das stärkste Land in Sachen Nachwuchsarbeit, wir haben die besten Spielerpools und die besten Teams der Welt.» Dass viele der besten Spieler aus Südkorea kommen, heizt die Stimmung vor der bevorstehenden Heim-WM zusätzlich an. Lee vergleicht etwa die Dynamik von Faker gegen Deft mit der legendären Ära von Lionel Messi bei FC Barcelona und Cristiano Ronaldo bei Real Madrid. Lee Sang-hyeok alias Faker ist ein 27-jähriger MidLaner – das ist der Mann, der, oft in Gestalt eines Magiers, auf der mittleren Lane kämpft. Faker hat, erstens, eine Siegquote von unglaublichen 66 Prozent über eine

Faker im Moment der Niederlage (oben); Hong Chang-hyeon von DRX samt Sieger-Saphir

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WM wird zum Thriller: Wie verkraftet Deft seinen Wechsel? Und Faker seine Verletzung? Zeitspanne von zehn Spieljahren. Und, zweitens, viele Namen; auf der Online-Plattform The Players’ Tribune, wo Athleten Erfahrungsberichte austauschen, liess er uns einmal – in eigentlich atypischer Lautstärke – wissen: «Meine amerikanischen Fans nennen mich ‹Gott›, meine koreanischen ‹Unbesiegbarer Dämonenkönig›. Aber ‹Gott› ist mir lieber.» Und dann, vergleichsweise bescheiden: «Im Game heisse ich einfach Faker. Ich bin der beste ‹League of Legends›-Spieler der Welt.» Bis zu dem Tag, der seine Welt veränderte. Und jene von Deft. Denn als sich dieser mit dem Sieg bei den Worlds seinen Lebenstraum verwirklichte, bedeutete das vor allem eines: endlich durchatmen zu können. Und durchzuschlafen. Während seiner gesamten Profikar­ riere war er jede Nacht nach dem Lichtabdrehen noch einmal sein nächstes Spiel durchgegangen. «Jetzt denke ich nicht mehr an ‹League›», sagte Deft ein paar Wochen nach seinem Worlds-Titel, «ich gehe einfach schlafen.» Deft war zum Zeitpunkt seines Triumphs 26 Jahre alt und damit der älteste Spieler, der jemals die Worlds gewonnen hat. Und er hätte es all den Zweiflern und Pessimisten, deren grösster er selber war, jetzt mal so richtig reinsagen können – doch er tat es nicht. «Es ist paradox, aber ich will diese WM gewinnen, damit ich endlich aufhören kann», sagte er vor dem Finale. «Ein Sieg, und ich hätte einen würdigen Schlusspunkt.» Vor der WM 2022 sah es so aus, als ob DRX, sein Team, nicht einmal die regionalen Play-offs überstehen würde. Auch Deft selbst räumte DRX nur bescheidenste Chancen auf eine Endrunden-Teilnahme ein. «Insgeheim gab ich uns weniger als zehn Prozent», verriet er später. «Aber ich wollte unseren Fans ein bisschen Hoffnung machen.» DRX stolperte ins Turnier, war aber einer der schwächsten Teilnehmer im Feld der 24 Mannschaften. Die Gruppenphase zu überstehen schien illusorisch. In einer Pressekonferenz vor dem Finale wurden die Spieler von T1 nach ihren Erwartungen für das Spiel gegen DRX gefragt. Und einer nach dem anderen antwortete, ohne zu zögern. Oner: «Ich glaube, wir werden DRX ganz easy mit 3:0 schlagen.» Keria: «Ich glaube auch, dass es 3:0 ausgehen wird.» Gumayusi: «Ich wette auf 3:0.» Faker: «Ich hoffe, wir gewinnen 3:0.» Tragödie, Komödie, alles in einem Doch hinter den Kulissen hatte sich Defts ewige Pech­ vogel-Attitüde in eine tiefe Entschlossenheit verwandelt. Die Entwicklung war ihm nicht leichtgefallen. Kein einziges Mal war er bisher über das Halbfinale hinaus-

Das Spitzenspiel Das Team T1 battelt sich mit dem von DRX im Rahmen der Welt­meister­schaft 2022 im Chase Cen­ter von San Fran­ cis­co – 14 548 Fans waren live dabei.

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waren mehr als eine Million Menschen online», sagt Aletaha. «Da wussten wir: Es klappt. Die Fans, die Community – alle wollten E-Sport.» Danach setzte sich Riot Games zum Ziel, E-Sport dieselbe Anerkennung zu verschaffen wie der analogen Athletik. «Wir träumten davon, ein Ökosystem aufzubauen, in dem Gamer mit ‹LoL› ihren Lebensunterhalt verdienen können und wo die Besten vor richtigen Hardcore-Fans spielen.»



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Die letzten Klicks «LoL»-Star Deft sitzt hoch kon­zentriert vor seinem Schirm. Nur noch ein, zwei Klicks bis zum Weltmeistertitel!

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Der erste Titel Jubeltraube – soeben hat sich Defts Aussenseiter-Team DRX zum Weltmeister gekürt.

gekommen, sein Geburtstagsritual für den 23. Oktober beschrieb er so: «Normalerweise verbringe ich diesen Tag allein in meinem Hotelzimmer, nachdem ich bei den Weltmeisterschaften verloren habe.» Am 23. Oktober 2022 sah es ganz so aus, als ob die Geburtstagsparty mal wieder von den KonkurrenzLegenden gecrasht werden würde. Im Viertelfinale im Madison Square Garden in New York implodierte seine Taktik gegen EDG, zugleich sein ehemaliges Team und amtierender Weltmeister. Deft war kurz davor, den gegnerischen Nexus zu zerstören, da tauchte ein Inhibitor vor ihm auf. Wer mit «LoL» vertraut ist, versteht das Ausmass des Unglücks, für alle anderen verdeutlicht es der Vergleich eines Kommentators: «Das ist, als würde ein Running Back (ein Offensivspieler im American Football; Anm.) einen Meter vor der Endzone über eine Boden­ welle stolpern!» Oder, um einen anderen Shoutcaster zu zitieren: «O nein! Das Spiel lag in deinen Händen, Deft!» In den vergangenen Jahren hätte er in diesem Moment den Geburtstagssekt abbestellt und sich auf eine stille Hotelnacht vorbereitet. «Ich konnte es in diesem Moment gar nicht glauben», schrieb Deft später auf der Plattform The Players’ Tribune. «So etwas habe ich in meiner gesamten Karriere noch nie erlebt. Und dann passiert es mir … bei der Weltmeisterschaft … im Viertel­ finale … gegen dieses Team?! Ich fragte mich: ‹Bin ich einfach nicht zum Gewinnen bestimmt?›» Doch dann kippte ein Schalter in ihm um. «Ich bemitleidete mich plötzlich nicht mehr», sagt er, «und das hat mich irgendwie befreit. Ich fühlte mich plötzlich stärker als je zuvor.» Fachjournalist Tyler Erzberger war einer der wenigen Aussenstehenden, die Defts Entwicklung wahr­ nahmen, die Verwandlung vom Selbstzweifler zum unerschütterlichen Kämpfer. «Die meiste Zeit des Turniers machte er sich selbst runter. So in der Art von ‹Ich gebe eh schon mein Bestes, ich weiss nur nicht, ob ich gut genug bin›. Aber als er dann das Finale erreichte, fielen die grossen Erwartungen von seinen Schultern – und am Ende fuhr er die Ernte dafür ein.» Nach dem Sieg, noch vor den Standing Ovations im Chase Center in San Francisco, brachen alle DRXSpieler, die Sekundenbruchteile zuvor noch regungslos und wie in Trance auf ihre Bildschirme gestarrt hatten, in Tränen aus. Deft, mit einem Mal völlig losgelöst, riss sein Headset vom Kopf und schleuderte es weit von sich. «Normalerweise drücke ich meine Freude nie so dramatisch aus. Aber da ich bin im Stadion herum­gesprungen.

Faker an Fans: «Ich bin der Dämonenkönig – ihr könnt mich aber ruhig Gott nennen.» THE RED BULLETIN

Mein Körper bewegte sich, bevor ich denken konnte. Er sagte einfach: ‹Lauf!› Also bin ich gerannt», erzählte er später bei den Sieger-Interviews, als die Contenance ihn wieder so einigermassen eingeholt hatte. «Kein Tabellenvierter aus der Vorrunde hatte es zuvor bis ins Finale geschafft, geschweige denn die Weltmeisterschaft gewonnen», kommentierte Shoutcaster Kobe ungläubig. «Diese Gruppe von Freunden hat ein Wunder vollbracht.» Auf der anschliessenden Pressekonferenz fragte ein Reporter Faker, ob er seinem alten Schulkameraden Deft etwas zu sagen habe. «Ich möchte ihm gratulieren», antwortete er lapidar. «Deft ist ein Spieler, der diese Trophäe wirklich verdient hat.» Und nun die Worlds von 2023. Die können – wie eine Fernsehserie, die stets interessant bleiben will – mit einer komplett neuen Besetzung aufwarten. Weniger als drei Wochen nach dem Finale 2022 gab nämlich Deft seinen Rücktritt bei DRX bekannt und unterschrieb stattdessen beim grösseren Konkurrenten DWG KIA, was für gewaltiges Aufsehen sorgte. Denn bis auf einen gewissen BeryL verliessen alle Weltmeister von DRX das Team. Der Split der Boyband Ist es schockierend, ist es traurig, dass sich ein so erfolg­ reiches Team auflöst wie eine Boyband nach einem Nummer-1-Hit? Ja und nein. Denn DRX war eigentlich nie dafür gemacht, ein Weltmeisterteam nach Rune­ terra zu entsenden. Sobald die Spieler berühmt wurden, streckten andere die Fühler nach ihnen aus, und es gab weder Geld noch Ressourcen, um sie zu halten. «Ausbildungsverein» würde man so was im Fussball nennen. Und plötzlich war DRX der ewige Abstiegskandidat, der plötzlich die Champions League gewinnt – was den Siegespokal noch mehr glänzen lässt. Auch wenn die Sieger längst weitergezogen sind. Faker hingegen, der einmalige Verlierer und ewige Champ, blieb bei seinem Team T1, fiel aber den grössten Teil des Sommers verletzungsbedingt aus – o ja, auch das gibt’s im Profi-Gaming. Der Arm war es, der ihm zu schaffen machte. Eine hartnäckige Zerrung? Gar ein Ermüdungsbruch? War Faker überspielt? Die Krankenakte wurde strikt geheim gehalten. Doch Fakers Team geriet ins Wanken. Ohne seinen emotional leader verlor es fünf Spiele in Folge und stürzte auf den viertschlechtesten Platz der südkoreanischen Liga ab. Am 2. August verkündete League of Legends Esports dann Fakers erlösendes Comeback. Am selben Tag besiegte T1 den Gegner Kwangdong Freecs. Schlagzeile: «Die Rückkehr des Königs». Oder war’s doch «Gott»? Wer auch immer aus den Worlds 2023 als Legende hervorgeht, hat grosse Erwartungen zu erfüllen. Gegenüber dem Sport – aber auch gegenüber dem Drama, der Show, dem Lifestyle. «Die Messlatte liegt hoch», sagt «LoL»-Weltchefin Naz Aletaha über das Turnier, das in Seoul beginnt, bevor es nach Busan und dann wieder zurück nach Seoul geht – zwei Metropolen, in denen ein Drittel der Bevölkerung Südkoreas lebt. «Die Worlds genau hierherzuholen ist eigentlich nur logisch», sagt Aletaha. «League of Legends» kehrt heim. Das Finale der Worlds 2023 findet am 19. November statt. Verfolgt es live auf dem Twitch-Kanal von Riot Games: twitch.tv/riotgames. Seht euch die D ­ okumentation über das letztjäh­rige Worlds-Finale an: «DRX: The Rise», auf redbull.com

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Dein Guide für ein Leben abseits des Alltäglichen AUF DEN NÄCHSTEN SEITEN: REISEN, HÖREN, BIOHACKING – UND ERLEBEN! Der rote Punkt im blauen Paddel­ boot im türkisen Nordmeer: Das ist unsere Autorin.

LARS PETTER JONASSEN

UND JETZT DU! THE RED BULLETIN

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REISEN

VERWEGEN IN NORWEGEN Eisbad, Wasserflug, Kabeljau! Die norwegische Inselgruppe der Lofoten lockt mit Highspeed auf dem Meer und Lifestyle an Land. FOTOS LARS PETTER JONASSEN

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Nina Kaltenböck fährt Speedboot und Kajak, foilt – und futtert sich durch die Lofoten.

Ragnhild Pedersen Indresand aus Svolvær ist der Guide der Truppe, die nach Action und Abenteuer lechzt.

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lippfisk. Skrei. Wild cod. Drei Namen für den Local Hero der ­Lofoten: den Kabeljau. Einen Fisch, auf dem die ­Menschen hier ihre Existenz gründen. Und neben vielen anderen Köstlichkeiten mein täglich, nun ja, Brot hier. «Hier» bedeutet nördlich des Polarkreises gelegen, und da befinden sich die zu Norwegen gehörenden achtzig ­Inseln – die Lofoten. Ich, Nina, Redakteurin bei The Red Bulletin, unternehme ein sechstägiges Action-Bestof, das aus Kajakfahren, einer Fjord-Tour in einem Speedboot, einem Fischertrip im Nordmeer und einem ganz besonderen Mix aus Surfen und Fliegen besteht. Mein Guide ist Ragnhild Pedersen Indresand, 26, die in dem ­Fischerstädtchen Svolvær zwischen Meer und Bergen wohnt. Sie ist so etwas wie MacGyvers Enkelin und hat ständig Plan B, C und D in den Bereichen Klettern, Kajak­ fahren oder Surfen parat. Heute brettern sie und ihr Verlobter Laurids mit uns in einem Festrumpfschlauchboot mit 40 Knoten, also knapp 75 Stundenkilometern, die Fjorde entlang bis zum Troll­ fjord, einem eindrucksvollen, zwei Kilometer langen und an

einer Stelle nur noch hundert Meter breiten Seitenarm der Wasserstrasse Raftsund. Die Reisegruppe besteht aus kälte­ beständigen Solo-Travellern – Cameron aus Colorado, der Norwegerin Marit, einem abenteuerlustigen Deutschen und mir. Über uns streiten sich Seeadler und Möwen um ein paar Fische. Seitlich sprüht die Gischt des Nordmeers, und hinter mir jauchzt jemand wegen des wilden Ritts über

Deutsch-amerikanische Freundschaft: Cameron aus Colorado (li.) und Thomas aus Bayern düsen mit mir im Speed­ boot von Svolvær zum Trollfjord.

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Svolvær LOFOTEN

ANKOMMEN

Norwegen Oslo

LARS PETTER JONASSEN

REISEZEIT

die Wellen. Wem es zu holprig wird, der steht vom Sitz im Speedboot auf und hält sich an den Griffen fest, das schont die Bandscheiben. Und auch wenn wir offenen Mundes die raue Schönheit der Land­ schaft aufsaugen: Besser die Klappe halten, sonst schluckst du die nächste Welle. Nach dem Geschwindig­ keitsrausch geht es zurück in unsere Bleibe Skårungen im Dorf Kabelvag. Ich beginne zu verstehen, warum das Wort «hyggelig» hier entstanden ist. Es kommt aus dem Dänischen und Norwegischen und attri­ buiert alles, was gemütlich, behaglich, Geborgenheit und Trost spendend ist. Und so wirkt in diesem Idyll praktisch alles. Wir stärken uns vor dem knisternden Kamin mit einer Artischockensuppe mit Mu­ scheln, gefolgt vom obligatori­ schen Kabeljau, und planen den nächsten Tag: Den startet die Norwegerin Marit Vidnes aus unserer Reisegruppe, die auch CEO von Norrøna Ad­ venture ist, mit mir und einem heftigen Saunaaufguss in

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Ein Reisestopp: das PostkartenFischerdorf Hennigsvær mit seinen 500 Einwohnern

Ganzjährig schön Die beste Zeit für die Lofoten im Winter ist zwischen Oktober und April, da tanzen auch die Nordlichter am klaren Himmel. Die ­Reise ist aber ganzjährig buchbar, weil hier auch der Sommer malerisch ist.

­einem verglasten Kubus inmit­ ten der verschneiten Berge. Darauf folgt ein Plausch in der Hot Tub. Wie denn die Norweger so sind, will ich wis­ sen. «Sie sind zurück­haltend, anfangs vielleicht ein bisschen distanziert und geben niemals an. Das ist ein Gesetz, an das wir uns h ­ alten.» Kann ich bestä­tigen – egal wie sportlich, betucht (Norwegen gehört zu den Top Five der reichsten Länder) oder smart man ist, dar­über wird nicht gespro­ chen. Prompt setzt Marit zum Polar Plunge an, einem Sprung im Bikini ins sechs Grad fri­ sche Nordmeer. Ich hinterher, endlich putzmunter! Nach einem Ausflug ins ­Fischerdorf Hennigsvær, um mich dort mit Stockfisch – also getrocknetem Kabeljau – einzudecken und einer Ein­ führung in den Lofoten-Fisch­ fang, um Skrei, Kabeljau-Nach­ schub, zu besorgen, geht es nach Ballstad, ein Fischerdorf mit 832 Einwohnern. Wir be­ ziehen die schmucke Hattvika Lodge und staffieren uns für einen Kajak-Trip aus. Outdoor-­

Allrounderin Raga, kurz für Ragnhild, weist mich in die Kajak-Kunde ein. «Spann dich mit Beinen und Rücken gut in das Kajak, sei locker in der Hüfte, die Kraft kommt vom Aufdrehen des Oberkörpers und nicht aus den Armen», sagt sie und entschwindet mit einem Teil der Gruppe zu einer Skitour. Kristian Bøe, ­Besitzer und Gastgeber in der Hattvika Lodge, durchpflügt mit drei fortgeschrittenen ­Kajakfahrern und mir gemäch­ lich das Gewässer. Bis eine

Die Anreise lohnt sich Von Zürich kommst du über Oslo und Bodø nach Svolvær oder Ballstad auf den Lofoten. Von hier aus geht es mit dem Miet­wagen ans Ziel. Mit dem Auto lassen sich die Lofoten komplett über den Landweg bereisen. Good to know Die Reiseagentur «Norrøna Adventure» ist ein Spezialist für Touren in Norwegen und Expeditionen. Sie gehört seit Ende des letzten Jahres zur Outdoormarke Norrøna. Für mich der perfekte Begleiter im längsten Land Europas. Und das war mein Trip: «Winter ­ dventure in Lofoten», A adventure.norrona.com

Im Rigid Inflatable Boat, kurz RIB, brettern wir mit 40 Knoten im Nordmeer die Fjorde entlang.

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REISEN

Von Jänner bis April findet der LofotenFischfang statt. Dann trocknet Skrei, also Kabeljau, auf riesigen Holzge­stel­len (ganz links). Rechts: Kevin Karlssons Köstlich­keiten – Fine Dining im «Fangst» in Ballstad. Unten: Kristian Bøe, mein Kajak-Guide. Wir erkunden die Meeresseite der Lofoten – voll inspiriert, aber mit kleinem Sachschaden.

LOFOTEN DE LUXE

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Ein Sprung ins kalte Wasser – buchstäblich –, ein Tiefflug übers Meer und Paddelmania … alles erlebt. Nur Nordlichter hab ich keine gesehen. Dann muss ich eben sehr bald wiederkommen. Zur Reisebuchung: adventure.norrona.com Zur Outdoor-Gear: norrona.com

«Fangst» Der an die Hattvika Lodge angeschlossene Fine-Dining-Hotspot mit Aussicht auf den kleinen Hafen von Ballstad. Die, die wollen, finden hier alles von WalTataki über Skrei bis Rentier. Regional und frisch. hattvikalodge.no Skårungen Gemütliche Waterfront ­Cabins, Hütten oder Glamping – General Manager Tilla und ihr Team wissen, wie man Gäste kulinarisch und in puncto Unterkunft verwöhnt. Beim Frühstück unbedingt Braunkäse (Brunost) mit Apfel- und Heidelbeermarmelade probieren. skaarungen.no

Roland Hummer, der geduldige Foiling-Guru aus Gmunden

THE RED BULLETIN

NINA KALTENBÖCK

santeste Wassersportart – wie ich danach in einer Schnupperstunde erfahren darf. Was für ein Dopamin-Kick! Ich will mehr und Meer! Aber nur geborgt. Ein E-Foil kostet 15 000 Euro, und in den vergangenen eineinhalb Jahren haben es schon an die 300 Urlauber auf den Lofoten ausprobiert.

LARS PETTER JONASSEN, ROLAND HUMMER/@MY_EFOIL

Passage zwischen zwei Felsen schmäler als angenommen ist und die Nase meines Kajaks einen Felsen küsst. Tock! ­Colorado-Cameron und seine GoPro halten die Tat und den O-Ton der Augenzeugen fest: «Now you have to buy the boat.» Das wird teuer; ich ­versuche zu kalkulieren: Ein kleines Bier kostet hier zehn Euro, was kann dann ein brandneues Kajak kosten, 50 Biere, 70 …? Ein Mann, der mit gut 50 km/h über das Meer jagt, unterbricht meine Berechnungen. Es ist Roland Hummer, ursprünglich aus Gmunden, Oberösterreich. Jeder, der mit dem Begriff E-Foiling noch nicht vertraut ist, sieht einen Mann aus der Zukunft auf ­einem Hoverboard über das Wasser fliegen. Tatsächlich trägt ihn ein Hydrofoil-Board mit Elektromotor: für mich die euphorisierendste und amü-

Hattvika Lodge 16 liebevoll renovierte Fischerhütten aus den 1870er-Jahren, stilvolle Hillside Lodges und eine grosse Villa, modern aus­ gestattet und mit grossen Fensterfronten, um bei ­klarem Himmel spekta­ kuläre Nordlichter zu sehen. Sauna Cube und Hot Tubs inklusive.



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PERFORMANCE UND PASSFORM NEU DEFINIERT AUF HERZ UND NIEREN Benni Raich hat das BOA® Fit System auf Praxistauglichkeit geprüft.

Der amerikanische Verschluss-Spezialist BOA zaubert eine Revolution aus dem Ärmel, in die nicht nur 20 Jahre Erfahrung flossen, sondern auch das Know-how von DoppelOlympiasieger Benni Raich. Am Anfang war ein Snowboard-Boot Oft sind es kleine Dinge, die entscheidend sind. Das kann auch der Schuhverschluss-Spezialist BOA be­ stätigen: Mit einem Drehverschluss, der kaum grösser ist als eine Zwei-Euro-Münze, wurde im Jahr 2001 der Snowboard-Boot revolutioniert – und von da an etliche weitere Sportarten. Vom Rennrad-/MTB-Schuh bis hin zum Hochtourenschuh schätzt man BOA für einfach zu bedienende, passgenaue Verschlusssysteme.

bereich, eine einfachere Bedienung und eine bessere Druckverteilung auf dem Rist sollen Performance und Sicherheit erhöhen, aber auch mögliche Schmerzpunkte im Skischuh eliminieren. Über 20 Jahre Erfahrung aus unterschiedlichsten Sportbereichen sind in das System miteingeflossen. Warum? «Ein Alpin-Skischuh muss enorme Belastungen aushalten», verrät uns jemand, der es wissen muss: der dreifache Weltmeister und zweifache Olympiasieger Benni Raich. Zusammen mit zahlreichen Designern und Ingenieuren war er an der Entwicklung der BOA-Alpinlösung beteiligt. «Der Vorteil des BOA® Fit Systems liegt darin, dass die Schale jetzt seitlich zugezogen und nicht mehr von oben nach unten gedrückt wird. Dadurch verteilt sich der Druck deutlich besser, was dem Fahrer mehr Fersenhalt, Sicherheit und Performance gibt – auch bei härtester Beanspruchung.»

Die Alpin-Skischuh-Revolution In der Skischuh-Entwicklung dagegen hat sich in den letzten 40 Jahren kaum etwas getan. Zumindest bis jetzt: Mit dem neu entwickelten H+i1 BOA Fit System für Skischuhe will das Team aus den Rocky Mountains gleich mehrere Problemzonen aus dem Weg räumen. Mehr Fersenhalt und Stabilität, ein feinerer Einstell-

Benni Raich

» PASSFORM, NEU DEFINIERT Drehverschluss, Seil und Seilführung – das sind die drei Bausteine für das BOA® Fit System.

boafit.com

TOM KLOCKER, MIRJA GEH

«

Wir haben das BOA® Fit System ausgiebig getestet, auch unter Rennbedingungen. Ich bin von dem System zu 100 Prozent überzeugt.


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EXOWRAP ® powered by the BOA ® Fit System.

Umschließt gleichmäßig den Fuß.

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Die EXOWRAP ® Konstruktion von Salomon kombiniert eine hochoptimierte Schale und einen LatexschaumInnenschuh mit dem BOA ® Fit System, um so deinen Fuß präzise zu umschließen und dir maximalen Halt und Leistung zu bieten.


HÖREN

«PHIL COLLINS WAR MEIN ERSTES IDOL» DJ und Grammy-Gewinner ­Purple Disco Machine über Songs, die ihn und seinen Sound prägten.

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ua Lipa, Lady Gaga, Elton John: Wenn sich solche Weltstars einen Remix eines ihrer Songs wünschen, rufen sie in Dresden bei Tino Piontek, 42, an. Piontek alias Purple Disco Machine hat auch mit eigenen Songs Weltruhm erreicht. Sein 2021 erschienenes Album «Exotica» wurde hunderte Millionen Mal gestreamt. Dem Erfolg gingen viele Besuche seines Vaters auf dem Musik-Schwarzmarkt der DDR voraus, um dem Sohn Platten zu besorgen. Pionteks Musik trägt Einflüsse von Künstlern wie Prince und Daft Punk, von Richtungen wie French House und Italo Disco und macht vor allem gute Laune. Für seinen Remix des LizzoSongs «About Damn Time» hat P ­ iontek einen Grammy gewonnen. Hier sind die Tracks, die ihm am meisten bedeuten.

IN THE AIR TONIGHT (1981)

«Phil Collins war tatsächlich mein aller­erstes Idol. Ich habe ihn durch meine Eltern Mitte der 1980er-Jahre entdeckt, so mit sechs, sieben Jahren, und diesen Song habe ich damals rauf und runter gehört. Die Art, wie er pro­duziert war, war damals sehr untypisch. Er hat keinen wirklichen Chorus und ist kein klassischer Popsong, sondern irgendwie anders. Und das Drum-Solo ist natürlich legendär.»

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Daft Punk

AROUND THE WORLD (1997)

«Ich war 16, als das Album

‹Homework› von Daft Punk rauskam. Damals haben wir im Schulkeller Partys gefeiert, ich hab da an der Bar Getränke verkauft. Das Album lief an einem Abend dreimal hinter­ einander. ‹Around the World› war so ein Song, der der Zeit einfach voraus war. Das war komplett neu. Und es war das erste Mal, dass ich wusste: Das ist exakt die Musik, die ich selber machen möchte.»

Fatboy Slim

Metronomy

«Fatboy Slim war damals das Nonplusultra, was Sampling angeht. ‹Praise You› ist ein Song, der für mich immer rausstach, weil er total un­ typisch war. Das Pianoriff, die Vocal Line, die so catchy ist und immer wieder geloopt wird, dazu diese Breakbeats. Ausserdem ist der Song so positiv, so fröhlich. Vor fünf Jahren durfte ich dann für den Song einen Remix produzieren, das war eine grosse Ehre.»

«Als der Song rauskam, hatte ich gerade meine heutige Frau kennengelernt. Wir haben ihn auf unserem ersten Festival gehört, und seitdem begleitet er uns. Der Song ist sehr funky, sehr disco und so luftig und leicht, dass man sofort ein Lächeln auf den Lippen hat. Er lief auf unserer Hochzeit, aber er passt noch besser, wenn man eine Krise hat. Dann bringt er uns zurück zu den schönen Momenten.»

PRAISE YOU (1998)

THE BAY (2011)

THE RED BULLETIN

JOHANNES MITTERER

Phil Collins

FIONA GARDEN

Ob Remix oder originale Tracks – Purple Disco Machine hat es auf beide Arten zu Weltruhm gebracht. Instagram: purple_disco_machine


BIOHACKING

Auch wenn sich Beobachter schrecken sollten – Angst lässt sich abschütteln.

SHAKE YOUR SCHOCK! Angst einfach abschütteln? G-g-geht – wenn man es wie die Gazelle macht. Und auch wie Biohacker Andreas Breitfeld.

PRIVAT

ANDREAS BREITFELD

BRATISLAV MILENKOVIĆ

E

in Biohacker ist natürlich nicht unerschütterlich. Auch uns fährt mal der Schreck in die Glieder, auch wir kriegen Stress und Aufregung mal nicht aus dem System. Doch wir haben einen Trick, wie wir mit solchen Situationen umgehen – einen Trick, den wir uns von grossen Naturdokus abgeschaut haben. Wir machen es nämlich so wie die Gazelle, die soeben dem Löwen entkommen ist – und schütteln uns kräftig durch, den ganzen Körper, die Arme und Beine, ein, besser zwei Minuten lang. (Im Gegensatz zur Gazelle tun wir das aber niemals vor TV-Kameras, sondern aus Rücksicht auf unseren Ruf an einem unbeobachteten Ort. Es sieht nämlich, wenn man’s richtig macht, ordentlich bescheuert aus.) Aber wieso machen die Tiere das? Erst eine natürliche Reaktion auf ein traumatisches oder extrem stressiges Ereignis bringt ihren Körper sowohl hormonell als auch physisch wieder ins Gleich­

THE RED BULLETIN

ERST AUFRÜTTELN, DANN ABREGEN

Zwei Minuten schütteln – und dann passiert das: Die Stresshormone ­Cortisol und Adrenalin werden abgebaut, das Nervensystem wird aus dem Fight-or-Flight-­ Modus (der nötig war, um vor dem Löwen fliehen zu können) in den Rest-and-Digest-Modus (ruhen und verdauen) zurückgerüttelt.

gewicht: Überschüssige Energien werden aus dem System geschleust, die Stresshormone Cortisol und Adrenalin werden abgebaut. In diesem Modus werden übrigens auch physische Heilprozesse in Gang gesetzt, sollte der Löwe die flüchtende Gazelle doch ein wenig angeknabbert haben. Nun gut, und warum shaken wir Biohacker ab? ­Tatsächlich aus genau den­ selben Gründen. Denn die Wis­senschaft hat heraus­ gefun­den, dass dieses «stress­ induzierte Schütteln» – so der Fachbegriff – beim Menschen genauso wirkt wie beim Tier. Man muss nicht einmal buch­ stäblich um sein Leben ge­ laufen sein: Auch eine böse Kunden-Mail oder eine negative Podcast-Bewertung bereiten ausreichend Stress, um mich mal schnell in den Schüttel-Modus zu bringen.

Andreas Breitfeld ist Deutschlands bekanntester Biohacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. Biohacking umfasst, vereinfacht gesagt, alles, was Men­schen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Le­bens­qualität und Lang­lebig­keit zu verbessern.

Die Biohacking-Praxis ist der PerformanceLifestyle-Podcast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören.

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AUF INS HOME OF

LÄSSIG!

Urlaub, Events und Abfahrten: 10 Gründe, warum du dir den Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn nicht entgehen lassen solltest.


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SAALBACH.COM/MIRJA GEH

HOME OF LÄSSIG Der Skicircus vereint die Salzburger Winter­ sportorte Saalbach, Hinterglemm, Saal­ felden und Leogang mit Fieberbrunn in Tirol.

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FREERIDEN

FREERIDE-MEKKA In Fieberbrunn trifft sich die FreerideSzene – im Ski­ urlaub oder auf der Freeride World Tour.

Im Skicircus Saalbach Hinterglemm ­Leogang Fieberbrunn staubt der Powder wie Puderzucker. Besonders breit grinsen die Freerider, wenn sie ihr Mekka im Tiroler Fieberbrunn erreichen. Unzählige OffPisten-­Hänge zeigen die Kitzbüheler Alpen von ihrer wilden Seite. Die eindrucksvollsten Lines ziehst du am Wildseeloder, wo im März 2024 die Elite der Freeride World Tour wieder ihre Spuren hinterlassen wird. Doch nicht nur Profis, sondern auch Genussrider und Einsteiger lernen hier alles zum Thema «Sicherheit am Berg». So finden sich am Schattberggipfel und am Zillstattlift LVS-Suchfelder, die den Umgang mit dem eigenen LVS-Gerät trainieren, indem du ­vergrabene Sender aufzuspüren lernst. LOCATION: Wildseeloder, Fieberbrunn. HANGNEIGUNG: bis zu 70 Grad. FREERIDE WORLD TOUR: Fieberbrunn ist der einzige Stop der Freeride-Königsklasse im deutschsprachigen Raum. Am North Face des Wildseeloders geht’s vom Start auf 2118 Metern über 620 Höhenmeter bergab.

saalbach.com/freeride


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ROUNDTRIP Wer «The Chal­lenge» wagt, braucht eine starke Kondition und ein gutes Zeitmanagement.

SKI YOUR LIMIT!

65 Pistenkilometer in sieben Stunden? Easy? Dann stell dich «The Challenge», der grössten Skirunde der Alpen! Die Tour überragt sogar die renommier­ ten Ski-Runden «Sellaronda» in Südtirol oder die ­«Königstour» am Hoch­könig. Ein Tipp für unterwegs: Halte deine Hüttengaudi in Zaum, denn ein Mittags­ menü wird sich kaum ausgehen. Diese Tour ist für Hardcore-Sportsfreunde und Marathon-Frauen gemacht. Dafür helfen 32 Lifte beim Bewältigen der 12.400 Höhenmeter. «The Challenge» kann an jeder Seilbahn gestartet werden. Das Ziel ist erreicht, nachdem alle 32 Seilbahnen passiert wurden. THE CHALLENGE: 65 Kilometer und 12 400 Höhenmeter in 7 Stunden ohne Pause. Ski ALPIN CARD: Eine Skikarte für 408 Pisten­ kilometer in den drei Premium-Skiregionen Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang ­Fieberbrunn sowie der Schmittenhöhe in Zell am See und dem Kitzsteinhorn in Kaprun.

saalbach.com/thechallenge alpincard.at

3 GENUSSGARANTIE Der Kaiserschmarrn ist nur eine von vielen Gaumenfreuden beim Hüttenbesuch.

KAISERSCHMARRNKONSTANTE Luftig, fluffig, flaumig – diese Eigenschaften beschreiben sowohl den Schnee als auch den Kaiserschmarrn im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn. Bei uriger Hüttengaudi oder hippem Alpinflair hat der Kaiserschmarrn noch jeden Einkehr­ schwung gekrönt. Auch Kasnocken, Kas­ pressknödel und Pinzgauer Bladl sollte man dem Gaumen nicht vorenthalten. Nach dem Skitag laden Après-Ski-Bars, gemütliche Hütten und Lokale zum Feiern bei Musik ein. Alle Zutaten vereint ­finden sich in den White Pearl Mountain Days: Ein frühlingshaftes Programm vereint Mountain Yoga, Schnee­ schuhwandern, DJs und Liveshows mit kuli­ narischen Spezialitäten der Region, die extra für dieses mehrtägige Event kreiert werden. WHITE PEARL MOUNTAIN DAYS: 22. bis 31. März 2024 im Skicircus Saalbach Hinter­ glemm Leogang Fieberbrunn. Kostenlos. HÜTTENZAUBER: über 60 Winterhütten.

saalbach.com/winterhuetten


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PODESTSPRUNG Kann Speed-Weltmeister Vincent Kriechmayr (oben) seinen Erfolg bei der Ski-WM 2025 noch einmal wiederholen?

SAALBACH.COM/MAKEART/CHRISTOPH JOHANN/DANIEL ROOS; ERICH SPIESS

SKIFAHREN WIE WELTMEISTER

Weltklasse trifft beim Skifahren hier gleich doppelt zu: In Saalbach Hinterglemm wird im März 2024 das Finale des Audi FIS Ski Weltcups ausgetragen. Spannender geht es kaum, wenn die Topstars der Skiwelt um die entscheidenden Weltcuppunkte racen. Auf derselben Rennpiste am Zwölferkogel messen sich auch bei den FIS Alpine Ski Weltmeisterschaften 2025 die besten Skifahrer der Welt. Das Coole: Während der Rennen ist das Skifahren für alle weiterhin möglich. Der Zielbereich ist auf 15 000 Zuseher begrenzt, doch mit den Skiern ist man als Zaungast quasi mittendrin. Die Zeichen für Österreichs Siegeschancen könnten besser nicht stehen, denn schon im Jahr 1991 funkelten bei der «Sonnen-WM» in Saalbach ­Hinterglemm fünf Goldmedaillen für Österreich. AUDI FIS SKI WELTCUP FINALE 2024: 16. bis 24. März 2024. Tickets über den QR-Code erhältlich. FIS ALPINE SKI WM 2025: 4. bis 16. Februar 2025. Tickets ab März 2024 verfügbar.

saalbach.com/worldcupfinals saalbach2025.com

AUF DEN SKIERN ANREISEN Du suchst eine Unterkunft? Über saalbach.com findet jeder sein passendes Bett. Ein Tipp: Dank «Ski in – Ski out» kannst du von überall im Ski­ circus die Rennstrecke mit den Skiern erreichen.


ROCK AM BERG Beim BERGFESTival schneit kein Konfetti­ aus der Kanone, sondern Schnee vom Himmel.

BERGFESTival Der Berg groovt ordentlich, wenn die Skisaison mit Pauken und Gitarren eröffnet wird. Das BERGFEST­ival repräsentiert in seinem Line-up die bunte Vielfalt des Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn: Dort wedeln die Rhythmen von Rock und Indie über Hip-Hop und Electronic. Hier spielten schon die Broilers, Wanda, die Beatsteaks, Alligatoah, The Hives, Kraftklub, Seiler & Speer und Christina Stürmer. Umrahmt werden die Partys am Berg von Skispass auf 270 Abfahrtskilometern sowie diversen Winteraktivitäten. Die ersten Headliner für das kommende BERGFESTival 2023 stehen auch schon fest: Die Berliner Kultband SDP und das österreichische Popwunder Bilderbuch geben sich die Ehre. BERGFESTIVAL: 8. bis 10. Dezember 2023, Saalbach. TICKETS: 106 Euro.

berg-festival.com

6 GARAGENPARTY Das RaveOnSnow-Epizentrum pulsiert in der Tiefgarage unter der Schattberg Liftstation.

RAVE ON SNOW Das Electronic-Festival RaveOnSnow wurde vor 30 Jahren gegründet. Seit 28 Jahren gastiert es nun bereits in seiner Heimat Saalbach Hinterglemm. Seitdem hat es sich zu einem der grössten Winterfestivals für Clubmusik hochgetunt. Mehr als 60 Artists lassen die Besucher auf 12 Floors über 50 Stunden tanzen. Das Konzept ist einladend: Wenn die Sonne scheint, steht man auf Skiern und Snowboards; geht die Sonne unter, tanzt man beim etwas anderen AprèsSki zu feinstem Techno, House und Tech-House. Die Party steigt in der Tiefgarage, am Marktplatz oder auf Almhütten. Den Höhepunkt bildet ein Open Air am Saalbacher Schattberg. Dieses Jahr am Flyer: Pan-Pot, Tini Gessler, DJ Hell, Klaudia Gawlas, Joyhauser und Anna Reusch. RAVE ON SNOW: 14. bis 17. Dezember 2023, Saalbach und Hinterglemm. TICKETS: ab 150 Euro.

raveonsnow.com


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3 TAGE JAZZ

Das Festival «3 Tage Jazz» liefert, was es verspricht: ein langes Wochenende voller Jazz und improvisierter Musik. Im Sommer punktet das international renommierte Jazzfestival Saalfelden mit den Weltstars der Nischen des Jazz. Sein winterliches Pendant spielt etwas kleiner auf, bleibt doch im Anspruch genauso interessant kuratiert. Wer sich auf die innovativen Klänge inmitten des Salzburger Innergebirges einlässt, kann gleich zweimal im Jahr neue, überraschende Musik erforschen, die im Live-Erlebnis besonders greifbar wird. Die Schauplätze: die Hauptbühne im Kunsthaus Nexus in Saal­felden, die historische Atmosphäre des Bergbau- und Gotikmuseums Leogang, die grossräumige Akustik der Stadtkirche Saalfelden sowie die gemütliche Stöcklalm in Leogang.

SAALBACH.COM/MARKUS LANDAUER/LINDA ZECHMEISTER/CHRISTOPH JOHANN; MICHAELGEISSLER

HOME OF JAZZIG Beim Musikfestival «3 Tage Jazz» entdeckt man innovative Klänge aus den Nischen des Jazz.

FIRST LINE UND FRÜHSTART Early Birds, aufgepasst: Wer als Pionier die frisch gewalzten Pisten und unverspurten Hänge geniessen will, nutzt am besten den «Frühstart». Bereits um 8 Uhr schicken dich einzelne Seilbahnen mit der ersten Gondel den Berg hinauf. In Fieberbrunn bietet­das Skierlebnis «First Line» noch ein zusätzliches Schmankerl: Eine Gruppe von maximal 30 Leuten, begleitet von Local Guides und einem Bergbahn-Vertreter, darf bereits um 7.30 Uhr auf den Berg – noch vor dem regulären Skibetrieb. Nachdem du vor allen anderen die frisch präparierten Pisten eingeweiht hast, erwartet dich um 9 Uhr ein regionales Bergfrühstück in der Pulvermacher Almhütte. Mahlzeit! FRÜHSTART: Bei ausgewählten Bahnen im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn ab 8 Uhr. FIRST LINE: Nur in Fieberbrunn ab 7.30 Uhr. Maximal 30 Personen. Kosten: 78 Euro.

fieberbrunn.com/firstline saalbach.com/fruehstart

3 TAGE JAZZ: 26. bis 28. Jänner 2024, Saalfelden und Leogang. TICKETS: ab 10 Euro.

jazzsaalfelden.com

SONNENGRUSS Die Frühaufsteher haben im Skicircus den Berg ganz für sich allein.


DES LEIWANDSTE Im Skicircus erlebt man Skispass bei allen Bedingungen – auf der Piste oder wilden Snow Trails.

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CHASING SLOPES

Nachdem Pistenraupen den Hang planiert haben, formt sich der Schnee zum edlen Feinripp. Ihn zu «crashen» ist ein Hochgefühl für Pistenrider, das ­jedoch von kurzer Dauer ist. Doch im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn findest du deinen Skispass bei allen Bedingungen: auf Buckelpisten, in der Pipe, beim Powdern oder Firngleiten –­ Hauptsache: gemeinsam mit Freunden. Ein besonders actionreiches Comeback erleben derzeit Snow Trails. Die naturbelassenen Waldwege in Pistennähe werden vom topographischen Charakter der Natur geshapt. Natürliche Wellen, Kuppen oder Geländeübergänge werden mit Steilkurven, Wellenbahnen, Sprüngen oder Cornern verfeinert. Das Ergebnis: maximaler Abfahrtsspass wie in guten alten Zeiten. Bock auf einen Ritt? Die Snow Trails sind auch im interaktiven Pistenplan eingezeichnet.

WELTMEISTERLICHES SERVICE Der Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn ist auch Service-Weltmeister. Selten findest du eine derartige Dichte an qualitativ hochwertigen Ski­ schulen, Guides und Ski- und Rentalshops.

INTERAKTIVER PISTENPLAN: eine interaktive Karte, die zum Download bereitsteht.

saalbach.com/pistenplan


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TRAILRUNNING ON THE ROCKS

Schneeschuhwandern entschleunigt, ist meditativ und lässt mit jedem Schritt in die Natur eintauchen. Doch ein rasanter Lauf auf verschneiten Trails hat auch seinen Reiz. Im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn finden Läufer auch im Winter ihre Trails auf knirschendem Schnee und erkunden das Winterwunderland im Schnelldurchlauf. Nachdem das Fitnessprogramm erfüllt ist, zeigt eine Winterwanderung neue Blickwinkel auf die Natur. Ein 140 Kilometer weites Netz an Winterwanderwegen führt durch die Regionen – ob geführt oder auf eigene Faust. Für alle Touren hol dir die «Sonnenkarte» für Winterwanderer! WINTER RUN 1 – SONNSEIT-PROMENADE-RUNDE: 8,8 Kilometer, 137 Höhenmeter, Dauer: 1:29 Stunden. WINTER RUN 2 – ULLACHTAL-SCHLEIFE: 7,5 Kilometer, 196 Höhenmeter, Dauer: 1:00 Stunde.

WINTER RUN 3 – TALSCHLUSS–LINDLINGALM: 14,1 Kilometer, 242 Höhenmeter, Dauer: 2:19 Stunden.

SAALBACH.COM/CHRISTOPH JOHANN; SALZBURGERLAND TOURISMUS/MARKUS BERGER; SAALBACH.COM

saalbach.com/wintersonne

BERGLUFTKUR Eine Wanderung im Home of Lässig bleibt kristallklar im Kopf.


ERLEBEN

WO DIE BOOTE FLIEGEN LERNEN

­ arcelona als Austragungsort B des 37. America’s Cup feststand, war das Schweizer Team schnell als Nachnutzer der freien Parzelle zur Stelle. «Wir hatten Glück und fanden Gebäude zur Miete, sodass das Team und dessen Familien hierher umgesiedelt werden konnten, bis der Bau unserer heutigen Basis ab­geschlossen wurde», sagt Arrivabene. Das

Denkwerkstätte des America’s Cup: Die Basis von Alinghi Red Bull Racing in Barcelona eröffnete mit Stil.

H

ier werden Gewichte gestemmt, Segel geflickt, Beschläge getestet und Wetterkonditionen studiert. Selbstver­­ständlich nicht ohne Hightech – auch aus der Formel 1. Die neue Basis des Alinghi Red Bull Racing Teams strahlt mitten im Hafen Port Vell in Barcelona, wo 2024 der 37. America’s Cup stattfindet. Im September war die Öffentlichkeit eingeladen, sich ein Bild von der Super-Base zu machen. Gefeiert wurde der Anlass gebührend mit spektakulären Cliff-Diving-Stunts, Musik und einer BMX-Show.

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«Die Boote sind sehr anspruchsvoll und müssen täglich gewartet werden.» Silvio Arrivabene, Co-General-Manager

In den zwei Gebäuden sind unter anderem Werkstätten, Büros, Management, Trainingsraum und ein schicker Gastro-Bereich auf insgesamt 4600 Quadratmetern vereint. Silvio Arrivabene, Co-GeneralManager, führt uns durch. The Base Zwischen dem MaremagnumEinkaufszentrum und dem Aquarium mitten im Hafen­ gelände stand einst ein Multiplex-Kino. Das Kino lief nicht gut, schon länger stand ein Abriss im Raum. Als es dann so weit war und überdies

«The Shed» – in diesem Teil der Basis in Barcelona sind die Boote in der Nacht untergebracht.

THE RED BULLETIN

MIHAI STETCU/RED BULL CONTENTPOOL, MITJA KOBAL/RED BULL CONTENT POOL, SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL

Anlässlich der Eröffnung der Alinghi Red Bull Racing Basis in Barce­lona, Spa­ nien, springen die Cliff Diverinnen Celia Fernández (ESP) und Rhian­ nan Iffland (AUS) von der empor­ gehobenen AC75.


Silvio Arrivabene ist gelernter Schiffs­ bau­ingenieur und leitet bei Alinghi Red Bull Racing die technischen und sportlichen Operatio­ nen rund um das Boot. Die neue Basis von Alinghi Red Bull Racing glänzt im Hafen von Barcelona.

Bauvorhaben verlief zügig: Baubeginn war im April 2023, Fertigstellung im Juli. The Shed Das ist quasi die «Haupt­ garage» für die AC75 und zwei AC40-Boote mit ihren (Flug­ zeugflügeln nachempfunde­ nen) Foils, die nie auf dem Wasser «schlafen». «Diese Boote sind sehr anspruchsvoll und müssen täglich gewartet werden», sagt Arrivabene. «Jeden Tag, an dem wir ­segeln, rollen wir das Boot am Morgen mit einem Gabel­ stapler hinaus, setzen erst den Mast auf, dann lassen wir das Boot mit einem Kran ins Was­ ser – und verbringen den Tag draussen. Jeden Abend oder Nachmittag, wenn wir zurück­ kommen, passiert das Gleiche rückwärts.» Wie oft gesegelt wird? Das hänge von Wetter­ bedingungen und dem Test­ programm ab. Zeit für die Wartung brauche es auch. «In manchen Wochen sind es zwei Tage, in anderen vier.»

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Das «Sailloft» der Basis: Hier werden die Segel repariert und modifiziert.

Im Shed – der Werkhalle – sind Werkstatt-Container auf beiden Seiten so angeordnet, dass alle Arbeitsbereiche zur Mitte des Raums hin aus­ gerichtet sind. So haben alle leicht Zugriff auf das Boot, für allfällige Reparaturen oder das Anbringen von Neu­ entwicklungen: Elektriker, Hydrauliker, Monteure, Boots­­ bauer – sie sorgen dafür, dass die Boote «fit» sind für den nächsten Tag.

The Sailloft Gleich neben dem «Shed» liegt das sogenannte «Sailloft», eine riesige Halle, die allein den Segeln gewidmet ist. Die Menschen, die dort arbeiten, sind ihnen unterstellt – und zwar buchstäblich: Denn die Arbeitsplätze der Näherinnen und Näher sind in den Boden eingelassen, sodass die Näh­ maschinen ebenerdig liegen. So kann selbst das rund 28 mal 7 Meter grosse Hauptsegel

der AC75 ausgebreitet und bearbeitet werden. «Hier wer­ den neue Segel gebaut und gebrauchte Segel repariert oder modifiziert», sagt Arriva­ bene. Öfter mal müssten über Nacht kleinere Reparaturen vorgenommen werden oder sogenannte «Re-Cuts», eine Anpassung der Form – wie etwa bei einem Kleid oder An­ zug nach dem ersten Fitting. «Früher bestanden Segel aus in Paneelen zusammen­ genähten Segeltüchern.» Im Racing-Sport ist das heute anders. «Das Segel ist ledig­ lich eine grosse Membran mit Carbonfasern. Wir schneiden es auf die richtige Form zu, nähen Taschen ein, um Knöpfe anzubringen – oder die Be­ schläge, an denen wir das Seil befestigen können, um das Boot hochzuheben.» The Gym Eigene Trainingsräumlich­ keiten in der Basis? «Schon ein bisschen Luxus», gibt ­Arrivabene zu. Ein gewöhn­

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ERLEBEN

DIE BASE-BASICS

liches Fitnesscenter ist es ­allerdings nicht. «Alles hier ist auf Krafttraining ausgelegt.» So gibt es vorwiegend Rudermaschinen, Gewichte und ­Ergometer – Letztgenannte gibt es auch auf dem Boot für den Kraftantrieb. Vor allem die «Power Crew»-Mitglieder, die Kraftpakete auf dem Boot, verbringen hier täglich sechs, sieben Stunden, wenn sie nicht auf dem Wasser sind. Dass das Gym direkt über den Büros liegt, sorge nicht nur für eine schöne Aussicht über den Hafen, sondern auch für gute Kommunikation mit dem Rest des Teams. The Simulator Ein weiteres Herzstück für die Vorbereitung der Athleten auf den Cup ist der Simulator. «Es ist eines der jüngeren Features im America’s Cup, das erst in den vergangenen zwei oder drei Editionen so richtig aufgekommen ist», sagt Arrivabene. Dieses Hightech-Feature kommt vor ­allem an Tagen zum Einsatz, an denen es nicht möglich ist, auf dem Wasser zu trainieren. Das Team profitiere von den reichhaltigen Erfahrungen

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«Der Simulator ist ein Herzstück unserer Vorbereitung – wir nützen unser Know-how aus der Formel 1.»

und technischen Entwicklungen der Formel-1-Simulatoren, die von Red Bull Racing entwickelt wurden, führt ­Arrivabene aus. So können die Athleten auch hier eine Rennstrecke auswählen und dann gegeneinander segeln. Oder aber sie trainieren einzeln unter frei wählbaren Wetterkonditionen und testen neue Komponenten, wie zum Beispiel ein neues Ruder oder modifizierte Foiling Wings – so wird im grossen Rennen jede «Überraschung» zum Routinefall.

Silvio Arrivabene

Blick vom Wasser auf die Alinghi Red Bull Racing-Basis mit Vorhof, Werkhalle und Büros auf 2300 Quadratmetern

Der Kran Sieben Tonnen wiegt der 40 Meter hohe Kran mit ­einem 24 Meter langen Arm, der die Boote vor ­jedem Training ins Wasser setzt und danach wieder heraushebt. Solarstrom Die Basis ist mit 96 Solar­ paneelen ausgestattet. Diese stellen rund 30 Pro­ zent des Energiebedarfs der gesamten Basis bereit. Eigenes Wasser Eine Anlage bereitet Meer­ wasser auf und deckt damit 100 Prozent des Wasserbedarfs auf der Basis.

Vom 29. 11. bis 2. 12. findet die 2. Preliminary Regatta für den 37. America’s Cup in Dschidda, Saudi-Arabien, statt. Sämtliche PreRegat­ten werden live von Red Bull TV übertragen.

THE RED BULLETIN

SAMO VIDIC/ALINGHI RED BULL RACING, MITJA KOBAL/RED BULL CONTENT POOL

Formel-1-Weltmeister Max Verstappen versucht sich am Segel-Simulator.

Das Areal Die neue Alinghi Red Bull Racing Base ist in zwei ­Gebäuden auf einer Grund­ fläche von 2300 Quadrat­ metern untergebracht. Hinzu kommt der Vorhof mit nochmals 1600 Qua­ dratmetern.


ERLEBEN

SO HERBST, SO HOT Laut, schnell und hoch hinaus: Diese Events solltest du nicht verpassen.

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DESIGN SCHENKEN

RAP CITY

ARMON RUETZ/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES, GOLD & GOOSE/RED BULL CONTENT POOL

ANNA MAYUMI KERBER

BIS 3. DEZEMBER

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Endlich frei! T-Ronimo (vorn links) und Geo Cadiias nach ihrem Sieg beim Red Bull UnEverse 2022

Das stimmungsvolle DesignFestival im Industrieareal ­Luzern lädt dazu ein, ausser­ gewöhnliche und ausgeklü­ gelte Weihnachtsgeschenke aufzuspüren. In der Spinnerei in der Viscosistadt Emmen­ brücke präsentieren 100 Ausstellerinnen und Aussteller ­ihre Produkte und Projekte. Man darf sich auf Schweizer Hersteller aus den Bereichen Schmuck, Mode, Möbel, Wohn­ accessoires sowie Spiele und Deko freuen. Hier dürfen wir bereits vor der grossen Bescherung Schweizer Kre­ati­vi­ tät und Schaffenskraft ­feiern. designschenken.ch

NOVEMBER

Rap City geht in die fünfte Runde: Am 18. November 2023 treten internationale Stars und Schweizer Talente im Hallenstadion Zürich auf. Headliners sind Sido und US‑Star Sheck Wes, Co-­ Head­liner Haftbefehl, reezy, Badmómzjay und Yung Hurn. Für Schweizer Power auf der Bühne sorgen Xen, Luuk, Gigi, Rapide × Alawi, Lexi und xthedoc. rapcity.ch

DEZEMBER

RED BULL UNEVERSE Red Bull UnEverse, der cineastisch-narrative Gaming-Event, ist zurück! Setting: Nach ihrer Niederlage im Vorjahr schwor das Gamer-Team der Enforcer Rache und will die Welt (klar, nicht die echte) übernehmen. Können sechs qualifizierte ­Gamer aus der Schweiz in sechs unerwarteten Games die Enforcer besiegen und so den Planeten retten? Schafft das Publikum, den Spielverlauf zugunsten der Defender zu drehen? Live auf Twitch oder vor Ort in der Red Bull Gaming World im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Alle Infos zum Red Bull UnEverse findest du hier!

THE RED BULLETIN

Badmómzjay live on stage

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NOVEMBER BIS 10. DEZEMBER

RED BULL KING OF THE AIR

Dieses Jahr findet der Red Bull King of the Air zum elften Mal in Kapstadt, Südafrika, statt. 18 der weltbesten Kiteboarder treffen sich am Kite Beach, um beim Big-Air-Event mit Tricks ordentlich Punkte zu sammeln. Die Athletinnen und Athleten werden nach der Höhe ihrer Sprünge, der Vielfalt ihrer Tricks und ihrem Stil bewertet. Sommerlicher Südostwind und westliche Brandung – was will man mehr? Live auf redbull.com

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UND 26. NOVEMBER

MOTOGP KATAR & VALENCIA Die letzten beiden Rennen im MotoGP-Kalender stehen an: Am 19. 11. wird auf dem Losail Circuit in Katar bei Nacht und Flutlicht gefahren. Am 26. 11. steigt das WM-Finale in Valencia, Spanien. Erstmals seit 2012 wurden auf dem 4005 Meter langen Circuit Ricardo Tormo Asphaltierungs­ arbeiten durchgeführt, damit die Fahrbahn nach Regen rasch wieder trocknet. redbull.com

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I M PR ES S U M

The Red Bulletin worldwide

Herausgeber Andreas Kornhofer Chefredakteur Andreas Rottenschlager

THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886

THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838

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Länderredaktion Anna Mayumi Kerber

Textchef David Pesendorfer Executive Creative Director Markus Kietreiber

Lektorat Hans Fleissner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink

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Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Faustmann-Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör

Aktuell erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Das ­Cover unserer Kolleginnen und Kollegen aus Österreich zeigt die neuen Wintersport-Hoffnungs­ träger unserer Nachbarn: ­Biathletin Anna Gandler, Skispringer Daniel Tschofenig und Skibergsteiger Paul Verbnjak. Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: redbulletin.com

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Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei der Schweiz Country Project Management Natascha Djodat Media Sales & Partnerships siehe entsprechenden Eintrag bei der Schweiz

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Die nächste Ausgabe des Red Bulletin erscheint am 10. Dezember 2023. 98

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