WuWA - Wohnung und Werkraum

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Die Autoren der Ausstellung, unter ihnen einige der Vorreiter der Architektur des 20. Jahrhunderts, ebneten den Weg für neue Strömungen in Stadtplanung und Wohnungsbau. Auch wenn ihnen die Problematik mancher ihrer Vorschläge nicht bewusst war, auch wenn sie teilweise utopische Lösungen vorschlugen, auch wenn einige ihrer Vorschläge schon von anderen Autoren stammten – nichtsdestoweniger war ihre Rolle von großer Bedeutung, da sie zur Zeit einer ausgesprochenen „Wohnungsnot“ arbeiten mussten, einer Zeit, in der die Schaffung von erschwinglichem und funktionalem Wohnraum zur Staatsangelegenheit wurde. Die Mustersiedlung WuWA des Werkbunds hatte einen wichtigen Stellenwert in der Geschichte des zeitgenössischen europäischen Wohnungsbaus. Zu den Aufgaben der beteiligten Architekten gehörte vor allem, dem Publikum kleine und mittelgroße Wohnungen vorzustellen (deren Erstellung einem dringenden gesellschaftlichen Bedarf entsprach), sowie neue Bautechniken und Baumaterialien unter den als schwierig geltenden klimatischen Bedingungen Schlesiens zu testen. Die Lösung des Wohnungsproblems war gerade für Breslau besonders wichtig – die Stadt gehörte zu Beginn der zwanziger Jahre zu den am meisten übervölkerten deutschen Städten. Nicht zuletzt sollte die Ausstellung aber auch Aufmerksamkeit auf die schlesische Provinz und ihre Hauptstadt lenken – sie sollte zeigen, dass Breslau nicht Wladiwostok und Schlesien nicht Sibirien ist1. Die Autoren der WuWA-Ausstellung bewiesen, dass durch die Adaption und den vernünftigen Einsatz neuer Bautechniken im Endergebnis neue Werte entstehen konnten. Eine künstlerische Herangehensweise und das Denken in technischen Kategorien mussten sich gegenseitig nicht ausschließen. Der Stil, der dabei entstand, spiegelte auf eine selbstverständliche Art und Weise die neue Situation der Architektur im gesellschaftlichen und industriellen Kontext wieder. Mit seinen einfachen Flächen und seiner minimierten Ornamentik eignete sich dieser neue Stil hervorragend für eine große Anzahl anonymer Abnehmer sowie zu einer industriellen Produktion der einzelnen Bauelemente. Die an der WuWA-Ausstellung beteiligten Architekten versuchten, drei Ziele in ihrer neuen Architektur zu verbinden: Massenfertigung und preiswertes Bauen, das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse und eine ausgeprägte plastische Gestaltung. Einige von ihnen versuchten darüber hinaus, diese Werte durch ein gesellschaftliches Lebenskonzept zu ergänzen, das man verkürzt etwa so zusammenfassen könnte: gemeinschaftliches Wohnen=Gemeinschaft der Be1

Georg MÜNTER: ”Wohnung und Werkraum. Ein Versuch, die Werkbund-Ausstellung in Breslau 1929 zu würdigen”, in: Wasmuths Monatshefte für Baukunst, B. 13, 1929, S. 441.

wohner. Die Werkbund-Mustersiedlung sollte den Beginn eines „Neuen Bauens“ markieren, das nicht mehr von Traditionen belastet war und das den Menschen und sein Leben zum Positiven verändern würde.

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