WuWA - Wohnung und Werkraum

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löste sich am oberen Gebäudeabschluss in eine Landschaft aus teilweise überdachten Terrassen und auskragenden Blöcken auf, die ein interessantes Schattenspiel auf die Fassade warfen. Die Massivität der beiden Baukörper wurde aufgebrochen durch die Nischen der Loggien und die abwechslungsreiche graphische Zeichnung der verschieden proportionierten fassadenbündigen Fenster auf der hellen Fassade. Aus der Perspektive eines „reinen“ Funktionalismus waren diese Elemente völlig überflüssig, nur dekorativ motiviert. Sicherlich besäße das Gebäude bessere Proportionen, wenn die ursprünglich geplante Anzahl der Stockwerke ausgeführt worden wäre.

58 Zweifamilienhaus Nr. 26/27 von Theo Effenberger, Ansicht von der Strasse (Nordost), 2014, Foto Natalia und Ernest Dec

Als zehngeschossiges Hochhaus in einer Wohnsiedlung mit flacher Bebauung hätte es einen starken vertikalen Akzent gesetzt, gleichzeitig aber durch seine Vertikalität auch an Leichtigkeit gewonnen. Charakteristisch für das Zweifamilienhaus Nr. 29/30 von Paul Häusler ist eine gewisse fast rohe Strenge und Schlichtheit der kubischen Form. Die einzigen auflockernden Elemente sind die beiden flachgeneigten Dächer über den Eingängen, die von zwei dünnen Stützen getragen werden und deren Proportionen nicht ganz zur Gesamtheit passen. Ähnlich einfache kubische Kompositionen stellen die Einfamilienhäuser von Theo Effenberger (Nr. 26/27) und Emil Lange (Nr. 28) dar. Für die Funktionalisten sollte die Form eine logische Folge des Bedarfs der jeweiligen Nutzer sein. Diesem Ziel verschrieben sich sowohl die Architekten um Mies van der Rohe als auch die um Hugo Häring und Hans Scharoun – zwei Schulen, die ihre jeweiligen Errungenschaften gegenseitig nicht akzeptierten, obwohl sie von den gleichen Voraussetzungen ausgingen. Das einzige Kriterium sollte die perfekte Übereinstimmung der Form und der Funktion sein – in den Voraussetzungen selbst gab es also keinen Konflikt, es gab allerdings Unterschiede in der Art, wie die gesteckten Ziele realisiert wurden. Peter Blundell Jones ist der Meinung, der einzige echte Funktionalist

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5. Die Mustersiedlung WuWA

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Ibidem, S. 17. Piergiacomo BUCCIARELLI, ”Hugo Häring – Architekt und Theoretiker” In: Hugo Häring in seiner Zeit. Bauen in unserer Zeit. Ausstellungskatalog, Hrsg. Christa Otto, Stuttgart 1992, S. 27. Der Standpunkt von Häring stand in völligem Widerspruch zum Standpunkt von Le Corbusier, den dieser auf dem ersten CIAM-Kongress 1928 vertrat. Corbusier schrieb der Geometrie und den ”reinen Formen” in der Architektur eine zentrale Bedeutung zu.


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