WuWA - Wohnung und Werkraum

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Zweifamilienhaus Nr. 29/30 von Paul Häusler, Ansicht von der Strassenseite (West), 1929, "Ostdeutsche Bau-Zeitung Breslau", H. 27, 1929, S. 447

Zweifamilienhaus Nr. 29/30 von Paul Häusler, Ansicht vom Garten (Süd), 1930, "Rzeczy Piękne", 1930, S. 75

Das Gebäude verband 48 kleine zweigeschossige Wohnungen (im linken und rechten Flügel) mit einem Gemeinschaftsbereich, zu dem unter anderem ein Restaurant, einen großer Aufenthaltsraum (Foyer) und ein Dachgarten gehörte. Der rechte Flügel bestand aus 16 Wohnungen für kinderlose Ehepaare 80 mit einer Fläche von 37 m2 und einem eigenen Balkon, der linke Flügel beherbergte 32 kleinere Wohnungen für Alleinstehende mit einer Fläche von 27 m2. Die Idee, Jugendliche in einem gemeinschaftlichen Geist aufwachsen zu lassen, war eine Inspiration für Adolf Rading beim Entwurf seines Mehrfamilienhauses Nr. 7. Ursprünglich sah das Projekt ein zehnstöckiges Hochhaus vor81. Der Architekt wollte den erschöpften, resignierten Menschen in eine produktive und aktive Person verwandeln – und er hatte den Glauben, dass die von ihm vorgeschlagenen baulichen Lösungen die Bewohner seines Hauses in diesem Sinne beeinflussen würden. Viele Funktionen des Hauses wurden „sozialisiert“ – die Bewohner sollten ihrer Arbeit, ihrer Fortbildung oder der Unterhaltung mehr Zeit widmen können. Die Art und Weise, wie das Haus organisiert war, sollte auch die Emanzipation der Frauen unterstützen. Der Architekt sah es als notwendig an, Lösungen zu finden, die es Frauen ermöglichten, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, und die sie bei täglichen häuslichen Arbeiten wie der Haushaltsführung oder der Kinderbetreuung entlasteten. Dies trug der vor allem in Deutschland spürbaren Veränderung der Familienstruktur Rechnung, die damit einherging, dass auch die Frauen berufstätig sein mussten. Die Skelettkonstruktion des Gebäudes erlaubte eine freie Grundrißgestaltung der Wohnungen, daher befinden sich auf jedem Stockwerk acht unterschiedliche Wohnun-

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5. Die Mustersiedlung WuWA

Edgar NORWERTH, op.cit., S. 328.: ”Die Wohnungen sind so präzise für zwei Personen berechnet, dass ein unerwartetes Auftauchen einer dritten Person eine weitere Benutzung dieser Wohnung absolut ausschließen würde.” Es gibt in der Literatur keine Übereinstimmung darüber, wie viele Stockwerke das ursprüngliche Projekt umfaßte. Heinrich Lauterbach erwähnt sechs, dagegen Ernest Niemczyk, Peter Pfankuch, Beate Szymanski zehn, wobei Christine Nielsen beide Versionen angibt. (Lubomir ŠLAPETA, Vladimir ŠLAPETA, op.cit., S. 1427). Über das Schicksal des Gebäudes von Adolf Rading schreibt Heinrich Lauterbach in seinem Brief an Ernst Schreyer (Detroit, 27. Mai 1961): ”Ohne Althoff (Stadtbaurat, der die Stadtinstitutionen dazu bewegte, die Ausstellung sowie die Wohnsiedlung zu organisieren und durchzuführen – Anm. der Autorin) wäre die Ausstellung nicht zustande gekommen. Stadtbaudirektor Behrendt war gegen das neue Bauen; dazu kam wohl persönliche Animosität. Ich erinnere mich sehr unerfreulicher Auftritte mit ihm. Diesen Auseinandersetzungen hat wohl Rading zu verdanken, daß sein ”Hochhaus” nicht die 6 Geschosse bekam, die projektiert waren, und dass es so um seinen Sinn gebracht wurde. Es wäre das erste Wohnhochhaus in einer Flachbausiedlung in Europa geworden. Und ich habe dem wohl zu verdanken, daß das zweite von mir projektierte Einfamilienhaus überhaupt wegblieb” (Haus Nr. 34 – Anm. der Autorin). Christine NIELSEN: ”Osiedle Werkbundu we Wrocławiu…” Die Autorin schreibt, dass das ”Kollektivhaus” von Rading aufgrund der Bauvorschriften keine zehn Stockwerke haben durfte. Vgl. MEINCK: ”Stahlskelettbauten in Breslau”, in: Der Stahlbau, B. 6, Nr. 20, 1933, S. 155. Ursprünglich wurden mehr Stockwerke geplant, die spärlichen für die Ausstellung zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln verursachten jedoch diese Beschränkung. Vgl. Georg MÜNTER, op.cit, S. 442; Edgar NORWERTH, op.cit., S. 330.


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