TK: In dieses Haus zog man gerne, weil
aber die metallenen Wohnungstüren
TK: Bis ungefähr 1955 war die Fluktuation
die Fensterscheiben noch ganz waren. Es
waren aufgebrochen, weil die Deutschen,
ziemlich stark.
gab auch Waffen im Haus, etwa bis 1952.
obwohl sie vertrieben wurden, die Türen
MK: Das wissen wir aus Erzählungen.
MK: Auf den Balkonen…
noch abgeschlossen hatten. Alle Metalltü-
TK: Unser Großvater war ein gebildeter
ren sind bis heute verbogen und verzo-
Mann, er konnte Deutsch ebenso gut
GHL: Einer der Bewohner erzählte, im
gen, ständig brechen Teile ab. Über 50
lesen wie Polnisch, weil er noch unter
Erdgeschoss in den kleinen Fenstern
Jahre lang wurden keine nennenswerten
der österreichischen Besatzung vor dem
der Lagerräume seien Gewehre aufge-
Unterhaltungsarbeiten durchgeführt. Es
I. Weltkrieg zur Schule gegangen war. Als
stellt gewesen – und Sie sagen, auf den
fehlte der Wille, die Arbeiten fachgerecht
unsere Großeltern hier ankamen, stellte
Balkonen?
durchzuführen. Das Holz wurde laienhaft
sich heraus, dass in ihrer Wohnung Leute
TK: Wir haben darüber Geschichten
konserviert, was teilweise mehr Schaden
gelebt hatten, die von den Deutschen im
gehört. Man erzählte auch, dass es nach
als Nutzen brachte. In den Fensterrah-
Februar 1945 vertrieben worden waren,
dem Krieg vor dem Haus Schützengräben
men waren Einschusslöcher, die gesamte
als Breslau zur Festung erklärt wurde.
gab, im Zickzack gegrabene Luftschutz-
Fassade des Hauses war von Maschinen-
Es wird viel von Vertreibung gesprochen
rinnen, weil das Haus nicht unterkellert
gewehrkugeln durchsiebt.
– diese Leute wurden von ihren eigenen
ist und deshalb keinen Schutz gegen
Landsleuten vertrieben. Die Wohnung war
Luftangriffe bot. Das Erdgeschoß wird
GHL: Ich habe gehört, dass es nur ein
noch möbliert, sogar persönliche Gegen-
als Keller genutzt, dort sind Lagerräume.
Einschussloch gab…
stände waren zurückgelassen worden…
Das Gebäude liegt in einer Senke, die
TK: (lacht) Nein, hier bei uns gab es nur
MK: In den Vorzimmern standen Koffer
Ebene des ersten Balkons entspricht der
eines, ein Einschussloch (zeigt mit den
und Taschen herum, erzählten unsere
Deichkrone der Oder. Man hatte an ein
Händen), eins oder zwei, ein Durchschuss
Eltern.
eventuelles Hochwasser gedacht, und das
– so, dass die Schranktüren in der Küche
TK: Bilder an der Wand, kleinere Gegen-
Gebäude wurde entsprechend konstruiert,
durchschossen waren, Löcher in den
stände...
um Schäden vorzubeugen. Die Straße liegt
Wänden nach draußen, und die Fens-
etwas höher als das Haus, von da aus fällt
terscheibe zersplittert. Etliche Jahre lang
GHL: ...und Bücher.
das Gelände in Richtung Park ab. Auf al-
waren offene Löcher in der Fassade.
TK: Ja, in dieser Wohnung standen viele
ten deutschen Fotografien sind noch viele
MK: Als sie dann endlich damit begannen,
Bücher, teilweise haben wir sie heute
Teiche auf dem Terrain zu erkennen, die
die Löcher zu verspachteln, war gerade
noch. Meine Onkels und Brüder nahmen
später zugeschüttet wurden. Als wir klein
Brutzeit. In den Löchern waren Nester,
einiges mit, ich auch. Die Bücher waren
waren, gab es offene Entwässerungska-
und die Leute protestierten, weil sie
in gotischer Schrift gesetzt, auf Deutsch.
näle, die in Richtung Szczytnicki-Park
verspachtelt wurden, obwohl die Spatzen
Unser Großvater las das alles, manchmal
verliefen. Sie sind heute zugeschüttet, das
noch darin saßen.
übersetzte er auch etwas. Für uns Kinder
Wasser fließt in Rohren ab. Als unsere
war alles, was deutsch war, gleichzeitig
Großeltern hier einzogen, waren Fenster
GHL: Wechselten die Bewohner anfangs
„Nazi“. Briefmarken zum Beispiel haben
und Fensterrahmen in gutem Zustand,
nach dem Krieg oft?
wir zerkaut. Aus Rache. Besonders, wenn
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