WuWA - Wohnung und Werkraum

Page 114

zusammengefasst: gemeinschaftliches Wohnen = Gemeinschaft der Bewohner. Die Mieter waren nicht nur Nutzer der Wohnungen, sondern sollten auch in die Organisation der Hausangelegenheiten mit einbezogen werden. Für gemeinschaftliche Nutzungen waren Räume im Erdgeschoss vorgesehen sowie jeweils zwei weitere auf zwei Geschossen zu beiden Seiten des Korridors131. Ein solches Konzept setzte jedoch starke zwischenmenschliche Bindungen und Loyalität voraus. Ein Kommentar aus der Vorkriegszeit zu diesem Thema: Glaubt jemand wirklich an die Zweckmäßigkeit eines derart intensiven, erzwungenen Gemeinschaftslebens? Des Menschen größter Feind ist der Mensch – wenigstens dort, wo er Ruhe und Erholung suchen muß132. Walter Baranek, der Verwalter der Breslauer Ausstellung und Kurator der Hallenausstellung für den Bereich Innenraum, kritisierte heftig die extreme Minimalisierung der Wohnflächen133. Der Hausfrauen-Bund bewertete den Entwurf von Adolf Rading und das Konzept

82

„Haus als Gemeinschaft“ sehr kritisch. Kritisiert wurden vor allem die schlechten Bedingungen für die Kindererziehung sowie die mangelnde Möglichkeit, sich von den Nachbarn abzugrenzen und sich nach der Arbeit zu erholen. Umso mehr, als das Projekt für kinderreiche Arbeiterfamilien gedacht war, befürchtete man angesichts der minimierten Wohnflächen enorme Schwierigkeiten bei der täglichen Nutzung und beim Aufrechterhalten von Ordnung in den Wohnungen134. Scharouns Haus für Ledige und kinderlose Ehepaare (Nr. 31) wurde von Anfang an sehr kontrovers diskutiert. Einerseits sparte man nicht mit Lob für die gut gewählten Proportionen, die aus den kleinen Apartments geräumige und komfortable Wohneinheiten machten, für die mutige und originelle Aufteilung der Wohnungen135 und ihre gute Durchlüftung und Belichtung136, für das hervorragende soziale Programm137 und für die Richtigkeit des Konzepts, Wohnungen für Alleinstehende zu schaffen. Der Hausfrauen-

131 132

Bund wies allerdings bei näherer Betrachtung auch auf wesentliche Mängel hin – die Belüftung der Bäder über die Schlafzimmer, die zu kleinen Innentreppen in den Wohnungen, das Fehlen von Türen, mit denen die Zimmer voneinander abgetrennt werden konnten . 138

Es sieht wie ein Schiff aus, das ruhig im glückhaften Hafen verankert liegt. Es fehlen nur die Schiffsmasten (…) und die schlagenden Wellen, sonst ist alles da:

114 WuWA

6. Zeitgenössische Meinungen zu den Bauten der WuWA-Siedlung

133 134 135 136 137 138

Edgar NORWERTH, op.cit., S. 330. Ibidem, S. 289, Tafel 98. Vgl. ”Werkbund – Versuchssiedlung in Breslau. Ausstellung Wohnung und Werkraum”, Die Baugilde, B.11, Nr. 13, 1929, S. 998. Walter BARANEK, op.cit., S. 357. Eleonore COLDEN-JAENICKE, op.cit., S. 615. Edith RISCHOWSKI, op.cit., S. 410. Guido HARBERS, op.cit., Tafel 99. Gustav LAMPMANN, op.cit., S. 466–467. Eleonore COLDEN-JAENICKE, op.cit., S. 615.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.