Lars Jacob "Stauffenberg-Eine Ästhetik des Widerstands"

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Lars Jacob

Stauffenberg. Eine Ästhetik des Widerstands T heaTersTück


Bibliograische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte der deutschen Ausgabe: © 2014 JONAS PLÖTTNER VERLAG UG, LEIPZIG 1. Aulage ISBN 978-3-95537-139-5 Umschlagreihengestaltung: Maike Hohmeier, Hamburg Graik: Ralph Jank, Montage von Abbildungen zweier Büsten Frank Mehnerts, fotograiert von Frank Mehnert und Renate Braun (1929/30) Foto des Autors: Ralf Wilschewski Lektorat: Carola Ritz Satz: Jonas Plöttner Gesetzt in der Adobe Garamond Pro Druck: Elbe Druck, Wittenberg www.ploettner-verlag.de



ZUM BUCH: Drei junge Männer, Brüder, im Bann eines Dichters. Der jüngste, Claus von Staufenberg, wird am 20. Juli 1944 das Attentat auf Adolf Hitler begehen. Zehn Jahre hat er dem »Führer« als Ofizier gedient – und sich am Ende gegen ihn gewandt. Doch zuvor, seit 1923, war er zehn Jahre lang Mitglied im elitären Kreis des Dichters Stefan George. Die Lehren und die Lyrik des »Meisters«, wie ihn seine Anhänger nennen, bleiben auch für Claus von Staufenberg bestimmend – bis hinein in die Verschwörung und die Ausführung des Attentats. In erfundenen Szenen und Dialogen, basierend auf den historischen Ereignissen, folgt das heaterstück den verschlungenen und geheimen Pfaden, die vom dichterischen Wort zur politischen Tat führen. Es entfaltet sich das Drama einer Ästhetik des Widerstands. ZUM AUTOR: Lars Jacob, geboren 1968 in Braunschweig. Studium der Germanistik, Philosophie und heaterwissenschaft in München; Promotion in Köln; arbeitet als Redakteur bei der ARD-Programmdirektion in München. 2000 erschien der Porträtband »apropos Marlene Dietrich« im Verlag Neue Kritik Frankfurt a. M.; zahlreiche Radio-Features zu verschiedenen hemen der Literaturund Musikgeschichte.


Der Text dieses Buchs ist iktiv. Er erhebt nicht den Anspruch, die dargestellten historischen Personen, deren Handlungen, Gedanken und Gespräche so wiederzugeben, wie sie wirklich waren oder stattgefunden haben. Allerdings spricht eine hohe historische und künstlerische Plausibilität dafür, dass es so oder so ähnlich gewesen sein könnte. Die Chronologie der einzelnen Szenen folgt weitestgehend den historischen Ereignissen.


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Inhalt

Staufenberg. Eine Ă„sthetik des Widerstands Die Personen

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Prolog Erster Aufzug Zweiter Aufzug Dritter Aufzug Vierter Aufzug FĂźnfter Aufzug Sechster Aufzug Siebter Aufzug Epilog

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Anhang Die historischen Vorbilder der iktiven Figuren

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DIe Personen

Claus von Staufenberg (Rittmeister) Berthold von Staufenberg (Adjib, Phes*) Alexander von Staufenberg (Ofa)

Br端der

Stefan George (Der Meister) Max Kommerell (Pollux, Puck, die Kr旦te) Johann Anton (Castor, Hansel, der Prinz) Ernst Kantorowicz (Eka, der Chevalier) Frank Mehnert (Wobs) Albrecht von Blumenthal (Albo) Ludwig hormaehlen

weitere Mitglieder des George-Kreises

Nina von Staufenberg Mika von Staufenberg Melitta von Staufenberg

Ehefrau von Claus Ehefrau von Berthold Ehefrau von Alexander

Caroline von Staufenberg (Duli*) Alfred von Staufenberg (Schlaggi*)

Eltern der Br端der

Verschiedene Nebenpersonen

Ort: 端berwiegend in Deutschland Zeit: zwischen 1922 und 1944 In Klammern: Namen im George-Kreis In Klammern mit*: Kosenamen in der Familie von Staufenberg

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Prolog

Die leere dunkle Bühne. Im Hintergrund in der Mitte auf einem Katafalk aufgebahrt Georges Leichnam, mumiengleich in ein Tuch gehüllt. An seinen Schläfen sieht man im schwachen Licht die Enden zweier Lorbeerzweige emporsteigen. Im Vordergrund, den Rücken dem Publikum zugewandt, ein junger Mann, es könnte Claus von Staufenberg sein, nackt, in kniender Haltung, das eine Bein angewinkelt, den Kopf leicht gesenkt, als würde er beten. Nach einigen Sekunden des Schweigens erklingen von links und rechts im Wechsel Stimmen. STIMME 1: Mein leidend leben neigt dem schlummer zu Doch gütig lohnt der Himmlischen verheissung. STIMME 2: Ich werde heldengrab ∙ ich werde scholle Der heilige sprossen zur vollendung nahn .. STIMME 1: Mit diesem kommt das zweite alter ∙ liebe Gebar die welt ∙ liebe gebiert sie neu. STIMME 2: Wunder undeutbar für heut Geschick wird des kommenden tages. STIMME 1: Mein traum ward leisch und sandte in den raum STIMME 2: Kommt wort vor tat kommt tat vor wort? STIMME 1: Hemmt uns! untilgbar ist das wort das blüht. STIMME 2: Du hast des lebens götterteil genossen Von glück und rausch und schwärmen wunderbar .. STIMME 1: Du darfst nicht murren ∙ ward dir nun beschlossen Des wahren lebens ander teil: gefahr.

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erster aufzug

Erste Szene Speisezimmer der Familie von Staufenberg im Schloss in Lautlingen. Am Tisch die Familie: die Eltern Caroline und Alfred mit den Söhnen Berthold, Alexander und Claus. Alfred sitzt am Kopfende, ihm gegenüber Albrecht von Blumenthal. CAROLINE: Es freut mich so, lieber Blumenthal, dass Sie uns hier in Lautlingen besuchen. Das Landleben ist doch allzu eintönig. Was gibt es Neues aus Jena? Sind Sie nun schon Professor? BLUMENTHAL: Fast, liebe Gräin, fast. Im November noch die öfentliche Probevorlesung – dann habe ich die Venia Legendi. Endlich. CAROLINE: Das ist ja großartig! ALFRED: Dann gibt es was zu feiern. Darauf müssen wir einen Toast ausbringen. Alle heben die Gläser. ALFRED: Auf den Professor! CAROLINE: Auf eine glänzende Karriere in der Wissenschaft! Alle trinken. CAROLINE: Und über was werden Sie sprechen? BLUMENTHAL: Über Kritias. Eine Art Huldigung des vielgeschmähten Tyrannen als Dichter und Schriftsteller. Platon hat ihm sein letztes Dialogfragment gewidmet.

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CAROLINE: Wie aufregend ! Da wird es Sie vielleicht interessieren, dass unser Berthold gerade einen Vortrag über den Empedokles von Hölderlin für seine Abiturklasse vorbereitet. BLUMENTHAL: Ach wirklich? Der Empedokles, eine ganz wunderbare Wahl. Zu Berthold. Es scheint, als hättest du die Leidenschaft zur Dichtung von deiner Mutter geerbt. Zu Alexander und Claus. Und ihr beiden, teilt ihr diese Begeisterung? ALEXANDER: Ich liebe das Altertum, seine Philosophen und Poeten. Die helle Klarheit und der dunkle Grund. CLAUS: Wie stolz und vornehm die alten Griechen doch waren ! CAROLINE: Ach, ihr Schwärmer! Habt ihr heute überhaupt schon geübt auf euren Instrumenten? BERTHOLD: Aber Mamá, du schwärmst doch selbst ! – Für Hofmannsthal und Rilke ganz besonders. Zu Blumenthal. Mamá hat sich mit ihm sogar schon Briefe geschrieben. CAROLINE ermahnend und verschämt: Berthold, bitte, nicht so vorlaut. ALFRED: In diesem Haus wird viel zu viel geschwärmt! – und viel zu wenig über Plichten nachgedacht. Die Burschen sind schon ganz verweichlicht. BLUMENTHAL: Mir scheint, dass Dichtung eine gute Schule für das Leben ist. Sie gibt das Leben selbst in konzentrierter Form und macht die Jugend stark. ALFRED: Nein nein, mein lieber Blumenthal, da irren Sie gewaltig. Sie zieht vom Leben ab. Vernebelt den Blick für die Realität. Besonders bei den Buben hier. Die träumen viel zu viel, statt kräftig anzupacken. Verkriechen sich nur hinter ihren Büchern.

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CAROLINE: Ein Gedicht kann das Leben ändern, Alfred. Aber davon verstehst du nichts. ALFRED: Ja, Gott sei Dank nicht! Irgendwer muss ja einen klaren Kopf behalten hier. CAROLINE: Alfred ist halt mehr praktisch veranlagt, lieber Blumenthal. Er baut so wunderschöne Lampenschirme, wie diesen hier über dem Esstisch. BLUMENTHAL: So weit ist die Dichtung nicht entfernt von der Wirklichkeit wie Sie denken. Nehmen Sie nur das hema meiner Antrittslesung. Da ist das Dichterische höchst politisch: Kritias lebte in einer Zeit der allgemeinen Aulösung im untergehenden Athen nach dem Tode Perikles’. Das Land in den Händen geringer Menschen, nicht in der Lage, die Staatsverwaltung in Ordnung zu halten. Allgemeine Richtungslosigkeit, die Verfallsform einer verderblichen Demokratie, wie sie Platon geißelte. Und heute? ALFRED: Ja, da mögen Sie recht haben. Aber wer könnte etwas dagegen tun? Die Dichter doch wohl am wenigsten. BLUMENTHAL: Im alten Athen jedenfalls war es der betörende Zauber eines bedeutenden Menschen wie Kritias, der Staatsmann war und zugleich Dichter. Mit mächtiger Gebärde hat er dem Einzelnen und seinem Volk den Weg gewiesen. ALFRED: Das mag vor 2500 Jahren im kleinen Athen geklappt haben. Aber heutzutage? Bei uns? Sehn Sie sich doch nur um: Wer soll das Reich denn noch zusammenhalten? Separatismus überall und weitere Gebietsabtritte an Polen – selbst gegen den Willen der dortigen Bevölkerung. Die unseligen Reparationszahlungen bluten uns zusätzlich aus. So eine Schmach ist noch

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keinem Volk zuteilgeworden. Wir werden uns auf Jahrzehnte verschulden müssen. Dabei halten sie unsere besten Industrieregionen besetzt. Wie sollen wir da jemals etwas abbezahlen? CAROLINE: Reg dich nicht auf, Alfred. Wir können’s doch nicht ändern. ALFRED weiter in Rage geratend: Und mittendrin unsre Politiker! Was die zu allem Übel mit uns machen. Die elende Arbeitslosenunterstützung wird Deutschland noch schlimmer zerstören als irgendein Feind von außen. Und was, wenn die Regierung nicht mehr zahlen kann? Dann gibt es noch mehr Streiks und die Kommunisten kommen weiter hoch. CAROLINE: Soweit wird’s die Regierung schon nicht kommen lassen, Alfred. ALFRED: Die Regierung? Haut mit der Faust auf den Tisch. Ein Lumpenpack ist das! Haben uns verraten und verkauft und quasseln nur rum in ihrem Parlament. CAROLINE: Schlaggi, so mäßige dich doch! ALFRED: Unfähiges Lumpenpack! Gesindel! CAROLINE zu Blumenthal: Ihn regt die Politik so auf, lieber Blumenthal. Verzeihen Sie. Wir sollten besser nicht darüber sprechen. Sie müssen wissen: Wir dienten im engsten Kreis der alten württembergischen Monarchie. Mein Mann war Oberhofmarschall. Der König und die Königin gingen ein und aus bei uns. Ich selbst war erste Hofdame. Den Tränen nah, selbst zunehmend um Fassung ringend. Nun ist das alles hin und Alfred nur das Rentamt geblieben. BLUMENTHAL: Aber Verehrteste. Sie brauchen sich doch hier nicht zu entschuldigen. Der unselige Krieg, er hat uns alle

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viel gekostet – und der Versailler Friede schwer gedemütigt. Das steckt keiner so leicht weg. Das hinterlässt Spuren. Bei jedem von uns. – Unsere Hofnung ist die Jugend. Zu Berthold und Alexander. Was wollt ihr zwei denn nach der Schule machen? Habt ihr euch schon entschieden? BERTHOLD: Genau noch nicht. Auf jeden Fall dem Vaterland dienen, an vorderster Front. BLUMENTHAL: Als Oiziere? BERTHOLD: Vielleicht beim Regiment. Aber eigentlich will ich zum Auswärtigen Amt. Und davor Rechts- und Wirtschaftswissenschaften studieren. ALEXANDER: Ich könnt mir auch die Alte Geschichte vorstellen. Mal sehn, was wird. BLUMENTHAL: Und Claus, du hast ja noch ein bisschen Zeit. Aber vielleicht schon einen Plan? CLAUS: Etwas Tüchtiges leisten will ich, Herr von Blumenthal! Meine Liebe gehört der Architektur: Baumeister werden, Tempel errichten dem deutschen Volk zu Ehren! Allerdings: Wenn die Soldatenplicht ruft, würd ich mich opfern im Kampf fürs Vaterland! CAROLINE: Deinen Heldenmut in Ehren, Bub. Aber es sind schon zu viele gefallen fürs Vaterland. Ich will nicht auch noch meine Söhne geben müssen. Wir alle hofen, dass kein Krieg mehr kommt. Und dass wir zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Trotz allem. BERTHOLD versonnen vor sich her blickend: Ach, Mamá. An die Zukunft zu denken, das hat doch gar keinen Sinn. Es wird eh bald alles im wilden Chaos enden. Ich seh nichts andres

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mehr in unsrem armen Deutschland. Und wenn das nicht kommt, dann landen wir im ärgsten Amerikanismus. ALFRED: Na, nun malt den Teufel mal nicht an die Wand! So kann man nicht ins Leben treten. Eure Mutter hat ganz recht – ausnahmsweise: Zuversicht, Jungs! BLUMENTHAL nachdenklich: Die Jugend spürt mit sicherem Instinkt, woran es unsrer Zeit gebricht. Was haben wir denn noch in dieser entzauberten Welt? Ist nicht alles merkwürdig ziellos geworden? Wo sind die Ideen und Ideale, an die wir uns halten könnten? Wir haben den Kompass verloren, fürchte ich. CAROLINE: Ach Blumenthal, Sie sprechen mir aus vollem Herzen! Alles ist so entwertet heutzutage. BLUMENTHAL: Der entfesselte Rationalismus, an dem unsre moderne Welt krankt, er bleibt blind für die irrationale Option. Und doch treibt sie auch darin ihr Wesen. BERTHOLD: Wie meinen Sie das? BLUMENTHAL: Nun. Der Fortschrittsglaube zum Beispiel. Oder der Glaube an den Kapitalismus: die Geldvermehrung. Sind das nicht alles ganz irrationale Dinge? Letztlich bleibt unsre Zeit die Antwort auf die Frage nach dem Sinn der ganzen Veranstaltung schuldig. Wahre Sinnstiftung gibt es am Ende nur noch in der Dichtung. Einer Dichtung selbstverständlich, die sich traut, Religion zu sein nach dem Tode Gottes, wie ihn schon Nietzsche prophezeit hat. CAROLINE: Ich ahne wohl, auf wen und was Sie anspielen. Stehn Sie noch in Kontakt zu unsrem großen deutschen Dichter Stefan George?

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BERTHOLD plötzlich aufgeregt, kaum auf dem Stuhl zu halten: Herr von Blumenthal kennt den Meister?! Ist das wahr? ALEXANDER zu seiner Mutter gewandt: Das gibt’s nicht ! Warum hast du uns das nicht gleich gesagt, Duli ? BERTHOLD aufspringend: Herr Gott, wir sitzen hier und diskutieren über Deutschlands Zukunft und was wir einmal werden wollen. Und niemand sagt uns, dass unser Gast die Atemluft des Meisters teilen darf! Der Gründer des Neuen Reichs. Unser Idol ! Wir kennen alle seine Gedichte! CLAUS hitzig: Bei den Neupfadindern haben wir nur ihn gelesen am Lagerfeuer. Erzählen Sie! Wie ist er? Und wie ist’s, um ihn herum zu sein? CAROLINE: Gemach, Kinder! Nun bestürmt den lieben Herrn von Blumenthal nicht so. Er kommt ja kaum zu Wort. Und setzt euch erst mal wieder ordentlich hin. BLUMENTHAL: Lassen Sie nur, Gnädigste. Der Meister ist der größte Mentor und Führer der heutigen Jugend. Ich weiß nur allzu gut, wie sehr allein sein Name die Gemüter der jungen Leute erhitzt. Zu Recht, möchte ich sagen. BERTHOLD: Ich würde alles geben, ihn einmal kennenlernen zu dürfen. Er ist als Heiland dieser Welt gesandt. Nur eine Geste, einen Blick von ihm, ihm leibhaftig begegnen. Das wär das Höchste! BLUMENTHAL: Wie es der Zufall will, seh ich ihn kommende Woche. Was haltet ihr davon, wenn ich ihn einfach frag ? BERTHOLD: Das würden Sie tun für uns? BLUMENTHAL: Ja selbstverständlich! – Natürlich nur, wenn eure verehrte Frau Mamá nichts einzuwenden hat dagegen.

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CLAUS: Bitte, Mamá! CAROLINE nach kurzem Zögern: Na, seht ihr. Und im Nu ist die Welt nicht mehr so düster wie Berthold sie gerad noch gemalt hat. Jetzt lasst uns aber essen, bevor es kalt wird.

Zweite Szene Arbeitszimmer Stefan Georges. George zusammengesunken vor seinem Schreibtisch sitzend, in einen schwarzen Mantel gehüllt als würde er frieren. Er trägt einen Diamantring und ein goldenes Armband. Das gepuderte graugelbe Haar ist streng nach hinten gekämmt. Schräg hinter ihm auf einer Konsole eine Marmorbüste seines Kopfes. Im Hintergrund an der Wand über einer Chaiselongue eine Photographie von ihm in Proilansicht. In der rechten Ecke ein kleiner Teetisch mit drei Stühlen. Es klopft an der Tür. George verharrt reglos im Stuhl. Nach einem weiteren Klopfen hebt er den Kopf. GEORGE: Ja bitte. Blumenthal betritt den Raum. GEORGE: Ach Albo, du … BLUMENTHAL: So niedergeschlagen? GEORGE: Es geht mir nicht gut. Mein Kopf ist schwer und müd. Seit Tagen sitz ich nun schon hier. Von den durchwachten Nächten ganz zu schweigen. Und nichts, nichts will aufs Papier! Hab ich dann endlich eine Zeile, nur einen Vers, der etwas taugt, will sich kein Reim, kein Wort dazugeselln, das passen tät.

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BLUMENTHAL: Du leidest sehr. Das spüre ich. So kann’s nicht weitergehn. Dir fehlt ein neuer Kreis, ein Umfeld, das dich inspiriert, ein frischer Wind … GEORGE abwinkend: Nein, Albo, nein. Ich will nicht mehr. Nochmal von vorn beginnen. Nochmal die leidge Suche, Auswahl und Erziehung. Nochmal den ganzen Hokuspokus. Das Abrakadabra. Ich bin zu alt, um dies Spektakel zu entfachen. BLUMENTHAL: Und doch brauchst du die Knaben. Du merkst’s ja selbst: Ohne ihr frisches Temperament und den Elan der Jungs gelingt dir keine Zeile. Und das hältst du noch weniger aus. Denn schreiben musst du. Dichten ist dein Leben. GEORGE: Ich hab genug. Der Prinz und Puck sind mir geblieben, die mich begleiten und umsorgen. Plötzlich versonnen-schwärmerisch. So rührend sind die, mein Castor … mein Pollux … – Was will ich mehr? BLUMENTHAL: Gefährten! Eine Schar! Nicht nur die beiden, so lieb sie dir sind. – Letzte Woche war ich bei Staufenbergs zu Gast. Hab mir die Jungen dort mal näher angesehn. Von dreien sind mindestens zwei was. GEORGE: Staufenberg? Staufenberg … – Der Name klingt nicht schlecht. Ein ganzer Mythos taucht in diesen Silben auf. Da ließe sich was machen draus. Sind sie denn hübsch und bildbar? BLUMENTHAL: Mir schien es, ja. Sie lesen Hölderlin. Die Mutter ist dichterisch bewegt. Hat sich mit Rilke geschrieben. GEORGE: Ach je, mit Rilke ausgerechnet. Der alte Betörer empindsamer Frauenherzen mit seinen süßen Schwanensängen. Da kann ich leider gar nicht konkurrieren.

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BLUMENTHAL: Musst du auch nicht. Die Jungs verehrn nur dich. Sind voll und ganz von dir begeistert – und brennen drauf, dir vorgestellt zu werden. Sie haben deine Verse alle schon verschlungen – am Lagerfeuer, bei den Neupfadindern … GEORGE nach kurzem Überlegen: Also gut, Albo, schaf sie her. Einen Versuch ist’s wert. Auf dass mir endlich was gelinge.

Dritte Szene Schlosspark der Staufenbergs in Lautlingen. Berthold auf der Wiese sitzend, Frank aufgeregt vor ihm stehend. FRANK: Ihr werdet empfangen? Vom Meister? ! Ich fass es nicht ! Ach, wie beneid ich euch darum. – Kann ich nicht auch dabei sein? BERTHOLD: Du bist zu jung, Knappe, mit deinen 13 Jahrn. FRANK: Ich weiß ja. Aber trotzdem … BERTHOLD: Und außerdem tust du mir Dienst. Wer wäre ich, würd ich dich andren Herren überlassen. FRANK: Ich bin allein dein Untertan. Nur dir dien ich, mein Ritter. Bedingungslos. Dass du mich überhaupt beachtet hast unter den vielen und erwählt an deine Seite … – Ich werd dir ewig dankbar sein dafür. BERTHOLD: Na also. FRANK: Aber du musst mir hernach alles ganz genau erzählen: Wie der Meister so ist, wie er sich gibt, was er sagt. Jede Einzelheit will ich wissen.

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BERTHOLD: Ja sicher tu ich das. Mach dir mal keine Sorgen. Du bist doch mein Getreuster. Fährt Frank über das Haar. FRANK: Was wär ich ohne dich ? Du hast mir den Hyperion eröfnet und meine Augen für eine andere, ganz neue Welt. Als wir gestern im Gras beieinanderlagen und gemeinsam die Briefe an Adamas lasen, das war so wunderbar ! Seither ist alles wie verwandelt in mir. Zu Hause lag ich lange wach im Bett, wie angezündet, aufgewühlt im Innersten, dein Bildnis auf dem Nachttisch neben mir. Konnt nicht schlafen und essen auch nichts. BERTHOLD: Das wird deiner Mutter aber gar nicht gefallen haben. FRANK: Ist mir doch ganz gleich! Ich rede sowieso kaum noch mit der Familie. Was wissen die denn schon von unsrem Bund und unsren Träumen ! Geht sie ja auch nichts an. Wenn’s mir zu dumm wird, mach ich Schluss mit ihnen. Für mich gibt es nur dich und den Zauber und das Verströmen in diesem Sommer. Als würd ich schweben … Und nun auch noch die Nachricht von des Meisters Einladung an euch. Das ist die Krönung. Wie ein Wunder ist das alles.

Vierte Szene Georges Arbeitszimmer wie zuvor. George in gleicher Haltung in seinen Mantel gehüllt, unbeweglich, in sich gekehrt, auf dem Stuhl leicht eingesunken. Es klopft an der Tür. George reagiert nicht. Nach nochmaligem Klopfen hebt er den Kopf.

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GEORGE: Herein. BLUMENTHAL: Draußen warten die beiden Staufenberg-Jungen. Darf ich sie zu dir führen? GEORGE: Jaja, natürlich Albo, lass sie eintreten. Sortiert den Stof seines Mantels, streift sich mit den glatten Handlächen das Haar an den Schläfen zurecht und wirft sich in Pose. Eine gewisse Unruhe ist ihm anzumerken. BLUMENTHAL beim Öfnen der Tür zu Berthold und Claus: Dies ist eure Chance. Nutzt die Gunst der Stunde! Blumenthal schiebt Berthold und Claus über die Schwelle in den Raum und schließt die Tür hinter ihnen. Die Brüder tragen eine karierte Kniebundhose und Kniestrümpfe, über einem weißen Hemd eine graue Strickjacke, die mit einem schmalen Ledergürtel in der Taille zusammengebunden ist. GEORGE jetzt gut aufgelegt, mit fester, einladender Stimme: Aha, die beiden Schenken von Staufenberg! Tretet doch näher, ihr zwei. Beide machen ein paar Schritte vorwärts, bleiben dann aber verlegen und gehemmt stehen. George ixiert sie; sein Blick scheint sich an ihnen festzusaugen. Er lehnt sich etwas vor, wobei sein Körper in äußerste Spannung gerät. Pfeilgerade ist der Blick auf die vor ihm Stehenden gerichtet. GEORGE: Na, kommt schon heran. Nur nicht so schüchtern. Was zögert ihr? BERTHOLD: Ach Meister, Meister. So vieles wollten wir Euch sagen. Doch nun bleibt uns das Wort im Halse stecken und nichts Gescheites will heraus. GEORGE: Ehrfürchtges Schweigen ist oft die beste Antwort – hier, wo das Geschwätz erstirbt. Kommt, lasst uns dort hinübersetzen.

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George weist auf die Chaiselongue, erhebt sich und schält sich dabei aus seinem Mantel, der wie die abgestrifene Haut eines Reptils im Stuhl liegen bleibt. Darunter wird sein sehr schmaler, ausgezehrter Körper sichtbar. Er trägt eine eng am Leib anliegende Kamelhaarweste, ein hochgeschlossenes Hemd mit schwarzem Seidenhalstuch. George lässt sich auf der Chaiselongue nieder. Berthold und Claus lagern auf seinen Wink hin am Boden zu seinen Füßen. BERTHOLD: Wir können diesen Augenblick noch gar nicht fassen. Noch sind wir, glaube ich, zu aufgeregt. GEORGE: Das ist der magische Moment, die Schwellenangst. Doch nun seid ihr in eine andre Sphäre eingetreten und Zauber wird darin das Herz verwandeln. Anspannung löst sich rasch. Aufregung weicht Schauern der Ergrifenheit. Streicht Claus durchs Haar. Und ihr, ihr seid ja selbst der wahre Grund für dieses Wunder. BERTHOLD: Wie meinen Sie das, Meister? GEORGE: Das Wunder, das euch zu euch selber führte, indem ihr euren Weg zu meiner Stätte fandet. Denn hinter euch trat noch ein Schatten durch die Türe, der lange Schatten einer alten Mär. Die Luft vom Kyfhäuser, sie wehte mit euch durch das Zimmer. Fächelt sich mit der einen Hand Luft zu, als würde er einem Duft nachriechen. Mit jedem eurer Atemzüge strömt sie durch den Raum. Ich spürt es gleich. Ihr seid Besonderes. CLAUS: Vom Kyfhäuser? Dem alten Barbarossa etwa? GEORGE: Ihm und dem Enkel. Der stolzen Staufer Sippe, wie sie in eurem Namen klingt. Der Name weist ins Wesen: In euch wallt alte Weisheit, stauisch strahlndes Blut. Nichts andres kann es sein als solcher Ahnschaft hohe Art. Das blitzt euch aus den Augen.

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CLAUS: Soviel der Ehre. So hoch wollt Ihr uns heben – allein vom ersten Anschein, bloßen Anblick. Das ist … das ist … GEORGE: Ja sicher doch! Wo blieb denn Weisheit, Schönheit, Macht und Ruhm, wenn nicht ihr sie hättet, der Staufer und Ottonen blonde Erben? CLAUS: Ja, Ihr habt recht! Ich wühle gern in alten Heldensagen und fühl mich oft verwandt so hehrem Tun und ruhmgekröntem Blute. GEORGE klatscht in die Hände: Vortrelich! So hast du dich schon selbst erhöht – fast war’s ein Vers, den du in der Begeisterung gesprochen. Du bist der Kühnre von euch beiden, der leicht entlammte, schwärmerische Geist. Wie aber stets mit deinem Bruder, Berthold, dir, dem Älteren? Claus, mit glühenden Augen, wendet sich zu Berthold um, der hinter ihm sitzt und nun angestrengt nachdenkt. BERTHOLD: Dem hohen Erbe fühl auch ich mich tief verbunden. Doch möcht ich dies Gefühl auch gründen: in Tatsachen. Sicher, wir heißen Staufenberg und kommen aus schwäbischen Erblanden der Staufer. Auch geht unser Geschlecht zurück ins 13. Jahrhundert. Doch ist die Blutsverwandtschaft daraus ableitbar? Gibt’s Quellen, die mir zweifelsfrei belegen, dass ich ein Spross desselben Stauferstammes bin? Kann eine Namensähnlichkeit, die uns ganz sicher schmückt und ziert, nicht bloßer Zufall sein? Und müsste solche Heldenehre nicht erst ganz neu gegründet werden? GEORGE: Natürlich. Ich verstehe deine Zweifel. Und sehe in dir gleich den Grübelnden, Versonneneren von euch beiden. Wie kräftig tritt der Intellekt an dir hervor! Doch muss ich dir in

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diesem Punkt auch widersprechen, damit ihr beide seht, wie wir im Kreis zu denken plegen: Historische Genauigkeit verstellt uns oft den Blick auf den geheimen Sinn des Ganzen. Wo uns der Ruf der Mythe tönt, muss das philisterhafte Fragen stummen. Stauf – in einer einzgen Silbe liegt’s. Dem Namen folgt das edle Blut und fängt sogleich zu leuchten an. Jahrhunderte zerschmelzen unter solchem Glühn. Die Hoheit schimmert bläulichrot unter der Haut hervor. Und wo sie heiß herausbricht aus den Adern, wird Ahnung zur Gewissheit. Über dem Gesagten in Emphase geratend. Stellt euch doch nochmal vor mich her. Berthold und Claus erheben sich, treten einige Schritte zurück und bleiben, sich gegenseitig die Arme um Schulter und Hüfte legend, in gemessenem Abstand zu George stehen. GEORGE: Prächtig, prächtig! Sieht das entlammte Aug doch auf den ersten Blick die Kühnheit, Stolz, natürliche Verachtung alles plump Gemeinen. Allein durch eure Haltung! Die Verlegenheit von Claus und Berthold bemerkend, plötzlich in verändertem, ermahnendem Tonfall. Ist’s euch unangenehm, Buben, so betrachtet zu werden? Das darf es nicht. Dies Selbstbewusstsein müsst ihr üben, die edle Pose einstudiern, dass alle Welt die Besten gleich herauskennt aus der Masse. Den Typus bilden, darauf kommt es an! – Sei’s drum. Bei mir im Kreis werdet ihr das schon lernen – wenn ihr dazu bereit seid … Berthold und Claus verwirrt und zögernd, bis Berthold einfällt. BERTHOLD: Ja, ja! Natürlich, Meister! Mehr als alles in der Welt. Stößt Claus mit dem Ellenbogen an. CLAUS hastig: Wir würden alles dafür geben, in Euren Dienst zu treten.

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GEORGE: Schon gut, nur nicht zu ungestüm, ihr jungen Staufer. Fürs Erste soll’s genug der Unterweisung sein. Ich lasse gerne einen Zustand reifen, bis dass der nächste draus hervorrollt. Der Albo führt euch raus. Wir sehn uns wieder. Berthold und Claus gehen langsam, sich wechselseitig verneigend rückwärts zur Tür. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hat, verharrt George eine Weile wie angewurzelt auf seinem Platz. Dann springt er plötzlich auf und stürzt an seinen Schreibtisch, klammert sich mit beiden Händen an der Tischkante fest und blickt starr auf das vor ihm liegende weiße Blatt. Mit einer heftigen Bewegung reißt er sich los, taumelt zur Wand und stößt, wie ein Tier gehetzt an der Tapete entlangtastend, atemlos Verse hervor. GEORGE: Reiss mich an deinen rand Abgrund – doch wirre mich nicht ! Wo unersättliche gierde Schon jeden zoll breit gestapft hat. Da in den äussersten nöten Holten die Himmlischen gnädig Ihr lezt geheimnis .. Euch Staufersöhne. Heb mich auf deine höh Gipfel – doch stürze mich nicht ! Wankt wieder zum Schreibtisch, greift nach einem der Stifte und lässt sich auf den Stuhl in seinen Mantel zurücksinken. Leiser, mit erschöpfter Stimme, beim hastigen Schreiben vor sich hin sprechend. GEORGE: Nur was im schützenden schlaf

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Weihlicher erde noch ruht – Wunder undeutbar für heut Geschick wird des kommenden tages. Er lässt den Stift aus der Hand fallen, der Kopf sinkt erschöpft aufs Kinn.

Fünfte Szene Schlosspark der Staufenbergs in Lautlingen wie zuvor. Berthold, Claus und Frank auf der Wiese sitzend und liegend. FRANK: Wann kommt er bloß. Das Warten ist unerträglich. BERTHOLD: Vielleicht hat der Zug Verspätung. CLAUS: … oder der Meister hat ihn gleich bei sich behalten. BERTHOLD: Seltsam ist es doch. Warum hat er ihn nicht mit uns zusammen einbestellt? Warum erst jetzt, nach unserem Besuch? CLAUS: Ach, was weiß ich. Wenn er erst hört, wie schön der Alexander dichtet. Das dürfte ihm gefallen. Im Versemachen ist er uns allen weit voraus. BERTHOLD zu Claus: … na, unser Frank ist auch nicht schlecht darin … Frank überrascht, etwas verdutzt zu Berthold herüberblickend. CLAUS: Du schreibst Gedichte? Seit wann? Lass hörn! BERTHOLD: Er hat mir gerade gestern eins geschickt. Zieht einen gefalteten Zettel aus der Tasche. Ganz frisch aus meines Knappen Feder.

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FRANK: Das ist nicht fair! Es war an dich gerichtet. BERTHOLD: Claus ist mein zweites Ich. Geheimnisse gibt’s nicht vor ihm. Was mich erhöht, soll er auch hören. Will zu lesen beginnen. FRANK: Sei nicht gemein ! Das ist allein für deine Ohrn bestimmt. BERTHOLD liest: Göttlicher Jüngling, der du ein Gott, herabgestiegen vom Olymp, zu herrschen über die Sterblichen, wie Alexander, wie ein Caesar, wie Napoleon … FRANK: Hör auf ! Ich will nicht, dass du’s vorliest ! BERTHOLD fortfahrend: Nein, nein, gewaltiger noch als alle drei zusammen und schöner, denn du bist Berthold – gleich dem Apoll bist du, dort am olympischen Tempel des Zeus … … und so weiter und so weiter … Den Zettel zusammenfaltend, zu Claus. Nicht schlecht, was? Noch etwas unbeholfen, aber für den Anfang … Wie indest du’s? CLAUS: Naja, den Dichterlorbeer verdient’s noch nicht. Aber ein Kranz aus Gänseblümchen, das wär’s schon wert. FRANK: Ihr seid grausam. Beide. Ich hab genug von euch. Ich geh nach Haus. CLAUS aufblickend: Na endlich ! Da kommt Alexander. Schnell, ihm entgegen. Alle laufen dem Ankommenden entgegen.

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BERTHOLD: Und Alexander, sag, wie lief’s? Hast du ihn für dich eingenommen? ALEXANDER niedergeschlagen: Ach, Berthold, es … es war ganz … ganz fürchterlich … Fällt seinem Bruder weinend in die Arme. BERTHOLD ihn länger haltend: Na komm, nun beruhig dich erst einmal. Ist ja schon gut. Fasse dich wieder. ALEXANDER schluchzend: »Ach Gott, wie sind Sie hölzern!« – hat er zu mir gesagt. Ich habe voll und ganz versagt. BERTHOLD: Na was, das glaub ich nicht. Du bist mein Zwillingsbruder. Wie könnt das sein. ALEXANDER: Doch doch. Ich bin ganz einfach durchgefalln bei ihm. Ich hab’s genau gespürt. Dabei hab ich ihm meine besten Verse vorgetragen. Ich weiß es nicht warum. Er mag mich einfach nicht wie euch. Ich werde niemals Gnade inden unter seinen Augen. BERTHOLD: Du bist ein Teil von uns, bist Blut von unsrem Blute. Auch wenn ich ihn abgöttisch liebe: Uns drei trennt nichts, auch nicht sein Wort. ALEXANDER: Nein nein. Ich möchte eurem Glück gar nicht im Wege stehn. Es ist ja meine Schuld. Ich bin nicht gut genug. CLAUS die beiden Brüder in die Arme schließend: Sei unbesorgt, uns gibt es nur zusammen oder nicht.

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Sechste Szene Atelier Ludwig hormaehlens. Die Kreismitglieder. Zwischen brennenden Kerzenständern, Marmor- und Gipsbüsten auf unterschiedlich hohen Stelen, sind überall Spiegel aufgestellt, in denen sich der Raum und die darin Versammelten zu vervielfältigen scheinen. Im Hintergrund ein zugezogener Vorhang. Alles wirkt improvisiert. GEORGE feierlich: Heut ist der Tag gekommen der lang ersehnten Ankunft. Wiedergeboren ist uns ein schon verloren geglaubtes Geschlecht. Halbgötter sie zu nennen, scheu ich mich nicht. Für deutsches Wesen sind sie’s ganz gewiss: die hehren Staufer. Drei Edle gleich desselben Stammes hat das Schicksal uns gesandt. In ihrer Jugend vollster Blüte. Tretet hervor, ihr jungen Helden. Seid mir willkommen unter den Gefährten ! Berthold, Alexander und Claus kommen, sich an den Händen haltend, hinter dem Vorhang hervor und gehen langsam zur Raummitte. Sie sind barfuß und tragen weiße Gewänder, die sichtbar aus Leintüchern herausgeschnitten sind. Auf dem Kopf hat jeder einen Lorbeerkranz. GEORGE: Nun schließt den Kreis um unsre Neophyten. Die Anwesenden stellen sich im Kreis um die drei Brüder auf. George bleibt wie ein Regisseur, die Szene beobachtend, beiseite stehen. GEORGE plötzlich mit unzeremonieller, etwas krächzender Stimme dazwischenfahrend: Nein, halt, so geht das nicht ! Ihr müsst erhöht sein zum Empfang und Preis. Kommt, Buben, rasch, holt einen Tisch heran.

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