npoR 2012, Heft 2

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Aufsätze | Maciejewski

dergestalt, dass ein gemeinnütziger Zweck entweder explizit in der Präambel erwähnt oder als Analogie zu den dort genannten begründbar sein musste.7 Im Rahmen einer Reihe von Einzelfallentscheidungen entwickelte sich ein noch heute gültiges Gesamtsystem, das in der Leitentscheidung Income Tax Special Purposes Commissioners v Pemsel wie folgt charakterisiert wird:8 „,Charity’ in its legal sense comprises four principal divisions: trusts for the relief of poverty; trusts for the advancement of education; trusts for the advancement of religion; and trusts for other purposes beneficial to the community, not falling under any of the preceding heads.“ Für die Subsumtion unter die vierte Alternative ist weiterhin zu prüfen, ob es sich um einen Zweck handelt, der vergleichbar mit den historisch im Common Law akzeptierten gemeinnützigen Zwecken ist.9 Auch wenn eine der vier oben genannten Alternativen erfüllt ist, setzt eine Anerkennung als charitable purpose noch ein weiteres, oftmals problematischeres Merkmal voraus: Der Zweck muss tatsächlich der Allgemeinheit oder einem Teil der Allgemeinheit und nicht nur einer privaten Gruppe von Individuen zugutekommen (sog. public benefit rule).10 Die Abgrenzung, wann zumindest ein Teil der Allgemeinheit vorliegt, wird in dem einflussreichen Fall Oppenheim v Tobacco Securities Trust Co Ltd vom britischen House of Lords wie folgt beschrieben:11 „first, that the possible [...] beneficiaries must not be numerically negligible, and secondly, that the quality which distinguishes them from other members of the community, so that they form by themselves a section of it, must be a quality which does not depend on their relationship to a particular individual.“ Nach diesem auch in Neuseeland als gültiges Recht anerkannten12 Ansatz erfolgt die Abgrenzung zwischen einer Ansammlung von privaten Individuen einerseits und einem Ausschnitt der Allgemeinheit andererseits also sowohl quantitativ hinsichtlich der Zahl der möglichen Begünstigten als auch qualitativ hinsichtlich der Beziehung der Begünstigten untereinander. Dabei müssen beide Merkmale kumulativ vorliegen: Auch bei einer großen Anzahl möglicher Begünstigter schadet eine persönliche Beziehung zwischen diesen. So wurde in Oppenheim entschieden, dass ein Trust zur Förderung der Ausbildung der Kinder von gegenwärtigen und zukünftigen Angestellten der Firmengruppe eines weltweit tätigen Tabakkonzerns (zur Zeit der Entscheidung ca. 110.000 Angestellte) nicht gemeinnützig ist, da die möglichen Begünstigten durch die Arbeitsbeziehung ihrer Eltern zu dem Konzern miteinander verbunden sind und daher eine private Gruppe und nicht einen Teil der Allgemeinheit verkörpern.13 Die Abgrenzung anhand einer persönlichen Beziehung der Begünstigten untereinander gestaltet sich in vielen Fällen schwierig und ist nicht ganz unumstritten.14 Insbesondere erscheint die Einteilung der Beziehung der Begünstigten zueinander in entweder persönlich oder unpersönlich als sehr schematisch. Auch verliert die Definition von public benefit insoweit jeden Bezug zur tatsächlichen Zahl der Begünstigten und dem Missstand, dem durch die Förderung begegnet wird. Schließlich wäre bei strikter Anwendung der dargestellten Grundsätze die Begünstigung einiger historisch als gemeinnützig anerkannter Institutionen fraglich.15 Ein anderer Ansatz16 sieht daher die persönliche Beziehung der Begünstigten untereinander nur als einen in einer Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Aspekt, nicht jedoch als alleiniges Ausschlusskriterium an. Trotz dieser Kritik besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass bestimmte Fallgruppen von persönlichen Beziehungen jedenfalls zu einem Ausschluss unter der public benefit rule des Common Law führen.17

npoR Heft 2/2012 Die Umschreibung des Kreises möglicher Begünstigter einer steuerlich geförderten gemeinnützigen Organisation erfolgt im neuseeländischen Steuerrecht also zum einen durch die Beschränkung der zulässigen Zwecke auf solche, die abstrakt für die Allgemeinheit von Vorteil sein können, und andererseits (und vor allem) durch die Anwendung der public benefit rule. Die erforderliche Eingrenzung ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel von gesetzlichen Regelungen und den aus bindenden Präzedenzfällen entwickelten Rechtsgrundsätzen. Auch wenn die gesetzlichen Regelungen des neuseeländischen Einkommensteuerrechts in Umfang und Detailtiefe denen einer Civil Law Jurisdiktion in nichts nachstehen,18 zeigt sich an dieser Stelle ein noch immer19 entscheidender Einfluss des Common Law.

II. Verwandtschaft der Begünstigten als Ausschluss der Gemeinnützigkeit 1. Entwicklung hin zur Regelung im Income Tax Act 2007 Sind die Begünstigten einer Organisation miteinander verwandt, schließt dies nach den Grundsätzen der public benefit rule eine Gemeinnützigkeit aus. Diese Einschränkung wurde mit der grundlegenden Regel aus dem britischen Common Law in das neuseeländische Rechtssystem übernommen, ihre Anwendung führte hier jedoch zu ungleich größeren tatsächlichen Auswirkungen als in Europa: Wurde in England durch die entsprechende Einschränkung insbesondere Familienstiftungen die Anerkennung als gemeinnützig verweigert, decayed; the relief and redemption of prisoners or captives; and aid to poor inhabitants concerning payment of taxes“. 7 Morice v Bishop of Durnham (1805) 9 Ves 399, 455: „Those purposes are charitable which the statute enumerates or by which analogies are deemed within its spirit and intendment.“ 8 Income Tax Special Purposes Commissioners v Pemsel [1891] AC 531, 583. 9 Morice v Bishop of Durnham (1805) 9 Ves 399, 455: „Those purposes are charitable which the statute enumerates or by which analogies are deemed within its spirit and intendment.“ Income Tax Special Purposes Commissioners v Pemsel [1891] AC 531, 583. Wobei festzustellen ist, dass durch die Analogiebildung sowohl zu den in der Präambel des Charitable Uses Acts genannten als auch zu in vorherigen Entscheidungen als gemeinnützig anerkannten Zwecken fast jeder prinzipiell nicht nur einzelne Individuen begünstigende Zweck diese Anforderungen erfüllt. Siehe Scottish Burial Reform and Cremation Society Ltd v Glasgow City Corporation [1968] AC 138, 147: „This gradual extension has proceeded so far that there are few modern reported cases where [...] an institution was being carried on for a clearly specified object which was for the benefit for the public at large and not for individuals, and yet the object was held not to be within the spirit and intendment of the statute of Elizabeth.“ 10 Henderson, NZ Income Tax Law and Practice (revised edition), 2011 [200-180]. 11 Oppenheim v Tobacco Securities Trust Co Ltd [1951] AC 297, 306. 12 Die Abgrenzung wurde in der Entscheidung Molloy v Commissioner of Inland Revenue [1981] NZTC 5, 61 vom neuseeländischen Court of Appeal ausdrücklich als gültiges Recht bestätigt. 13 Oppenheim v Tobacco Securities Trust Co Ltd [1951] AC 297, 306 ff. 14 Siehe im einzelnen Henderson (Fn. 10). 15 Beispielsweise traditionelle Stiftungen zur Förderung von Kindern von Missionaren und Seelsorgern. 16 Gallen J in Educational Fees Protection Society Incorporated v Commissioner of Inland Revenue, NZTC13, 203 sowie MacDermott J in seinem abweichenden Urteil in Oppenheim v Tobacco Securities Trust Co Ltd [1951] AC 297, 308 ff. 17 Genannt werden insoweit regelmäßig die blutsmäßige Verwandschaft der Begünstigten (dazu im Einzelnen unten unter II.), die Mitgliedschaft in einer Organisation oder eine vertragliche Beziehung zu einer bestimmten Person oder Organisaition. Siehe Henderson (Fn. 10). 18 Der Income Tax Act 2007 enthält ca. 2.800 Paragraphen und einen zusätzlichen Teil mit gesetzlichen Definitionen von mehreren hundert Begriffen. 19 Die umfangreiche gesetzliche Regelung des Steuerrechts geht im Common Law historisch auf die Petition of Rights 1628 zurück, seit


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