npoR 2012, Heft 2

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Hoheitsbereich des Klägers zuzurechnen ist. Auch der Kläger finanzierte sich nicht überwiegend aus unentgeltlichen Leistungen oder aus der Vermögensverwaltung, sondern aus Steuereinnahmen. Steuereinnahmen erfolgen aber nicht auf freiwilliger Grundlage und können daher unentgeltlichen Leistungen wie Spenden oder Mitgliedsbeiträgen nicht gleichgestellt werden. [45] Schließlich ist in dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Auftragsforschung“ auch kein Zweckbetrieb i. S. des § 65 AO zu sehen. Nach dieser Vorschrift ist ein Zweckbetrieb nur gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Dies ist hier nicht der Fall. Im Streitfall kann wegen der bei dem Kläger und dem BgA fehlenden Satzungen schon nicht festgestellt werden, welche satzungsmäßigen Zwecke in den Streitjahren verfolgt wurden. Unabhängig von dieser formellen Frage hat der Kläger aber auch nicht dargelegt, dass er den von ihm verfolgten gemeinnützigen Zweck,Wissenschaft und Forschung zu fördern, nur durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erreichen konnte. [46] Die Frage, ob § 65 AO bei einer Forschungseinrichtung neben der insoweit spezielleren Vorschrift des § 68 Nr. 9 AO überhaupt anwendbar ist, kann daher im vorliegenden Verfahren unbeantwortet bleiben (verneinend BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 944 unter I. Nr. 3; bejahend demgegenüber etwa Strahl, DStR 2000, 2163). [...] [48] Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 FGO.

Anmerkung I. Die Entscheidung des FG Münster Das FG Münster beschäftigt sich in seiner Entscheidung vom 7. 12. 20101 mit der Frage, ob es sich bei Umsätzen aus Auftragsforschung, die eine öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) erzielt hat, um einen gemeinnützigen Zweckbetrieb handelt und diese somit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG unterliegen. Streitgegenständlich waren Umsätze aus Auftragsforschung einer Forschungseinrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese Forschungseinrichtung, die neben der Auftragsforschung auch Grundlagenforschung betrieb, hatte im Gegensatz zu anderen öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtungen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern wurde als eine Einrichtung des Landes im Sinne des § 14 LOG NRW geführt. Dementsprechend handelte die Institutsleitung jeweils in Vertretung für das Land. Die Forschungseinrichtung hatte in ihren Umsatzsteuererklärungen die Umsätze aus Auftragsforschung dem ermäßigten Steuersatz unterworfen, die Finanzverwaltung erließ hingegen Umsatzsteuerbescheide mit dem Regelsteuersatz. Die Finanzverwaltung begründete dies damit, dass die Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG nicht gegeben seien, da es sich bei der Auftragsforschung um keinen gemeinnützigen Zweckbetrieb handele. Denn gemäß § 68 Nr. 9 S. 1 AO müsse eine überwiegend öffentliche Finanzierung vorliegen, wofür nur der BgA betrachtet werden dürfe. Da der BgA sich nicht überwiegend durch öffentliche Zuwendungen finanziere, seien die Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz nicht gegeben. Die hiergegen eingereichte Klage

npoR Heft 2/2012 begründete das Land damit, dass für die Beurteilung der überwiegenden öffentlichen Finanzierung nicht der BgA, sondern der dahinterstehende Träger, also die Forschungseinrichtung, herangezogen werden müsse. Diese erfülle das Kriterium der überwiegenden öffentlichen Finanzierung, so dass der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung komme. Das FG Münster lehnt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes schon aus formalen Gründen ab. Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit sei gemäß § 59 AO eine den §§ 52 ff. AO genügende Satzung des BgA. Eine solche Satzung liege aber weder auf Ebene des BgA noch der Forschungseinrichtung vor. Aber auch würden die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht vorliegen, da eine überwiegend öffentliche Finanzierung gemäß § 68 Nr. 9 S.1AO nicht vorliege. Das FG Münster lässt hierbei offen, ob für die Beurteilung der überwiegenden öffentlichen Finanzierung der BgA oder der dahinterstehende Träger betrachtet werden muss, da in beiden Fällen das Kriterium nicht erfüllt sei. Dies ergibt sich daraus, dass das FG Münster bei der Beurteilung des dahinterstehenden Trägers nicht auf die Forschungseinrichtung abstellt, sondern auf das Land als dahinterstehende juristische Person. Dieses sei nicht überwiegend öffentlich finanziert, da es sich aus Steuermitteln finanziere, die keine freiwillige Zuwendung darstellen würden.

II. Bewertung Um sich mit den Entscheidungsgründen des Urteils auseinanderzusetzen, sollen im Folgenden zunächst die historischen Hintergründe der Besteuerung von Auftragsforschung beleuchtet werden (1.), ehe auf die gemeinnützigkeitsrechtlichen Erfordernisse für die Einordnung als Zweckbetrieb bei öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtungen eingegangen wird (2.) und die umsatzsteuerlichen Konsequenzen beurteilt werden (3.). 1. Historische Herleitung Bis in die Mitte der 90er Jahre wurde bei der Auftragsforschung durch private Forschungseinrichtungen danach differenziert, ob der Auftraggeber sich Exklusivrechte einräumen lässt oder ob die Ergebnisse der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.2 Im ersten Fall lag nach Ansicht der Finanzverwaltung ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, im zweiten Fall ein gemeinnützigkeitskonformer Zweckbetrieb. Da die Forschungseinrichtungen ihren Auftraggebern in der Regel keine Exklusivrechte einräumten, konnten sie die Leistungen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterwerfen. Demgegenüber wurden Auftragsforschungsleistungen durch öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtungen regelmäßig im hoheitlichen Bereich erbracht, Umsatzsteuer ist insofern nicht angefallen. Dies änderte sich mit dem Urteil des BFH vom 30. 11. 1995,3 in dem der BFH entschieden hat, dass Auftragsforschung unabhängig davon, ob Exklusivrechte eingeräumt werden, keine gemeinnützige Tätigkeit sein kann. Da dieses Urteil die gesamte Auftragsforschung von Forschungseinrichtungen – und damit den gewollten Wissenstransfer von der Grundlagenforschung in die Anwendung – in Frage stellte, reagierte der Gesetzgeber hierauf mit zwei Maßnahmen. Zum einen wurde mit dem § 68 Nr. 9 AO eine Zweckbetriebsfiktion geschaffen, wonach Auftragsforschung ein Zweckbetrieb ist, wenn der Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanziert. Diese Maßnahme hatte

1 Az. 15 K 3110/06 U. 2 Thiel, Die Besteuerung öffentlich geförderter Forschungseinrichtungen, DB 1996, 1944 ff. 3 Az.V R 29/91.


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