npoR 2012, Heft 2

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npoR Heft 2/2012 Zweifel, ob der Ausschluss von Personengesellschaften aus dem Kreis möglicher Organgesellschaften in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht.9 Als geltendes deutsches Recht sollte diese Einschränkung jedoch bei Strukturierungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Soll eine Gesellschaft in den Organkreis einbezogen werden, so ist die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu wählen, sollen demgegenüber die Rechtsfolgen der umsatzsteuerlichen Organschaft im Hinblick auf eine bestimmte Gesellschaft rechtssicher ausgeschlossen werden, so kann dies u.a. durch die Wahl der Rechtsform einer Personengesellschaft erreicht werden.

4. Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit dann nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Der Bundesfinanzhof hat in jüngerer Zeit in einer Reihe von Urteilen die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale in einer Weise konkretisiert, die die Anforderungen an eine umsatzsteuerliche Organschaft gegenüber der bisherigen Besteuerungspraxis als strenger erscheinen lassen. Dies gilt in erster Linie für die Merkmale der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung.

a) Finanzielle Eingliederung Unter der finanziellen Eingliederung ist der Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft zu verstehen, die es dem Organträger ermöglicht, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Entsprechen die Beteiligungsverhältnisse den Stimmrechtsverhältnissen, ist die finanzielle Eingliederung gegeben, wenn die Beteiligung mehr als 50 % beträgt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist10 oder Sonderrechte von Minderheitsgesellschaftern die Möglichkeit des Mehrheitsgesellschafters, seinen Willen durchzusetzen, einschränken.

b) Wirtschaftliche Eingliederung Wirtschaftliche Eingliederung11 bedeutet, dass die Organgesellschaft nach dem Willen des Unternehmers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem, wirtschaftlich tätig ist. Sie kann bei entsprechend deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft auf Grund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen.12 Leistungen des Organträgers, die für die unternehmerische Tätigkeit der Tochtergesellschaft lediglich von „unwesentlicher Bedeutung“ sind, begründen für sich genommen nicht die wirtschaftliche Eingliederung.13 Beispiel: Ein gemeinnütziger Verein hält alle Anteile an der Krankenhaus-GmbH. Außer der gelegentlichen entgeltlichen Lieferung von Büromaterial werden zwischen beiden juristischen Personen keine Leistungen ausgetauscht. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt nicht vor. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt vor, wenn zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein. Sie müssen sich fördern und ergänzen.14 Die wirtschaftliche Eingliederung kann sich auch aus einer Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaf-

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ten ergeben.15 Beruht die wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers gegenüber seiner Organgesellschaft, müssen jedoch entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt.16 Beispiel: Ein gemeinnütziger Verein betreibt eine Klinik. Er erwirbt alle Anteile an einer GmbH, die ein Therapiezentrum betreibt. Der Verein überlässt seiner Tochtergesellschaft entgeltlich das zum Betrieb des Therapiezentrums erforderliche medizinische Personal. Der Personalgestellung kommt mehr als nur unerhebliche Bedeutung zu. Wirtschaftliche Eingliederung liegt vor. Diese vom BFH entwickelten Kriterien lassen häufig eine abschließende und rechtssichere Beurteilung nicht zu, da es sich bei den vom BFH verwendeten Abgrenzungskriterien um unbestimmte Begriffe handelt, die im konkreten Einzelfall eine Wertung erforderlich machen. Die Beantwortung der Fragen, ob einer Leistung lediglich „unwesentliche“ oder „mehr als nur unwesentliche“ Bedeutung zukommt, ob ein „vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang“ und eine wechselseitige Förderung und Ergänzung vorliegt, schließt eine unterschiedliche Beurteilung durch den Steuerpflichtigen einerseits und die Finanzverwaltung andererseits nicht aus. Diese Ungewissheit wird Rechtstreitigkeiten gerade dann unvermeidbar machen, wenn die Verneinung der umsatzsteuerlichen Organschaft zu einer höheren Umsatzsteuer führt als deren Bejahung. Zu Recht weist Leonhard 17 auf dieses Risiko hin und schließt selbst die Möglichkeit eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO bei der Begründung einer Organschaft mit dem Ziel der Reduzierung der Steuerbelastung nicht aus. Selbst wenn die vorliegende Rechtsprechung bislang keinen Hinweis auf § 42 AO enthält, darf nicht verkannt werden, dass das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung, dem in der Besteuerungspraxis der Vergangenheit im Rahmen der Gesamtbilds der tatsächlichen Verhältnisse eine eher untergeordnete Rolle zukam, in der Rechtsprechung des BFH als eigenständiges Prüfungsmerkmal deutlich an Gewicht gewonnen hat. Der BFH verneint beispielsweise die wirtschaftliche Eingliederung bei der Erbringung von Leistungen in den Bereichen Buchhaltung, Personalwesen, Lohn- und Gehaltsabrechnung und Steuerberatung durch den Gesellschafter eines Betreibers einer Trocknungsanlage zur Herstellung von Brennstoffen aus Klärschlamm.18

c) Organisatorische Eingliederung Intensiv hat sich der BFH in jüngerer Zeit mit dem Merkmal der organisatorischen Eingliederung beschäftigt. Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird.19 Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der 9 Vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuerrechtliche Organschaft und Gemeinschaftsrecht. GmbH & Co. KG als Organträger und als Organgesellschaft, UR 2008, 2. 10 Abschnitt 2.8 Abs. 5 UStAE. 11 Vgl. Abschnitt 2.8 Abs. 6 UStAE. 12 BFH, Urt. v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256. 13 BFH, Urt. v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998 1534. 14 BFH, Urt. v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534. 15 BFH, Urt. v. 20. 8. 2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863. 16 BFH, Urt. v. 18. 6. 2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310; BFH, Urt. v. 6. 5. 2010 – V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114. 17 Leonhard, Taugt die Organschaft noch als Gestaltungsinstrument bei steuerfreien Umsätzen?, DStR 2010, 721. 18 BFH, Urt. v. 20. 8. 2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863. 19 BFH, Urt. v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 528.


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