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Wrabetz: Du kannst heute ein modernes, kreatives Unternehmen nicht in einem autoritären Stil führen, das ist vorbei. Mein Stil ist durch den Respekt vor den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen geprägt. Und ich glaube, dass man manche Dinge auch ausdiskutieren muss. Der ORF ist ja keine Schraubenfabrik, wo man einfach ein paar Schalter umlegt und alles funktioniert. Haider: Und was hat in deiner ersten Amtszeit funktioniert? Wrabetz: Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, dass uns Jahre der größten Herausforderungen ins Haus stehen werden – allein durch die volle Konkurrenz, die die Digitalisierung mit sich bringt. Trotz dieser massiven Verschärfung der Konkurrenz haben wir in allen Medien – Fernsehen, Radio, Online – die überlegene Marktführerschaft gehalten. Und wir haben es aus eigener Kraft geschafft, wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.

Wrabetz: Unsere Rolle in der EBU ist enorm wichtig. Wir sind dort mittlerweile eine mittlere Großmacht – auch durch unsere Programme wie das Neujahrskonzert, das Sommernachtskonzert oder gemeinsame Eurovisionssendungen. Für mich ist es wichtig, dass wir die öffentlich-rechtlichen Sender in den Ländern Mittel- und Osteuropas unterstützen, damit diese bestehen bleiben oder sich entwickeln können. Denn die öffentlichrechtlichen Sender haben nur dann eine Chance, wenn sie in allen Ländern Europas eine wichtige Rolle spielen. Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eine zivilisatorische Errungenschaft Europas, auf die wir stolz sein können. Haider: Man hört immer wieder, hohe Qualität gibt´s im ORF erst in der Nacht … Wrabetz: Wir sind der Sender, der am allermeisten hohe Qualität zur Primetime anbietet – etwa „Universum“ oder unsere zahlrei-

Haider: Und was hat weniger funktioniert? Wrabetz: Auf dem Weg dorthin hat es die einen oder anderen Scharmützel gegeben …

wichtig, dass wir die besten internationalen Serien im Programm haben – etwa „Grey`s Anatomy“ oder „Desperate Housewives“. Und das exklusiv und als Erstaustrahlung. Haider: Wie wird das Fernsehen in zehn oder 20 Jahren aussehen? Wrabetz: Die Kernfunktionen des Fernsehens mit seinem Live-Charakter, seinem Informationsangebot und als Gemeinschaftserlebnis wird es noch Jahrzehnte geben. Daneben werden neue Angebote – etwa überall und jederzeit fernsehen zu können – entstehen, auch in Verbindung mit dem Internet. Haider: Was verstehst du unter „Gemeinschaftserlebnis“? Wrabetz: Das kann ein herausragendes Sportevent, eine tolle Unterhaltungsshow oder –wenn etwas dramatisches passiert – eine Informationssendung sein. Etwas, wo ich als Seher weiß, dass ich am nächsten Tag

Alexander Wrabetz mit Alfons Haider und NAME IT-Chefredakteur Ralf Strobl.

Haider: Apropos Scharmützel: Warum ist der ORF permanent Ziel von Angriffen? Wrabetz: Die Österreicher beschäftigen sich mit ORF-Programmen – TV, Radio, Online – 240 Minuten am Tag. Das ist mehr als der durchschnittliche Österreicher mit seiner Familie verbringt. Wir haben eine große Bedeutung – und viele wollen deshalb mitreden. Zweitens: Über Medien, also auch über den ORF, berichten immer andere Medien, die auch Konkurrenten sind. Das gibt’s sonst in keiner anderen Branche. Deswegen werden wir auch häufig in den Medien kritisiert. Haider: Und wie sieht es mit der politischen Einflussnahme auf den ORF aus? Wrabetz: Dass man Gegenstand der öffentlichen Debatte ist, ist auch ein Zeichen, dass man eine große Bedeutung hat. Aber keine Frage: Es wäre lustiger, wenn es ohne Kommentare aus der Politik abginge. Haider: Wo siehst du deine Schwerpunkte für die zweite Amtszeit? Wrabetz: Erstens, die wirtschaftlichen Grundlagen absichern. Zweitens, besonderes Augenmerk auf die journalistische Qualität legen. Und zwar in allen Bereichen – von der Information bis zur Unterhaltung. Mir geht es um die „Medienqualität der Zukunft“. Es wird ein stärkeres Zusammenwachsen von Internet und TV auf neuen Plattformen geben. Da müssen wir mit den richtigen Angeboten zu Stelle sein. Und den Kurs der Unabhängigkeit fortsetzen. Haider: Du wirst oft zur EBU (Vereinigung der europäischen öffentlich-rechtlichen Sender) geholt. Warum?

chen Magazine im Hauptabend. Außerdem lasse ich mir nicht sagen, dass eine topgemachte Unterhaltungsshow wie „Dancing Stars“ nicht unter den Qualitätsbegriff fällt. Zudem sind wir jener Sender in Europa, der regelmäßig Hochkulturproduktionen in der Primetime zeigt – etwa Übertragungen aus der Wiener Staatsoper. Und: Bestimmte Sendungen wie „Kreuz & Quer“ oder den Kulturmontag werden wir ab Herbst, wenn wir ORF 3 gestartet haben, dort am nächsten Tag um 20.15 Uhr anbieten. Haider: Wie viel muss ein öffentlich-rechtlicher Sender selbst produzieren? Wrabetz: In einer globalisierten Welt ist es wichtig, dass die Seher ihr eigenes Umfeld, ihr eigenes Leben sehen. Daher mein Credo: Je mehr österreichische Eigenproduktionen – desto besser. Aber es ist auch toll und

mit meinen Arbeitskollegen darüber sprechen kann – einfach weil diese Sendung von sehr vielen gesehen wurde. Wir müssen an 200 von 365 Tagen das „Ereignis des Tages“ haben. Wenn ich „Dancing Stars“, den Song Contest, eine tolle Dokumentation oder etwa den Kardinal-König-Film ausstrahle – dann wissen wir: Darüber wird am nächsten Tag geredet. Deshalb ist ein „Rundfunk der Gesellschaft“, der auch von der Gesellschaft finanziert ist, so wichtig. Nur dieser kann sich, im positivsten Sinne, etwas leisten – etwa auch ein dichtes Korrespondentennetz. Haider: Was soll man in einigen Jahren über Alexander Wrabetz als ORF-Chef sagen? Wrabetz: Insgesamt hat er seine Sache gut gemacht und den ORF und damit Österreich in eine bessere, zukunftsweisende Richtung bewegt. n

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