Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

Page 7

Schwerpunkt Eis / 7

schaffen, andererseits bot der runde Grundriss einen besseren Widerstand gegenüber dem seitlichen Erddruck. Auch bei den Eiskellern musste das Schmelzwasser leicht ableitbar sein – in den meisten Fällen durch einen Wasserverschluss oder so genannten „Schwanenhals“ oder durch den Untergrund selbst, der aus Kies oder Sand war. Schwitzwasser, das sich, oft durch die hohe Luftfeuchtigkeit bedingt, an den Ziegelwänden bildete, wurde durch so genannte Schweißrinnen an den gewölbten Decken aufgefangen. Ein immer wiederkehrendes Problem bei den Eiskellern war dadurch auch die Bildung von Schimmelpilzschichten, die eine Lagerung von Lebensmitteln wie Fleisch o. Ä. gesundheitsgefährdend machte.

„Mit Eis stopf’ deine Keller voll, wenn dir dein Bier gelingen soll“ Das Kühlmaterial, das Eis selbst, wurde in der Hochzeit der Kälte, an den kältesten Tagen im Winter, wenn die Eisschichten am dicksten waren, geschnitten und im Kühlhaus in Blöcken geschichtet eingelagert bzw. der eingeschmolzene Bestand ergänzt. Frisches Natureis konnte temperaturbedingt meist nur bis März „geerntet“ werden, war aber nichtsdestotrotz unverzichtbare Notwendigkeit beim Bierbrauen und bei der Lagerung. Ein Relikt davon ist nicht nur aus etymologischer Sicht das „Märzenbier“, das im März gebraut und bis zum Beginn der neuen Brausaison im Oktober ausgeschenkt wurde. Denn während der warmen Monate durfte und konnte Bier wegen der für den Gärprozess fehlenden und notwendigen Kühlmöglichkeiten nicht gebraut werden. Im „Sommerbetrieb“, ergo in den heißen und warmen Jahreszeiten, wurde auf ein strenges Reglement geachtet: Das Kühlhaus wurde zum Beispiel nur in den kühlen Morgen- oder Abendstunden betreten oder man berücksichtigte, dass die Hauptaußentür immer geschlossen war, wenn die Innentür geöffnet wurde. Herrschten in einem Eishaus oder in einem Eiskeller optimale Bedingungen, hielt das eingelagerte Eis bis in den nächsten Herbst hinein!

Schwerstarbeit Die Eisblockgewinnung oder das „Eisschlagen – brechen oder schneiden“ ging rein manuell vor sich und war Schwerstarbeit für die Arbeiter. Mit einer Art Zugsäge, die

dicker und stabiler als die herkömmlichen Holzsägen war, wurden aus den zugefrorenen Teichen, Flüssen oder Seen quaderförmige, ca. 50 Zentimeter breite und bis zu 15 Meter lange Eisstreifen herausgeschnitten. Eine der Schwierigkeiten beim Eisschneiden bestand darin, dass die Säge logischerweise nur einseitig bedient werden konnte und im harten Eis oft verbog. Oft machten die Eisschneider vor allem bei Kindern Scherze darüber, dass darum gewürfelt wurde, wer die Arbeit „unter dem Eis“ machen müsste und am anderen Ende der Säge stand … Die Eisstreifen wurden anschließend mit einer Axt in einzelne Schollen zerschlagen, die mit geschmiedeten Eishaken oder Eiszangen ans Ufer geschleift und danach herausgezogen wurden. Die schweren Eisblöcke wogen teilweise über 20 Kilogramm und wurden zum Weitertransport auf Pferdeschlitten verladen. Schwerstarbeit also für die Männer, die zum Schutz vor der Kälte und Nässe dicke Lederschürzen trugen. Die Eisgewinnung stellte für viele Gemeinden einen nicht unbedeutenden Wirtschaftszweig dar – einerseits als billige Rohstoffquelle und andererseits als sicherer Arbeitsplatz für viele landwirtschaftliche Arbeiter oder Maurer, die sich in den Wintermonaten ein willkommenes Zubrot verdienten.

Rohstoff „Eis“ Abnehmer für die Natureisblöcke waren hauptsächlich Gasthäuser, Fleischhauereien, Brauereien sowie zum Teil auch private Haushalte der wohlhabenderen Bevölkerung, die sich einen Eiskeller oder ein Eishaus leisten konnten. Aber auch bei der industriellen Erzeugung und Herstellung von Paraffin, Schokolade und Margarine oder in der Medizin, insbesondere in der Chirurgie, wurde Natureis eingesetzt. Ein großer Teil des gewonnenen Eises wurde in Österreich auch direkt zur Eisenbahn transportiert, um es ins angrenzende Deutschland zu exportieren – das bekannte „Zeller Eis“ vom Salzburger Zeller See war beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts Hauptlieferant für die zahlreichen Brauereibetriebe in München. Einer der größten europäischen Eisexporteure dieser Zeit war Norwegen. Doch nicht nur in Europa, vor allem in Nordamerika florierte der Eishandel – bis zur Wende des 19. Jahrhunderts lag der Verbrauch von Natureis in

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2013

Eisernte am Zeller See: Eis als Exportware für München. Foto: z. V. g.

Amerika bei über 25 Millionen Tonnen pro Jahr. Die zunehmende Technisierung, der steigende Verbraucherbedarf, die Verschmutzung der Gewässer in Ballungszentren und auch verschärfte Hygienevorschriften im Lebensmittelbereich verdrängten letztendlich das Natureis vom Markt. Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Natureis endgültig obsolet geworden. Peu à peu wurde die Natureiswirtschaft von der Kunsteiserzeugung abgelöst, die ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch Dampfmaschinen möglich geworden war. Große Eisfabriken konnten mit Kältemaschinen das ganze Jahr über und in größeren Mengen hygienisch sauberes Eis produzieren. Aber auch die Eisfabriken hatten ihr Ablaufdatum. Heute sind nur noch einige wenige Eisfabriken in Betrieb, die sich auf „eisige“ Spezialprodukte fokussiert haben, wie beispielsweise die Produktion von gleichmäßig opakem Eis für Eisskulpturen. Heutzutage sind Kühlsysteme im privaten wie auch im industriellen Bereich im Vergleich zu früher bei Weitem nicht mehr mit dem immensen Aufwand verbunden, vor allem ist man nicht mehr von der Natur und den „eisigen“ Temperaturen abhängig. Die ersten direkten Vorläufer für die heutigen Kühlschränke waren Schränke, die an der Oberseite ein kleines Extrafach für Naturoder später Kunsteis hatten. Für die moderne Kühltechnik sind heutzutage elektrisch betriebene Kühlschränke in jedem Haushalt Basisvoraussetzung und eigentlich zu einer Selbstverständlichkeit geworden. / Text: Freya Martin Fotos: Steinschalerhof


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.