Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

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Schwerpunkt Eis / 6

Arbeitswelt

rohstoff eis Von Eiskellern, Eishäusern und dem Eisschneiden. Kühlsysteme von anno dazumal.

Eisschneiden als winterliches Ereignis – wie hier im Pielachtal.

Die sachgerechte Kühlung und Konservierung von Speisen und Getränken mittels moderner Kühltechniken und -geräte ist heutzutage selbstverständlich und kein großer organisatorischer oder technischer Aufwand mehr. In Zeiten von Kühlschrank & Co. ist es kaum mehr vorstellbar, wie ungleich kompliziert und langfristig angelegt das Prozedere einer effizienten Kühlkette noch vor hundert Jahren und mehr war. Wie hat man früher gekühlt, als es noch keine Kühlschränke gab? Hat man nur frisch gegessen und ungekühlt getrunken? Wie funktionierte die Vorratswirtschaft in den heißen Sommermonaten? Von ersten Eis- oder Kühlhäusern der Menschheitsgeschichte weiß man bereits aus der mittleren Bronzezeit. Auch im antiken Rom ließ sich das reiche Patriziat im Sommer zur Kühlung der Getränke Eis aus den Bergen bringen. Prinzipiell gab es seit Beginn der Neuzeit zwei Kühlsysteme bzw. -möglichkeiten: quasi „zu oberer Erde“ in Kühlhäusern oder unter der Erde in den Eiskellern.

Das „Zwiebelschalen-Prinzip“ Die Architektur der Eishäuser beruht auf einem sehr einfachen Prinzip: Die Gebäude

Das Eis wird auf den Lastwagen des Bierverlegers J. Schnabl, Rabenstein, verladen.

wurden so konstruiert, dass die äußeren Temperaturen möglichst wenig Einfluss auf den Innenraum hatten. Die Konstruktionen wurden mit einem wärmeblockenden, also nicht „wärmeleitenden“ Material errichtet, meistens aus Holz. Die eigentliche „Kühlbox“, eine tragendende Holzkonstruktion mit zwei ineinander geschachtelten Behältern, schwebte quasi ein Meter in einem Luftraum über der Erde. Die Innen- und Zwischenräume dieses zwiebelartig geschichteten Systems wurden mit dämmenden, isolierenden Werkstoffen wie Gerberlohe, Sägespäne, Torf oder Fichten- und Tannenreisig aufgefüllt. Am Boden mussten ferner eine Art Holzrost und Rinnen vorhanden sein, um das Schmelzwasser abzuleiten. Das Dach war meistens ebenfalls eine doppelschalige Konstruktion aus Holz, die mit dicken Stroh- oder Schilfschichten bedeckt war. Um die Eishäuser herum pflanzte man überdies gerne groß und schnell wachsende, flach wurzelnde Bäume, wie beispielsweise die Rosskastanie, die für die Kühlhäuser als Schattenspender in der heißen Jahreszeit fungierten. Es ist also kein Zufall, dass man in fast jedem Brauerei-Biergarten einen riesigen

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Haken, Säge und Zangen sind die Werkzeuge der Eisschneider.

hundertjährigen Kastanienbaum findet … Eine nach Norden hin gerichtete Eingangsschleuse mit abgedichteter Tür führte über einen schmalen Gang zur eigentlichen Türöffnung des Kühlhauses. Ein gut ausgeklügeltes System verhinderte ungewollten Luftaustausch mit der Außenwelt oder direkte Sonneneinstrahlung beim Öffnen. Ein kleiner, maximal 40 Zentimeter breiter Holzschacht, der mit Schiebern verschließbar war, führte über das Dach ebenfalls in das Innere des Eishauses. Dieser „Kamin“ diente als Lüftungsschacht und wurde im Winter bei maximalen Kältetemperaturen zusammen mit den Türen geöffnet, um den Innenraum mit den kalten Außentemperaturen anzugleichen. Eiskeller funktionierten ähnlich den Eishäusern, mit dem Unterschied, dass sie unterirdisch oder zumindest teilweise unter der Erde angelegt waren. Auch hier war eine kühle, geschützte und trockene Lage primäre Voraussetzung. Die Wände der Eiskeller waren massive Ziegelmauern mit zwei bis drei Luftschichten. Der eigentliche Kühlraum wurde in Zylinder- oder zumindest Halbkugelform gebaut, um einerseits ein besseres Verhältnis von Oberfläche zum Inhalt zu


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