Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

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Südböhmen / 33

In sechster Generation „Mein Vater heißt Zdenek und ich Filip“, erklärt Kubák jun., „aber alle anderen Kubáks hießen Ferdinand.“ Und alle waren Weber. Filip Kubák, 23 Jahre, ist Weber in sechster Generation, wie er nicht ohne Stolz hinzufügt. Die Handwebstühle des Ururururgroßvaters stehen in einem als Museum eingerichteten Raum; unter anderem ein Jacquard-Webstuhl aus dem 18. Jahrhundert. Auch seine Mitschriften inklusive Webproben aus der Webereischule in Ústí nad Orlicí, dem „ostböhmischen Manchester“, sind erhalten geblieben sowie Musterbücher mit feinem Damastgewebe. Ein weiterer Ferdinand übernahm 1910 die Werkstatt. Er webte nach Vorlagen der Designer, die sich 1908 zur Künstlervereinigung Artěl zusammengeschlossen hatten und ähnlich wie die Wiener Werkstätten Kunsthandwerk auf höchstem Niveau fertigten. Die ArtělKünstler waren vor allem vom tschechischen Kubismus geprägt. Die Stoffe aus der Weberei Kubák sind heute in den Sammlungen des Museums für Kunst und Industrie in Prag zu sehen. Werbung, Shop und Tamtam ist die Sache der Kubáks nicht. Wer – und auch das eher zufällig – durch Strmilov kommt, wird hinter den altersgrauen Fassaden eher eine verlassene Manufaktur vermuten als warme, weiche Wolldecken und Plaids, Ponchos und Webstoffe. Doch die Wolldecken aus Strmilov sind in Tschechien wohlbekannt und werden an den ersten Adressen traditioneller Handwerksgeschäfte in Prag und Brünn verkauft. Und überhaupt ist man mit der Kunsthandwerksszene gut verwoben. Filip Kubák organisiert seit einigen Jahren einen Webermarkt. Er hat die Textilschule in Jihlava/Iglau besucht und ein Praktikum in der Textilwerkstatt Obermühle in Kautzen, Waldviertel, absolviert. Da folgt er einer alten Tradition, die bis vor dem Zweiten Weltkrieg in den Grenzgebieten praktiziert wurde: Der so genannte „Kindertausch“ war bei Handwerksbetrieben und auf großen Bauernhöfen üblich, um die Sprache des jeweilig anderen zu lernen und (Wirtschafts-)Kontakte zu knüpfen.

„Volkskulturelles Handwerk“ Kunsthandwerk wurde in Ländern hinter dem Eisernen Vorhang von staatlicher Seite gefördert. Einerseits schuf der Kommunis-

Filip Kubák, Weber in sechster Generation.

Gut gegen Eiszeit: Wolldecken aus Strmilov, Böhmen.

mus den „neuen Menschen“, andererseits legitimierte er sich durch Kontinuität und Herkunft „aus dem Volk“. Der 1870 gegründete Familienbetrieb Kubák wurde mit der kommunistischen Machtergreifung der staatlichen „Organisation für volkskulturelles Handwerk“ einverleibt, Ferdinand Kubák (der Großvater) wurde leitender Angestellte seines ehemaligen Betriebes. Als die Familie in den 1990er Jahren ihr Eigentum zurückbekam, waren die neueren Maschinen nicht mehr da. Es blieben die alten Webstühle, die meisten aus dem Jahre 1938, die traditionellen Mustervorlagen sowie die auf den Lochkarten umgesetzten Webvorgaben für die Jacquard-Webstühle. Kartons voller Lochkarten lagern in den Sälen der Weberei: „Das ist unser Archiv“, so Kubák in sechster Generation. Neben den Familienmitgliedern arbeiten noch zwei Frauen im Betrieb. Gewebt wird je nach Auftragslage. Die hauseigene Spinnerei verarbeitet Schafwolle. Im Wolf wird das Wollvlies auf Walzen, die mit kleinen Sägezähnen gespickt sind, gezupft, gereinigt und für den Spinnvorgang vorbereitet. Danach kommt das Garn in eine Färberei.

Lochkarten – mit ihnen werden die Kettfäden gesteuert.

den Eigenbedarf vorbereitet, sondern auch für private Handwebstühle. Das ist das Stichwort für das dritte Standbein der Familie Kubák. Neben der Weberei und der Kaffeerösterei zimmert Vater Zdenek Kubák Handwebstühle. Auch Spinnräder stellt er her. Bevor die Kettbäume in die mechanischen Webstühle gespannt werden, wird noch einmal Kaffee getrunken. Dann wird der Webstuhl vorbereitet. Die Lochkarten sind für die Steuerung zuständig, sie lenken das Aufnehmen der verschiedenfärbigen Garne. Die hölzernen Schiffchen, die hier wirklich noch wie Schiffe aussehen, werden, damit sie flinker durch den Webstuhl flitzen, mit Paraffin gewachst. Nachdem der Wollstoff vom Webstuhl genommen wurde, wird er aufgeraut, zugeschnitten und gefranst. In der Weberei Kubák stapeln sich Decken: gestreift, kariert und uni und in den fröhlichen Farben böhmisch-mährischer Volkskunst. Sie wärmen nicht nur ums Herz. / Text: Mella Waldstein Fotos: Nikolaus Korab

Handwebstühle & Spinnräder Bevor der Webvorgang beginnt, muss die Kette vorbereitet sein. Diese dafür notwendige Vorrichtung sieht etwa aus wie eine Sprossenwand, auf der die Garnspulen befestigt sind. Die Garne laufen dann – ja nach Breite des Webstuhls – über eine Walze auf den Kettbaum. Die Kette wird nicht nur für

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INFORMATION

——————————————————— Weberei Kubák CZ-378 53 Strmilov Tel. 00420 603 231106 www.tkalcovna.cz


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