Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

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Waldviertel / 23

Begeben wir uns von Heidenreichstein aus in nördliche Richtung zu den böhmischen Nachbarn, woher auch Eisgarns erste Siedler vor mehr als 800 Jahren gekommen sein mögen. Ziemlich geradlinig führt die alte Hauptstraße durch den „Räuberswald“ nach Eisgarn. Vor der Ortschaft öffnet sich der Wald zu Wiesenland mit seinen typischen „Augen“, wie die Teiche genannt werden. Was den Landstrich so attraktiv für Ruhesuchende aus der Großstadt macht, bereitet den Ortsverantwortlichen oftmals Probleme. Das gilt auch für Eisgarn, das beachtlich viel an Bevölkerung verloren hat. In den letzten 60 Jahren hat sich die Einwohnerzahl halbiert. 670 Personen haben hier ihren Hauptwohnsitz. Aber auch von diesen müssen viele pendeln und die Jugend wird in entfernten Städten ausgebildet. Eine Einsamkeit in Eisgarn und rundum in den Dörfern, die von Gästen als Wohltat empfunden wird, die Einwohner aber manchmal sorgenvoll stimmt. Besonders dann, wenn der Winter auf das Land drückt. Trotzdem, mit „Eis“ hat der Name des Ortes nichts zu tun. Er beweist vielmehr, dass Slawen im Mittelalter hier Teile des „Nordwaldes“ in landwirtschaftlich nutzbares und für Siedlungen geeignetes Land umgewandelt haben. Aus dem Slawischen stammt der Ortsname – mit „Izgorje“ ist eine ausgebrannte Stelle genannt. Die Landesfürsten, konkret der Habsburger Albrecht II., hatten oft Geldsorgen. So verpfändeten sie ihre Güter. Die Grenzgrafschaft Litschau wurde als Pfand an Johann von Klingenberg gegeben. So geschehen 1294. Und diesem Umstand verdankt Eisgarn seine Erstnennung. In der Folgezeit kam es 1330 zur Gründung des Säkularkanonikerstiftes Eisgarn. Das Kollegialstift ist eine Vereinigung von Weltpriestern. Die Probstei Eisgarn ist das kleinste Stift Österreichs. Die bereits 1393 urkundlich erwähnte Schule im Stiftsgebäude besteht noch heute und zählt zu den ältesten Volksschulen Niederösterreichs.

Jenseits von Braunschlag „Wir leiden sehr unter der Abwanderung der Jugendlichen aufgrund der miserablen Arbeitssituation. Wenn sie einmal weg sind, kommen sie nicht mehr“, so Bürgermeister Karl Mader im Gespräch. Es gibt einen Kindergarten und eine Volksschule. Lange Zeit

gab es kein Gasthaus mehr. Die Menschen arbeiten in der Landwirtschaft, in einem Tischlereibetrieb, dem Lagerhaus sowie einer Mechanikerwerkstätte. Es gibt keine Post mehr, dafür hat die Gemeinde wieder ein Gasthaus und ein Lebensmittelgeschäft ins Leben gerufen. Es gibt einen Sportverein, die Feuerwehr und einen Seniorenbund, dessen Mitglieder sich wöchentlich zum Singen und Tanzen treffen. Aktiv ist die Landjugend mit Theateraufführungen, einem Landjugendball, Traktorgeschicklichkeitsfahren und Stehschlittenrennen. Jahrzehntelang gab es diese Tradition nicht mehr. Heuer werden in der Region wieder die Stehschlittenrennen (auch Zacherl genannt) veranstaltet. Es ist ein Brett mit zwei Kufen darunter, worauf die Rennläufer stehen und sich mit einem langen Stock am Eis fortbewegen. Die Landjugend lässt diesen alten Brauch wieder aufleben. Die kulinarische Spezialität im nördlichen Waldviertel, besonders in Eisgarn, sind Mohnnudeln mit Sauerkraut. Werden die Mohnnudeln im südlicheren Waldviertel eher süß mit Apfelmus als Beilage verspeist, so werden sie hier salzig gegessen. Zur Fernsehserie „Braunschlag“ meint Bürgermeister Mader, dass es sich um eine leicht übertriebene und überspitzte Darstellung der Menschen dieser Region handelt. Ein wenig Wahrheit sei schon dabei – so Mader sinngemäß –, welche manche hier auch verleugnen, aber so ehrlich sollte man schon sein und zu ihr stehen.

Steine mit Geschichte Anziehend sind die Steinformationen, die Geschichten erzählen und die Phantasie anregen. Der „Kolomanistein“ besteht aus zwei übereinanderliegenden Granitblöcken. Wobei sich im oberen – obwohl er kein richtiger Schalenstein ist – ständig Wasser befindet. Über dieser Wanne wurde 1713 ein kapellenartiger Bildstock erbaut, in der die Statue des hl. Koloman steht. Man erzählt sich, Koloman soll am genannten Stein an seiner Pilgerfahrt Rast gehalten und seine Füße im Wasser gebadet haben. Seither soll das Wasser bei Fußleiden heilsam sein. Hier spricht man von einer typischen Rastsage. Durch ihre Anwesenheit bewirkt die heilige Person wundertätiges Wasser, wobei Wasser, das sich in Steinschalen hält, und frisch sprudelnde Quellen gleiche Heilkraft besitzen.

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Der Kolomanistein. Foto: Günther Z.

Die hartherzigen Einwohner sollen Koloman des Ortes verwiesen haben, sodass er bei diesem Stein eine Raststätte fand. Um Niederösterreichs vormaligen Landespatron Koloman, der um 1012 als Spion angesehen und hingerichtet wurde, ist es ziemlich still geworden. Obwohl Eisgarn nach der Grabstätte Kolomans in Melk der bedeutendste Gnadenort in Niederösterreich war. Die Forcierung der Heiligenverehrung ging allerdings nicht von Melk aus, vielmehr versuchte der Burggraf von Nürnberg, mütterlicherseits den Raabser Grafen entstammend, erfolgreich, dem Hausheiligen seiner Stammburg Chrögling, eben Koloman, in der neu erworbenen Grafschaft Litschau um 1200 eine Verehrungsstätte zu verschaffen. Letztendlich ist die Region um Eisgarn eine faszinierende Gegend. Die Gebäude, die Wirtshäuser, die Landschaft oder die Ortszentren schauen fast genauso aus wie früher. Was für die heimische Jugend ein Problem darstellt, zieht andere wiederum an. In der Stille und seiner Kraft, welche viele Künstler zu schätzen wissen, in seiner Ruhe und seiner frischen Luft liegen die wahren Qualitäten des Waldviertels. / Text: Andreas Teufl

EISGARN

——————————————————— Gemeindeamt 3862 Eisgarn, Stiftsplatz 9 Tel. 02863 336 www.markteisgarn.at


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