Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

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Bräuche / 16

Heischebräuche blieben meist nur als Kinderbräuche erhalten.

der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856–1939), in seiner Abhandlung „Totem und Tabu“: „Ein Fest ist ein gestatteter, vielmehr ein gebotener Exzess, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes. Nicht weil die Menschen infolge irgendeiner Vorschrift froh gestimmt sind, begehen sie Ausschreitungen, sondern der Exzess liegt im Wesen des Festes; die festliche Stimmung wird durch die Freigebung des sonst Verbotenen erzeugt.“

Die fetten Tage Seit dem Mittelalter gingen die Bewohner der europäischen Städte an den „fetten Tagen“ auf die Straße feiern. In Wien fanden vom 15. bis ins 18. Jahrhundert Maskenumzüge statt, an denen die Obrigkeit Anstoß nahm. Niemand sollte in Bauernkleidern oder sonst vermummt durch die Stadt gehen, hieß es schon 1465. In der maria-theresianischen Zeit wiederholten sich die Verbote alljährlich, bis sich das Faschingstreiben schließlich in die Ballsäle zurückzog. Im 19. Jahrhundert, als in den Vorstädten immer prächtigere Lokalitäten

gebaut wurden, entstand der berühmte Wiener Walzer. In Niederösterreich waren Heischeumzüge der Burschen mit spielhaften Auftritten charakteristisch für die „heiligen Faschingtag’“. Es gab Faschinggestalten wie das „PfinzaWeibel“, das zwischen Donnerstag vor und dem Mittwoch nach dem Faschingssonntag humorvoll schwere Arbeiten zu verhindern wusste. Örtliche Burschenschaften veranstalteten Bälle und Umzüge, der Einstand neuer Mitglieder wurde mit Ritualen und reichlich Alkohol gefeiert.

Parodie der Herrscherempfänge Inzwischen sind auch hierzulande Faschingsgilden nach rheinischem Vorbild heimisch geworden. Sie waren in Köln 1822 entstanden, wo eine Gruppe von Männern das Karnevalsfest erneuern wollte. Ein „festordnendes Komitee“ organisierte es mit einem König und einem Umzug als Parodie auf die feierlichen Herrscherempfänge. In den Vereinen spielt das „närrische Equipment“ eine

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Hofnarr im 19. Jahrhundert.

identitätsstiftende Rolle. Dazu zählen die Narrenzahl Elf (mehr als zehn, weniger als zwölf – Beginn am 11. 11., Elferrat), Narrenkappe, Orden, Rufe und Repräsentanten wie Prinzenpaar und Mädchengarde. Von Salzburg und Oberösterreich ausgehend sind auch in Österreich Faschingsgilden entstanden. Sie haben sich 1962 zum „Bund Österreichischer Faschingsgilden, Vereinigung für Fasching-, Fasnacht- und Carnevals-Brauchtum in Österreich“ (BÖF) zusammengeschlossen. Nach fast einem halben Jahrhundert sind es rund 130 Vereine. Der erste in Niederösterreich konstituierte sich 1968 in Mödling. Inzwischen besitzt das größte Bundesland auch die meisten Vereine, nämlich 35. Ihre Zahl hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt. Sie sind Mitglied der Volkskultur Niederösterreich. Jedes Jahr gibt es eine neue Narrenhauptstadt, 2013 ist es Hainburg. / Text: Helga Maria Wolf Illustrationen: Magdalena Steiner


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