Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

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Musikschulen / 11

Tiefschnee am Semmering.

Wenn es nicht nur ein zentrales Gebäude, sondern mehrere gibt? Wenn nicht Schüler zu den Lehrern, sondern Lehrer zu den Schülern kommen? Vielfältig wie die geografischen Gegebenheiten sind auch die Musikschulen Niederösterreichs. Da ist beispielsweise der Hans Lanner Regionalmusikschulverband in Reichenau an der Rax vor andere Herausforderungen und Probleme gestellt als etwa die Musikschule der Landeshauptstadt St. Pölten.

Straßensperren & Lawinengefahr Denn in der Semmering-Rax-Region kann es im Winter schon einmal vorkommen, dass ein Schüler nicht zum Unterricht kommt, weil der Papa mit dem Schneeräumen noch nicht fertig ist. Oder dass Lehrer zu Mittag in die Musikschule kommen und am Abend ihr Auto von 20 Zentimeter Neuschnee befreien müssen. Sechs Standorte bedeuten kurze Wege für Schüler und längere für Lehrer. Genau diese Wege können im Winter oft zum Verhängnis werden, berichtet Musikschulleiter Werner Gross. So führt die Straße vom Hauptstandort Reichenau an der Rax bis Schwarzau 21 Kilometer durch das Höllental. Im Winter kommt es oft vor, dass eben jene Straße wegen Lawinengefahr gesperrt werden muss. Die Alternative: ein Umweg, der um den Schneeberg herumführt und mit 80 Kilometer Strecke eine Garantie für eine Verspätung, wenn nicht sogar einen Ausfall des Unterrichtstages bedeutet. Der Schnee hält Schüler und Lehrer im Winter auf Trab. Und so sollten Letztere neben künstlerischen und pädagogischen Fähigkeiten auch zusätzliche

Lawinensperre der Höllentalbundesstraße.

Qualifikationen vorweisen: „Unsere Kollegen müssen winterfit sein – gutes Autofahren ist Voraussetzung“, schmunzelt Leiter Werner Gross. Beweisen können sie sich stets auf ein neues Mal. So kann es vorkommen, dass die Straßen noch nicht gestreut sind und man auf einer reinen Schneefahrbahn mit Vorderradantrieb verkehrt den Berg hinauffahren muss. Vorteile sieht Werner Gross jedoch auch im Winter: „Herausforderungen wie diese gemeinsam zu bewältigen, schafft Zusammengehörigkeit. Musikschule wird viel persönlicher, das Zwischenmenschliche trägt einen anderen Stellenwert.“ Man kennt einander und nimmt Rücksicht. Nicht nur einmal wurde mit einer Straßensperre gewartet, bis der letzte Musikschullehrer die Stelle passiert hat. Oder bei der Haltestelle der Busfahrer, der weiß, dass es die letzte Möglichkeit für eine Lehrerin ist, nach Hause zu kommen.

Weite, nächtliche Einsamkeit Im Waldviertler Musikschulverband Waldhausen / Großgöttfritz / Rastenfeld / Schweiggers ist es weniger der strenge Winter, es sind die großen Distanzen, der Nebel und das Glatteis, die das Team vor Schwierigkeiten stellen. Wobei auch hier der Schnee seines dazu beiträgt, dass Ortswechsel Stress verursachen und man es mit der Pünktlichkeit nicht immer ganz genau nehmen kann. Oder selbiger Schnee zum Verhängnis wird, wenn Lehrer nach 22.00 Uhr die Schule verlassen und auf nicht mehr geräumten Schneefahrbahnen die oft weite Heimreise antreten. Für den Musikschulleiter Alexander Kastner stellen die vier Standorte vor allem eine koordi-

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Reichenau an der Rax.

natorische Herausforderung dar. Bei den Stundeneinteilungen in den ersten drei Schulwochen muss er nicht nur Schülerwünsche berücksichtigen – viele Schüler besuchen die Pflichtschule in einem anderen Ort als ihrem Wohnort, in dem sie meistens jedoch in die Musikschule gehen –, sondern auch logistische Meisterleistungen vollbringen. So ist man beispielsweise an einem Standort in der Neuen Mittelschule untergebracht, teilt sich die Räume und muss dementsprechend Rücksicht nehmen. Wie in allen Musikschulen mit mehreren Standorten gilt für Lehrer das so oft genannte Stichwort „Flexibilität“. Eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist meist nicht möglich, ein Auto somit Pflicht. Genauso wie auch die zeitliche Organisation eine gewisse Dehnbarkeit benötigt. Und schließlich, so endet Alexander Kastner seine Schilderungen, viel Idealismus und Liebe zum Beruf sowie zur Musik. / Text: Katharina Heger Fotos: Hans Lanner Regionalmusikschulverband Reichenau an der Rax

BUCHTIPP

——————————————————— Peter Röbke: Musikschule – wozu? EUR 16,50 Hrsg. Volkskultur Niederösterreich, 2004 Erhältlich auf www.musikschulmanagement.at www.amazon.at


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