Mitteschön Magazin - Ausgabe 24

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Ausgabe 24, August 2012

Neues aus Berlin Mitte

dance, folks! deutsch + English

Volkstanz und tanzerbe Interview: Jefta Van Dinther Nachgehorcht: Animal Collective Mittes Monatsheft!



Editorial  3

Mitte ins herz Der August steht ganz im Zeichen der rhythmischen Körperbewegung. Neben all den Tanzwütigen, die sich allabendlich in den Clubs dieser Stadt in Ekstase zappeln, wird Berlin, anlässlich der beiden Tanzfestivals Tanz im August und Tanznacht Berlin, von der internationalen Tanzszene heimgesucht. Einer der Tanzprofis, die im Rahmen der Tanznacht auf der Berliner Tanzfläche erscheinen, ist Jefta van Dinther. Der Tänzer und Choreograf, der selbst am Wochenende gerne ins Berghain geht, erklärt uns im Interview, warum seine Arbeiten als „contemporary“ und nicht „zeitgenössisch“ bezeichnet werden. Damit sich die deutsche Popstar-Riege nicht wie steife Kartoffelsäcke zur eigenen Musik bewegt, gibt es Menschen wie Nikeata Thompson. Wenn die Britin mit jamaikanischen Wurzeln nicht gerade eine Choreografie für den renommierten Friedrichstadtpalast entwickelt oder selbst als Testimonial für Reebok vor der Kamera steht, coacht sie deutsche Musiker wie Jan Delay oder Frida Gold. Uns zeigt Nikeata in der Rubrik Glückstag ihre Lieblingsorte in Mitte. Des Weiteren erfahrt ihr von unserer Redakteurin Sophia, wie sie eine folkloristische Kindheit in Deutschland verbracht hat und welche Erfahrungen sie bei bulgarischen Volkstanz-Seminaren geprägt haben. Außerdem erwartet euch ein Interview mit Josh Dibb aka Deakin von Animal Collective, unsere MITTESCHÖN-Lieblingsstücke und unsere MIMU, die sich diesmal mit dem Thema Kindertanz beschäftigt. Viel Spaß beim Lesen! Eure MITTESCHÖN-Redaktion

Paul Schlosser In Wiesbaden gedeiht Pauls Leidenschaft und journalistische Hingabe für die Mode, bevor er vor vier Jahren dann hessische Heimatfilmidylle gegen Spree-Metropole tauscht. Bei MITTESCHÖN ist Paul seit der ersten Stunde dabei und im großen Maße für den modischen Einschlag des Hefts verantwortlich. Neben den Lieblingsstücken oder der monatlichen Gimme-Five-Rubrik ist der unersättliche Workaholic ebenfalls stark an der Konzeption und Umsetzung der fantasievollen Modestrecken beteiligt. www.paulmaximilian.tumblr.com

Johanna Ruebel Johanna ist eine richtige Globetrotterin. In Hamburg geboren, zog sie mit sieben Jahren nach Frankreich, um dann nach bestandenem Abitur erst einmal nach London zu gehen und Grafik und Design an dem Central Saint Martin College zu studieren. Obwohl ihr Schwerpunkt klar bei der Fotografie liegt, zeichnet sie gerne und arbeitet hin und wieder an Illustrationsprojekten. Außerdem mag sie Tee, Schildkröten und Literatur. Sie gehört zu jener Sorte Mensch, die die letzte Seite eines Buches zuerst liest. www.johannaruebel.blogspot.de

Oliver Janik Oliver Janik macht eigentlich Reklame. Und „so dies und das“ – beides in Mitte ja nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal. Seit Dezember 2010 schreibt er für MITTESCHÖN und okkupiert seither mit seiner Kolumne Hinweise auf Missstände und andere Belanglosigkeiten regelmäßig die letzte Seite. Nicht mehr wegzudenken sind seitdem seine Texte – ob über die Gewaltbereitschaft kommender Prenzl’berg-Che-Guevaras, Touristen-Tourette, Weltraumbahnhöfe, den Unterschied zwischen Kotau und Pan Tau, das Urkilo oder Concept Stores in der Wurstwarenindustrie, jeden Monat liefert Oliver ein buntes Panoptikum voll unnützer Gedanken. www.oliverjanik.wordpress.com


4   Impressum

Mitteschön no    24

Herausgeber

Toni Kappesz Veröffentlichung

Vollstrudel GmbH Schröderstr. 12 10115 Berlin, Germany Projekt Manager

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) ARTDIREction

Dörte Lange (doerte@mitteschoen.com) Grafikdesign

Nicole Pieloth (nicole@mitteschoen.com) Presse

Pelén Boramir (pelen@mitteschoen.com) Redaktion

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) André Uhl (andre@mitteschoen.com) Redakteure

Paul Schlosser, Bettina Schuler, Björn Lüdtke, Oliver Janik, Sophia Schwan, Pelén Boramir, Katharina Geißler, Melissa Frost, Sophia Hoffmann Fotografen

Tina Linster, Johanna Ruebel, Sophia Schwan ÜBersetzung

Nicholas Tedeschi (nicted@web.de), Robert Schlicht Lektorat

Katharina Geißler Anzeigenvermarktung

media@mitteschoen.com WEBSeITE:

www.mitteschoen.com

Projekt Manager online

André Uhl (andre@mitteschoen.com) Druck

Druckhaus Schöneweide Coverfoto:

Fotografie: Hannah Westermann, Styling: Dana Roski @ nude agency, Hair&Make-up: Eva Dieckhoff, Model: Rieke@ M4 Models


Inhaltsverzeichnis  5

INHALT / Content Wegweiser 6

Momentmal: DANCING WITH TEARS IN MY EYES

8

Konzerte und Ausstellungen Concerts and Exhibitions

10

Mitteschön Lieblingsstücke

21

Gimme five: Balsam für die FüSSe

32

Kochtipps vom Kochhaus

40

Englische Übersetzungen English Translations

45

Mitteschön Verlosung

47

Stadtplan City Map

kieztalk 12

Glückstag mit Nikeata Thompson

17

Neu in der Stadt: Mongrels in common

26

interview: Jefta van Dinther Interview: Jefta van Dinther

33

Wir Mitte-Muttis und der Kindertanz We Mitte Mums and Children’s Dance

38

Berliner Gesichter: Oliver Detelich, Tänzer Berlin Faces: Oliver Detelich, Tänzer

46

Kolumne: missstände und andere belanglosigkeiten

Kulturgut 18

Uferstudios: Und alle machen mit! Uferstudios: And everyone joins in!

23

illustrator des Monats: jacobo labella Illustrator of the Month: Jacobo Labella

30

Volkstanz: Und lieblich tönt der Dudelsack Folk Dance: And sweetly sounds the Bagpipe

31

Tanzfonds Erbe: Tanzt, Sonst ist der Tanz verloren!

34

Kunsttipps von EyeOut EYEOUT Art Events

35

filmtipps DER filmgalerie 451

36

Angehört und Nachgehorcht: Animal Collective


DANCING WITH TEARS IN MY EYES... Wenn Men-

schen plötzlich Pirouetten drehen, hüpfen und springen, kann dies an guter Musik liegen. Es passiert aber auch bei völliger Stille, beim

Spaziergang, bei Gesprächen in Cafés. Verzückt realisierte ich bei meinem Shooting mit Leslie Clio erst nach einigen Fotos, dass die grazilen Verrenkungen nicht der Kamera galten. Zum Tanze aufge-


fordert und ein schönes Bild eingebracht, hatte... eine Wespe. Heißen wir sie also willkommen, die kleinen Biester. Wer und was schafft es schon, uns so schnell Kopf – und Körper – zu verdrehen? Dennoch,

dies ist keine Hommage an die gemeine Wespe. Wohl aber ein Plädoyer für etwas weniger Selbstkontrolle, zumindest beim Tanzen. Tina Linster fängt für MitteSchön monatlich Berlin-Momente ein.


8   Veranstaltungstipps von Katharina Geißler & Pelén Boramir, Translation P. 40

TANZ IM AUGUST Festival 10. bis 25. August 2012 THEM: 15. & 16. August, HAU 2 Beginn: 20 Uhr, Eintritt: ab 15 Euro Drugs kept me alive: 16. & 17. August, Schaubühne, Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: ab 7 Euro Tanz ist Kommunikation und drückt Emotionen aus. In diesem Jahr widmet sich Tanz im August der Verbindung von Tanz und Sprache. Unter dem Motto Figures of Speech gibt es Stücke, die sich mit der gesprochenen oder geschriebenen Sprache beschäftigen – ob als rhythmischer Impulsgeber für die Bewegung, als schriftliche Grundlage einer Choreografie oder als narrative Ebene einer Inszenierung. THEM, 1986 uraufgeführt und 2010 wieder aufgenommen, thematisiert männliche Sexualität und Aggression. Getragen wird das vorwiegend improvisierte Stück des New Yorker Choreografen Ishmael HoustonJones von einem rohen Gitarrensound sowie von live gesprochenen Textpassagen über homosexuelle Identität, Drogenexzesse, Tod und Selbstmord. Drugs kept me alive, eine deutsche Erstaufführung von Jan Fabre, ist ein Monolog für einen Überlebenskünstler, der dem Tod immer wieder nur knapp entkommen ist. Ein Tänzer auf einem Drahtseil, zwischen Leben und Tod schwankend. Immer auf der Suche nach Rausch und Intensität. Neben verschiedenen Performances und Tänzen an unterschiedlichen Orten finden während des Festivals Publikumsgespräche, Filme, Partys und ein Rahmenprogramm mit Workshops, Konzerten und Yoga statt.

PINA BOY Songwriter-Pop Special Guests: Me And My Drummer + FOTOS Eintritt: ab 27,50 Euro 5. August 2012, Beginn: 18.30 Uhr

Film Eintritt: 6,50 Euro 13. August 2012, Beginn: 21.30 Uhr

Am Juliusturm 64

„Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren.“ 1985 hatte Wim Wenders ein Gastspiel der deutschen Tänzerin und Choreografin Pina Bausch in Venedig gesehen und war tief beeindruckt von dem Tanztheater, das sich ihm dort darbot. Das Vorhaben eines gemeinsamen Films schwebte lange Zeit im Raum, doch noch fehlte die geeignete Form, um Pinas revolutionäre Kunst aus Bewegung, Gestik, Sprache und Musik im Raum umzusetzen. Mit dem Einzug des 3D-Films in die Kinos im Jahre 2007 schien diese Form gefunden zu sein. Der Tanzfilm Pina nimmt die Zuschauer auf eine sinnliche, bildgewaltige Entdeckungsreise mitten hinein auf die Bühne und hinaus aus dem Theater in die Stadt und das Umland von Wuppertal. Pina ist nicht nur einer der ersten europäischen 3D-Filme überhaupt, sondern auch der weltweit erste 3D-Arthaus-Film. Mithilfe dieser Technik unterstreicht Wim Wenders die Grenzüberschreitung des Tanztheaters – jene Grenze zwischen Bühne und Zuschauer, welche die Choreografin mit ihrer Kunst aufhob. Zwei Tage vor dem geplanten Probedreh mit dem Ensemble des Tanztheaters Wuppertal verstarb die Grande Dame des Tanztheaters ganz plötzlich im Alter von 69 Jahren. Wim Wenders entschloss sich, das Projekt ohne sie umzusetzen, und so wurde daraus ein Film zu Ehren von Pina Bausch.

www.zitadelle-spandau.de

Freiluftkino Kreuzberg

Sehnsüchtiges Warten auf den Anruf nach dem ersten Date, wehmütiger Abschied von der alten Heimat, melancholisches Warten auf ein neues Leben, während der Alltag an einem vorbeizieht – Boy und ihre Lieder kommen ganz unaufgeregt daher. „This is the beginning of anything you want“, heißt es am Anfang ihres Debüts Mutual Friends. In den Songs geht es um Aufbruch und Neuanfänge. Davon kann Valeska Steiner aus Zürich ein Lied singen. Nachdem sie Sonja Glass beim Popkurs in Hamburg kennengelernt hatte, zog sie in die Alsterstadt und gründete mit ihr das gemeinsame Projekt Boy. Fast alle Instrumente haben die beiden selbst eingespielt, lediglich für die Drums heuerten sie Thomas Hedlund von der befreundeten französischen Band Phoenix an. Mit ihrem poetischem Realismus, der aus eigenen Erfahrungen gespickt ist, und ihrem verspielt-melodiösen und äußerst lebendigen Pop touren Valeska und Sonja seit dem letzten Jahr quer durch Deutschland und die Schweiz. Am 5. August spielen Boy im Rahmen des Citadel Music Festivals auf der Zitadelle Spandau. Zitadelle

Schaubühne: Kurfürstendamm 153

Im Hof des Kunstquartiers Bethanien

HAU 2: Hallesches Ufer 32

am Mariannenplatz 2

www.tanzimaugust.de

www.freiluftkino-kreuzberg.de


Veranstaltungstipps von Katharina Geißler & Pelén Boramir, Translation P. 40  9

ZEITLOS SCHÖN Ausstellung Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 5 Euro 18. August bis 28. Oktober 2012 Eröffnung: 17. August 2012, Beginn: 19 Uhr Öffnungszeiten: täglich von 11 – 20 Uhr Sie bewegt sich zwischen Industrie und Kunst, hat sich immer wieder neu erfunden und spiegelt den Zeitgeist der jeweiligen Dekaden wider – die Rede ist von Modefotografie. Verführerisch, provokativ oder exzentrisch hält sie uns unsere eigenen Sehnsüchte vor Augen. Parallel zur Weiterentwicklung der Technik hat die Modefotografie immer wieder neue Ästhetiken entworfen. Das Objekt selbst, die Mode, verlor zunehmend an Bedeutung und die Bildsprache des Fotografen drängte sich stattdessen immer mehr in den Vordergrund. Auch das Model selbst rückte im Laufe der Zeit stärker in den Fokus. Reine Modeaufnahmen reichen heutzutage nicht mehr aus – innovative, unverkennbare Styles und Images sollen geschaffen, neue Tabus gebrochen werden. Zeitlos schön – 100 Jahre Modefotografie gewährt einen Überblick über dieses hochinteressante Genre und seine Entwicklung von klassischen Bildkompositionen der Gründungsväter wie Edward Steichen und George Hoyningen-Huene über die experimentelle Fotografie von Erwin Blumenfeld und Irving Penn, die Sexualisierung und den Voyeurismus von Helmut Newton bis hin zu den neuesten Arbeiten von Mario Testino und Tim Walker.

Krümelmonster Party Party Eintritt: ab 8 Euro 16. August 2012, Beginn: 23 Uhr Das Cookies in der Friedrichstraße ist wohl jedem ein Begriff. Ob Dienstag, Donnerstag oder Samstag – die Berliner unter uns kennen den Kultclub, der sich kürzlich einem kompletten Umbau unterzogen hat und nun in neuem Design glänzt. Vielseitige Musik, namhafte DJs und angenehme Leute laden zum Feiern ein. Für ein optisches Highlight sorgen regelmäßig Rapper Harris & DJ Maxxx, wenn sie mit ihrer legendären Krümelmonster Party den kleinen Floor des Cookies aufmischen: Blaue Wände, blaue Decke, blaue Plattenspieler, blaue Strohhalme und blau leuchtende Eiswürfel. Da schauen selbst die Stammgäste nicht schlecht und denken sich: „Die haben doch nicht mehr alle Kekse im Schrank!“ Doch, haben sie, und diese gibt es auch gratis, denn schließlich haben die tanzenden Gäste, passend zum Motto des Abends, auch immer Hunger auf Keeekseee! Seit über einem Jahr füllen die Jungs nun den Abend mit Hip-Hop-Musik und schaffen es, aus einem regulären Clubbesuch eine Sesamstraße für Erwachsene zu machen. Cookies Unter den Linden 41

C/O Berlin im Postfuhramt

10117 Berlin

Oranienburger Straße 35/36

www.cookies.ch

www.co-berlin.com

www.djmaxxx.de

Jacques Palminger & The Kings of Dub Rock Konzert Eintritt: 15,70 Euro 30. August 2012, Beginn: 21 Uhr Jaques Palminger, König der Sprechschimpfkunst, Meister knochentrockener Lebensweisheiten und Experte für angewandte Alltagsphilosophie glänzt bald wieder auf der Bühne des Festsaals Kreuzberg. Bekannt geworden als Mitglied von Studio Braun, dem auch Rocko Schamoni und Heinz Strunk angehören, tourt er seit Jahren mal solo, mal gemeinsam mit seiner Band The Kings of Dubrock oder seit Neuestem auch dem 440 Hz Trio durch deutsche Lokalitäten jeglicher Couleur. Doch Palminger will mehr: Sowohl als Schauspieler bei der Inszenierung Heinrich IV am Züricher Schauspielhaus als auch als Hörspielautor mit seinen Einschlafgeschichten für Männer macht er eine gute Figur. Am letzten Donnerstag im August werden Rica Blunck, Viktor Marek und Jaques Palminger aka The Kings of Dub Rock in der Skalitzer Straße die Geschichte des Trios von ausnehmender Hässlichkeit erzählen und dabei klassischen Tüdeldub durch die Boxen kloppen. Festsaal Kreuzberg Skalitzer Straße 130 www.festsaal-kreuzberg.de


10   Lieblingsstücke

Mitteschön Lieblingsstücke Texte Paul Schlosser

No more ugly! Ist: zu schön, um im Jutebeutel versteckt zu werden Kann: praktisches Fashion-Accessoire sein Kostet: 89 Euro Mittlerweile verlassen wir unsere Wohnung kaum noch ohne unseren tragbaren Begleiter mit der harten Schale. Umso ärgerlicher ist es, dass Notebookhüllen in schönen, zeitlosen Designs nach wie vor Mangelware sind. Eine Kommilitonin von mir hatte ihr elektronisches Ungetüm bislang – eingewickelt in ein Badetuch – zusammen mit anderen Habseligkeiten in einer Tragetasche untergebracht, bis uns in der Mensa dann neulich Sand aus dem DVD-Laufwerk entgegenkam. Merke: Spezielle Laptoptaschen haben ihre Berechtigung. Also begaben wir uns gemeinsam auf die Suche nach einer geeigneten Tasche. Diese sollte sowohl bei Businessterminen mit der Garderobe meiner Freundin mithalten können, gleichzeitig aber auch robust genug sein für Zugfahrten und den Transport auf dem Fahrrad. Fündig wurden wir dann bei Zookie. Das Berliner Label bietet sechs tolle Modelle an, die genau diese Faktoren kombinieren und den Liebling garantiert sicher und cool durch die City bringen. www.zookie.de

Get into the Groove Ist: längst überfällig gewesen Kann: mit dazugehöriger CD genossen werden Kostet: 39,99 Euro Voguing war nie wirklich weg. Auch wenn diese einzigartige afroamerikanische Tanzform lange zu einem Dasein im Untergrund verdammt war. Erst die notorische Stil- und „Trendstaubsaugerin“ Madonna ließ im Jahr 1990 in dem Video zu ihrer Single Vogue ein Herrenballett den auf Modelposen basierenden und entsprechend stolz-narzisstischen Tanz mit seinen affektierten Posen und exaltierten Armbewegungen ausführen und machte Voguing, dass die schwule Ballroomszene im New Yorker Stadtteil Harlem jedoch schon lange vorher dominierte, einem globalen Millionenpublikum bekannt. Heute schummeln sich die Posen wieder in die Popkultur. Acts wie Hercules & Love Affair und Azari & III verwenden in ihren Videos etwa Vogue-Elemente als perfekte Dekoration für ihre queeren House-Entwürfe. Umso verwunderlicher ist es, dass es bis heute kein Buch zu diesem Thema gegeben hat. Auf gut 250 Seiten schlägt das Buch Voguing and the House Ballroom Scene of New York City 1989-92 nun endlich einige historische Eckpfeiler auf engem Raum ein und verdeutlicht die Kontinuitäten der queeren New Yorker Ballszene abseits der Jahre im grellen Schweinwerferlicht. www.artbook.com


Lieblingsstücke  11

Feuchte Träume Ist: eine Sünde wert? Kann: Fashionistas vor Regenfällen schützen Kostet: 750 Euro Dass man bei Burberry schon immer einen Hang zu schlechten Wetterbedingungen hatte, beweist ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des britischen Traditionsunternehmens. Thomas Burberry erfand schon Ende des 19. Jahrhunderts den robusten Stoff Gebardine. Sein Ziel war es, einen wind- und wetterfesten Regenmantel zu konstruieren, der dennoch atmungsaktiv war. Nicht zuletzt wegen der kreativen Regie von Christopher Bailey, der den sogenannten Brit Chic erfand, gilt der Burberry-Trenchcoat noch heute als absoluter Verkaufsschlager. Falls dieser mal nicht zum Alltagsoutfit passen oder man die nötigen 2000 Kröten doch nicht parat haben sollte, muss man sich eben mit dem rockig-grünen Schirm und seinem nietenbesetzten Griff durch die verregneteste Wetterfront kämpfen. www.luisaviaroma.com

Freches Früchtchen Ist: ein freches Kleid in frischen Farben Kann: die Suche nach dem richtigen Outfit erleichtern Kostet: 56 Euro Während manche Leute zwei Stunden am Tag auf dem Crosstrainer verbringen müssen, um nicht selbst irgendwann wie eine Melone auf Stelzen auszusehen, haben es Andere dagegen leichter und sind von Natur aus mit einer Bikinifigur gesegnet, die es ihnen erlaubt, sich im Sommer problemlos wie ein Kürbisgewächs kleiden zu können. Falls ihr selbst auch zu den Glücklichen gehört, sei euch das leichte Kleidchen von Reverse empfohlen. Das australische Label ist bekannt für seine auffälligen Designs und die entspannte Aussie-Ästhetik. Der plakative Print des lässigen Tank-Top-Dresses stellt eine abstrahierte Wassermelone dar, welcher den Männern ganz sicher das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. www.idontlikemondays.us

Mit den Augen Henrik Vibskov Ist: eine Zeitreise auf die Vibskov-Art Kann: Sonnenschutz und Blickfang zugleich sein Kostet: 195 Euro Henrik Vibskov ist bekannt für konzeptionelle Kollektionen mit einer Prise Humor. Der dänische Designer legt großen Wert auf die Verschmelzung verschiedener Kunstformen und verbindet die Bereiche Mode, Musik und Kunst gerne mal zu einem poppig-verspielten Gesamtkonzept. Auch bei dem in Zusammenarbeit mit einem spanischen Label entstandenen Sonnenbrillenmodell weiß man nicht so recht, ob es sich dabei mehr um Kunstobjekt oder praktisches Modeaccessoire handelt. Die runde Hornbrille aus Fensterglas mit abnehmbaren Clip-On-Sonnenbrillengläsern hat den gruseligen Effekt, dass sie ihre Träger wie einen frühen Disneycharakter aus den 30ern aussehen lässt. Das alleine finden wir wirklich großartig. Bitte mehr davon! www.medwinds.com



Glückstag  13

Das Herz schlägt schneller Text Sophia Hoffmann  Fotos Johanna Ruebel  Translation P. 41

Im Grunde hat diese Frau in den letzten Jahren fast allen namhaften deutschen Musikern aus dem Pop-Bereich geholfen, sich noch besser zur eigenen Musik zu bewegen. Wenn sie nicht gerade eine Choreografie für den renommierten Friedrichstadtpalast entwickelt oder selbst als Testimonial für Reebok vor der Kamera steht, schlendert die Tänzerin Nikeata Thompson am liebsten durch Mitte und versprüht gute Laune!


14   Glückstag

Wir treffen Nikeata vor dem Soho House in der Torstraße. Schon aus der Ferne winkt sie fröhlich herüber, trägt eine Kappe des Londoner In-Labels BOY – die Gefahr, sie für einen solchen zu halten, geht gleich null – mit schwindelerregend hohen Hacken tänzelt sie anmutig über das Kopfsteinpflaster, die Paillettenstickerei ihres Oberteils flirrt in der Sommersonne. Nach einer freundlichen Begrüßung gehen wir ins Soho House. Den Privatclub mit dem leicht elitären Flair nutzt sie oft und gerne, um auszuspannen. Da man hier leider keine Fotos machen darf, packen wir unsere Kamera erst mal beiseite und begeben uns auf die Dachterrasse mit dem beeindruckend urbanen Ausblick auf die Silhouette Berlins samt Fernsehturm. Bei einer Pommes rotweiß, natürlich stilvoll serviert auf feinstem Porzellan mit Stoffserviette, erzählt sie locker von ihrem Werdegang und wie sie dazu gekommen ist, bekannte Künstler wie Lena Meyer-Landrut oder Frida Gold zu coachen. Als Kind jamaikanischer Eltern im britischen Birmingham geboren („Man nennt uns Brummies“), ging sie nach dem Umzug nach Köln in Deutschland zur Schule und beschreibt sich selbst als Mischung aller drei Nationalitäten. Klar verfüge sie über ein außerordentliches Temperament, träumen hingegen würde sie aber seit jeher nur auf Deutsch. Als Jugendliche war sie Leichtathletin bei Bayer Leverkusen, doch irgendwann kam der Punkt, an dem sie dem jahrelangen Druck des Leistungssports entfliehen wollte. Sie ging auf Partys und tanzte, tanzte, tanzte. Dies offenbar so gut, dass in ihrem Umfeld immer mehr Stimmen

laut wurden, die nach einer Professionalisierung dieser Leidenschaft riefen. Und so kam es zu ersten Engagements, als Background-Tänzerin für Live-Shows und Videodrehs. Ihre positive Energie am Set sprach sich schnell herum, und so wurde die bildhübsche Nikeata zunehmend darum gebeten, nicht nur vor der Kamera zu agieren, sondern auch den professionellen Job des Artist Coachings zu übernehmen. „Ich komme ja ursprünglich aus dem Hip-Hop-Bereich und hatte schon anfänglich meine Vorbehalte gegenüber anderen Musikstilen. Aber ich sah es als Herausforderung, und so gehe ich nach wie vor Projekte an, die neu für mich sind. „Mit zunehmendem Alter wird man mutiger“, gesteht sie zwischen zwei Bissen. Grinsend fügt sie hinzu: „Als die Anfrage vom Friedrichstadtpalast kam, habe ich das erst mal an meine Agentin weitergeleitet, weil ich der Sache nicht traute – Was wollen die mit mir?“ Doch die Verantwortlichen des geschichtsträchtigen Revuetheaters mit der angeblich größten Showbühne der Welt, meinten es bitterernst, und so hat Nikeata gerade schon ihren zweiten Choreografie-Auftrag bekommen, worauf sie sehr stolz ist. Nur, als man sie dort nach einer Bezeichnung für ihren Tanzstil fragte, hatte sie keine vernünftige Antwort parat. Überhaupt sei sie keine große Planerin, diszipliniert und leidenschaftlich in ihrer Arbeit, aber immer offen für neue Entwicklungen und Aufgaben. Die Pommes sind gegessen und wir machen uns auf, um den Glückstag ins Rollen zu bringen. Entspannung bedeutet für Nikeata Freunde zu treffen, shoppen

und schön essen zu gehen. „Ich bin einfach gerne unter Menschen“, spricht’s und springt wie ein junges Reh elegant über die stark befahrene Torstraße zum Bold Room, einem Gallery Space, der momentan als Pop-up-Store für Designer aus Island und anderen nordischen Ländern dient. Sie kennt die Betreiber der Location und wir machen ein paar schicke Fotos im großen Doppelbett, das einladend im Zentrum des Ladenlokals steht. Draußen im nächsten Hauseingang liegt ein Müllsack mit einem Zettel „Pfandflaschen zu verschenken“ darauf – so was gebe es in Neukölln nicht, wo Nikeata seit einer Weile wohnt. Sie mag es dort und findet es immer wieder lustig, wenn Teile ihrer Klientel leicht schockiert auf den noch immer als anrüchig geltenden Stadtteil reagieren. Früher sei sie nur in Kreuzberg abgehangen, und eine Adresse dort möchte sie den Lesern unbedingt ans Herz legen: Atlas Pancakes in der Forster Straße, ein Restaurant mit Spezialisierung auf die amerikanischen Kalorienbomben, das Freunde von ihr vor Kurzem eröffnet haben. Dass sie eine passionierte Networkerin und ein extrem offener Mensch ist, merkt man immer wieder an der Art, wie sie mit blitzenden Augen von den Projekten ihrer Freunde schwärmt. Beiläufig passieren wir das Möbel Horzon, jenes von Rafael Horzon 1999 gegründete Möbelgeschäft, das eigentlich nur ein Design, nämlich sein mittlerweile legendäres Regal vertreibt. Da ruft Nikeata: „Hey, der hat mein Bett gebaut“ und klopft an der Tür. Der Mitarbeiter, der uns öffnet, ist etwas verwirrt, lässt uns aber gewäh-


Glückstag  15

Dudu

Shusta

Dudu


16   Glückstag

Bold Room

ren und wir machen Fotos vor der Kulisse der Horzon'schen Regalwände. Es sei eine Sonderanfertigung gewesen und das beste Bett der Welt, schwärmt sie überschwänglich! Während wir Richtung Rosenthaler Platz schlendern, frage ich sie nach ihren Plänen für die Zukunft. Wie schon vorhin erwähnt, sei Pläne machen nicht so ihr Ding, aber ein Anliegen sei es auf jeden Fall, den Tanznachwuchs in Deutschland zu fördern, das Potenzial, das absolut vorhanden sei, auf ein internationales Level zu hieven und dem Rest der Welt zu zeigen: Wir haben tolle Tänzer hier! Zu diesem Zweck und auch, weil es so etwas in Deutschland kaum gebe, hat sie eine Agentur zur Vermittlung von Tänzern im Showbusiness-Bereich gegründet. Klar hätte sie nichts dagegen, auch mal mit großen amerikanischen Künstlern zu arbeiten, aber ihr Zuhause sei Berlin und hier wolle sie vorerst bleiben. Nun sind wir am DuDu angelangt, einem schicken Restaurant, dass neben erstklassigem Sushi unzählige Fushion-Gerichte mit asiatischen und karibischen Einflüssen sowie gut gemixte Cocktails auf der Karte hat. Nikeata ist Stammgast und liebt es, hier mit Freunden essen zu gehen und zwischen der üppigen Flora der Terrasse zu vergessen, dass man eigentlich an einer stark befahrenen Straße mitten im Zentrum der deutschen Hauptstadt diniert. Ein GroßstadtIdyll. Unsere letzte Station ist der Schuhladen Shusta in der Rosenthaler Straße, auch hier besuchen wir einen Freund von ihr. Der Shop bietet schöne, gutgearbeitete Schuhe in modernem, aber doch schlicht-eleganten Design zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein bisschen

Möbel Horzon

ausgefallen darf es aber dann doch sein und so stechen Nikeata als erstes türkise Wedges in Schlangenhaut-Optik ins Auge. Gekauft werden sie heute nicht, dafür herzt sie den Verkäufer und erkundigt sich ausführlich nach seinem werten Befinden.

Soho House Torstraße 1 www.sohohouseberlin.com Bold Room Torstraße 68 www.boldberlin.com

Trotz der Herzlichkeit und Offenheit gehört auch eine ordentliche Portion Diva zum Gesamtkonzept Nikeata Thompson. Sie ist eine Frau, die weiß, was sie will, und das auch verlautbart. Gut so, sie besitzt das Spezial-Gen, das Passanten dazu bringt, sich auf der Straße nach ihr umzudrehen. Das jamaikanische Blut lasse ihr Herz einfach etwas schneller schlagen, hatte sie uns am Anfang erklärt. Jetzt wissen wir, was damit gemeint ist.

Möbel Horzon Torstraße 106 www.modocom.de Restaurant DuDu Torstraße 134 www.dudu-berlin.de Schuhgeschäft Shusta Rosenthaler Straße 72

Mehr Infos über Nikeatas Projekte unter:

www.shusta.de

www.nikeatathompson.com oder auf ihrem Blog:

Atlas Pancakes

www.evewithoutadam.net/nikeata-thompson

Forster Straße 5 www.atlasberlin.com


Neu in der Stadt  17

Mongrels in Common Text Björn Lüdtke  Fotos Stefan Knauer, Cathleen Wolf

„Mongrelism“ nennen die beiden Designerinnen des Labels Mongrels in Common die Essenz ihrer Kollektion, die ab sofort in ihrem Laden in Mitte zu haben ist. Neu ist das Fashion-Label Mongrels in Common zwar nicht. Seit 2006 designen Livia Ximénez-Carrillo und Christine Pluess erfolgreich Mode für Frauen. Neu ist aber, dass man ihre Entwürfe in Mitte kaufen kann, und zwar direkt ab Atelier. Eigentlich war der Raum in der Tieckstraße nur als solches gedacht, weil aber immer wieder potenzielle Käuferinnen Interesse zeigten, wurde die vordere Fläche zum Laden umfunktioniert. Ihre Kundschaft sei sehr vielseitig: „Durch den Laden haben wir eine enorme Nähe zur Kundin, und da sehen wir, dass es Frauen von 20 bis weit über 70 sind. Insbesondere unsere Blusen sind sehr beliebt bei allen, denn sie sind elegant, ohne adrett zu sein. Sie fließen lässig am Körper entlang, haben aber gleichzeitig einen klaren Schnitt. Gerade die Piercing-Blusen mit glänzenden Metallstäben in Gold oder Silber statt Knöpfen sind einzigartig und very mongrels“, meint Pluess.

sich die beiden Urlaubsbilder von Ximénez-Carrillos Trip nach Island angeschaut haben. Wie der blinde Sänger wohl das Land erfahren hätte?

Mongrels in Common Tieckstraße 29 Öffnungszeiten Mo bis Sa,

Satin mit „nassem“ Griff, Mischgewebe mit „moosiger“ Struktur, Mikrofaser mit angerauter Oberfläche und viel fließende Seide erwarten die Kundin in dieser Saison. Wollkleider haben – Ton in Ton – Einsätze aus Jersey, Kaschmir und Moos, Blusen transparente Teilausschnitte, Kaschmirmäntel und Blazer angesetzte Ärmel oder Revers aus Moos: „Texture Blocking“ statt „Colour Blocking“. Auch im Frühjahr und Sommer 2013 wird es wieder gegensätzlich: Mods, die Baseball spielen... Wenn es aber jemand schafft, diesen Kontrast glaubwürdig und zeitgemäß in Mode zu übersetzen, dann das Team von Mongrels in Common.

Wer jetzt Lust auf Mongrelism bekommen hat, der geht direkt in die

Inspirieren lassen sich die beiden Designerinnen immer wieder von Gegensätzen, die sie gekonnt in ihren Kollektionen vereinen. Für den kommenden Herbst und Winter darf sich der Mongrels-Fan auf eine sinnliche Reise durch Island freuen, zum Soundtrack von Stevie Wonder! Dessen Musik lief im Hintergrund, als

Shop

Tieckstraße 29 in Mitte. Außerdem bekommt ihr die Kollektion bei F95 in der Luckenwalder Straße 4–6, direkt an der U-Bahn-Station Gleisdreieck oder über mongrels-in-common-online-shop.com.

10 – 18 Uhr oder Termin nach Vereinbarung


18   Kulturgut

und alle machen mit Text André Uhl  Fotos Sophia Schwan

„Tänzer und Choreografen sind das kommunikativste Völkchen, das mir bisher untergekommen ist“, sagt Barbara Friedrich, Geschäftsführerin der „Uferstudios“. Daraus spricht nicht etwa Hohn, sondern, im Gegenteil, ehrliche Bewunderung für eine Gruppe von Künstlern, die Austausch und Partizipation zu ihren grundlegenden Arbeitsprinzipien zählt. Das Berliner Zentrum für zeitgenössischen Tanz verfolgt diese Prinzipien konsequent und erregt damit Aufmerksamkeit in der internationalen Tanzszene. Nett sieht es aus, wie sie dort in der Runde sitzen und ein kleines Barbecue veranstalten. Die Studenten sind gut gelaunt und unterhalten sich lebhaft mit ihren Kommilitonen von der renommierten Tanzschule „SNDO“ aus Amsterdam, die gerade zu Gast sind. Hier im zentralen Innenhof der „Uferstudios“ kreuzen sich die Wege aller, die in dem riesigen Gebäudekomplex aus roten Klinkersteinen lernen, lehren, arbeiten. Auf dem Gelände am Ufer der Panke, wo über hundert Jahre Straßenbahnen in Schuss gehalten wurden, schlägt heute das Herz der Berliner Tanz- und Choreografenszene.


Kulturgut  19

Juan, einer der Studenten des HZT, dem hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin, zog 2009 nach Berlin. Der 27-Jährige ist aufgeschlossen und hat ein einnehmendes Wesen. „Ich war damals sehr neugierig, weil der Studiengang gerade noch ganz neu war. Bei der Zulassung habe ich direkt gemerkt, dass ich hier genau richtig bin.“ Obwohl der Chilene bereits diplomierter Soziologe ist, sieht er in dem Studium eine Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. „Das Besondere im Vergleich zu anderen Tanzschulen ist, dass eine technische Begabung nicht über die Aufnahme entscheidet. Viel wichtiger ist die Frage, ob man sich für bestimmte Themen interessiert und sich bereits Gedanken dazu gemacht hat.“ Natürlich lockte auch die Stadt, die gerade auch für Tänzer und Choreografen immer attraktiver wird. Die Tatsache, dass alle sich hier im zentralen Innenhof über den Weg laufen, ist mehr als ein netter Nebeneffekt. Die Uferstudios wurden von Beginn an als Begegnungsstätte konzipiert. Presseverantwortlicher Björn Frers erklärt: „Offenheit, Austausch und Partizipation stehen hier ganz klar im Fokus. Durch die Kombination aus Aufführungs-, Ausbildungs- und Probeort können ganz neue

Formate angeboten und neue Türen geöffnet werden.“ Diese Idee spiegelt sich auch in der Mieterschaft wieder: Neben dem HZT, das einen Teil der 14 Studios für die Ausbildung der Studenten nutzt, befinden sich hier das ada – Studio & Bühne für zeitgenössischen Tanz, das Proben anbietet und Aufführungen veranstaltet, die Tanzfabrik Berlin, die es seit über 30 Jahren gibt und deren Räume in Kreuzberg nicht mehr ausreichten, das Tanzbüro Berlin als Informations- und Schnittstelle zwischen Politik und freier Szene, und schließlich noch ein paar Freischaffende. So führen die Uferstudios einmal durch die Biografie eines Choreografen: von der Ausbildung bis zum etablierten Künstler. Dass sich dieses Zentrum für zeitgenössischen Tanz am Pankeufer entwickeln konnte, ist unter anderem Barbara Friedrich, Geschäftsführerin der Uferstudios, zu verdanken. „Freiberufliche Künstler mussten in Berlin viele Jahre unter schlechten Bedingungen arbeiten“, erinnert sie sich. „Professionelle Tänzer probten in Schulen, Kirchen, Kellern und was weiß ich, wo noch überall. In den Aulas sind bei den Proben ständig Leute durchgelaufen, darunter litten die Produktionen.“ Um die Zustände zu verbes-


20   Kulturgut

sern, schloss sich 2004 das Netzwerk Tanzraum Berlin zusammen, gemeinsam mit renommierten Häusern und Veranstaltern begann die Lobbyarbeit und die Suche nach geeigneten Räumen. 2008 kam das Angebot, die ehemaligen Werkstätten der BVG zu beziehen. „In der großen Halle eine Breite von 16 Metern ohne Säulen. Das waren die ersten Räume, welche die Anforderungen wirklich erfüllten. Auch den Bezirk Wedding und die Lage hier fanden wir spannend: nach vorne raus das quirlige Leben auf der Badstraße, nach hinten raus wie auf einem Dorf. Die Freifläche, die komplette Ebenerdigkeit, die Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe bildende Künstler angesiedelt sind, all das war ideal.“ In dieser Zeit wurden auch die drei Studiengänge des HZT ins Leben gerufen: der Bachelorstudiengang Tanz, Kontext, Choreographie sowie die beiden Masterstudiengänge Solo, Dance, Authorship und Choreographie. Von Anfang an war klar: Lehrpläne und Uferstudios bilden eine Einheit. „Die Trennung zwischen Praxis und Theorie sollte weitgehend aufgehoben werden. Das hatte auch eine räumliche Komponente. Wenn man für eine spätere Praxis ausbilden will, muss es schon während des Studiums möglichst viele Verbindungen zur Praxis geben. Und womit schafft man Verbindungen? Natürlich durch Begegnungen – also durch einen gemeinsamen Ort“, so Friedrich. Ein einfaches wie effektives Konzept: gemeinsamer Raum als Voraussetzung für Kommunikation, Kommunikation als Übergang zur Partizipation. So hat zum Beispiel die Choreografin Isabelle Schad eine Zeit lang ein offenes Format angeboten, wo bei den Proben nicht nur zugeschaut, sondern teilgenommen werden konnte. Daraus entwickelte sich eine neue Produktion. So einfach kann’s gehen. Partizipation wird also gefördert, aber nicht forciert. Es gibt keine Vorgaben für die Choreografen, öffentliche Proben oder Diskussionen abzuhalten. Alles soll sich von selbst entwickeln. Mit ihren langjährigen Erfahrungen in der Szene weiß Barbara Friedrich, dass dies der beste Weg für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist. „Choreografen sind von Haus aus Gruppenmenschen, sie denken oft im Kollektiv. Die Hierarchie, die es zum Beispiel im Theater gibt, löst sich hier auf. Alles entsteht während des Prozesses,“ erklärt Friedrich. Organisierte Kooperationen gibt es allerdings auch. Wie zum Beispiel die Tanznacht Berlin 2012, die Ende August stattfindet. Kura-

torin des diesjährigen Festivals ist Inge Koks vom Amsterdamer Frascati Theater. Zwar ist Koks mit der Berliner Tanzszene bestens vertraut, dennoch hat sie sich einen Blick von außen bewahrt. Den Veranstaltern der Tanznacht war das wichtig. Das Thema in diesem Jahr lautet schlicht und ergreifend Berlin, und eine gewisse Distanz erleichtert womöglich die Annäherung an das Thema. Doch was genau macht die Berliner Szene aus? „Zunächst ist sie vielschichtiger als in anderen Metropolen, weil in den letzten Jahren immer mehr Leute von außen ihre Einflüsse eingebracht haben,“ erklärt Koks. „Außerdem bewegen sich viele junge Choreografen in Berlin gerade etwas weg vom rein Konzeptuellen. Sie erforschen wieder mehr den Körper, in den Stücken ist mehr Bewegung, die Musik spielt wieder eine größere Rolle. Das ist natürlich auch für den ungeübten Zuschauer spannend, weil man eine gute Erfahrung haben kann, ohne jedes Detail verstehen zu müssen. Die Stimulation der Zuschauer erfolgt unmittelbar.“ Dem Thema Berlin nähert sich die Tanznacht auf verschiedenen Ebenen: Durch den Einbezug des städtischen Raums, wie etwa des Projekts X-Choreografen, bei dem 17 Nachwuchskünstler ihre Arbeiten rund um den Kurfürstendamm präsentieren. Auch durch das Einbeziehen der Bewohner wie bei Ufer/Outside, einer Zusammenarbeit mit der Erika-Mann-Grundschule in Wedding, um die direkte Nachbarschaft der Uferstudios auf die Aktivitäten aufmerksam zu machen; und schließlich auch inhaltlich, wenn bei Oral Dance Histories die Geschichte des Berliner Tanzes aufgearbeitet wird. Die zeitliche Überschneidung mit dem etablierten Berliner Festival Tanz im August ist kein unglücklicher Zufall, sondern nach Aussage der Macher einer gegenseitigen Befruchtung geschuldet. Die internationale Presse kommt eher in die Stadt, wenn beide Veranstaltungen in einem engen Zeitrahmen stattfinden. Auch Veranstaltern fällt die Entscheidung für eine Berlinreise leichter. Und schließlich entscheiden sie über das weitere Aufführen der Produktionen im Rahmen von Gastspielen. So können Synergieeffekte genutzt werden, wie man so schön sagt. Die Programme der beiden Festivals sind aufeinander abgestimmt und manche Stücke werden in Kooperation aufgeführt. Auch die Abschlussparty wird gemeinsam veranstaltet – und alle machen mit. www.uferstudios.com, www.tanznachtberlin.de


Gimme Five  21

Gimme Five balsam für die füSSe Text Sophia Schwan

Schummriges Licht, gedämpfte Musik, eine tanzende Frau in fließender Seide schwebt auf schwindelerregend hohen Absätzen durch den Raum. Für Normalsterbliche ist dies ein Wunschbild. Pumps gehen doch eher mit Blut, Blasen und Schmerzen einher. Wer sich trotzdem auf High-Heels ins Nachtleben stürzt: Hier ist unsere fünf-sprossige Leiter aus Tipps, die euch dem Zwölf-Zentimeter-Traum näher bringt

01

Ballerina To Go Partynächte auf Pumps: Spätestens in zwei Stunden sind für die meisten Frauen die Schmerzen unerträglich. Die nächstbeste Sitzoption wird sofort ausfindig gemacht, auch wenn es vorerst eine Bodenecke ist – egal, Schuhe aus. Um das Dauer-Genörgel ihrer Freundinnen nicht mehr ertragen zu müssen, erfand Isabella Fendt aus München einen Automaten, der nicht mit M&Ms und Snickers gefüllt ist, sondern mit Ballerinas in vier schillernden Farben. Wie ein Zigarettenautomat wählt man seine beliebige Größe, schmeißt vorher die sieben Euro rein und erhält dann die Erlösung im Stoffbeutel.

02

Deliziöse Einlagen Kalbfleisch Carpaccio ist nicht nur eine Delikatesse, die bei Vegetariern, Veganern und Tierliebhabern einen finsteren Blick erzeugt, es wird auch als eine beliebte Schuhpolsterung eingesetzt, mit denen Revuetänzerinnen ihre fünfzehn Zentimeter hohen Geschosse füttern. Der „Godfather“ des Stöckelschuhs, Christian Louboutin, musste einst in seiner Praktikanten-Zeit beim Folies Bergère in Paris kiloweise weißes Kalbfleisch Carpaccio einkaufen. Wer schön sein will, muss also doch nicht leiden, dafür aber das Kalb.

03  Die Alexander-Technik Die Finger der Orthopäden fangen an zu zucken, sobald ein Absatz in Sicht ist. Haltungsschäden, Ballenzehen, Rückenprobleme – Victoria Beckham kann mit ihrer Quasimodopositur ein Lied davon singen. Nur gut, dass die Körpertherapie von Frederick Matthias Alexander dem Leid ein Ende bereitet hat. Wer seine Füße vor schmerzhaften Operationen bewahren möchte, kann sich Posh Spice, Profitänzern und Schauspielern anschließen und sich durch die Dehnübungen der Alexander-Technik quälen. Oder man greift sofort zu Crocs, wahlweise Birkenstock in neckischen Farben.

04

Übung macht den Meister Unbeholfenes Umherwanken: so sieht es bei etlichen Frauen aus, sobald die Absatzhöhe die kritischen acht Zentimeter überschreitet. Bevor man sich die Knie am Kopfsteinpflaster aufschürft, sollte man Ksenia Kotina einen Besuch abstatten. Auf halsbrecherischen Stilettos tanzt sie mühelos über Schachtgitter und Schlaglöcher hinweg. Dass das reines Können und nicht pure Magie ist, beweist die professionelle Balletttänzerin in ihrem Workshop Walk in Heelz. In diesem unkonventionellen Kurs werden die leicht ranzigen Straßen Berlins in einen Catwalk verwandelt. Der rote Teppich hat hier nichts zu suchen. Um den Alltag auf Pumps zu meistern, braucht man halt die Hardcore-Version, denn, wie man weiß, kommen nur die Harten in den Garten.

05

Kollagen Füße Die Skurrilität der Schönheitsoperationen macht bei Beinverlängerungen, Ohrmuschelplastiken oder auch Wadenimplantaten nicht halt. Dass es jetzt auch noch eine Kollagenspritze für die Füße gibt, sollte uns gar nicht wundern. Einfach die Füße mit dem Anti-Falten-Wunderwirkstoff vollpumpen lassen und so dank neuer Fußballenpolsterung auch die höchsten Absätze schmerzfrei bewältigen.


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Kulturgut  23

Illustrator des monats: jacobo labella

Mein Name ist Jacobo Labella. Ich bin Grafikdesigner und Illustrator. Ich wurde vor 28 Jahren in Málaga geboren. Ich habe zuerst Kunst an der San Telmo School und anschließend Werbung und Public Relations an der Universität studiert. 2007 bin ich für ein Art-Direction-Studium an der ELISACA Design School nach Barcelona gezogen. Danach ging ich wieder nach Málaga zurück, um drei Jahre lang in einer Design- und Werbeagentur zu arbeiten. Schließlich zog ich vor knapp anderthalb Jahren, mit einem Leonardo-Stipendium in der Tasche, nach Berlin, um als Designassistent für Andrea Sunder-Plassmann zu arbeiten. Ich zeichne und male, seit dem ich denken kann. Ich habe immer gerne kreativ gearbeitet und nebenher stets meine Karriere als Grafikdesigner und Art Director weiterentwickelt. Ich liebe Porträts – zuerst fing ich an, Menschen, die interessant aussehen oder die ich schön finde, aus Magazinen abzuzeichnen. Heute mag ich es, diese Zeichnungen zu verändern, wobei ich mich jeweils auf ein Konzept für jedes einzelne Werk konzentriere. Wenn ich eine Illustration erstelle, überlege ich, was ich damit ausdrücken möchte, und versuche diese Menschen mit anderen Elementen zu verbinden – wie ein Puzzle. Ich mag klare Zeichnungen, realistisch und mit traditionellen Techniken. Ich liebe den Kontakt zwischen Hand und Stift, gerade, wenn ich stundenlang zeichne. Mit Öl male ich auch gerne, allerdings nicht so oft, weil es doch sehr zeitaufwendig ist. Ich lasse mich durch viele Dinge inspirieren: Filme, Musik und Fashionbilder. Vor allem persönliche Erlebnisse oder Erfahrungen mit Personen, die mir nahe stehen, helfen mir, neue Konzepte zu schaffen. Menschliche Wesen sind immer eine gute Ausgangsbasis. www.cargocollective.com/jacobolabellaart

Du bist Illustrator und möchtest mit deinem Artwork das nächste heraustrennbare MITTESCHÖN-Poster zieren? Dann schick uns deine Bilder und Entwürfe an: info@mitteschoen.com.





Kieztalk  27

Ich musste alles wieder verlernen Interview mit Choreograf Jefta van Dinther Text Björn Lüdtke  Fotos IvoHofste, ViktorGårdsäter  Translation P. 42

Jefta van Dinther ist Tänzer und Choreograf. Wer selbst am Wochenende gerne tanzt, zum Beispiel im „Berghain“, dürfte sich in seinen Arbeiten

wiederfinden.

Davon

und warum wir seine Arbeiten als „contemporary“ und nicht „zeitgenössisch“ bezeichnen, erfahren wir im Interview.


28   Kieztalk

„Gerade gibt es eine Menge Performances ohne Körper, Choreografien mit Dingen oder Licht. Ich weiß nicht, ob das revolutionär ist, wobei..., etwas als Choreografie zu bezeichnen, das noch nicht mal mit Körpern zu tun hat, ist schon revolutionär.“

Wann hast du gemerkt, dass du tanzen willst? Ich bin da eigentlich reingerutscht. Eine Freundin hat mich mit 17 zum Jazz Dance mitgenommen. Der Lehrer war begeistert und wollte, dass ich sofort anfange zu tanzen. Ich habe damals noch Social Studies an einem Stockholmer Gymnasium studiert. Der Tanz war eine willkommene Abwechslung. Ich fand es besser, etwas Konkretes zu machen, mit meinem Körper. Ich habe angefangen, fünf Mal die Woche zu trainieren. Jazz, Ballett und Modern Dance. Ein Jahr später habe ich dann vorgetanzt und bin an der Amsterdam School of the Arts angenommen worden. Dort hast du dich auf Modern Dance spezialisiert? Das war eine recht konventionelle Modern Dance School. Du hast jeden Tag BallettUnterricht und lernst die modernen Techniken, wie man sie seit den Fünfzigern lehrt. Erst als Fortgeschrittener studierst du dort zeitgenössische Techniken oder Improvisation. Du folgst dem Parcours der Tanzgeschichte. Ich würde heute keinem empfehlen, so eine Schule zu machen. Ich musste danach wieder jede Menge „verlernen“. Contemporary Dance ist heute etwas ganz anderes als Modern Dance. Findest du nicht, dass man zuerst die Regeln kennen muss, um sie dann zu brechen? Vielleicht. Deswegen stehe ich dem Ganzen ambivalent gegenüber. Ich weiß auch, dass ich das, was ich heute mache, nicht tun könnte, wenn ich nicht dieses harte Training gehabt hätte. Das hat mich sehr ge-

prägt, aber es hat Jahre gebraucht, um mir bestimmte Sachen wieder abzutrainieren. Für mich ist es zum Beispiel sehr wichtig, dass ich eine Verbindung zum Publikum herstellen kann, selbst wenn dieses keine Ahnung von Tanz hat. Wenn ich zu technisch bin, dann ist die Distanz größer. Du bist dann vielleicht von mir beeindruckt, aber mir ist es wichtiger, wenn du meinen Tanz nachempfinden kannst. Was zum Beispiel musstest du wieder „verlernen“? Körperhaltung. Wie stehe ich da, wie ist meine Idee von Präsenz? In einer Academy wirst du darauf gedrillt, eine gewisse Präsenz zu generieren. Man kann aber auch präsent sein, in dem man einfach nur da ist. Im Klassischen und Modern Dance geht es viel um Projektion. Das ist ein etwas vager Begriff, aber es hat einen großen Einfluss auf die Körperhaltung, wie man zum Beispiel seine Augen einsetzt. Ein typisches Beispiel ist, dass du traditionell über das Publikum hinwegschaust. Du stellst keine Verbindung her. Es ist zwar da, aber du selbst befindest dich in einem imaginären Raum. Bei eher narrativen Arbeiten verlangst du vom Publikum, dass es sich mit in diese Situation versetzt. Zum Beispiel, dass es auf eine Wiese schaut. In meiner Arbeit will ich eine Verbindung zu den Zuschauern herstellen. Ich setze sie auch teilweise mit ein. In einem meiner Stücke platziere ich das Publikum in jeweils nur einer Reihe an drei Seiten der Tanzfläche, so dass es sehr nah am Geschehen ist. Implizit wird so jeder Teil der Choreografie.


Kieztalk  29

Für alle Laien: Erkläre uns doch bitte noch mal den Unterschied zwischen „Modern“ und „Contemporary Dance“. Die Terminologie unterscheidet sich ein bisschen von Land zu Land. Ich will den Begriff aus angelsächsischer Sicht erklären, dort hat „Modern Dance“ auch seinen Ursprung, dort wurde mit gewissen Ideen von Ballett gebrochen. Auf einmal konnte man barfuß tanzen, man strebte nicht mehr nach oben, gab eher der Schwerkraft nach. Ab den Fünfzigern wurden moderne Techniken entwickelt, die sich dann als solche etabliert haben und ab da auch als Modern Dance gelehrt wurden. Später in den Sechzigern und Siebzigern entwickelte sich der Postmodern Dance, der sich mit dem Körper als alltägliches Objekt auseinandersetzte. Das war ein Versuch, Choreografie in einem weiteren Sinne zu sehen, als Bewegung von Körpern. Das hätte jedermanns Körper sein können. Das war in den Staaten zum Beispiel ganz groß. Leute haben Dinge gemacht, die Leute halt so tun, und haben das dann Choreografie genannt. „Contemporary Dance“ ist alles, was im Jetzt stattfindet. Es ist ein sehr unverbindlicher und weiter Begriff. Contemporary Dance kann nah am Theater sein, aber auch nah am Ballett. Was macht deine Arbeit „contemporary“? Meine Choreografien sollen sich immer mit den Konditionen bedingen, in welchen sie stattfinden. Ich bin nicht daran interessiert, eine neue Technik zu entwickeln. Ich lege Parameter fest, die zu einer Choreografie führen. Sie ist die direkte

Antwort auf diese Parameter. Als Zuschauer erkennst du diese Konditionen auch. Du siehst, dass die Choreografie durch diese gesetzten Parameter generiert wird. Das ist für mich „contemporary“. Auch, weil ich nicht versuche, diese Bedingungen über die Zeit festzulegen. Ich versuche immer, neue Konditionen zu schaffen.

daran interessiert, eine Bühnenversion des Clubs zu schaffen. Das machen andere Choreografen schon. Ich bin eher an der Verschmelzung interessiert, die dort in der Wahrnehmung und den Sinnen passiert, die Erfahrung des eigenen Körpers in Beziehung zu denen der anderen und zum Licht und zum Sound.

Was sind diese Parameter? Musik, Raum...? Nehmen wir Grind als Beispiel. Da waren die Parameter Sound, Licht und Körper. Alle wurden als Teil der Choreografie begriffen. Wir haben nur Elemente in der Performance geduldet, die nicht ohne die anderen Elemente auskommen. Mein Tanz beispielsweise darf nicht alleine funktionieren können, er muss das Licht und den Sound brauchen. Es geht darum, alle drei Elemente zu einer Kraft zu verbinden. Wenn du ein Element in Grind ausschaltest, dann funktioniert das Ganze nicht mehr. Um auf deine Frage zurückzukommen, das kommt aber auch ganz auf das Projekt an. Im Moment arbeite ich an einem Stück, bei dem es keine solchen strikten Regeln gibt. Hier ist die Musik sehr wichtig. Es ist von Berlins Clubleben inspiriert und davon, wie es in unseren Emotionen und Erinnerungen nachhallt. Die Musik. Der Zustand, in dem du dich dort befindest.

Modern Dance war irgendwann eine Gegenbewegung zu Ballett. Könnte es heute noch mal eine Revolution geben, die den Tanz wieder auf den Kopf stellt? Gerade gibt es eine Menge Performances ohne Körper, Choreografien mit Dingen oder Licht. Ich weiß nicht, ob das revolutionär ist, wobei..., etwas als Chorografie zu bezeichnen, das noch nicht mal mit Körpern zu tun hat, ist schon revolutionär. Aber für mich sind Körper, mein Körper, sehr wichtig. Und ich werde sicher mit ihnen weiter arbeiten. „Ich bin Schwede, aber mein Blut ist niederländisch.“ Mit einem Jahr ist Jefta van Dinther mit seiner Familie nach Stockholm gezogen. Gerade wurde er als Head of Program of the MA in Choreography an die University of Dance and Circus in Stockholm berufen. Ein Drittel des Jahres verbringt er in Berlin, wo er unermüdlich tanzt. Unter der Woche arbeitet er an einem neuen Stück in der Fabrik in Potsdam. Am Wochenende tanzt er im Berghain. Für uns tanzt er am 24. und 25. August im Rahmen der Tanznacht im Palais Podewils in sei-

Hört sich nach Berghain an. Ja (lacht). Ich gehe da jetzt seit fünf Jahren hin. Das beeinflusst meine Arbeit schon. Am Anfang hat sich das eher heimlich eingeschlichen. Bei Grind war ich damit aber ziemlich geradeheraus. Ich bin aber nicht

nem Stück Grind, das er zusammen mit Lichtdesigner Minna Tiikkainen und Sounddesigner David Kiers erarbeitet hat. jeftavandinther.com tanznachtberlin.de


30   Kulturgut

Und lieblich tönt der Dudelsack Eine folkloristische Kindheit in Deutschland Text Sophia Hoffmann  Fotos Sophia Hoffmann  Translation P. 43

Tanz spielte seit jeher eine wichtige Rolle in meiner Familie. Meine Eltern sind während des Zweiten Weltkriegs geboren und erlebten die 1950er Jahre als Teenager im Petticoat und noch raren Blue Jeans, die man in der Badewanne gefügig machte. Von meinem Papa, damals ein wilder Hund, existieren beeindruckende Schwarz-Weiß-Fotos aus dieser Zeit, auf denen er hübsche Mädchen wagemutig durch die Luft wirbelt. Rock’n’Roll. Anfang der 1960er Jahre sympathisierten Mama und Papa mit der marxistischen Linken, trugen Mao-Bibeln mit sich herum und reisten aus Neugierde in die DDR. Meine in diesem Jahrzehnt geborenen Brüder heißen Boris und Nikolai, soviel dazu. In den Siebzigern schwächte die Begeisterung meiner Eltern für den real existierenden Sozialismus ab und wandelte sich in politisch unverfänglichere Begeisterung für jegliche Form südosteuropäischer Folklore um. Folklore war total in und spiegelte sich in Kleidung, Einrichtung und eben dem Tanzen wider. Und so kam es, dass ich, 1980 geboren, fast alle Kindheitsurlaube auf Volkstanzseminaren verlebte. Diese fanden in Griechenland, Bulgarien, Ex-Jugoslawien oder Polen statt, manchmal auch in fränkischen Schullandheimen. Ich fand das total aufregend, all die deutschen Spießbürger in wallenden Gewändern, die verschwitzten Männer mit Schnurrbärten und die Frauen, die in geblümten Röcken und, mit abstrakten Treibholzketten behangen, ihre Brüste hüpfen ließen. Mein Papa triefte quasi permanent vor männlichem Tanzschweiß, der in seinem roten Brusthaar kleine Tröpfchen bildete. Eine meiner stärksten Kindheitserinnerungen ist die, wie er mich an seine klatschnasse Brust drückt und im Takt der Musik durch die Luft wirbelt. Auch die Lehrer waren eindrucksvolle Persönlichkeiten wie der schwarzhaarige Bulgare Beltscho oder der polnische Tanzprofessor Hendrik Duda, der mehr durch seinen lustigen Nachnamen als durch die abscheuliche Warze auf der Wange und die unvermeidlichen feuchten Küsse meine Sympathie gewann. Die Seminare fanden stets abseits der üblichen Touristenzentren statt und so lernte ich die Straßenspiele bulgarischer Dorfkinder kennen, die sich wie Bolle über unsere Gastgeschenke freuten. Dass

wir keine gemeinsame Sprache beherrschten, war absolut zweitrangig. Der Eiserne Vorhang war gerade erst am Fallen und Devisen immer noch Gold wert. Brauchbares Klopapier gab es nicht, man benutzte alte Zeitungen. Coca Cola war das höchste der Gefühle im bulgarischen Sommer des Jahres 1989. Nachts wurden ganze Hammel über offenem Feuer gebraten, und wenn die Erwachsenen etwas zu tief ins Retsina- oder WodkaGlas blickten, fingen sie hysterisch an zu lachen. Ich fand das alles furchtbar aufregend. Als ich etwas älter war, fing ich an mitzutanzen. Davor hatte ich nur, wie jedes anständige westdeutsche Mädchen in den 1980er Jahren, klassischen Ballettunterricht besucht. Ich besaß eine schnelle Auffassungsgabe und die flotten bulgarischen und griechischen Kreistänze zu nervenaufreibender Dudelsack-Musik gingen mir schnell in Fleisch und Blut über. Einzig die großen Menschen neben mir werden innerlich etwas geflucht haben, war ich doch ein wahrer Zwerg im Alter von elf, und so mussten sie – wirbelsäulenschädigend – zu mir hinunter buckeln, um den Kreis zu schließen. Überhaupt, die Musik: Dudelsäcke waren ein Must. Und wenn mein Vater nicht gerade zuhause in stundenlanger Handarbeit für seine Volkstanz-Freunde Kassetten mit zu Dudelsack nölenden Klageweiber-Chören überspielte, versuchte er, dem Instrument selbst Herr zu werden. Einer ausgehöhlten Ziege mithilfe diverser Flöten einigermaßen erträgliche Laute zu entlocken, erfordert eine starke Puste und viel Übung. Er übte. Und übte. Was die Nachbarn darüber dachten, weiß ich nicht mehr. Meine Mutter litt still und bestickte wallende Leinenkleidchen kunstvoll mit Blumenranken oder allerlei anderen folkloristisch anmutendem Tand. Wie jeder Trend in unserer Familie, fand auch die Folklore-Ära irgendwann ein Ende. Jiddische Literatur, Tai Chi und Stepptanz hießen die neuen Eckpfeiler der Freizeitbetätigungen im Hause Hoffmann. In den Urlaub fuhren wir fortan nach Mecklenburg-Vorpommern oder ins niederösterreichische Weinviertel. Wo der Dudelsack geblieben ist, weiß ich nicht. Aber das ist auch nicht so schlimm. Findet vor allem meine Mutter.


Kulturgut  31

Tanzt, sonst ist der Tanz verloren! Wie der Tanzfonds das kulturelle Erbe Tanz erhält Text Anne Kammerzelt  Fotos „Der künstlerische Tanz“, Verlag Eckstein, Halpaus GmbH Dresden, 1933

Geschichte, in Stein gemeißelt, Bilder, eingefangen für die Ewigkeit, Objekte, die, archiviert und ausgestellt, für die nächsten Generationen erhalten bleiben. Jede Stadt, die etwas auf sich hält, kann Werke berühmter Maler, Fotografen oder Bildhauer vorweisen, die in den Galerien und Museen dieser Welt bestaunt werden können. Aber wie erhält man das kulturelle Erbe Tanz? Einem Tanz wird erst durch den Tänzer Leben eingehaucht, er passiert live auf der Bühne. Das macht eine Archivierung schier unmöglich. Das künstlerische Tanzerbe trotzdem für die Nachwelt festzuhalten, ist das Ziel des Tanzfonds Erbe. Er fördert künstlerische Projekte zur Aufarbeitung und Vermittlung des Tanzerbes. „Beim Tanzfonds möchten wir kein Museum für den Tanz erschaffen, sondern eine Auseinandersetzungskultur, die in die Zukunft weist und Möglichkeiten aufzeigt, wie man sich mit diesem Erbe befassen kann“, erklärt Stefanie Lohaus, die sich beim Tanzfonds Erbe um die Pressearbeit kümmert. Der Tanzfonds, der 2011 von der Kulturstiftung des Bundes initiiert wurde, ermöglicht Künstlern und Kompanien die Neuaneignung oder Rekonstruktion historischer Werke. Tanz wird dabei als etwas Lebendiges gesehen, das sich im Laufe der Jahre verändert. Es geht nicht darum, eine Choreografie eins zu eins zu erhalten. Wer bei deutscher Tanzgeschichte nun an Schwanensee, den Nussknacker und Aschenbrödel, also Ballettklassiker, denkt, der befindet sich auf dem Holzweg. Madeline Ritter, die den Förderfonds konzipiert hat, weiß: „In Deutschland haben wir ein fantastisches Erbe im zeitgenössischen Tanz, doch die Arbeiten gibt es nicht mehr zu sehen. Es ist wichtig, dass sich die Tänzer mir ihrem Erbe auseinandersetzen“. Die Projekte, die bisher gefördert werden, sind so unterschiedlich wie die einzelnen Choreografien, die im Laufe der deutschen Tanzgeschichte entstanden sind. So sei all denjenigen, die dachten, Volkstanz ist höchstens für die älteren Semester spannend, das Projekt Volkstanz heute ans Herz gelegt. Dabei wird untersucht, was Volkstanz mit zeitgenössischen Gruppentänzen wie Hip Hop gemeinsam hat, und welche Einflüsse er auf den Ausdruckstanz der 1910er und 1920er hatte. Die Choreografin, Tänzerin und Tanzforscherin Olga de Soto beschäftigt sich in ihrem Projekt Création 2012 – Reflections on The

Green Table mit einem der bekanntesten Werke, die wir in Deutschland haben: dem gesellschaftspolitischen Ballettstück Der Grüne Tisch, das für seine zeitlose Absage an den Krieg berühmt wurde. Ihre ungewöhnliche Herangehensweise wirft eine völlig neue Betrachtungsweise auf. Für die Rekonstruktion ist de Soto um die halbe Welt gefahren, um Personen zu befragen, die das Stück gesehen haben. Aus dem kollektiven Gedächtnis der Rezipienten entstand dann ein neues Werk, welches Anfang August im Rahmen der Tanzwerkstatt Europa in München uraufgeführt wird. Auch bei Paula Rosolens Projekt Piano Men stehen nicht die Choreografen oder Tänzer im Vordergrund, sondern die Pianisten, welche die Tanzproben begleiteten. Als teilnehmende Beobachter, die oftmals über viele Jahre Proben und Aufführungen verfolgt haben, sind sie lebendige Archive, deren Wissen an nachfolgende Generationen weitergeben werden soll. Alle Stücke, die mit Hilfe des Tanzfonds neu entstehen, werden dokumentiert. Was nicht nur der Archivierung dient. Ritter erklärt: „Die Aufzeichnung ist gerade für das Thema Urheberrecht wichtig.“ Denn im Tanz sei es selten üblich, dass geklagt werde. Spätestens seit der Plagiatsaffäre um Beyoncés Choreografie im Video Countdown, in dem die Bewegungsabläufe stark an die 30 Jahre alten Tanzschritte der belgischen Choreografin De Keersmaeke erinnern, ist das Thema Urheberrecht im Tanz hochaktuell. Die Urheberrechtsdiskussion macht deutlich, dass Tanzgeschichte auch für den Tanz der Generation Youtube relevant ist. Wer sich mit seinem Projekt beim Tanzfonds bewerben möchte, kann seine Unterlagen noch bis zum 1. November 2012 einreichen. Alle Infos gibt es unter www.tanzfonds.de


32   Hmmm, Lecker!

Kochtipps vom Kochhaus Gebratenes Rinderfilet mit Guacamole, Zuckerschoten und rotem Orangen-Zwiebeljus Text und Bilder Kochhaus

Auf dieser Seite findet ihr monatlich einen Rezeptvorschlag mit Fotoanleitung vom Kochhaus, dem weltweit einzigartigen begehbaren Rezeptbuch in Prenzlauer Berg (Schönhauser Allee 46) und Schöneberg (Akazienstraße 1). Im Kochhaus findet man nicht nur regelmäßig wechselnde Rezepte, sondern auch gleich noch alle Zutaten, die man für das Gericht braucht – fertig portioniert an einem Tisch. Schaut doch mal vorbei und bis dahin: Guten Appetit! Zutaten für 2 Personen: 2 Rinderfilets, 1 Orange, 1 Avocado, 1 rote Zwiebel, 12 Zuckerschoten, 1 Bund Petersilie, 1 Chilischote, 1 Knoblauchzehe, 1 kleines Baguette, 6 EL Olivenöl, 6 EL Wasser, 1 TL Weißweinessig, Salz, Pfeffer * *Mengenangaben beziehen sich auf 2 bzw. 4 Personen

Ofen auf 160 °C Umluft bzw. 180 °C Ober-/ Unterhitze

Petersilienspitzen für die Dekoration beiseite legen. Ver-

Avocado, Knoblauch, Petersilie und Chili in eine Schüs-

vorheizen. Avocado halbieren und das Fruchtfleisch

bliebene Petersilie mit Stiel fein hacken. Rote Zwiebel

sel geben und mit einer Gabel zerdrücken. Mit 1 bzw.

mit einem Löffel herauslösen. Knoblauch pellen und

schälen und fein würfeln. Orange auspressen.

2 TL* Weißweinessig, ¼ bzw. ½ TL* Salz und nach Ge-

fein hacken. Chilischote längs halbieren, vom Kernge-

schmack mit Pfeffer würzen. Baguette schräg in ca. 1

häuse befreien und in feine Streifen schneiden.

cm dünne Scheiben schneiden.

Rinderfilets mit je ½ TL Salz und nach Geschmack mit

In einer Pfanne 2 bzw. 4 EL* Öl erhitzen und Rinderfi-

Baguettescheiben auf ein Backblech geben und mit 3

Pfeffer würzen.

lets von beiden Seiten je 1 Minute bei hoher Tempera-

bzw. 6 EL* Öl beträufeln. Mit ½ bzw. 1 gestrichenen TL*

tur scharf anbraten.

Salz und Pfeffer würzen. Rinderfilets aus der Pfanne nehmen, auf das Blech geben und auf mittlerer Schiene 10 Minuten im vorgeheizten Ofen garen.

1 bzw. 2 EL* Öl in der zuvor für das Rinderfilet verwendeten

Zuckerschoten zu den Zwiebeln geben, mit Orangen-

Guacamole mittig auf einen Teller geben und mit ei-

Pfanne erhitzen und Zwiebeln darin 1 Minute bei hoher Hit-

saft sowie 6 bzw. 12 EL* Wasser ablöschen und bei mitt-

nem Rinderfilet belegen. Zuckerschoten rundherum

ze anbraten.

lerer Hitze 4 Minuten einkochen. Mit ½ bzw. 1 gestri-

anrichten und mit Orangen-Zwiebeljus beträufeln. Mit

chenen TL* Salz würzen.

Crostini und Petersilienspitzen garnieren.


Mitte für Kids  33

Wir mitte-Muttis und der Kindertanz Text Bettina Schuler  Translation P. 44

Ich liebe Clärchens Ballhaus. Nicht nur, weil es dort so gute Pizzen gibt. Nein, sondern auch, weil ich keinen Babysitter brauche, um meine Tochter dort zu beschäftigen. Denn in dem großen Ballsaal gibt es immer irgendein Pärchen, das sich zwischen voll besetzten Tischen und Musikbühne an den ersten Rumba-Schritten versucht oder sich von einer jungen attraktiven Lehrerin zeigen lässt, wie das nun mit dem Flamenco geht. Ein Anblick, für den meine Tochter alles stehen und liegen lässt und dank dem mein Mann und ich sogar die Gelegenheit haben, drei zusammenhängende Sätze hintereinander zu wechseln. Ich selbst habe meiner Tochter in puncto Tanz leider nicht besonders viel zu bieten. Mehr als drei Wochen Ballett waren bei mir nicht drin. Danach eröffnete mir meine Mutter, dass ich nicht gleich in der ersten Stunde ein Tutu bekäme, sondern erst, wenn ich eine Weile brav zu den Stunden hingehen würde. Was mir angesichts meiner russischen Zuchtmeisterin wie ein Ding der Unmöglichkeit erschien. Ja, selbst als Teenager gehörte ich nicht zu denen, die gerne im Club tanzen gingen. Und abgesehen von meinen Headbanging-Versuchen, die meist mit unfreiwilligen Zusammenstößen endeten, und dem obligatorischen „Staubsaugertanz“ aus meiner Grufti-Phase habe ich auch aus dieser Zeit in Sachen Tanz nicht sonderlich viel vorzuweisen. Doch wie kann ich dann neben den üblichen Ballett- und Kinderhüpfkursen die Tanzbegeisterung meines Kindes am besten stillen? Zum Beispiel, indem ich es bei der Kindertanzcompany von Sasha Waltz anmelde. Denn dort können die Kinder für 100 Euro im Schuljahr ein Mal im Monat an einem dreistündigen Tanzworkshop teilnehmen. Ein Unkostenbeitrag, der angesichts solch exklusiver Lehrer wie die der Sasha Waltz Company völlig im Rahmen liegt. Zudem bekommt man, da die Workshops immer am Wochenende liegen, noch drei Stunden Freizeit gratis geschenkt. Für jede arbeitende Mutter ein unbezahlbares Geschenk.

Alle Kinder, die lieber den Anderen beim Tanzen zuschauen, als selbst das Bein zu schwingen, kann ich nur die Kindervorführungen des Staatsballettes Berlin ans Herz legen. So können sich in der neuen Spielzeit alle Kinder ab 4 Jahren eine Dornröschen-Ballett-Inszenierung im Theater an der Parkaue ansehen. Ebenfalls sehr empfehlenswert sind die Veranstaltungen und Workshops, die der gemeinnützige Verein Tanz ist KLASSE! regelmäßig anbietet und bei denen unter professioneller Anleitung versucht wird, den Kindern und Jugendlichen die Kunstform Tanz näher zu bringen. Eine beliebte Veranstaltung des Vereines sind die Familienaufführungen, bei denen vorab nicht nur die Handlung und die Rollen vorgestellt, sondern auch diverse Tanzszenen einstudiert werden. Für alle kleinen Ballettfreunde die perfekte Gelegenheit, um ihrem Traum von der Primaballerina ein Stück näher zu kommen. Nachbearbeitet werden kann das Ganze dann zu Hause mit dem Buch Wieso? Weshalb? Warum? Komm mit ins Ballett, in dem ganz genau erklärt wird, wofür Spitzenschuhe gut sind, wie das Bühnenbild gebaut wird und warum es so schwer ist, Primaballerina zu werden. Meine Tochter hat übrigens gleich nach ihrer ersten Ballettstunde ein Tutu bekommen. Denn dank H&M und Konsorten muss man dafür ja auch kein Vermögen mehr ausgeben. So wie früher. Und so sitze ich mittlerweile jeden Dienstag eine Dreiviertelstunde in einem überhitzen Raum und schaue meiner Tochter durch die Glasscheibe dabei zu, wie sie mit einer jungen Version von Carrie Bradshaw um die Aufmerksamkeit ihres Tanzlehrers buhlt. Letztendlich geht es also dann doch wieder nur um die Jungs. Auch bei dem Tutu.

Tanz ist KLASSE! c/o Staatsballett Berlin Richard-Wagner-Straße 10 10585 Berlin www.tanz-ist-klasse.de Kindertanzcompany Berlin Sasha Waltz& Guests GmbH Steffi Ott Sophienstraße 3 10178 Berlin Tel.: 030 24 62 80 41 E-Mail: sott@sashawaltz.de Theater an der Parkaue Junges Staatstheater Berlin Parkaue 29 10367 Berlin Tel.: 030 55 77 52 0 www.parkaue.de Literatur: Wieso? Weshalb? Warum? 54: Komm mit ins Ballett, Ravensburger Buchverlag, 12,99 Euro.


34   Kunsttipps von Eye Out

Kunsttipps

von

EyeOut

Text Melissa Frost  Translation Robert Schlicht, P. 44

In dieser Kolumne stellen wir euch jeden Monat eine kleine Auswahl der interessantesten Ausstellungen in Mitte vor. Weitere spannende Tipps findet ihr in der iPhone App EYEOUT Berlin (www.eyeout.com).

Wie kommt das Neue in die Welt? 6. Juni – 26. August 2012 Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, U3 Krumme Lanke, Di – Fr 11–18 h +49-30-801 89 35, info@hausamwaldsee.de, www.hausamwaldsee.de

Jeppe Hein – Modified Social Bench C, 2006 (Installationsansicht) Courtesy Haus am Waldsee, Berlin Foto: Bernd Borchardt

In Wie kommt das Neue in die Welt? verbindet sich die einzigartige Lage in der Stadt, die das Haus am Waldsee auszeichnet – am Ufer des gleichnamigen Sees im waldigen Zehlendorf –, mit einer Ausstellung junger, in Berlin arbeitender Bildhauer, deren Arbeiten sich mit Wahrnehmungssituationen in der Natur und im Stadtraum beschäftigen. Den vielfältigen Praktiken der neun beteiligten Künstlerinnen und Künstler ist die Verwendung von gefundenen Objekten aus der Konsum- und Bauwelt sowie der Natur gemein. In den Räumen des Hauses am Waldsee bewirken die Objekte und Installationen Verschiebungen des Kontexts und der Perspektive, in denen sich Aspekte des Neuen zeigen. Die Arbeiten im Außenbereich, die in den bestehenden Skulpturengarten integriert wurden, tragen zu einer vollständigen Verflechtung von Ausstellung und Ort bei.

Minimalism in Germany. The Sixties II 31. März – 9. September 2012 Daimler Contemporary, Alte Potsdamer Str. 5 (Haus Huth), S1, S2, S25 Potsdamer Platz, Täglich 11–18 h +49-30-25 94 14 20, kunst.sammlung@daimler.com, www.sammlung.daimler.com

Minimalism in Germany. The Sixties II (Installationsansicht) Courtesy Daimler Contemporary, Berlin Foto: Hans Georg Gaul, Berlin

Daimler Contemporary zeigt als Fortsetzung der Ausstellung Minimalism Germany 1960s aus dem Jahr 2010 einen zweiten Teil mit großformatigen, handlungsorientierten und natürlich seriellen Arbeiten aus der Daimler Kunst Sammlung. Im Vergleich zur Vorläuferausstellung konzentriert sich Minimalism in Germany. The Sixties II dabei auf eine geringere Zahl von Protagonisten. Mit ihrem Schwerpunkt auf Entwicklungen des Minimalismus in Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und Berlin beleuchtet die Ausstellung die unverkennbar eigenständigen deutschen Aspekte dieser Bewegung. Die Inspiration durch zeitgenössische Szenen des Auslands (am offensichtlichsten der amerikanischen) ist ebenso deutlich erkennbar wie auch die Konflikte und Interessen, durch die sich der deutsche Minimalismus von seinen internationalen Pendants unterscheidet – insbesondere die Beschäftigung mit Abstraktion und der Zero-Avantgarde sowie seine konstruktiven und konkreten Tendenzen.

Michael Sailstorfer 26. April – 8. Oktober 2012 Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124–128, U1 Hallesches Tor, Mi – Mo 10–18 h +49-30-78 90 26 00, bg@berlinischegalerie.de, www.berlinischegalerie.de

Michael Sailstorfer – Forst; Vattenfall Contemporary 2012 (Installationsansicht) VG Bild-Kunst, Bonn 2012
 Courtesy Johann König, Berlin; Zero..., Mailand Foto: Noshe

Im Werk des in Berlin lebenden Künstlers Michael Sailstorfer zeigt sich ein hoch romantischer Formalismus. Auch wenn dies wie ein Oxymoron klingen mag, spielt der Preisträger des Vattenfall Contemporary 2012 diesen scheinbaren Widerspruch in seiner Ausstellung Forst in der Berlinischen Galerie durch. Sailstorfer nutzt den schwierigen Raum der zehn Meter hohen Vorhalle für die Installation von fünf über Kopf hängenden Bäumen, die sich um ihre eigene Achse drehen. Die rotierenden Bäume, die gleichermaßen schön wie hypnotisch wirken, kontextualisieren und umrahmen außerdem eine Videoarbeit, die die Installation komplettiert. Die an Malewitschs Schwarzes Quadrat erinnernde Arbeit Schwarzwald trägt ebenfalls ein Stück Natur in den Ausstellungsraum. Dieser Video-Stream überträgt live ein sechs mal sechs Meter großes Quadrat auf deutschem Waldboden, das schwarz bemalt wurde, und erlaubt uns dabei zuzuschauen, wie sich die Intervention des Künstlers durch natürliche Prozesse allmählich auflöst.


Filmtipps von der Filmgalerie 451  35

BLUES, THRILL & FUN! – Filmtipps präsentiert von der Filmgalerie 451 Text Silvio Neubauer Filmgalerie 451 Torstraße 231 10115 Berlin www.filmgalerie-berlin.de

Von den Großen der Filmgeschichte haben sich zwei als besonders unterhaltsame und vergnügliche Interviewpartner hervorgetan. Der erste arbeitete sich aus den Slums von London zu einer Schauspieler-Legende empor und wurde längst geadelt: Sir Michael Caine. Vom zweiten soll hier die Rede sein: Eine Generation jünger, geboren in Chicago, aufgewachsen in Los Angeles – in der Fangemeinde geadelt als Schöpfer unsterblicher Kultfilme, die viele von uns in jüngeren Jahren im Kino und auf VHS begleitet haben: John Landis. „Mama, wer macht denn so was...?“ Es ist 1958. Der achtjährige John hat gerade den Film Sindbads 7. Reise mit den Stop-MotionTricks von Ray Harryhausen gesehen und ist hin und weg. Von da an gibt es für ihn nur noch eins: Er möchte Filmregisseur werden – für ihn eine wahrhaft abenteuerliche Reise...: In den Sixties landet der Schulabbrecher als Botenjunge beim Filmstudio 20th Century Fox und schließlich in Jugoslawien, wo er als Assistent hautnah die Entstehung des schrägen Kriegsfilms Stosstrupp Gold mit Clint Eastwood und Donald Sutherland miterlebt. Danach setzt er die Wanderjahre als Filmlehrling in Spanien fort, wird Komparse und Stuntman in unzähligen Italo-Western. Zurück in L.A. schlüpft er für seinen Debütfilm in ein Affenkostüm: Schlock – Das Bananenmonster (1973), eine Parodie auf Monster-Movies, sowie die Nonsense-Sketch-Parade Kentucky Fried Movie (1977) bringen ihm noch nicht die ganz große Anerkennung, ermöglichen aber den Durchbruch kurz danach: Allein die beiden Anarcho-Kult-Klassiker mit John Belushi, die Studenten-Comedy Animal House (Ich glaub mich tritt ein Pferd, 1978) und der Musik-Action-Wahnsinn Blues Brothers (1980) sichern ihm einen ewigen Platz im Kino-Olymp. Sein Faible für Gruseli-

ges und seine Freundschaft mit dem Guru der Masken-Effekte, Rick Baker, bescheren uns zwei weitere Meilensteine: American Werwolf (1980) und das Video zu Michael Jacksons Thriller (1983). Längst ist der Autodidakt zum gefragten Profi gereift – mit einem Händchen für ein Kino konsequent furchtlosen Vergnügens. Große Kinohits folgen, allen voran Die Glücksritter, die köstliche Komödie über die zynische Wette zweier New Yorker Finanzhaie mit Eddie Murphy und Dan Aykroyd, danach Kopfüber in die Nacht, Spione wie wir bis zum Prinz aus Zamunda – dazwischen mit Drei Amigos wieder ein anarchisch-nostalgischer Nonsense über Western und das alte Hollywood. Vieles entwickelt sich zum Kult, auch wenn z.B. das Louis-de-Funes-Remake Oscar (1991) als Komödien-Vehikel für Sylvester Stallone zwar sehenswert ist, beim Publikum aber floppte. Nach Jahren im Fernsehen gelang dem leidenschaftlichen Meister anspielungsreicher Unterhaltung zuletzt ein Kino-Comeback mit der schwarzhumorigen Thriller-Komödie Burke & Hare über zwei Leichenräuber im Schottland des 19. Jahrhunderts. Es bleibt dabei: Cinema can be fun!


36   Angehört und nachgehorcht

„Wir mögen Nostalgie nicht“ Interview mit Josh Dibb aka Deakin von Animal Collective Text Björn Lüdtke

„Schön, dass du die Band kennst, die meisten Journalisten, die nicht vom Fach Musik sind, kennen die Jungs gar nicht.“ So empfängt mich der Presseagent zum Interviewtermin mit Josh von Animal Collective. Okay, ich habe zwar ein paar Tracks auf meinem Rechner, aber so gut kenne ich die Jungs nun auch wieder nicht. Zur Vorbereitung hatte ich eine klassische Recherche im Sinn. Journalisten wurden im Vorfeld darauf hingewiesen, die Jungs doch bitte nicht zu fragen, warum sie früher bei Auftritten Masken getragen hätten – diese Art von Fragen hätten sie schon zu oft beantwortet. Das und mehr könne man bei Wikipedia nachlesen.


Angehört und nachgehorcht  37

Wie bitte? Meidet man dieses unverlässliche Tool nicht wie der Teufel das Weihwasser? Der Eintrag ist zudem recht lang – und langweilig. Ich habe ihn nicht ganz gelesen. Wer es tun will: Ihr wisst, wie das Internet funktioniert. Interessanter wird es mit Sicherheit hier. Die meisten Künstler wollen nicht bei Wikipedia recherchiert werden. Ich wurde dazu sogar angehalten. Ist das okay für dich? Dafür müsste ich erst mal den neuesten Eintrag sehen. Liest du sonst, was über dich und euch geschrieben wird? Mehr, als ich sollte, ja. Das kommt in Schüben. Ich finde das aber nicht gesund. Ich sehe das als Zwang, aber den möchte ich gerne überwinden. Was soll das? Gerade heutzutage gibt es so viele Meinungen. Man sucht ja eigentlich nur nach Bestätigung. Aber für jede Bestätigung findest du gleichzeitig auch böse Kritik. Was wir tun, sollten wir für uns und unsere Fans tun. Was geschrieben wird, hatte noch nie Einfluss auf meinen kreativen Prozess. Der Wiki-Eintrag gibt weiterhin „New Weird America“ als Genre für euch an. Was soll das bedeuten? Das war eine sehr kurze Zeit. Das stand, glaube ich, in einer WireAusgabe, die komplett unter dem Thema „New Weird America“ stand. Der Begriff hat vielleicht acht Monate überlebt. Wir wurden da mit allen möglichen anderen Künstlern in einen Topf geworfen. Ich finde, dass das alles sehr subjektiv ist. Ja, alle Künstler, mit denen ich mich unterhalte, scheinen ihre Musik nicht kategorisieren zu wollen. Das scheint eher das Bedürfnis von Journalisten zu sein. Ja, absolut. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir uns über die Jahre verändert haben. Wenn du Danse Manatee und Merriweather Post Pavillion vergleichst, dann könntest du denken, die Alben sind von verschiedenen Bands. Der einzige Begriff, mit dem ich mich anfreunden kann, ist „Experimental“. Nicht als Genre, sondern als Ansatz. Er diktiert keinen Sound, es geht eher darum, wie wir Musik machen, das ist wichtig für uns. Alles, von den Instrumenten bis zum Songwriting – wir wollen das kontinuierlich verändern. „Animal Collective sehen das neue Album nicht als Fortsetzung des erfolgreichen Sounds von Merriweather Post Pavillon, sondern als eine Art Rückbesinnung auf alte Zeiten.“ So wird Centipede Hz von eurem Label angekündigt. Kommt ihr mit dem Album an euren Ausgangspunkt zurück? Ich weiß gar nicht genau, warum das so angekündigt wurde. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir alle damit einverstanden sind. Wir mögen Nostalgie nicht. Es geht uns nicht darum, zurückzublicken. Ich denke, es geht eher um wirklich fundamentale Dinge, die den Arbeitsprozess betreffen, eine Wiederkehr auf einer physischen Ebene. Wir haben das Album in Baltimore, wo wir alle herkommen, aufgenommen. Noah (Panda Bear) ist 2004 nach Portugal gezogen, Brian war in Washington DC. Wir haben seither Musik praktisch per E-Mail gemacht und uns immer nur kurz zum Zusammen-

arbeiten getroffen. Wir haben dann sieben Songs in zehn Tagen reingehämmert. Für das neue Album haben wir uns drei Monate an einem Ort zusammen gefunden – eigentlich war das überhaupt das erste Mal. Wir konnten endlich mal entspannt arbeiten. Nicht, dass wir die Dinge hätten schleifen lassen, aber wir konnten uns erlauben, sie sich entwickeln zu lassen. Wir waren alle in einem Raum, mit Verstärkern und allem drum und dran. Es war aber nicht so, dass wir „zu unseren Wurzeln zurück“ wollten. Wenn, dann eher das Gegenteil. Ist das irgendwie menschlicher, zusammen in einer Gruppe, in einem Raum zu arbeiten? Gefällt dir das besser? Ich weiß nicht, ob mir das besser oder weniger gut gefällt, es ist nur eine andere Art zu arbeiten. Es ist immer eine Entwicklung. Für diesen Moment hat es sich sehr gut angefühlt, so zu arbeiten. Das schlägt sich auch im Sound des Albums nieder und vielleicht fühlt es sich deshalb menschlicher an. Man wird am Endergebnis hören, ob du in einem Raum zusammengearbeitet hast und die Verstärker voll aufdrehst oder ob du nur am Rechner sitzt und auf Kopfhörern hörst, was dir die Anderen per E-Mail geschickt haben. Man fühlt die Energie, es ist irgendwie... verschwitzter. Es ist schon eine Weile her, dass wir uns wie eine... – wir mögen das Wort eigentlich nicht – wie eine RockBand gefühlt haben. Ihr kommt alle aus Baltimore, wo ihr auch Centipede Hz aufgenommen habt. Du bist 2010 von New York wieder nach Baltimore gezogen. Erzähle uns ein bisschen über eure Heimatstadt. Baltimore ist cool. Für mich ist das Besondere an der Stadt, dass es inzwischen eine wirklich gute Kunst- und Musikszene gibt. Das war nicht so, als wir Kids waren. Es gibt eine Kunstschule, MICA. Die Studenten von dort haben diese ganzen alten billigen Lagerhäuser gemietet und diese in Wohn- und Atelierräume umgebaut. Daraus ist dann eine lebendige Szene mit echt guten Leuten erwachsen, die Spaß daran haben, Neues zu schaffen. Ist das vielleicht ein wesentlicher Unterschied zu New York? Gibt es in Baltimore etwas, dass man dort nicht kriegt? Ja, diese Kunst-Community. In New York passiert zwar immer noch eine Menge. Aber es ist nicht mehr so wie damals, als wir nach New York gegangen sind. Heute kann es dich fast erdrücken, es ist wirklich hart, dort zu überleben. An einem Ort wie Baltimore gibt es so viel künstlerische Energie und man hat Freiraum zum Leben. Glaubst du, dass New York seinen Status als „die Stadt der Städte“ verlieren wird? Nein. New York ist New York. Das neue Album Centipede Hz von Animal Collective erscheint am 31. August bei Domino Records.



Berliner Gesichter  39

BERLINER GESICHTER Text Bettina Schuler  Foto Tina Linster  Translation P. 45

Oliver Detelich, 39 Jahre Tänzer, Choreograf und Ballettschulleiter des Center of Dance

Wie ich Profitänzer geworden bin? Irgendwie hat sich mein Leben ganz von allein auf natürliche Weise in diese Richtung entwickelt, ohne Zwang oder familiären Druck. Es macht sowieso wenig Sinn, irgendjemanden zu etwas zu zwingen, denn durch den Druck kommt einem die Leichtigkeit abhanden, die es braucht, um eine tänzerische Entwicklung zu erfahren. Schon als Kind wollte ich tanzen und habe mir kleinere Choreografien überlegt. Als ich mit sieben Jahren zum Turnen und später zur Sportakrobatik gekommen bin, hat das Schicksal dann endgültig seinen Lauf genommen. Denn die Drehungen und Sprünge, die in der Sportakrobatik zum Pflichtprogramm gehören, haben mir nicht nur besonders viel Spaß gemacht, sondern sind mir auch immer recht leicht gefallen. Später, nach bestandener Aufnahmeprüfung an Dr. Hoch’s Konservatorium, bin ich komplett zum Ballett gewechselt, und schon in meinem ersten Jahr an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main mein Vordiplom abgelegt. Während meiner Zeit als fest engagierter Tänzer, unter anderem am Aalto Ballett Theater Essen und an der Komischen Oper in Berlin, habe ich als Solist in zahlreichen Choreografien getanzt, so zum Beispiel in Werken von Glen Tetley und William Forsythe. 2004/05 habe ich mich dazu entschlossen, als freischaffender Tänzer und Choreograf zu arbeiten und ein Lehrerstudium an der Royal Academy of Dance absolviert. Seid 2007 bin ich nun Leiter und Besitzer des Center of Dance, wo ich Ballett- und Yogastunden gebe. Nebenbei arbeite ich noch als Solist für das Deutsche Showballett Berlin, das im Rahmen von TV-Shows und für internationale Produktionen mit Ridley Scott oder Jo Baier auftritt. Die Konkurrenz in diesem Beruf ist groß, aber das schließt Freundschaften nicht aus, zumal es ohne

den Teamgeist bei großen Produktionen nicht funktioniert. Doch wenn es um das Vortanzen für eine Rolle geht, kämpft jeder für sich allein. Dann stehen Freundschaften und Sympathien hinten an.

Center of Dance Schönhauser Allee 36 10435 Berlin Tel: 030 23 13 42 38 oliverdetelich@mac.com

Tänzer ist kein Beruf auf Lebenszeit. Doch daran denkt man zu Beginn seiner Laufbahn nicht. Am Anfang verwendet man seine ganze Energie noch darauf, die Karriere ins Laufen zu bringen. Irgendwann kommt aber bei jedem Tänzer der Punkt, an dem er sich fragt, was er mit seiner Zukunft anfangen will. Die Zeit, in der man als Tänzer arbeiten kann, ist insbesondere beim klassischen Tanz, ähnlich wie beim Hochleistungssport, leider nur begrenzt. Es ist eben eine vergängliche Kunstform. Bei einigen Kindern, die zu mir in den Unterricht kommen, habe ich das Gefühl, dass sie schon einmal in einem anderen Leben getanzt haben. Doch nur, weil sie Talent haben, heißt das noch lange nicht, dass sie auch bei der Stange bleiben. Die Kinder haben heutzutage so viele Möglichkeiten, woher soll man da wissen, ob es unbedingt Ballett ist, an dem sie dranbleiben? Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch sehr ehrgeizige Eltern, welche die Entwicklung ihres Kindes vorantreiben wollen. Dabei kann man in diesem Alter noch überhaupt nicht absehen, wie sich das Kind entwickeln wird. Allein schon physiognomisch gesehen. Nicht jeder kann eben professioneller Tänzer werden. Dafür bedarf es Talent, die körperliche Voraussetzung und den Willen. Doch die Momente, in denen alles eine Symbiose wird und der Tanz mit dem Raum und der Musik verschmilzt, belohnen am Ende für jedes harte Training.

www.centerofdance.net www.oliver-detelich.de


Events (p. 8)

begin, Pina Bausch, the grand dame of dance theater

written there but recorded in Berlin. The women played

died suddenly at the age of 69. Wim Wenders decided

all the instruments themselves, except for the drums

PINA

to do the project without her, in her honor.

for which they hired Thomas Hedlund from the French

Film

Open Air Cinema Kreuzberg in the courtyard of the

band, Phoenix. With their poetic realism, which is pep-

Admission: €6.50

Bethanien House, Mariannen Platz 2

pered with their own experiences, and their playful me-

13 August 2012, begins:

www.freiluftkino-kreuzberg.de

lodic and extremely lively pop, Sonja and Valeska have been touring across Germany and Switzerland since last

9:30 pm "Dance, dance, or else

BOY

year. The duo will be performing on 5 August at the Cita-

we are lost." In 1985,

Pop/Songwriters

del Music Festival at the Spandau Citadel.

Wim

+ Special Guests: Me And

Citadel

a guest performance of the German dancer and cho-

My drummer + FOTOS

At the Julius Turm 64

reographer Pina Bausch in Venice and was deeply im-

Admission: from €27.50

www.zitadelle-spandau.de

pressed by her dance theater. They had the idea of a

5 August 2012, Doors

joint film project, but the right format to present Pina’s

open at 5:30 pm, begins

DANCING IN AUGUST

revolutionary art of movement, gestures, language,

at 6:30 pm

Festival

and music was missing. This format was found with

That

the advent of 3D in theaters in 2007. The dance film

for the call after a first

15 & 16 August THEM, HAU

Pina takes the audience on a sensual, visually stun-

date, wistful farewells

2, begins 8 pm, from €15

ning journey of discovery to the middle of the stage

from home and arrival in a new city, and melancholic

16 & 17 August: Drugs kept

and out of the theater to the city and surroundings

waiting for a new life as life passes by. This is what Boy

me alive, Schaubühne am

of Wuppertal. Pina is not only one of Europe's first 3D

is about, but without drama. “This is the beginning of

Lehninger Platz theater,

films ever made, it is also the world's first 3D arthouse

anything you want”, goes the beginning of their debut

begins: 7:30 pm, from €7

film. Using 3D technology, Wim Wenders underscores

Mutual Friends. The song is about emergence and new

Dance is communication

the fluidity of dance theater – how it crosses the line

beginnings. Valeska Steiner from Zurich can literally

and expresses emotions. This year’s Tanz im August

between stage and audience, which the choreographer

sing a song about this. After meeting Sonja Glass at a

combines dance and language. Under the theme Figu-

abolished with her art. Two days before rehearsals with

pop course in Hamburg she moved to there and they

res of Speech, the pieces will deal with spoken or written

the ensemble of the Wuppertal Dance Theater were to

formed Boy. Almost all the songs for the album were

language – whether serving as the rhythmic pulse of the

Wenders

saw

painful

waiting

10 to 25 August 2012


English Translations  41

movement, as the basis of a written choreography, or as

Cookie Monster

respected both as an actor in the play "Henry IV" at the

the narrative level of a performance. THEM, which pre-

Party

Zurich Schauspielhaus, and as a radio playwright for

miered in 1986 and was revived in 2010, addresses male

Party

his bedtime stories for men. On the last Thursday in

sexuality and aggression. The mostly improvised piece

Admission: € 8-10

August you can bear witness as Rica Blunck, Victor Ma-

by New York choreographer Ishmael Houston-Jones is

16 August 2012, 11pm

driven by a raw guitar sound, as well as live spoken word

Everyone

Coo-

tell each other off in the Festsaal Kreuzberg. The story

passages about homosexual identity, drug abuse, death

kies in Friedrich Strasse.

will be of exceptional ugliness, and the speakers will

and suicide. Drugs kept me alive, a German premiere by

Whether Tuesday, Thurs-

blast classic “Tüdeldub”.

Jan Fabre with the performance artist Antony Rizzy, is

day or Saturday – Berli-

Festsaal Kreuzberg

the monologue of a survivor who omits nothing from

ners amongst us know

Skalitzer Strasse 130

his life and is always just barely escaping death. He is

that this cult club has recently undergone a complete

dancer on a tightrope who uncertainly balances bet-

renovation and now boasts a new interior design. Dif-

ween life and death, while always on the lookout for

ferent kinds of music, renowned DJs and nice peop-

The fast beating

getting high. In addition to various performances, pu-

le are there to party with you. The fact that you can

heart

blic discussions, films, parties will be held at different

eat in their own restaurant, Cream, makes the whole

(p. 12)

locations. The program, sideshow also offers workshops,

thing perfect. Rappers Harris & DJ Maxxx regularly

This woman has basically

concerts and yoga.

provide a visual highlight when they work Cookies’

helped almost all major Ger-

Stage: Kurfürstendamm 153

little floor with their legendary Cookie Monster Party:

man pop musicians in the

Hebbel am Ufer – HAU 2: Hallesches Ufer 32

blue walls, blue ceiling, blue record player, blue straws

last few years to get closer

www.tanzimaugust.de.

and even blue-glowing ice cubes. It’s even a sight for

to their own music. If she’s

the regulars who think they’re crazy. But they aren’t,

not choreographing for the prestigious Friedrichstadt

TIMELESS BEAUTY

as they pass out cookies to dancing guests who are

Palast or doing an on-camera testimonial for Reebok,

Exhibition

always hungry for cooookies! A gilded frame above

dancer Nikeata Thompson loves to stroll through Ber-

Admission: €10 / concessions

the DJ booth with “King Krümmelmonster” hangs in

lin Mitte and causing a good mood sensation! We meet

€5

homage. For over a year now the guys have filled the

Nikeata in front of Soho House in Tor Strasse. Already

18 August to 28 October 2012

evening with hip-hop music and manage to turn a re-

from afar, she waves us gaily over wearing a cap of the

Opening: 17 August 2012 at

gular club visit into Sesame Street for adults.

London in-label BOY. The chance you might think she

7 pm, Opening times: daily

Cookies

is one is zero. In her dizzyingly high heels, she sashays

from 11 to 8

Unter den Linden 41

gracefully over the cobblestones, the sequin embroide-

It moves between industry and art, has re-invented

10117 Berlin

ry of her top shimmering in the summer sun. After a

again and again and reflects the zeitgeist of each decade

www.cookies.ch

warm greeting, we enter Soho House. She often relaxes

– we are talking about fashion photography. Seductive,

www.djmaxxx.de

in this private club with the slightly elitist atmosphere.

knows

rek and Jacques Palminger aka The Kings of Dub Rock

www.festsaal-kreuzberg.de

Since we unfortunately cannot take any pictures here

provocative and eccentric: it holds up our own desires in front of our eyes. Parallel to the technological deve-

Jacques Palminger

we lay our camera to the side and go out on the roof

lopment, fashion photography has always created new

& The Kings of

terrace with its impressive view of the urban skyline

aesthetics, while the subject itself, fashion, has lost

Dubrock

including the TV tower. Over “red and white” French

more and more its importance. Instead, the imagery of

Concert

fries, naturally served in style on fine china and cloth

the photographer has steadily forced its way into the fo-

Admission: € 15.70

napkins, she tells us about her career and how she

reground. The model has also come more sharply into

30 August 2012, 9pm

came to coach well-known artists such as Lena Meyer-

focus. Pure fashion photography is no longer enough

“Hormones

out

Landrut and Frida Gold. As a child of Jamaican parents,

today – innovative, distinctive styles must be created

place cards, we only

she was born in Birmingham, UK (“They call us Brum-

and new taboos must be broken. Timeless Beauty - 100

follow our destiny.” It’s the theory that we are unable

mies”). After moving to Cologne, she attended school

years of fashion photography provides an overview of

to take our libidinal destiny into our own hands. Whe-

in Germany, and describes herself as a mixture of all

this exciting genre and the development of classical

reas the saying, “German woman, you have two legs,

three nationalities. Sure, she has an extraordinary

compositions of its founding fathers such as Edward

and often go too far,” reflects experiences of a more

temperament, however, she dreams only in German.

Steichen, George Hoyningen-Huene. Also included is

promiscuous love. Both statements were made by

As a teenager she was an athlete at Bayer Leverkusen,

the experimental photography of Erwin Blumenfeld

Jacques Palminger, the king of the art of talk-insults,

but eventually the point came when she wanted to

and Irving Penn, the sexualization and the voyeurism

master of bone-dry wisdom and expert on applied

escape the pressure of competitive sports. She went

of Helmut Newton, and the latest works by Mario Testi-

everyday Philosophy. Known and revered as a member

to parties and danced, danced, danced. Apparently so

no and Tim Walker.

of the Studio Braun trio (included are Rocko Schamoni

well that those around her more encouraged her to

C / O Berlin in Postfuhramt Gallery

and Heinz Strunk), Palminger he has toured solo and

professionalize her passion. And thus came the first

Oranienburger Strasse 35/36

with his band The Kings of Dubrock. More recently he

engagement as a background dancer for live shows

www.co-berlin.com

toured with the 440 Hz trio throughout all kinds of

and video shoots. Word of her positive energy on the

venues in Germany. But Palminger wants more: to be

set spread quickly and the very pretty Nikeata was in-

lay


42   English Translations

creasingly often asked to not only to act on camera, but

home is in Berlin and she wants to stay here for now.

I have to create an illustration I think what I want to

to take over the job of professional artist coaching. "I

We’ve now reached DuDu, a chic restaurant that offers

communicate and I try to connect these people with

originally come from the hip-hop and had initial re-

first-class Sushi, countless Fusion dishes with Asian

others elements, like a puzzle. I like clean and deep

servations about other styles of music. But I saw it as a

and Caribbean influences, and well-mixed cocktails.

drawings, quite realistic with traditional techniques.

challenge. And that’s how I approach new projects. The

Nikeata is a regular and loves to eat dinner here with

I don't avoid using Photoshop, software that I someti-

older I get, the more courageous I become,” she con-

friends. Dining in between the lush flora of the terrace,

mes use. However, after working with the computer, I

fesses between bites. Grinning, she adds: “When the re-

it’s easy to forget that you're really on a busy street in

start missing working on something more traditional

quest from Friedrichstadt Palast came, I shot it by my

the center of the German capital. A metropolitan idyll.

and faster, I really like the connection between the

agent because I didn’t trust it. Why do they want with

Our last stop is the shoe store Shusta in Rosenthaler

hand and the pencil after many hours of drawing. I

me?” But those in power at the historical revue theater

Strasse where we also visit a friend of hers. The shop

also like drawing with oil painting, but I'm not wor-

with the supposedly biggest stage in the world were

carries beautiful, well-made shoes that are modern, yet

king with it a lot, because I still think it's faster working

dead serious. This is her second choreographic con-

have an elegant-simple design and offer great value for

with pencils. Inspiration comes to me in many ways,

tract, and she is very proud of it. Only when they asked

money. A little offbeat is ok, and the first ones she noti-

films, music and fashion pictures. However, I think

for a name of dance style, did she have no reasonable

ces are turquoise wedges in snakeskin-look. She’s not

personal experiences or experiences with people close

answer. In fact, she’s not a great planner. Disciplined

buying anything today, but she hugs the salesperson

to me help to create new concepts. The human being

and passionate in her work, she is always open to new

and sincerely wants to know how he’s doing. Despite

is something to start with. www.cargocollective.com/

developments and challenges. Once the fries are eaten,

the warmth and openness, a healthy dose of diva is

jacobolabellaart

we continue our day about town. Relaxation for Nikea-

part of the overall Nikeata Thompson concept. She

ta means meeting friends, shopping, and going out to

is a woman who knows what she wants and lets it be

“I had to

eat in nice places. “I like to be around people,” she says,

known. Good thing. She has the special gene that com-

unlearn

and dashes like an elegant fawn across the busy Tor

pels pedestrians to turn and look. The Jamaican blood

everything”

Strasse to Bold Room, a gallery space that serves as a

lets her heart beat a little faster, she tells us at the be-

(p. 26)

pop-up store for designers from Iceland and other Nor-

ginning. Now we know what it means.

Jephta van Dinther

dic countries. She knows the owner and we take some

More information about Nikeata’s projects at: www.ni-

is a dancer and

nice shots in a large double bed that is invitingly in the

keatathompson.com or on her blog www.evewithouta-

choreographer.

middle of the shop. Outside in the next doorway is a

dam.net/nikeata-thompson

you like dancing at

If

Berghain weekends, you might just find him there at

garbage bag with a note on it: “Deposit bottles to give away”. You wouldn’t find this in Neukölln where Nike-

Illustrator

work. More about this and why his work is contempora-

ata has lived for a while. She likes it there and always

of the month

ry follows in our interview.

finds it funny when some of their clients are slightly

(p. 23)

When did you realize that you wanted to dance?

shocked at the still notorious district. She used to only

My name is Jacobo

I actually slipped into it when I was 17, and a girlfriend

hang out in Kreuzberg and an address she’s especially

Labella. I'm a graphic

took me to Jazz Dance. The teacher was impressed

fond of there is Atlas Pancakes in Forster Strasse. The

designer and illust-

and wanted me to begin dancing immediately. At that

restaurant specializes in the American calorie bomb

rator. I was born in

time, I was studying English Social Studies at a school

and was recently opened by friends of hers. You realize

Málaga

28

in Stockholm. Dance was a welcome change. I thought

again and again the way she raves about her friends’

years ago - I studied

it was better; it was something concrete I could do with

project with her twinkling eyes that she is a passionate

high school in Art

my body. I started to train five times a week. Jazz, ballet

networker and a very open person. We happen to pass

at San Telmo school,

and modern dance. A year later, I auditioned and was

the Möbel Horzon, a furniture store that was founded

and then I went to

accepted at the Amsterdam School of the Arts.

in 1999 by Rafael Horzon. They really just carry one

University to study Advertising and Public Relations.

There you specialized in modern dance?

design: his legendary shelves. Nikeata shouts: “Hey, he

In 2007, I moved to Barcelona to study a graduate

It was a fairly conventional modern dance school. You

made my bed,” and knocks on the door. The employee

course in Art Direction at ELISAVA design school. I

have ballet lessons every day and learn modern tech-

who opens is a little confused, yet allows us to take

came back to Malaga to work in a company of design

niques that have been taught since the fifties. Only

photos using the Horzon shelves as a backdrop. It was a

and advertising for three years and then I finally mo-

when you are advanced do you study contemporary

custom made and the best bed in the world she swoons

ved to Berlin. I arrived in Berlin with a Leonardo scho-

techniques and improvisation. You follow the course

rapturously. Strolling towards Rosenthaler Platz, I ask

larship to work with Andrea Sunder-Plassmann as a

of dance history. I wouldn’t recommend anyone to

about her future plans. As mentioned earlier, making

design assistant a year and four months ago. I've been

attend such a program. I had a lot of "unlearning" to

plans isn't really her thing, but she is interested in pro-

drawing and painting for as long as I can remember.

do. Contemporary dance today is very different from

moting dance talent in Germany; to boost our poten-

It's something I've always loved working on as well as

modern dance.

tial to an international level and show the rest of the

developing my career as a graphic designer and art di-

Don’t you think that one must first know the rules in

world: we have great dancers here! For this purpose,

rector. I love portraits, I started drawing people from

order to break them?

and also because there was no such thing in Germany,

magazines, people who looked interesting or beautiful

Maybe. That's why I'm ambivalent about the whole

she founded an agency for dancers. Sure she wouldn’t

to me. Nowadays I like changing these drawings, focu-

thing. I also know that what I do today I couldn’t do if

mind working with the great American artists, but her

sing on a concept for each different kind of work. When

I hadn’t had the hard training. It was very influential,

(Spain)


English Translations  43

but it took years to unlearn certain things. For me it is

over time. I always try to create new conditions.

And sweetly

very important, for example, that I can connect with

What are these parameters? Music, space...?

sounds the bag-

the audience, even if they have no idea about dance. If

Let's take Grind as an example. There the parameters

pipe (p. 30)

I'm too technical, then the distance is greater. I might

are sound, light and body. All were considered as part

Dance has always played an

impress you, but it’s more important to me that you

of the choreography. We only tolerated elements in the

important role in my fam-

empathize with my dancing.

performance that couldn’t manage without the other

ily. My parents were born

What did you have to “unlearn” for example?

elements. My dance for example, doesn’t function

during the Second World

Posture. How do I stand; what is my idea of presence?

alone, it needs light and sound. The idea is to combine

War. They experienced the

In an Academy you are taught to generate a certain

all three elements into a strength. If you disable one

1950s as teenagers in pet-

presence. But you can also be present in that you’re

element in Grind, then the whole thing doesn’t work

ticoats, and in the still hard-to-get blue jeans that they

just there. There is a lot of projection in classical and

anymore. Going back to your question, it completely

softened in the bathtub. There are impressive black and

modern dance. It’s a somewhat vague term, but how

depends on the project. I'm currently working on a pi-

white photos of my dad, who back then was (and still

you use your eyes has a big impact on posture, for ex-

ece that doesn’t have such strict rules. Here the music

is) a wild guy, boldly twirling pretty girls through the

ample.

is very important. It is inspired by Berlin club life, and

air. Rock'n Roll. In the early 1960s it was so easy for him

A typical example is that you traditionally look over

how it resonates in our emotions and memories. The

to become a rebel: he just grew a full beard. Everything

the audience. You do not connect. They are there, but

music. The state you're in when you're there.

was swinging, and Mom and Dad sympathized with

you find yourself in an imaginary space, but for nar-

Sounds like Berghain.

the Marxist left. They carried Mao Bibles and traveled

rative work you are ask the public to put themselves

Yes (laughs). I’ve been going there now for five years.

to the GDR out of curiosity. Do I have to say anything

in this situation. For example, that you’re looking at a

It certainly has influenced my work. In the beginning,

more than they named my brothers Boris and Nikolai?

meadow.

it crept in more discreetly. With Grind I was fairly

But back to the dance. In the seventies their enthusi-

In my work I want to connect with the audience. I also

straightforward about it. I'm not interested in creating

asm for the existing Socialism waned, and transformed

incorporate them to a degree. In one of my pieces I seat

a stage version of the club. Other choreographers are

into politically harmless enthusiasm for any form of

the audience in one row on three sides of the dance

already doing that. I'm more interested in the fusion of

Southeast European folklore. Folklore was totally hip

floor so that they’re very close to the action. Implicitly

perception and senses that happens there, the experi-

and was reflected in clothing, furniture and even dance.

then, every one of them is part of the choreography.

ence of one's body in relation to those of others and to

My name is Sophia because at that time my father liked

For all us lay people, please explain the difference bet-

the light and sound.

to drink in a traditional Greek tavern whose fat hostess

ween Modern and Contemporary Dance to us.

Modern Dance was sometime a counter movement to

was my namesake. And so it happened, that I, born in

The terminology varies a bit different from country

ballet. Could there still be a revolution that puts dance

1980, spent almost all of childhood holidays attending

to country. I will explain the concept from the Anglo-

back on its head?

folk dance seminars. They were held in Greece, Bulgaria,

Saxon point of view. That’s where modern dance origi-

Just now there are a lot of performances without a

former Yugoslavia or Poland, and sometimes during

nated, and where certain ballet ideas were discarded.

body, choreographies with things or light. I dont know

the Easter holidays at camps in Franken. I found it re-

All at once you could dance barefoot, you no longer as-

if this is revolutionary, yet...calling something choreo-

ally exciting seeing all the repressed Germans in flow-

pired to the top, rather, you gave in to gravity. From the

graphy that doesn’t even have anything to do with

ing robes. There were the sweaty men with mustaches,

fifties modern techniques were developed, become es-

bodies is already revolutionary. But for me, bodies, my

and women in flowered skirts and wearing abstract,

tablished, and have been taught since then as modern

body, is very important. And I will certainly continue

driftwood chains that bounced up and down on their

dance. Later in the sixties and seventies, post-modern

to work with them.

breasts. For the first time in my life, I saw naked (and

dance developed. It deals with the body as an everyday

“I am a Swede, but my blood is Dutch.” Jefta van Dinther

half-naked) adults, including my parents, in changing

object. This was an attempt to to see choreography in

moved with his family to Stockholm at the age of one.

rooms at these seminars. My dad was permanently

a broader sense, as a movement of bodies. It could be

He has just been appointed as Head of the MA Program

dripping man-dance-sweat, which formed droplets in

anyone's body. That was real big in the States for ex-

in Choreography at the University of Dance and Circus

his red chest hair. One of my strongest childhood mem-

ample. People did things that people just do, and they

in Stockholm. He spends one third of the year in Ber-

ories of him is of him pressing me against his soaking

called it choreography. Contemporary dance is eve-

lin, where he dances relentlessly. During the week he is

wet chest and twirling me through the air to the beat

rything that takes place in the now. It is a very broad

working on a new piece at the factory in Potsdam. On

of the music. The dance instructors were impressive

and non-binding term. Contemporary Dance can be

weekends, he dances at Berghain. For us he will dance

characters, such as the black-haired Bulgarian Beltscho

close to the theater, but also close to ballet.

on the 24th and 25 August as part of the dance night at

or the Polish dance professor Hendrik Duda. He won my

What makes your work “contemporary”?

the Palais Podewils in his play Grind, which he worked

favor more for his funny last name than for the disgust-

My choreography is always mutually independent on

on with lighting designer Minna Tiikkainen and sound

ing wart on the cheek and the unavoidable sloppy kiss-

the conditions in which it occurs. I'm not interested in

designer David Kiers.

es. The seminars always took place well away from the

developing a new technique. I set parameters that lead

jeftavandinther.com

usual tourist spots, and so I got to know the road games

to a choreography. It is a direct response to these pa-

tanznachtberlin.de

of Bulgarian village children who really looked forward

rameters. As a viewer you recognize these conditions

to our gifts (colorful plastic pens). It was absolutely sec-

as well. You can see that the choreography is genera-

ondary that we had no common language. The Iron Cur-

ted by these set parameters. That is "contemporary" to

tain had just fallen, and currency was still worth some-

me. Also, because I'm not trying to set these conditions

thing. Usable toilet paper was still in short supply; they


44   English Translations

used old newspapers. Coca Cola was the greatest feeling

as a teenager I didn’t like to dance in clubs. And apart

malism Germany 1960s with a second installment of

in the Bulgarian summer of 1989. At night, an entire

from my headbanging attempts, which mostly ended

large-scale, action-oriented, and, of course, serial works

mutton was roasted over an open fire, and when adults

with unintended collisions, and with the obligatory

from the Daimler Art Collection. Minimalism in Ger-

drank a little too much Retsina or Vodka, they began to

vacuum cleaner dance when I was in my Goth phase,

many. The Sixties II, however, concentrates on fewer

giggle hysterically and sometimes even snog. I thought

I can’t boast of much experience in dance. So how can

protagonists than its predecessor. With a focus on the

it was all terribly exciting. When I was a little older, I

I best staunch my child's enthusiasm for the usual

development of Minimalism in Frankfurt, Düsseldorf,

began to dance with them. Before that, like every good

ballet and hoppy childrens’ dance courses? I could

Hamburg, Stuttgart, and Berlin, the exhibition explores

German girl in the 1980s, I had only attended classical

for example register her at Sasha Waltz. They offer a

the distinctively independent and German side of the

ballet lessons. I was a fast learner and soon the quick

three-hour long, monthly, children’s dance workshop

movement’s progression. Inspiration drawn from con-

Bulgarian and Greek circle dances, and bagpipe music

during the school year. The 100 Euro fee is essentially

temporary scenes abroad (most obviously America) is

became second nature. Surely, the big men next to me

a service charge considering the exclusive teachers

clearly seen, but so are the conflicts and interests that

must have silently cursed. I was a true dwarf at the age

at the Sasha Waltz Company. And perhaps best of all,

set the German Minimalists apart from their internatio-

of 11 and they had to back-backingly bend down to me

you get to treat yourself to three hours of free time be-

nal counterparts – in particular through addressing ab-

in order to close the circle. Anyway, the music: bagpipes

cause the workshops are always on weekends; a price-

straction and Zero avantgarde, as well as in constructive

were a must. And when my father wasn’t at home end-

less gift for any working mother. Children who prefer

and concrete tendencies.

lessly re-recording cassettes of annoying bagpipes with

to watch rather than dance themselves might enjoy

wailing women choirs for his folk dance friends, he tried

the children’s performance of the State Ballet of Berlin.

Wie kommt

to master the instrument himself. A hollowed-out goat

Children aged 4 years or older can also watch a new

das Neue in

using various flutes elicited relatively tolerable sounds,

ballet production of Sleeping Beauty at the Theater an

die Welt?

but required a strong breath and lots of practice. He

der Parkaue. Also highly recommended are the regular

6 Jun to 26 Aug 2012

practiced. And practiced. And practiced. I don’t remem-

events and workshops of the nonprofit organization

Haus am Waldsee,

ber anymore what the neighbors thought about it.My

Tanz ist KLASSE (Dancing is GREAT). Their goal is pro-

Argentinische Allee 30,

mother suffered quietly and artistically, embroidered

fessional instruction of dance as an art to children and

daily 11am – 6pm

flowing linen dresses with floral vines or all sorts of oth-

young people. Family performances are one of their

How Does the New Enter

er folksy trinkets. Like all trends in our family, the folk

most popular events. Not only are the plots and roles

the

era came to an end. Yiddish literature, Tai Chi, and tap

presented, but also various dance scenes are rehearsed.

Haus

dancing became the new cornerstone of recreational ac-

It’s the perfect opportunity for all little ballet afeciona-

unique physical location in the city – on the edge of

tivities in the Hoffmann home. We went on vacation to

does to take one step closer to their dream of becom-

the Waldsee in leafy Zehlendorf – with an exhibition

Mecklenburg-Western Pomerania or to Lower Austrian

ing prima ballerinas. Homework can be done with the

of young Berlin-based sculptors whose work addresses

vineyards. I don’t know whatever happened to the bag-

German language book Why? Why? Why? Come with

perceptual situations found in the natural and urban

pipe. Not a problem. Especially, for my mother.

me to the ballet (our translation), which explains ex-

world. The diverse practices of the nine artists involved

World?

integrates

am

Waldsee’s

actly why pointe shoes are good, how the stage is built

are linked by a common use of found objects from the

We Mitte-

and why it’s so hard to become a prima ballerina. By

worlds of consumerism, construction, and nature. In-

Mums

the way, my daughter got a tutu right after her first bal-

side the Haus am Waldsee, objects and installations

(p. 33)

let lesson. Thanks to H & M and cohorts you don’t have

create shifts in context and perspective that reveal

Clärchens

to spend a fortune, like you once did. And so now I sit

aspects of the new. Outside, works placed into the ex-

Ballhaus, and not

forty-minutes every Tuesday in an overheated room

isting sculpture garden help achieve a full integration

just because of their

and watch my daughter through the glass window as

between exhibition and venue.

good pizza. No, it’s

she courts attention from her dance teacher who is a

because when I’m

young version of Carrie Bradshaw. Ultimately, it’s just

Michael

all about the boys. Even with the tutu.

Sailstorfer

I

love

there I don’t need a babysitter for my daughter. In

26 Apr – 8 Oct 2012

between the crowded tables and music stage of the grand ballroom, there’s always some couple trying out

EYEOUT Art Events (p. 34)

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr.

Rumba steps or letting themselves be instructed in the Flamenco by a young, attractive teacher. The sight im-

Minimalism

124–128,

mobilizes my daughter, and thankfully allows my hus-

in Germany.

Wed – Sun 11 am

band and I to exchange more than three consecutive

The Sixties II

– 6 pm

sentences. Unfortunately, I myself have very little in

31 Mar to 9 Sepr 2012

terms of dance to offer my daughter. More than three

Daimler Contem-

lin-based artist Michael Sailstorfer presents a highly

weeks of ballet was the max for me because my mother

porary, Alte Potsda-

romantic formalism. Though that might seem oxy-

informed me that I wouldn’t get a tutu immediately;

mer Str. 5

moronic, the Vattenfall Contemporary 2012 art prize-

no, that I would have to class regularly like a good lit-

Tue – Sun 11 am – 6

winner carries through this apparent contradiction

tle girl. This was a sheer impossibility with the Russian

pm

drill sargeant who was my ballet teacher. Anyway, even

Daimler Contemporary is following up 2010’s Mini-

The work of Ber-

in his exhibition Forst (Forest) at Berlinische Galerie. Sailstorfer has utilized the challenging space of the


English Translations  45

gallery’s ten-meter-high entrance hall for the instal-

and thankfully allows my husband and I to exchange

can also watch a new ballet production of Sleeping

lation of five trees hung upside down and revolving

more than three consecutive sentences. Unfortunate-

Beauty at the Theater an der Parkaue. Also highly rec-

around their own axes. With an effect both beautiful

ly, I myself have very little in terms of dance to offer

ommended are the regular events and workshops of

and hypnotic, the rotating trees also contextualize and

my daughter. More than three weeks of ballet was the

the nonprofit organization Tanz ist KLASSE (Dancing is

frame a video work that completes the installation.

max for me because my mother informed me that I

GREAT). Their goal is professional instruction of dance

Reminiscent of Malevich’s Black Square, Sailstorfer’s

wouldn’t get a tutu immediately; no, that I would have

as an art to children and young people. Family per-

Schwarzwald (Black Forest) also brings nature into the

to class regularly like a good little girl. This was a sheer

formances are one of their most popular events. Not

gallery space. A live video feed of a six-by-six meter

impossibility with the Russian drill sargeant who was

only are the plots and roles presented, but also various

square of central German forest floor that has been

my ballet teacher. Anyway, even as a teenager I didn’t

dance scenes are rehearsed. It’s the perfect opportu-

painted black, it allows us to watch as natural proc-

like to dance in clubs. And apart from my headbanging

nity for all little ballet afecionadoes to take one step

esses slowly erode the artist's intervention.

attempts, which mostly ended with unintended colli-

closer to their dream of becoming prima ballerinas.

sions, and with the obligatory vacuum cleaner dance

Homework can be done with the German language

Berlin Faces

when I was in my Goth phase, I can’t boast of much ex-

book Why? Why? Why? Come with me to the ballet (our

(p. 38)

perience in dance. So how can I best staunch my child's

translation), which explains exactly why pointe shoes

I love Clärchens Ballhaus,

enthusiasm for the usual ballet and hoppy childrens’

are good, how the stage is built and why it’s so hard to

and not just because of

dance courses? I could for example register her at Sa-

become a prima ballerina. By the way, my daughter

their good pizza. No, it’s

sha Waltz. They offer a three-hour long, monthly, chil-

got a tutu right after her first ballet lesson. Thanks to

because when I’m there

dren’s dance workshop during the school year. The 100

H & M and cohorts you don’t have to spend a fortune,

I don’t need a babysitter

Euro fee is essentially a service charge considering the

like you once did. And so now I sit forty-minutes every

for my daughter. In be-

exclusive teachers at the Sasha Waltz Company. And

Tuesday in an overheated room and watch my daugh-

tween the crowded tables

perhaps best of all, you get to treat yourself to three

ter through the glass window as she courts attention

and music stage of the

hours of free time because the workshops are always

from her dance teacher who is a young version of Car-

grand ballroom, there’s

on weekends; a priceless gift for any working mother.

rie Bradshaw. Ultimately, it’s just all about the boys.

always some couple trying out Rumba steps or letting

Children who prefer to watch rather than dance them-

Even with the tutu.

themselves be instructed in the Flamenco by a young,

selves might enjoy the children’s performance of the

attractive teacher. The sight immobilizes my daughter,

State Ballet of Berlin. Children aged 4 years or older

Mitteschön Verlosung 45   English Translations

Musik liegt in der Luft Wer tanzen will, braucht bestenfalls Musik dazu. Wer Musik hören möchte, benötigt, ganz altmodisch gesagt, einen Rekorder. Wer Musik selbst macht, muss gut ausgestattet sein. Gitarren, Bässe, Verstärker, Drums, Keys, Akkordeons, Mikrofone, Licht, Kabel, Kopfhörer, DJ-Mixer, Turntables, Mischpult und und und. JustMusic ist der Laden, der euch all das notwendige Equipment liefert. Die Shops sind in den Herzen der Metropolen Deutschlands, am Puls der Zeit. Hamburg, Berlin und München haben Musikgeschichte geschrieben und JustMusic hat Musikliebhaber seit mehr als 30 Jahren dabei begleitet. Die Gründer fühlen sich nicht nur der Stadt und ihren Musikern verbunden, sondern auch verpflichtet, neue Projekte wie Workshops, Events, Flohmärkte und Aktionen zu unterstützen. Egal, ob Musiker oder einfach nur Musikliebhaber – jeder bekommt bei JustMusic das, was er braucht. JustMusic und MITTESCHÖN verlosen zwei Einkaufsgutscheine im Wert von je 100 Euro. Die Verlosung startet heute auf www.mitteschoen.com


46   Kolumne

Über Geschwindigkeit Text Oliver Janik

Illustration Nicole Pieloth

„Was ich noch sagen wollte…“ – Hinweise auf Missstände und andere Belanglosigkeiten. Die Sicht zu Dingen, so sagt man, ist ja in erster Linie eine Funktion von Zeit, also eine Frage der Veränderung und ihrer Geschwindigkeit. Und das beginnt im Grunde schon in der frühesten Kindheit und setzt sich dann so fort in der Pubertät: Jungs sind nicht mehr immer doof, nur ab und zu noch, dafür die Eltern und das eben immer. Der Kaffee von Oma, das Bier von Papa, der Gauloises-Qualm vom großen Bruder – früher eklig, später eigentlich auch noch, aber wenigstens cool, dann – spätestens im Studium – ab usus, bedingungslos, brutal. Mangels Kindern vermag ich mir kein valides Urteil darüber erlauben, ob es heute wirklich so viel schneller geht, das alles, und ob das früher ohnehin viel besser, langsamer oder – neudeutsch – entschleunigter war. Sechsjährige laden so selbstverständlich Apps runter, wie sie vor 20 Jahren noch die Namen ihrer Schlümpfe auswendig konnten, gerade hat man bei einer Vierjährigen einen IQ von 158 gemessen – fragt sich, was sie früher damit gemacht hätte. Egal. Oder Berlin. Die so „total spannende“ Stadt der „ständigen Veränderung“, das zumindest O-Ton von nahezu jedem Touri, der mal die 30 Minuten vom Potsdamer Platz zum Hackeschen Markt flaniert ist („Bei meinem letzten Besuch sah das hier noch ganz anders aus!“). Aber stimmt ja schon, Geschwindigkeit und die der Veränderung – immer und permanent ein Riesenthema in Berlin, man kommt ja gar nicht mehr mit langsam. Wohl nirgendwo in Deutschland sind die Dinge so rasch nicht mehr das, was sie mal waren, und wenn das wirklich so ist, dann muss man ja – zumindest für Berlin – feststellen, dass Dinge (wie z.B. ultrahippe Szenelocations) gar nicht mehr wahnsinnig viel Zeit haben, überhaupt zu sein, bis sie schon nicht mehr das sind, was sie mal gewesen sein sollen. Das klingt komplizierter, als es ist. Bei manchen Locations in Berlin ist kaum der Estrich trocken und der Türsteher domestiziert und dann ist schon wieder Schicht. Manchmal ist das Konzept scheiße, manchmal ist es Zwischennutz. Manchmal auch beides. Also schnell weiter. Mit der Geschwindigkeit. Reden wir mal über Gehgeschwindigkeit. Homo sapiens, so heißt es, läuft mit einem Durchschnittstempo von 6 km/h. Das mag sein, gilt aber lange nicht für alle. Dänische TouristenEhepaare oder italienische Reisegruppen auf der Alten Schönhauser Straße treten beispielsweise-

täglich den Gegenbeweis an. Auf der Madison Ave in New York oder der Nanjing-Lu in Shanghai würden sie dafür und den damit verbundenen Hindernis-Parcours der arbeitenden Bevölkerung auf dem täglichen Büro-Hin-und-Rückweg mindestens standrechtlich erschossen. In Berlin ist man da etwas gleich- und langmütiger und hält sich mit Spontan-Exekutionen und Beschimpfungstiraden (noch) vornehm zurück. Zum Einen ist Müßiggang (auch ja eine nicht eben nach Highspeed klingende Gangart) in Mitte einigermaßen weit verbreitet und sozial nicht gerade geächtet, zum Anderen ist – im besten Falle – das natürliche Ende von Wut Fatalismus und Gleichmut. Nun liegt Letzteres ja nicht gerade in der Natur des Berliners, aber die gibt’s in Mitte ja eh schon lange nicht mehr, so besehen, vielleicht gar nicht so schlecht. www.oliverjanik.wordpress.com


Infos: www.torstrassenfestival.de

Tickets: Koka36 und www.torstrassenfestival.de/tickets

BANDS Miss Kenichi Ballet School

Mittekill

Bart Constant

Norman Palm with Odd Man Out

DENA

Oscar & The Wolf

Dan Bodan

Shandy Mandies

Dent May

The Mohawk Lodge

Grüner Salon Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz 2

Digits

The Townhouses

Kaffee Burger, Torstraße 60

Eddie Argos and The Lo-Fi Punk Rock Mother Fuckers

Tiny Ruins

St. Oberholz, Rosenthaler Straße 72a

Freedom or Death

Touchy Mob

Gaststätte W. Prassnik, Torstraße 65

Heatsick

Tristan Brusch

Schokoladen, Ackerstraße 169

House of Wolves

Two Chix & A Beer

White Trash Fast Food, Schönhauser Allee 6

Hush Hush

U*N*S

Z-Bar, Bergstraße 2

Kool Thing

UMA

cccp, Rosenthaler Straße 71

Masha Qrella

Wintercoats

LOCATIONS



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