Mitteschön Magazin - Ausgabe 21

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Ausgabe 21, Mai 2012

Neues aus Berlin Mitte

on the move Game on: originelle Sportarten Mohammed was a Punk Rocker: MICHAEL MOHAMMAD KNIGHT „Die Jugend von Heute“: Jugend in bewegungen Mittes Monatsheft!

deutsch + English



Editorial  3

Mitte ins herz Endlich ist Frühling und wir müssen nicht mehr blöd in irgendwelchen Sporthallen herumturnen, sondern können im Freien unseren Lieblingssportarten frönen. Dass nicht jeder so sportlich ist wie unsere Lieblingsartistin Kaelyn Schmitt, mit der wir einen entspannten Glückstag rund um den Weinbergspark verbracht haben, wissen wir natürlich selbst. Aber es gibt ja auch andere Arten der Bewegung: Jugendbewegungen zum Beispiel. Und denen hat sich unser Redakteur Björn in dieser Ausgabe gewidmet. In unsere Rubrik Berliner Gesichter hat es dieses Mal keine Persönlichkeit, sondern ein Gebäude geschafft, das sich seit seiner Erbauung schon ordentlich in Richtung Erdmitte bewegt hat. Des Weiteren stellen wir euch in dieser Ausgabe fünf ausgefallene Sportarten vor, befragen für euch die Newcomerband Nias und erkundigen uns bei dem amerikanischen Schriftsteller Michael Muhammad Knight, wie es geschehen konnte, dass die islamistische Punkbewegung aus seinem Roman Realität wurde.

Viel Spaß beim Lesen Eure MITTESCHÖN-Redaktion

Nina pieroth Die Fotografin Nina Pieroth hat ihre Liebe fürs Detail zum Beruf gemacht. Ihr Studium in Darmstadt und Paris nutzte sie außerdem, um als Assistentin die Pariser Modewelt zu erforschen. Doch nach abgeschlossenem Studium war klar: Ihre Wege führen nach Berlin. Stillstand ist nicht ihr Ding. Ihr Markenzeichen: künstlerische Inszenierung und lebendige Portraits. Beweise hierfür findet man unter www.ninapieroth.de

Katharina geiSSler Im Osten aufgewachsen, im Norden und Westen die Sommerferien verbracht, im Süden studiert und schließlich in Berlin gelandet, das von allem ein bisschen ist. Auch nach fast zwei Jahren, in denen Katharina nun hier lebt, hätte sie manchmal noch einen Kompass nötig, um sich im Großstadttrubel zurechtzufinden. Wiederum: um seinen Blickwinkel zu erweitern und ungewöhnliche Dinge zu entdecken, muss man eben auch mal vom Weg abkommen. Ein Jahr lang hat Katharina ausgefallene Eventtipps für euch zusammengestellt. Nun ist es an der Zeit, sich neuen Aufgaben zu widmen. Für unseren MITTESCHÖN-Blog wird sie aber weiterhin über Musik, Film, Theater, Kunst und Shops berichten. www.mitteschoen.com

Björn Lüdtke Björn Lüdtke wohnt seit 2005 mitten in Mitte und bekommt jede kleine Veränderung hautnah mit. Gute Voraussetzungen,um sich um unsere Rubrik New In Town zu kümmern. Außerdem hat er sich für diese Ausgabe eine Bravo gekauft und sich mit dem Thema Jugendkultur beschäftigt.


4   Impressum

Mitteschön no    21

Herausgeber

Toni Kappesz Veröffentlichung

Vollstrudel GmbH Schröderstr. 12 10115 Berlin, Germany Projekt Manager

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) ARTDIREction

Dörte Lange (doerte@mitteschoen.com) Grafikdesign

Nicole Pieloth (nicole@mitteschoen.com) Projekt Manager online

André Uhl (andre@mitteschoen.com) Redaktion

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) André Uhl (andre@mitteschoen.com) Presse

Pelén Boramir (pelen@mitteschoen.com) Redakteure

Paul Schlosser, Bettina Schuler, Björn Lüdtke, André Uhl, Oliver Janik, Pelén Boramir, Sophia Schwan, Anne Kammerzelt, Saskia Neuman, Katharina Geißler Fotografen

Tina Linster, Nina Pieroth ÜBersetzung

Nicholas Tedeschi (nicted@web.de), Robert Schlicht Anzeigenvermarktung

media@mitteschoen.com WEBSeITE

www.mitteschoen.com Druck

Druckhaus Schöneweide Coverfoto:

Move (On), fotografiert von Tina Linster.


Inhaltsverzeichnis  5

INHALT / Content Wegweiser 6

Momentmal: MOve (ON)!

8

Konzerte und Ausstellungen Concerts and Exhibitions

10

Mitteschön Lieblingsstücke

34

Kochtipps vom Kochhaus

35

Gimme five: GO WITH THE FLOW

40

Englische Übersetzungen English Translations

45

Mitteschön Verlosung

47

Stadtplan City Map

kieztalk 12

glückstag mit KAELYN SCHMITT

17

Neu in der Stadt: ZSA ZSA BURGER

28

interview: Michael muhammad knight

33

Wir Mitte-Muttis: treiben sport We Mitte Mums: do Sports

38

Berliner Gesichter: SCHWERBELASTUNGSKÖRPER Berlin Faces: Schwerbelastungskörper (Heavy Load Bearing Body), Monument

46

Kolumne: Über die Empörung

Kulturgut 18

Angehört und Nachgehorcht: NIAS

20

„DIE JUGEND VON HEUTE...“: Jugend in bewegungen “The youth of today...”: Youths in Movements

23 26

illustrator des Monats: Michael mcdonnell Game on!: Originelle Sportarten Game on! Unusual Types of Sports

36

Kunsttipps von EyeOut EYEOUT Art Events

37

filmtipps DER filmgalerie 451


MOVE (ON)! Eine Wohnung zu verlassen, in der man gerne, lang oder zumindest intensiv gelebt hat, ist so eine Sache; das finale Weißstreichen der Wände, zumindest für mich, ein melancho-

lisches Unterfangen. Mit frischer Farbe überdeckt und versiegelt man all das, was in irgendeiner Form noch zurückbleibt; was nicht in Kisten heraus geschleppt werden kann; was dort einmal gesagt,


gedacht und gefühlt wurde. Kleine Teile Leben, weiß getünchte alte Geister, tummeln sich unter vielen Schichten Abdeckfarbe. Aber, um das Thema dieser Ausgabe zu nennen – Bewegung – ist etwas

Gutes. Egal in welcher Form! Ob sportlich oder geistig motiviert. Ach ja, wer übrigens noch eine tolle Altbauwohnung mit Balkon am Kanal kennt... Tina Linster fängt für „MitteSchön“ Berlin-Momente ein.


8   Veranstaltungstipps von Sophia Schwan, Translations P. 40

Boheme Sauvage Party Eintritt: VVK 18.50 €, Abendkasse 17 € 26. Mai, Einlass: 23 Uhr Die goldenen 20er Jahre in Berlin: Die Blütezeit der deutschen Kunst und Kultur, in der viele gerne gelebt hätten. Damals wurden Filme mit siebzigköpfigen Sinfonieorchestern in Samtjacken begleitet, es wurde Charleston getanzt und in Ballhäusern wie dem Barberina klirrten die mit Champagner gefüllten Kristallgläser. Frauen stolzierten in Flapper-Kleidern und mit Zigarettenspitzen bewaffnet den Ku‘damm entlang. Sogar Gangster und deren dubiose Geschäfte hatten einen Hauch von Eleganz. Am 26. Mai kann man dank Bohème Sauvage in den verrauchten Glamour der 20er Jahre Tage tauchen und zu Swing und Charleston tanzen. Im Chic dieser Epoche gekleidet schlüpfen die Gäste in ihre ausgewählte Rolle als Varietégirl, Dandy, Gigollo oder auch Mafiaboss. Alles ist erlaubt, Hauptsache, es ist mondän. Wer möchte, kann im Kasino sein Glück, genauer gesagt die 50 Millionen Reichsmark, welche man am Eingang erhält, verspielen. Versüßt wird der Abend mit Sideshow- und Burlesque-Aufführungen und einer gut bestückten Absinth Bar. Wer sich der grünen Fee aber nicht hingeben möchte, kann auch Cocktailkreationen getreu der wilden Ära genießen.

Anton Corbijn Inwards and Onwards Ausstellung Eintritt frei 21. April bis 02. Juni Paparazzi gelten für viele als unmoralische Jäger. Sie drängen sich in die Privatsphäre Prominenter und versuchen die Schattenseiten der Stars zu verewigen, in dem sie diese am liebsten unvorteilhaft ablichten. Der niederländische Fotograf Anton Corbijn präsentiert in seiner Ausstellung Inwards and Onwards äußerst intime Porträts bedeutender Persönlichkeiten. Nur mit natürlichem Licht arbeitend, versucht er hinter die Inszenierungsfassaden weltberühmter Menschen zu blicken. Mit seiner Hasselblad Kamera schafft er es, die charakterlichen Tiefen von Berühmtheiten wie Kate Moss und Gerhard Richter wieder zu spiegeln. Mit seinen Fotos gestaltete Corbijn in den 70er Jahren das Image von Bands wie Joy Division und U2. Für Metallica und Nirvana führte er in Musikvideos Regie, heute zählt er zu den einflussreichsten Fotografen sowie Regisseuren unserer Zeit.

ApokalyPse Now (And Then) - Das Ende der Welt in der Popkultur Themenwochenende Eintritt: Tagesticket 22 € sonst 12,10 € 03. bis 05. Mai

Wintergarten

10623 Berlin

Trotz Hiroshima und Nagasaki gibt es in der japanischen Sprache kein Wort für Katastrophe. Stattdessen gibt es Godzilla, Kawaii und J-Pop. Was das mit dem Ende der Welt zu tun hat, wird in Hebbel am Ufer vom 3. bis zum 5. Mai erzählt. Die aufstrebende Punk-Szene Anfang der 80er Jahre war die Antwort auf die damalige Endzeitstimmung und die Wut auf die Ideologie des ungebremsten Wachstums. Heutzutage gibt es die Popikonen Lady Gaga und Madonna. Geschichtlich gesehen durchlief Pop immer dann seine produktivsten Phasen, wenn eine Welt zerbrach. Mit ihrem kurierten Themenwochenende erkunden Christoph Gurk und Tobias Rapp wie Pop den Weltuntergang symbolisiert. Eine Gruppe von Kulturtheoretikern und Künstlern aus aller Welt erforschen das Thema Apokalypse in der mehr als 50 Jahre langen Geschichte der Popkultur. Das Diskussionsprogramm wird begleitet von Konzerten und DJ Sets internationaler Musiker.

Potsdamer Straße 96

www.camerawork.de

Hebbel am Ufer

10785 Berlin

www.corbijn.co.uk

Hallesches Ufer 32

Camera Work Kantstraße 149

www.boheme-sauvage.net

10963 Berlin

www.wintergarten-berlin.de

www.hebbel-am-ufer.de


Veranstaltungstipps von Sophia Schwan, Translations P. 40  9

Nôze & Band Too Drunk To Watch Punkfilmfest Entritt: von 7 € bis 30 € 09. bis 12. Mai

Elektro Eintritt: 22 € bzw. 18 € ermäßigt. Bei Onlinebuchungen zzgl. 2 € Gebühren 01. Mai, Einlass: 20 Uhr Der Name Nôze erinnert eigentlich an das Wort Noise, doch das experimentierfreudige französische Techno-Duo, bestehend aus Nicolas Sfintescu und Ezechiel Pailhes, kreiert hedonistische Sounds akzentuiert von Tom-Waits-ähnlichem-Suffgesang. Nôze wollen hauptsächlich Spaß haben. Während sie Ihre Songs gestalten, wird gespielt und rumgealbert. In der Technoszene werden sie für ihre hemmungslosen und verrückten Live-Performances gefeiert, welche das Grölen von Textauszügen, Alkoholexzesse und Live-Strips beinhalten. Das Duo zieht sich äußerst gerne mal auf der Bühne aus, worauf eine Champagnerdusche folgt. Diese wird natürlich großzügig mit der Menge geteilt. Schon vier Alben haben Sfintescu und Pailhes herausgebracht. Das Letzte, Dring, wurde 2011 nach ihrer zwei-jährigen Welttournee veröffentlicht. Spontane JamSessions mit Freunden, auf denen einfach drauf los gespielt wurde, bilden die Soundgestalt des Albums. Dies muss jedenfalls ausschlaggebend gewesen sein, denn am 1. Mai treten sie nicht zu zweit, sondern mitsamt einer Band in der Volksbühne auf.

Giana Factory Synthie Elektro Pop Eintritt: ab 14,50 € 02. Mai, Einlass: 21 Uhr

10967 Berlin

Der allererste Auftritt von Giana Factory verlief vor einem ausverkauftem Haus als Opener für Glasvegas, ohne überhaupt ein Album produziert zu haben. Spontan trafen sie in London auf Glasvegas-Frontman James Allan, während sie den Raveonettes auf Tour folgten. Zwei Wochen später entschlossen sich die drei dänischen Damen Loui Foo, Sofie Johanne und Lisbet Frize Giana Factory zu gründen. Ihr erstes Album Save The Youth wurde dann 2010 veröffentlicht. Psychedelische Glam- und Noir-PopSounds verbunden mit einem an ein Catwalk erinnerndes Auftreten führten dazu, dass das Trio bald schon auf und ab in den Radios seines Heimatlandes spielte. Mainstream sind seine Musikkreationen jedoch nicht. Durch die Verschmelzung von melodiösem Pop mit morbidem Charme kreieren Giana Factory mit ihrer Musik eine elegante und gleichzeitig sinistere Atmosphäre. Die verträumten Synthesizer-Flächen gepaart mit Loui Foos kühler Falsett-Stimme lassen einen eher entspannt die Augen zumachen und in diese 80er nebelumschleierte Welt eintauchen, statt in einem Klub dazu zu tanzen. Im .HBC könnt ihr das schöne Elektro-Pop-Trio am 2. Mai live erleben.

www.toodrunktowatch.de

.HBC

www.moviemento.de

Karl-Liebknecht-Straße 9

Am häufigsten sieht man sie am Alexanderplatz, in der Hand ein Pilsator oder Sternburg Export Bier, neben ihnen ihre engsten Gefährten: ein Labrador-SchäferhundMischlinge. Das älteste Kino Deutschlands, dem Moviemento, huldigt vier Tage lang die weltweite Punk Szene mit einem Filmfest gefeiert. Dokumentationen über die Punk Bewegung in verschiedenen Ländern wie Südafrika, Amerika oder Südkorea werden vorgeführt unter dem Namen Too Drunk To Watch. Namentlich passend eröffnet das Filmfest am 9. Mai mit der Tragikomödie Filmriss. Auf der anschließenden Eröffnungsparty darf der Filmtitel wörtlich genommen werden. Am folgenden Tag geht es von Deutschland nach Korea und daraufhin nach China und Afrika. Letztendlich findet man sich in der damaligen DDR wieder, wo die skurrile Erscheinung der Punks im bunten Grau des Ostens zum Thema wird. Im Wild at Heart wird dann am 13. Mai das Festivalende gebührend gefeiert. Moviemento Kottbusser Damm 22

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Linienstraße 227 10178 Berlin www.volksbuehne-berlin.de

10178 Berlin www.hbc-berlin.de


10   Lieblingsstücke

Mitteschön Lieblingsstücke Texte Paul Schlosser

Bag to the future Ist: ab August erhältlich Kann: schon jetzt mit dem Sparen begonnen werden Kostet: zwischen 40 bis 250 Euro Turnschuhe zur Jeans, Cappies, großbuchstabiger Markenschriftzug, die das Sweatshirt zieren und kastige Rucksäcke: Wir befinden uns weder auf einer Bank vorm Brandenburger Tor und schauen Touristen beim Flanieren zu, noch ergötzen wir uns an Familienbildern vom Gran Canaria Sommerurlaub 1997. Schaut man sich aktuell auf Modeblogs um, so sind sich deren findige Verfasser alle einig: Die 90er sind zurück, oben genannte Kleidung ist voll im Trend. Gerade, als wir die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wollten, überrascht uns das totgesagte Taschenlabel unserer Schulzeit, Eastpak, mit einem ganz besonderen Kollaborationspartner: Wood Wood, dem dänischen DesignerLabel mit Streetwear-Wurzeln. Ein erstes Bild von der Zusammenarbeit verrät bereits deutlich den Einfluss des dänischen Lieblingslabels, hat sich in dem Rucksack, den wir zu sehen bekommen, doch eindeutig dessen Stil niedergeschlagen – auch wenn die Einflüsse eigentlich gar nicht aus Skandinavien kommen. Wie bereits bei der aktuellen Sommerkollektion ließ man sich nämlich von der anderen Seite des Atlantiks, den Wüsten Nordamerikas, inspirieren. www.woodwood.dk

Elsa Schiaparelli & PradA Ist: der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung Kann: verschiedene Standpunkte der ikonischen Designerinnen in Beziehung setzen Kostet: 36,95 Euro Die eigenwillige Modeschöpferin Elsa Schiaparelli war in den 30ern neben Coco Chanel eine der großen Designerinnen ihres Fachs. Eine ebenso kreative und global erfolgreiche Modedesignerin ist Miucca Prada, deren avantgardistischen und kompromisslosen Kreationen ihrer Vorgängerin in nichts nachstehen. Das Met Costume Institute in New York sieht das Bindeglied zwischen den beiden Italienerinnen unterschiedlicher Generationen in ihrer Präsenz als „sehr starke Frauen mit überzeugender Ästhetik“ und widmet ihnen nun nach der überaus erfolgreichen Mcqueen Retrospektive im vergangenen Jahr mit Elsa Schiaparelli and Miucca Prada: On Fashion eine gemeinsame Ausstellung. Darin werden Stücke von Schiaparelli aus den späten 20ern bis zu den frühen 50er Jahren sowie Entwürfe von Prada aus den 80ern bis heute zu sehen sein. Ob der daraus resultierende Dialog der beiden Ikonen an den Erfolg der Savage-Beauty-Ausstellung anknüpfen wird, ist abzuwarten. Die Mcqueen Retrospektive zählt immerhin zu den 20 erfolgreichsten Ausstellungen im Met seit Beginn der Besucherzählung in den 1950er Jahren. Damit war der einstige Modevirtuose, Mcqueen, bei den Museumsbesuchern fast so beliebt wie Pablo Picasso oder Vincent van Gogh. www.amazone.de


Lieblingsstücke  11

So schmeckt der Sommer Ist: ein echter Dauerbrenner Kann: nämlich 40 Stunden lang brennen Kostet: 28 Euro Die Duftkerze Freibad 76 erweckt Erinnerungen an einen unvergessenen Sommer. An das saftige Grün, in dem die Liegewiese der Schwimmanlage erstrahlt zum Beispiel. Auf dem Gras liegt noch Tau, Rutsche und Kinderbecken liegen verlassen im morgendlichen Schatten. Einige Frühschwimmer ziehen ruhig ihre Bahnen, die Luft riecht nach Chlor und erste Sonnenstrahlen glitzern verführerisch auf der Wasseroberfläche. Ähnlich dürfte auch das junge Label The Fundamental Scent imaginiert haben. Das junge Berliner Kreativ-Trio gilt als ein Geheimtipp für Träumer, Sammler und Nostalgiker, die das Besondere suchen. Alle Kerzen werden in der Hauptstadt handgefertigt und bestehen zu 100% aus natürlichem Wachs. www.thefundamentalshop.com

Goldfinger Ist: mal was anderes Kann: man Mädchen eine Freude mit machen Kostet: 160 Euro Auch in diesem Jahr hat die dänische Mädchendesignerin Stine Goya mit ihrer engen Freundin Sophie Bille Braha eine verspielte Accessoirekollektion entwickelt. Die goldenen Schmuckstücke sind die ideale Ergänzung zu Stines farbenfroher Sommerkollektion, mit der sie sicher wie bereits in den vorherigen Saisons das Lebensgefühl vieler junger Frauen treffen wird. www.stinegoya.com

Acne Tassel Loafer (Quaste) Ist: für diejenigen, die zwar Troddel, es aber nicht allzu britisch mögen Kann: in drei Farben erstanden werden Kostet: 450 Euro Nach wie vor verbinden viele mit dem schwedischen Label Acne vor allem eines: gut sitzende Premium-Jeans, die schon kurz nach ihrer Markteinführung Mitte der 90er Jahre bei einer modisch orientierten Zielgruppe auf breite Akzeptanz stießen. Dabei sind es längst nicht mehr nur die Jeans, mit denen Acne eine treue und begeisterte Lobby junger oder jung gebliebener Mode-Hipster um sich formieren konnte, die jeden Trend, den das Label propagiert, begeistert adaptiert und zelebriert. Key-Pieces gibt es wie so oft reichlich. Aktuell haben es uns jedoch besonders die flachen Azalea Loafer mit überdimensional großen Troddeln angetan. Das humorvolle Re-Design nimmt dem Spießer-Schuhwerk die Strenge und sieht selbst zur Jeans richtig gut aus. In London gehören Loafer längst zum guten Umgangston, bei uns dauert das Ganze mal wieder etwas länger. www.shop.acnestudios.com


Kaelyn Schmitt im Weinbergspark


Glückstag  13

Im Handstand durch Berlin Text Bettina Schuler  Fotos Nina Pieroth

Eigentlich bin ich ein recht sportlicher Mensch. Yoga, Laufen, ab und zu Wandern, ja, selbst einen Handstand bekomme ich mittlerweile so einigermaßen an der Wand hin. Doch als die Artistin Kaelyn Schmitt nach unserer Begrüßung ganz nebenbei einen Flick-Flack vollführt, um danach mit einem fröhlich „Let’s go“ direkt weiter zu hüpfen, fühlte ich mich wie Kater Sylvester, der Speedy Gonzales hinterherrennt. Das kann ja heiter werden, denke ich und hechte ihr nach.


14   Glückstag

Kaelyn im Weinbergspark

Nola’s

Aber was kann man schon von einer jungen Frau erwarten, die wie die 23-Jährige Surfen, Kajak und Kanufahren zu ihren Lieblingshobbys zählt und bereits seit ihrem 5. Lebensjahr ihre Freizeit auf der Gymnastikmatte verbringt. Für so jemanden ist faul sein sicher ein Fremdwort, frage ich, als wir mittlerweile etwas gemütlicher in Richtung Weinbergspark gehen. Kaelyn lacht wie ein schüchternes, junges Mädchen, dem Aufmerksamkeit eher unangenehm ist. Natürlich kenne sie das. Montag, ihren einzigen freien Tag in der Woche, verbringt sie vorzugsweise auf dem Sofa und skypt mit ihrem Freund. Denn der wohnt alles andere als in der Nähe, genau gesagt in Kaelyns eigener Heimat, Kanada. Upps, ganz schön weit weg. Wie kann man auf die Entfernung denn überhaupt eine Beziehung führen? Wieder lächelt Kaelyn schüchtern. Mit häufigen Besuchen, viel Geduld und Skype. Ist Heimweh denn ein Thema? Sicher, antwortet Kaelyn, während sie aufmerksam durch die Schaufenster der zahlreichen Läden entlang der Rosenthaler Straße blickt. Besonders an Feiertagen, die sie oftmals ganz alleine in einer fremden Stadt verbringt. Denn längere Pausen, in denen es sich lohnt, nach Hause zu fliegen, gibt es nur selten bei Engagements wie am Chamäleon-Theater in Berlin, wo sie zur Zeit neben sechs weiteren Artisten in dem Stück Loft zu sehen ist. Doch, und da ist es jetzt schon wieder, dieses Kaelyn-Lächeln, das habe sie sich ja ausgesucht. Und als könne sie dadurch den Gedanken an diese Momente beiseite schieben, streicht sie sich energisch eine blonde Strähne aus

dem Gesicht. Und wenn es dann doch zu schlimm wird, dann schnappe sie sich ihre Lieblingstasse, trinke einen Tee daraus und fühle sich gleich ein Stückchen mehr daheim. Wir schlendern weiter, über den Rosenthaler Platz in Richtung Weinbergspark, in dem gegen Mittag jede Menge Kinder mit ihren Müttern zu sehen sind. Und als fühle sie sich angespornt durch das laute Kinderlachen und Gerenne, macht Kaelyn erneut einen ihrer spektakulären FlickFlacks. Jetzt vielleicht noch einen Handstand? Ich nicke und fühle mich noch ein Stückchen kleiner als zuvor. Das sei doch nur eine Frage der inneren Balance, meint Kaelyn. Dann scheint es mit meiner wohl nicht so gut zu stehen. Derweilen rennt und springt Kaelyn wie ein junges Fohlen über das Gras und scheint dabei jede Menge Spaß zu haben. Die Frühlingssonne lässt sich an diesem Tag nur wenig blicken. Aber die blühenden Kirschbäume lassen den nahenden Sommer erahnen. Mit ihren breiten Stämmen und dicken Ästen scheinen sie zum Hochklettern geradezu gemacht. Das scheint sich auch meine junge Artistin gedacht zu haben, denn eh ich mich versehe, sitzt sie oben im Baum. „Shall we take a picture?“, fragt sie mich, während sie sich eine Blüte ins Haar steckt. Und während unsere Fotografin Nina entzückt mit ihrer Kamera anrückt, hoffe ich – typisch deutsch – dass kein Polizist vorbeikommt und uns für unsere Aktionen rügt.

Damit wären wir auch schon bei der nächsten Frage: Was ist denn nun typisch Deutsch? Und bitte nicht den Hang zur Ordnung und Disziplin nennen. Schon wieder kommt dieses besondere KaelynLächeln. Nein, gerade hier in Berlin nehme man es damit ja auch nicht so genau. Aber, kurzes Denkpause, die Direktheit. Die wäre für sie doch sehr angenehm neu. Unhöflich also? Nein, nein, versichert mir die junge Künstlerin, aber im Gegensatz zu ihren Landsleuten würden die Deutschen ihren Punkt immer sehr deutlich machen. Leider manchmal auch zu deutlich. Kenne ich von mir selbst. Entschuldigung an dieser Stelle für alle, die es schon einmal erwischt hat. Wir spazieren weiter, am Nola’s vorbei in Richtung Anklamer Straße zum Cafè e Cioccolata, in dem man angeblich die besten Ciabattas der Stadt bekommt. Nun komme ich auch endlich dazu, ihr die allerwichtigste Frage zu stellen: Wie wird man eigentlich Zirkusartistin? Ist das nicht total Old School? Wollen heute nicht alle lieber Schauspielerin oder Moderatorin werden? Sie in jedem Fall nicht, antwortet Kaelyn. Denn dort fehle ihr der direkte Kontakt zum Publikum. Zu ihrem Beruf sei sie durch ihr Hobby gekommen, das Kunstturnen. Von da aus war der Schritt an die National Circus School in Montreal eigentlich nur die logische Schlussfolgerung. In Montreal habe sie dann auch das Trapez, Kaelyns artistisches Steckenpferd, für sich entdeckt und lieben gelernt Mist, jetzt würde ich natürlich gerne etwas sehen. Geht das denn noch? Später, antwor-


Glückstag  15

Caffè e Cioccolata

Gedenkstätte Berliner Mauer


16   Glückstag

tet Kaelyn. Aber jetzt gibt es erst mal für uns alle einen ordentlichen Kaffee. Natürlich e Cioccolata. Und auch wenn der Besitzer heute nicht gerade seinen besten Tag hat, behält Kaelyn ihr freundliches Lächeln und erzählt mir von ihren Reisen mit dem Zirkus Roncalli, Cirque Eloize oder den 7 fingers, die sie nach Asien, Nord- und Südamerika und in viele Teile Europas geführt haben. Dann brechen wir auf. Endlich. Denn ich will Kaelyn doch noch am Trapez bewundern. Und als ich sie dann nur kurze Zeit später auf der Bühne des Chamäleon-Theaters sehe, weiß ich, was sie meint, wenn sie von einer Liebesbeziehung zwischen ihr und dem Trapez erzählt. Denn wenn sie ihre Beine kreuz und quer durch die hängende Schaukel schwingt, wirkt es, als sei das Trapez ein Teil von ihr.

vielleicht sollte ich meine Yogamatte demnächst einfach mit ins Bett nehmen und ordentlich mit ihr kuscheln. Dann klappt’s vielleicht auch mit dem Handstand länger als zwei Sekunden. Und ohne zittrige Knie.

Gedenkstätte Berliner Mauer Bernauer Straße 119 Tel 030 46 79 86 66 6 www.berliner-mauer-gedenkstaette.de Öffnungszeiten:

Das Stück Loft mit unserer Lieblingsartistin Kaelyn könnt ihr dienstags bis sonntags im Chamäleon Theater sehen. Alle Infos zu Tickets und Terminen findet ihr auf der Chamäleon-Homepage.

Gedenkstättenareal:
 Ganzjährig Mo bis So von 8.00 bis 22.00 Uhr Besucherzentrum und Dokumentationszentrum: April bis Oktober Di – So von 9.30 bis 19.00 Uhr Nola’s am Weinberg

http://kaelynschmitt.com/

Veteranenstraße 8 www.nola.de

Chamäleon Theater in den Hackeschen Höfen

Caffè e Cioccolata

Rosenthaler Straße 40/41

Anklamer Straße 41

www.chamaeleonbelin.com

Tel 030 23 13 06 40

Ich hingegen – Kandidatin Höhenangst – bekomme schon beim Zuschauen nasse Hände. Also definitiv nix für mich. Aber

Chamäleon Theater


Neu in der Stadt

Zsa Zsa Burger Text Björn Lüdtke

Einen guten Hamburger zu finden kann zur Lebensaufgabe werden. Im Zsa Zsa in der Motzstraße wird man endlich fündig. Den besten Hamburger meines Lebens habe ich in San Francisco gegessen. In einem Diner wie aus dem Film über Teenager der Fünfziger: streamlined, Chrom, Art Deco. Die Bedienung, von schroffer Herzlichkeit, trug eine Schiffchenmütze, keck in die Stirn gezogen. Sie schrieb unsere Order auf einen länglichen weißen Zettel und heftete ihn an ein Rad aus gebürstetem Edelstahl mit vielen Klammern dran, das sich drehen ließ und von dem sich die Mitarbeiter der Küche mit ihren fettigen Fingern die Bestellungen abrissen. Der Burger schmeckte genau so, wie man es sich jetzt vorstellt. Leider habe ich vergessen, wo sich besagter Diner befindet, und in San Fran war ich auch nie wieder. In Deutschland einen Burger ähnlicher Qualität zu finden, ist schwierig, seit der oben beschriebenen Szene suche ich – I am chasing the high, wie der Angelsachse sagen würde. Im Bird in Prenzlauer Berg kommt man dem Ideal schon ziemlich nahe, nur leider erinnert die Einrichtung dort eher an eine dunkle Sports Bar als an einen hübschen Diner. Auch das Zsa Zsa in der Schöneberger Motzstraße ist von Art Deco weit entfernt, aber die Einrichtung ist hell und freundlich. Und der Burger − der kann sich erst recht sehen lassen. Wir fragen Ernesto Kuoni, der

zusammen mit Oliver Schneider das Zsa Zsa betreibt, was einen guten Burger ausmacht: „Täglich absolut frisches Fleisch und nichts Vorgefertigtes aus der Kühltruhe, ebenso wie täglich frisch gebackene Brötchen sowie Liebe zum Detail und einen guten Schuss Herzblut“. Das Herzblut steckt auch in der Zusammenstellung der Zutaten und in den Namen der Burgervarianten. Neben dem Klassiker gibt es Spezialitäten wie The Silence of the Lambs (Lammfleisch mit rotem Currydip) oder The Dumb Dora (Gänsestopfleber, Wachtel-Spiegeleier und Aprikosen-Chutney). Auch der Cole Slaw schmeckt hier gut, denn obwohl wir Deutschen ein Volk des Krautes sind, ist die amerikanische Variante des Krautsalats mit Mayonnaise leckerer. Letztere kommt übrigens aus Spanien, dort gebe es die beste, sagt Kuoni. Übrigens, die Bedienungen im Zsa Zsa sind nicht schroff, nur freundlich. Bleibt nur noch eine Frage offen. Warum man sich entschieden hat, einen Burgerladen Zsa Zsa zu nennen, das möge der geneigte Gast bei seinem Besuch doch bitte selber erfragen. Eines sei aber verraten, es ist nicht so, wie es scheint.

Zsa Zsa Burger Motzstraße 28 Schöneberg 030 - 2191 3470 www.zsazsaburger.de

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18   Angehört und nachgehorcht

NIAS Text Anne Kammerzelt  Foto Inga Seevers

Die gleichnamige indonesische Insel wurde zwar nicht nach ihnen benannt, aber wenn es für die drei Berliner von der Band Nias weiterhin so gut läuft, könnte es zumindest für einen ausgedehnten Besuch auf Sumatras Nachbarinsel reichen. Fanpost und Sonderkonditionen für Tee, Jute und Surfurlaub sind immerhin schon von Nias aus über die Ozeane in das digitale Postfach der Band geflattert.


Angehört und nachgehorcht  19

Die eingängigen Popstücke ihres Debütalbums entstanden bereits vor zwei Jahren, nachdem Sänger und Gitarrist Nikolas Tillmann (Tille) und Drummer und Producer Milian Vogel länger auf Tageslicht verzichtet und sich im Studio eingeschlossen hatten. Kennengelernt haben sich die beiden bei ihrem gemeinsamen Musikstudium an der Universität der Künste. Der Nachzügler Georg Wende machte mit Keyboard, Bass und Bassstimme das Trio komplett. Neben den Fans applaudieren auch die Produzenten Swen Meyer (Kettcar, Tomte) und Rob Kirwan (U2, Babyshambles), auch die Presse prognostiziert ihnen eine rosige Zukunft. Wie seid ihr auf den Namen gekommen? Tille: Ich kannte jemanden, der Nias mit Vornamen hieß. Der Namen hat mir einfach gefallen. Dass es eine Insel im Indischen Ozean mit dem gleichen Namen gibt, haben wir erst später herausgefunden. Das Inselbild fanden wir dann aber sehr passend für eine Band. Euer Album ist schon seit längerer Zeit fertig. Warum ist es erst mal in der Schublade verschwunden? Milian: Wir haben einfach recht lange gebraucht, um uns zu sortieren. Als Band waren wir auch noch nicht richtig aufgestellt. Georg war ja bei der Albumproduktion noch nicht dabei und der Proberaum war noch nicht eingerichtet. Wie würdet ihr das Album beschreiben? Tille: Das Album zeigt unseren musikalischen Background und deckt unseren kreativen Kosmos ab. Unsere Songs halten die Balance zwischen Euphorie und Melancholie und gehen vom Singer-Songwirter-Stil bis hin zu Hip Hop. Das Lied Cut ist für uns eine Erinnerung aus der Zeit, als wir noch verstärkt Hip Hop gehört haben. Es ist aber nicht bitter ernst gemeint. Unsere aktuelle Single She would ist unter einem kommerzielleren Aspekt entstanden. Wir wollten einen Song produzieren, der ein bisschen cheesy ist. Ihr habt euch also vorher überlegt, welcher Song kommerziell Erfolg haben könnte und im Radio gespielt wird? Tille: Wenn man eine Single aussucht, auf jeden Fall. Dabei schadet es nicht vielseitig zu sein. Der Song, der fürs Radio ausgesucht wird, soll die Leute ansprechen und sie dazu bringen, das Album zu hören. Nur so können die Songs entdeckt werden, die weniger eingängig sind und oftmals am Ende zu Lieblingstracks werden. Wie steht ihr zu Sponsoring oder Werbung? Gibt es da moralische Bedenken? Milian: Das kommt natürlich auf das Produkt an. Aber klar, wir machen Popmusik und möchten damit die Menschen erreichen. Das geht über die unterschiedlichsten Wege, denen gegenüber wir generell aufgeschlossen sind. Tille: Mittlerweile läuft jedes Festival über Sponsoring. Das ist halt eine Realität, vor der man sich nicht verschließen kann. Was allerdings die Nachwuchsförderung betrifft, ist der Geschmack in Deutschland zum Teil echt hart. Wenn man sich zum Beispiel

skandinavische Länder anschaut, was da in den Charts oder Band des Jahres ist, das ist einfach krass geil. In Deutschland gibt es wenig positive Beispiele wie Deichkind. Die sind der Knüller und auf ihre Art auch sehr Deutsch, was den Humor angeht. Ihr habt gerade von eurer Hip Hop Vergangenheit gesprochen. Ein Thema der Ausgabe ist Jugendbewegung. Bei euch war es also Hip Hop? Tille: Ich komme ja aus Berlin und da standen alle entweder auf HipHop oder auf Techno. Bei mir war es auf jeden Fall Hip Hop. So haben Milian und ich uns auch kennengelernt. Wir haben zusammen studiert und schnell festgestellt, dass uns beide ein ähnlicher Musikgeschmack verbindet. Milian: Ich habe Hip Hop aber erst später für mich entdeckt. Als Jugendlicher habe ich mich eher elegant aus allen großen Strömungen rausgehalten. Ich bin nie mit einem Cap oder sonstigem Hip-Hop-Outfit rumgelaufen. Tille: Ich schon, als Teenager fand ich das ganze Drumherum extrem geil. Auch das ganze Gehabe. Ich habe es dann allerdings nicht weit gebracht in der Richtung (lacht). Zu der Zeit war WuTang und ein böse-Jungs-aus-dem-Ghetto-Gehabe ganz groß. Das war ja keiner von uns. Welche Modesünden gibt es aus der Zeit? Milian: Ich habe mich auch modetechnisch total rausgehalten. Ich wurde sogar von einem Kumpel zur Seite genommen. Das war im Ethikunterricht. Wir sollten mit jemandem vor die Tür gehen, dem wir immer schon mal etwas sagen wollten. Mein damaliger Freund hat mir bei der Gelegenheit gesteckt, dass alle über mich lästern würden, weil ich immer so uncoole Klamotten anhatte. Er hat mir dann noch den Rat gegeben, mit meinen Eltern zu reden, „so teuer sind doch Nike Air Jordans gar nicht“. Georg: Meine Jugendmodesünde waren auf jeden Fall meine Dreadlocks. Tille: Ich fand als Kind die Klamotten von Modern Talking richtig cool. Ich hatte eine kurze hellblaue Jacke mit ganz vielen Taschen, die absolut Modern-Talking-Style war. Georg: Ich war großer Michael Jackson Fan. Meine Oma hatte so einen glitzernden Pullover und ich wollte, dass sie mir daraus Handschuhe macht, die wie die von Michael aussehen sollten. Das ist allerdings nie passiert. Ihr bekommt einen Anruf, eure Single ist auf Platz 1 der Charts. Was macht ihr als Erstes? Tille: Ich würde erst mal im Internet nachschauen und die Charts suchen, die gemeint sind. Milian: Ich würde meine Mutter anrufen. Georg: Und dann fahren wir alle zusammen in den Urlaub nach Nias. NIAS Live: 02. Juni, Berlin, Malzwiesenfestival


20   Kulturgut

„Die Jugend von heute...“ Text Björn Lüdtke  Illustration Nicole Pieloth  Translation P. 42


Kulturgut  21

W e r d i e s e n Satzanfang spricht, der  weist unfreiwillig

und

indirekt darauf hin, dass er selbst nicht mehr dazu gehört, zur Jugend.

Egal,

wie

iro-

nisch man ihn spricht und egal, wie er endet. Und meist endet er so:„... ist auch nicht mehr das, was sie mal war.“ Dahinter steckt zumeist Konzept, denn die Jungen wollen gar nicht so sein wie die Alten und entwickeln eigene Kulturen und Subkulturen.


22  Kulturgut

Wer hat sie denn nun erfunden, die Jugendkultur? Ähnlich wie bei den Schweizer Bonbons will es auch hier jeder gewesen sein. Wir Deutschen behaupten, die erste wäre in Steglitz entstanden, 1896. Damals sprach man noch von Bewegung, Schüler und Studenten schlossen sich zum sogenannten Wandervogel zusammen. Im Zuge der Industrialisierung wollten sie zurück zur Natur (und haben zum Beispiel wieder nackt gebadet, was wohl seit dem 18. Jahrhundert verpönt war; der Weg zur Freikörperkultur wurde geebnet). Die Amerikaner wollen mit dem Rock'n'Roll in den Fünfzigern die erste Jugendkultur für sich in Anspruch nehmen. Das klingt plausibel, ich habe allerdings auch schon Amerikaner sagen hören, Pizza sei eine ihrer Erfindungen. Die Engländer wiederum wollen mit den Mods die erste Jugendbewegung in den frühen Sechzigern ins Rennen geschickt haben. Wie dem auch sei, die Frage, was eine Jugendkultur überhaupt ist, stellt sich in allen Fällen. Der Uninformierte sieht eine Definition in der Abgrenzung der Jungen gegen ihre Eltern (und deren Generation). Das ist aber nur bedingt richtig. Und heute würde sich auch die Frage stellen, gegen was sie sich überhaupt auflehnen wollen. Gegen eine Generation von Alten, die ewig jugendlich sein will? Den Generationenkonflikt, wie wir ihn seit den Rockern und Mods kennen, gibt es so nicht mehr. Wir fragen Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen in Kreuzberg. Man würde übrigens deshalb den Begriff Kulturen verwenden, weil die Nazis das Wort Bewegung zu gerne benutzt haben. Eine Definition sei schwierig. Jugend, die innerhalb einer Kultur der Erwachsenen eine Subkultur entwickelt, will sich vor allem informell und subjektiv unterscheiden, und das nicht nur von den Alten, sondern auch von anderen Subkulturen und − vor allem! – vom langweiligen, kleinkarierten Rest der Welt, egal, wie alt der ist. Man erkennt sich untereinander an informellen Codes (Musik, Kleidung, Habitus), was aber noch lange nicht heißen muss, dass die Nicht-Mitglieder einer Szene die Gruppenzugehörigkeit auch erkennen müssen: Wer eine Baggy-Jeans trägt, ist noch lange kein Skater. Es geht darum, sich Freiräume zu schaffen, zu denen andere keinen Zutritt haben. Das kann sich ganz banal äußern, wer schonmal im Berghain zwei Stunden in der Schlange stand und dann doch nicht rein kam, der weiß, wovon hier die Rede ist. Das kann aber auch ein Raum sein, den man sich durch eine eigene Kommunikation schafft, ewiges Beispiel Facebook. Man hat herausgefunden, dass sich Töchter und Söhne oft nicht trauen, ihre Eltern und Verwandten bei Facebook als Freunde abzulehnen, obwohl sie dort eigentlich lieber ungestört wären. Zusätzlich misstraut man den Privatsphäre-Einstellungen, so dass sich eine Kommunikation aus Abkürzungen entwickelt hat, die nur die Kids verstehen. kP? Ich will von Farin wissen, ob Subkulturen wie zum Beispiel Punk früher weniger kommerzialisiert waren − und tappe voll in die Falle. Das sei eh nur eine Verklärung der „alten Herren“ (danke dafür!). Jede Jugendkultur werde früher oder später kommerziell verwertet, nicht zuletzt von der Szene selbst. Jeder träume davon, von seiner Kunst zu leben (und verkauft nicht nur Tickets für sein Konzert,

sondern auch den Merchandise danach), heute verbreite sich das nur schneller (Stichwort Internet). Außerdem entstünde auch genau daraus Neues. Nicht zuletzt sei auch die Kommerzialisierung von Kulturen für neue Schübe an Kreativität verantwortlich − nicht-kommerzielle Gegenbewegungen entstünden. Früher war also nicht alles besser. Um herauszufinden, was die zeitgenössische Jugend denn so bewegt, kaufe ich eine Bravo und eine Bravo Girl. Ich blättere letztere durch, wobei mir auffällt, dass sich die Mädchen darin auffallend erwachsen geben, vor allem kleiden − es besteht kaum ein Unterschied zu Blättern wie beispielsweise Instyle. Schon auf dem Cover ist zu lesen „So stylst du dich älter, reicher...“. Rebellion sieht anders aus. „Stimmt!“ sagt Farin. Aber die Bravo sei eh für den anderen Teil der Kids gemacht, nicht unbedingt für die, die einer Subkultur angehörten. Die meisten gehören nämlich gar keiner Bewegung an oder springen nur auf einen Zug, indem sie sich die äußeren Merkmale aneignen (der mir vorliegenden Bravo liegt eine „knallige Neon-Peace-Kette“ bei). Aber welche Subkulturen gibt es denn nun, welche sind heute relevant? Als die drei heute wichtigsten werden oft Hip Hop, Punk und Techno genannt. Das sind mit Sicherheit auch die größten und sichtbarsten − auf MTV, am Alex und in den Clubs in Kreuzberg und in Friedrichshain. Aber es gibt auch noch andere. Die Metaller, die sich einmal im Jahr in Wacken zum Moshen treffen. Die Emos, die mit Tokio Hotel einen Schubs in den Mainstream verpasst bekommen haben (oder war es umgekehrt?). Die Goths, denen es mit Unheilig unfreiwillig ähnlich ging. Die Hippies, die sich aber heute nicht mehr in San Francisco zum Ringelpiez treffen, sondern im Kater Holzig. Und die Popper (das waren in den Achtzigern die Braven, die mit der Föhnwelle, die ihre bewegten 68-er-Eltern mit ihrer unterkühlten Angepasstheit schockierten) – die gehen im Jahre 2012 am Samstagnachmittag bei Weekday shoppen. Und übrigens, kP heißt „keinen Plan“. Das Archiv der Jugenkulturen ist ein Verein, der Interessierten eine beeindruckende Sammlung in einer Präsenzbibliothek zur Verfügung stellt. Vom Fanzine über Zeitungsartikel bis zu wissenschaftlichen Arbeiten findet man hier alles über Jugend und deren Subkulturen. Der − erhaltenswerte, aber nicht geförderte − Verein steht immer mal wieder vor dem Aus, hält sich aber nun schon seit 1998 über Wasser, auch durch Spenden. Immer willkommen ist auch Material, besonders aus den Fünfzigern und Sechzigern und Exemplare der Zeitschrift twen, die in Deutschland von 1959 bis 1971 verlegt wurde. Archiv der Jugendkulturen e.V. Fidicinstraße 3
 10965 Berlin Tel. 030 69 42 93 4 Öffnungszeiten: Mo bis Fr 10 – 18 Uhr und nach Vereinbarung www.jugendkulturen.de


Kulturgut  23

Illustrator des monats: MICHAEL Mcdonnell

Seine ersten Erfahrungen mit Grafikdesign und Typographie sammelte Michael, als er die Graffiti- und Skateboardingkultur in den frühen nuller Jahren für sich entdeckte. Skateboardgrafiken und Graffitis auf Zügen waren seine ersten Inspirationen, und die treibende Kraft in ihm wollte eine Karriere in der Kreativbranche starten. Später ließ er sich von Illustrationen aus den 1950er und 60er Jahren, dem Minimalismus und der Cleanness von Werbeplakaten dieser Zeit und auch dem Gefühl von Optimismus inspirieren, das in der Popkultur ausgedrückt wurde. Street Art und die Schnörkeligkeit/Spitzfindigkeit das europäische Brandings und der Logostile sind ebenso Einflüsse innerhalb seiner Arbeiten wie die Idee einer handgezeichneten Ästhetik und eines schrägen/seltsamen Stils, der alles andere als zu scharf und perfekt ist. Michaels handgezeichnete Typografie zeigt die Freiheit des Ausdrucks sowie die Bewegung und Ästhetik innerhalb des Skateboardings. Wortspielerei und Humor spielen ebenso eine wichtige Rolle. So setzt er bestimmte Worte zusammen und hebt Buchstaben hervor, damit der Betrachter tiefer hineinsehen und sich verschiedene Gedanken dazu machen kann als das, was er auf den ersten Blick liest und sieht. „Ich denke, Typografie ist etwas, dass in der Kunstwelt oft übersehen wird, aber sie eignet sich besser dazu, ein Gefühl auszudrücken, als es ein Bild kann – das ist das Hauptthema meiner Arbeit.“ Michael Mcdonnell ist ein in Berlin lebender und arbeitender Illustrator und Grafikdesigner, der ursprünglich aus Liverpool, England stammt. Er studierte Grafikdesign an der Universität von Derby. Seine Arbeiten sind Tintenstrahlausdrucke und Siebdrucke und werden in streng limitierter Auflage produziert. www.mikeymcdonnell.blogspot.de

Du bist Illustrator und möchtest mit deinem Artwork das nächste heraustrennbare „MitteSchön“-Poster zieren? Dann schick uns deine Bilder und Entwürfe an: info@mitteschoen.com.




26   Kulturgut

game on! Text Katharina Geißler  Translation P. 41

„Wer rastet, der rostet“, wie es so schön heißt. Um das zu verhindern, möchten wir euch an dieser Stelle vier neue Sportarten vorstellen, die es wert sind, euren Allerwertesten vom heimischen Sofa nach draußen oder in die Halle zu schwingen. Hoch zu Rad Statt auf einem Pferd sitzt man bei dieser Sportart auf dem Fahrrad. Entstanden ist Bike-Polo in New York und London. Aber auch hierzulande sieht man immer öfter Leute mit Rädern, Ball und Schläger. Zwar gelten in jeder Stadt andere Regeln, das Ziel des Spiels ist jedoch immer gleich: Zwei Teams mit jeweils drei Spielern versuchen mit einem Schläger und dem Vorderreifen einen Streethockeyball in das Tor des Gegners zu bringen. Das Tor besteht aus zwei Hütchenzylindern, die im Abstand von anderthalb Metern aufgestellt werden. Als Schläger dient ein Bambusrohr, Golfschläger oder Skistock mit einem zylinderförmigen Querstück am Ende. Der Untergrund sollte eben und das Feld abgegrenzt sein, damit der Ball nicht ständig wegrollt. Ob Fixie, Mountainbike oder Klapprad – wichtig ist beim Bike-Polo, dass man ein gutes Gefühl für seinen Drahtesel hat und einhändig fahren kann. Und zwar mit links, da man in der rechten Hand den Schläger hält. Bringt ein Spieler einen Fuß auf den Boden, muss er zur Strafe eine Hupe am Spielfeldrand betätigen, bevor er weiter spielen darf. www.bikepolo-berlin.de

Let’s roll, baby! Anfang der 1970er Jahren von der Bildfläche verschwunden, holten weibliche Amateure aus der Punk-Bewegung und dem third wave feminism diesen rasanten Sport knapp 30 Jahre später in US-amerikanische Hallen zurück. Auch heute haben beim Roller Derby die Mädels die Nase vorn. Es gibt zwei Spielarten: Banked Track Roller Derby, das nur von professionellen Teams und auf einer Steilbahn gespielt wird, und die weiter verbreitete Variante Flat Track auf einer flachen Bahn. Beim Roller Derby geht es alles andere als zimperlich zu: Mit Helmen

und Knieschonern ausgerüstet, treten zwei Mannschaften, die sich jeweils aus bis zu 14 Jammern und Blockern zusammensetzen, in zwei Halbzeiten à 30 Minuten gegeneinander an. Beim ersten Pfiff startet das Pack, bestehend aus jeweils vier Blockern. Die Jammer, die etwas später losfahren, müssen sich durch das Pack kämpfen und ihre Gegner innerhalb der Bahngrenzen überholen. Für jeden abgehängten Spieler gibt es einen Punkt. Ein Jam endet, wenn der Lead Jammer, also der, der als erster alle Blocker überholt hat, die Runde abbricht oder zwei Minuten abgelaufen sind. Nach 30 Sekunden Pause beginnt der nächste Jam. www.rollerderbygermany.de

Scheibe spielen Bei dieser noch sehr jungen Outdoor-Sportart kämpft man nicht um einen Ball, sondern um eine Frisbeescheibe. Goaltimate ist eine neue Variante der Frisbeespielarten und kommt ebenfalls aus den USA. Im Unterschied zu Ultimate gibt es ein Goal, ein Tor, wovon sich auch der Name ableitet, auch die Spielweise ist insgesamt um einiges dynamischer und ohne lange Pausen. Neben ausreichend Puste ist schnelle Reaktion und gute Koordination von Augen und Händen gefragt. Es spielen zwei Teams mit jeweils vier Spielern plus zwei Auswechselspielern auf einem runden Feld. Einen Punkt gibt es, sobald ein Spieler das Frisbee durch ein halbkreisförmiges Tor wirft und sein Teamkollege die Scheibe auf der anderen Seite des Tores fängt. Für einen hinter die Zwei-Punkte-Linie gespielten Pass winken ganze zwei Punkte. Die Scheibe geht an die angreifende Mannschaft zurück, die hinter der Clear Linie steht, von dort aus wird ein neuer Angriff gestartet. Wer fängt, bleibt stehen und darf überall hinwerfen.

Man spielt im Non-stop-Modus, das heißt, die Teams können ständig ihre Spieler auswechseln. Jeder Satz endet nach 5 Punkten. Es gilt der Best-of-5-Modus: diejenige Mannschaft, die drei Sätze holt, gewinnt das Spiel. www.frisbeesportverband.de/sportarten/goaltimate.html

Rock’n’Hole Golf, ein Sport mit jahrhundertealter Tradition, gilt hierzulande als Zeitvertreib für gut betuchte, versnobte Herrschaften. Ganz anders bei den Natural Born Golfers: In den 1990er Jahren machte sich der Hamburger Torsten Schilling daran, den Ballsport von seinem verstaubt-elitären Image zu befreien und mithilfe seiner Rock’n’Hole-Philosophie ins städtische Leben zu integrieren. So entstand der Natural Born Golfers Club, eine Symbiose aus Urban Golf und Musik. Während sich die Crossgolfers durch verlassenes Gelände, entlang des Spreeufers bis in diverse Nachtclubs schlagen, sorgen Bands und DJs in den Verschnaufpausen für den musikalischen Teil. Der Community gehören inzwischen 150,000 Crossgolfers weltweit an – Natural Born GolfersDepartements gibt es inzwischen auch in Paris, Warschau, Miami, San Fransisco und Shanghai. In der Schwarzlicht Minigolf Berlin im Görlitzer Park reist man hingegen durch eine surreale 3D-Welt voller Farben und Magie. Verschiedene Künstler haben den Keller im Untergeschoss des Parkcafés mit knalligen Farben bemalt. Hier leuchten neben Schläger und Golfbällen auch die Kulissen – in fünf Räumen spielt man sich auf 18 Bahnen durch Berliner Sehenswürdigkeiten, Wüsten- und Mondlandschaften und weitere fantastische Welten. www.naturalborngolfers.com www.indoor-minigolf-berlin.de




Kieztalk  29

Mohammed was a Punk Rocker Interview mit Michael Muhammad Knight Text André Uhl  Fotos Tina Linster  Translation P. 43

Vor neun Jahren schrieb Michael Muhammad Knight einen Roman, dessen Plot wie reine Science Fiction klingt: In einer muslimische Punk-WG in Buffalo, New York leben ein paar Jugendliche zusammen, die tagsüber beten und sich abends betrinken, die kiffen, während sie den Koran studieren, und solange auf einem Konzert Pogo tanzen, bis auf der Bühne der Gebetsteppich ausgerollt wird. Das Buch, ursprünglich der Fantasie eines Mitte zwanzigjährigen Konvertiten entsprungen, war der Grundstein für eine heute reale und sehr lebendige Szene. Nun wurde „Taqwacore“ ins Deutsche übersetzt. Wir trafen den Autor, der sich nicht vorschreiben lassen möchte, wie er zu glauben hat.


30   Kieztalk

„Er schrieb mir und bat mich, Kontakt zu den Leuten aus dem Buch herzustellen. Ich sagte zu ihm, sorry, aber so etwas wie Taqwacore gibt’s nicht. Und er sagte, aber ich bin Taqwacore.“

Du bist aufgewachsen als katholischer Junge in Geneva, New York. Warum bist du zum Islam konvertiert? Mit 13 habe ich angefangen Hip Hop zu hören. Ich habe dann schnell gemerkt, dass Black Music, Black Culture und alles, was mit Schwarzen zu tun hat, meinem Stiefvater eine Heidenangst eingejagt hat. Das gefiel mir. Ich trug eine Kette mit Afrika-Anhänger, hörte Public Enemy, Brand Nubian und solche Sachen. Mit 15 habe ich dann die Biografie von Malcom X gelesen. Das hat mich damals sehr berührt und mich dazu inspiriert, mich zum Islam hinzuwenden. Es fing also damit an, dass ich meinen Stiefvater wütend machen wollte, später wurde es dann ernsthafter. Als du nach Pakistan gereist bist, um den Islam zu studieren, warst du gerade einmal 17 Jahre alt. War es schon damals eine bewusste Entscheidung oder eher ein rebellischer Akt? Zu der Zeit, als ich zum Islam konvertierte und nach Pakistan ging, war ich meiner Entscheidung sehr sicher. Andererseits wird niemand bezweifeln, dass man als Teenager geistig etwas umnachtet ist. All diese chemischen Prozesse, die im Kopf eines Teenagers ablaufen, sollten meiner Meinung nach als Krankheit gelten. Mein Niveau der Selbsterkenntnis mit 17 könnte also hinterfragt werden. Wie kam es denn überhaupt zu der Pakistanreise, wer hat dich dazu motiviert? Die Moschee im Staat New York, in der ich konvertierte, hatte Verbindungen zu einer Moschee in Pakistan. Und zwar nicht

irgendeine, sondern die berühmte König Faisal Moschee in Islamabad, benannt nach und erbaut vom König Saudi-Arabiens. Sie hatten das Geld, um jemanden rund um die Welt zu fliegen, um den Islam auf die Art zu studieren, wie sie es wollten. Ich war damals der Jüngste in der Gruppe und schwer begeistert. Heute ist Saudi-Arabien für mich so etwas wie das islamische McDonald’s. In der muslimischen Welt gibt es so eine große Vielfalt. Doch Saudi Arabien baut mit all seinem Geld Moscheen nach den eigenen Vorstellungen und zerstört damit diese Vielfalt. Geografisch war ich zwar in Pakistan, eigentlich befand ich mich aber in einem Saudi-Arabischen-Franchise. Du hast einmal die islamische Gesellschaft in Saudi-Arabien als Beispiel dafür angeführt, dass manche Aspekte im Islam traditionell erscheinen, obwohl sie eigentlich modern sind. Was genau hast du damit gemeint? Ich glaube, der Begriff des Traditionellen ist irreführend, denn heute ist alles irgendwie modern. Oft wird das Traditionelle neu erfunden. Saudi-Arabien etwa gibt vor, die Tradition zu bewahren. Doch diese Vorstellung von Tradition ist gerade einmal 200 Jahre alt. Auch die Republik Iran basiert auf eine Rückbesinnung auf die Tradition von Ayatollah Khomeini. Khomeini hatte seinerzeit eine politische Doktrin eingeführt, in der ausschließlich ein religiöser Richter qualifiziert war, den Staat zu führen. Seine Rückbesinnung auf die Tradition ist demnach modern, denn zuvor gab es in der Geschichte Irans niemals einen religiösen


Kieztalk  31

Führer des Staates. Er hat also die Religion einer modernen Staatsform angepasst und nicht umgekehrt. Muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, den meisten Menschen auf den ersten Blick sehr traditionell. Allerdings hat vor dem 20. Jahrhundert noch niemand von einer Kopftuchpflicht gesprochen. Alles, was wir tun, kann also nur modern sein, denn wir interpretieren die Dinge auf unsere subjektive Art und Weise. Dein Buch Taqwacore ist ein Roman, trotzdem hielten viele Leute es für eine reale Geschichte. Heute ist auf der Basis des Buches eine real existierende Szene entstanden. Wie hast du zum ersten Mal von dieser Szene erfahren? Als ich das Buch geschrieben hatte, war es für mich reine Fantasie. Plötzlich schrieb mir ein iranischer Junge aus Texas. Er hatte den Roman gelesen und konnte sich damit identifizieren, das Buch beschrieb sein Leben, seine Realität. Er schrieb mir also und bat mich, Kontakt zu den Leuten aus dem Buch herzustellen. Ich sagte zu ihm, sorry, aber so etwas wie Taqwacore gibt’s nicht. Und er sagte, aber ich bin Taqwacore. Dann hat mir ein Sufi aus New York geschrieben, dass er glaube, die Szene werde sich in Zukunft weiter entwickeln. Wir diskutierten darüber. Er war selbst in der Punkszene aufgewachsen und der Ansicht, dass es da draußen Kids gebe, die nur auf dieses Buch gewartet haben. Außerdem gab es noch einen Jungen in Bosten, ein Punk und Pakistani, er und ich hatten es auf dasselbe Mädchen abgesehen. Ich kannte ihn aber

zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Er hatte einen großen lila Irokesenschnitt und sang in einer Gothicband. Das Mädchen sagte zu ihm, er müsse mein Buch lesen, denn er sei wie ein Charakter aus dem Roman. Mir erzählte sie, ich solle ihn treffen. Sie hat uns also zusammengebracht, und von da an hat die Taqwacore-Szene einen Schub bekommen. Er gründete später die Kominas, die bekannteste Taqwacore-Band. Wie war denn damals dein Verhältnis zur Punkszene? Als Teenager wurde ich beinahe fanatisch religiös. Ich glaubte sogar, der strengen islamischen Lehre nach, dass Saiteninstrumente verboten sind, Teil einer musikalischen Bewegung war ich auch nicht. Mit Anfang zwanzig hatte ich dann einen starken inneren Konflikt. Ich habe mich geschämt und konnte auch mit niemandem darüber reden. Ich fing zu der Zeit auch an, mit Punks rumzuhängen, die mich darin bestärkt haben, einfach ich selbst zu sein. Und bevor ich überhaupt Punk als Musik wahrgenommen hatte, wurde es mir als Philosophie präsentiert. Diese Kids hatten ihr eigenes Wertesystem, ihre eigene Weltanschauung. Punk zu sein, hieß, sich nicht darum zu kümmern, was andere denken, der Welt einfach den Mittelfinger zu zeigen. Erst danach fing ich an, mich auch für die Musik zu interessieren. Diese Geisteshaltung wollte ich in meinen persönlichen Weg des Islam integrieren, denn in meiner bisherigen Erfahrung gab es im Islam nicht besonders viel Platz für Individualität. Philosophisch gesehen geht es im Punk dage-

gen ausschließlich um das Individuum. Durch Punk habe ich also angefangen, meine ursprüngliche Auffassung von Islam zu überdenken. Was haben Punk und Islam oder Punk und Religion gemeinsam? Ebenso wie in allen Religionen gibt es auch im Punk Fundamentalisten. Manche Moslems denken, der Islam sollte sich nicht verändern. Ebenso gibt es Punks, die der Auffassung sind, dass Punk 1980 starb, alles was danach kam, sei nicht authentisch. Es gibt also diese Vorstellungen von Geschichte und Tradition und eine Projektion auf die Vergangenheit, die eben nur eine solche ist. Sie erschaffen sich ein Bild von Tradition, dass so nie existierte. Sie glauben, sie gehen zurück zu 1977, dabei erschaffen sie sich nur ihr eigenes 1977. In anderen Musikrichtungen gibt es das natürlich auch. Im Hip Hop zum Beispiel, wo manche Leute immer noch denken, echter Rap existierte nur bis zu den Neunzigern. Mit deinen Ansichten kämpfst du mindestens an zwei Fronten: viele konservative Muslime haben sicher ebenso ein Problem mit dir wie eine große Anzahl christlich geprägter Menschen. Wahrscheinlich hast du mindestens so viele Feinde wie Fans. Fühlst du dich manchmal bedroht? Gut, dass du beide Seiten erwähnst. Viele Leute denken, ich müsse strenggläubige Moslems fürchten, vergessen dabei aber weiße, rassistisch motivierte Menschen. Manche davon sehen mich als Verräter der eigenen Rasse, denn Religion und ethni-


32   Kulturgut

sche Herkunft werden oft vermischt. Es geht ihnen weniger darum, dass ich konvertiert bin, sondern eher um eine Art Identitätswechsel, nämlich von der Identität eines weißen Jungen zu einer Identität, die in der Regel eher mit dunklen oder schwarzen Menschen verbunden wird. Wirklich bedroht fühle ich mich allerdings nicht, das bewegt sich alles noch in einem gewissen Rahmen. Wenn jemand behauptet, du pickst dir aus dem Koran nur heraus, was dir gefällt, bist aber nicht bereit, etwas zu opfern. Was antwortest du? Ich würde zwei Dinge antworten: Erstens hat das jeder immer schon mit seiner Religion gemacht. Selbst die größten Fundamentalisten müssen entscheiden, wie sie die heilige Schrift interpretieren. Ich müsste also fragen: was ist die Alternative? Die Behauptung, ich würde mir nur das Passende herauspicken, basiert auf der Annahme, es gebe nur einen Islam. Das ist historisch gesehen falsch. Das Zweite, was ich darauf erwidern würde: Auswählen und interpretieren ist nicht einfach. Intellektuell gesehen ist es sogar schwieriger als einfach das zu tun, was einem vorgekaut wird. Auch aus der ethischen Perspektive ist es die größere Herausforderung, denn wer die Freiheit hat, zu entscheiden, muss diese Entscheidungen auch selbst verantworten.


Wir Mitte Muttis  33

Wir mitte-Muttis Text Bettina Schuler  Illustration Nicole Pieloth  Translation P. 44

Eine Fünf auf dem Zeugnis gehört für jeden Durchschnittsschüler zum klassischen Elebnishorizont. Die wenigsten aber können behaupten, gleich vier auf dem Zwischenzeugnis gehabt zu haben. Noch dazu eine in Sport. Ich schon.

Dabei war ich weder übergewichtig noch habe ich besonders häufig geschwänzt. Nein, ich war einfach nur stinkfaul. So faul, wie es vierzehnjährige Teenager eben nur sein können. Das ging sogar soweit, dass ich meine Periode auf drei Wochen ausdehnte, bis meine Sportlehrerin begann, einen Perioden-Kalender einzuführen. auf dem sie akribisch den Anfang und das Ende unserer Frauenleiden dokumentierte. Zum Glück fand ich schnell einen Arzt, der mir, ohne zu zögern, immer wieder Atteste ausstellte. Insbesondere an den verhassten Bundesjugendspielen, denen ich prinzipiell auf der Ersatzbank beiwohnte. Doch irgendwie schaffte es meine Sportlehrerin, eines meiner Atteste zu verlieren, und so wurden aus vier Wochen gemütliche-auf-der-Bank-sitzen achtundzwanzig Tage Leistungsverweigerung. Setzen, Fünf. Aber selbst das war mir trotz Gezetere meiner Oma, natürlich eine ehemalige Sportlehrerin, völlig wurscht. Glücklicherweise bekamen wir kurz darauf einen neuen Sportlehrer, der sich bereits nach der ersten Stunde dazu bereit erklärte, mir auf jedem Zeugnis eine drei zu geben, wenn ich ihn dafür mit meinem Gejammere nicht weiter nerven würde. Damit war die Sache bis zum Abitur geritzt. Und ich schwor mir, wenn ich selbst mal eine Tochter haben sollte, dass ich ihr immer eine Entschudigung für die Sportstunde schreiben würde, damit sie sich nicht so blöde Ausreden ausdenken muss wie ich. Doch leider muss ich das gar nicht. Denn meine Tochter findet Sport überaus attraktiv. Insbesondere eine Sportart, die ich bisher für das Terrain von höheren Töchtern hielt: Ballett. Mit Hingabe

übt meine Fünfjährige nachmittags im rosafarbenen Tutu auf Spitzen zu gehen und ihre Arme über dem Kopf graziel zu einem Kreis zusammenzubringen. Und wenn Lehrer Oliver vom Center of Dance vor ihren Augen eine Pirouette vollführt, dann schaut sie ihn mit der gleichen Bewunderung an wie ich einst David Bowie. Als nächstes will sie wahrscheinlich auf dem Seilztanzen können, so wie die hübsch gekleideten Mädchen bei Pippi Langstrumpf. Wie gut, dass es auch dafür in Berlin eine bekannte Adresse gibt: Die Etage − Schule für darstellende und bildende Künste. Dort können Kinder von 3 bis 13 Jahren ihre ersten akrobatischen Sprünge üben. Ebenfalls eine prima Adresse in Sachen Sport ist der Sportverein Pfefferwerk e.V., wo neben den klassischen Sportarten wie Volley-, Basket- und Fußball, auch Yoga, Kampfsport oder Pilates angeboten werden. Auch für uns Eltern übrigens eine überaus attraktive Anlaufstelle, um wieder Back in Shape zu kommen. Auch empfehlenswert sind die Kinderyogastunden bei Jivamutki, die immer samstags um 17 Uhr in dem Studio Mitte in der Brunnenstraße stattfinden. Optional gibt es praktischerweise noch bis 18.35 Uhr eine Kinderbetreuung, damit die gestressten Mitte-Muttis währenddessen auch selbst mal wieder zum Praktizieren kommen. Falls ihr jedoch eine ebenso sportfaule Tochter, wie ich es war, haben solltet: Seid bitte gnädig mit ihr und schreibt ihr wenigstens ab und zu eine Entschuldigung. Sie wird euch ein Leben lang dankbar sein.

Center of Dance (in der Kulturbrauerei) Schönhauser Allee 36 10435 Berlin oliverdetelich@mac.com www.centerofdance.net Sportverein Pfefferwerk e.V. Paul-Heyse-Straße 29, 4. OG rechts
 10407 Berlin Telefonische Sprechzeiten Mo 10 – 14 Uhr und Mi 14 – 17 Uhr Tel. 030 67 30 01 60 Anfragen bitte per Mail an verwaltung@pfeffersport.de www.pfeffersport.de Jivamutki Brunnenstraße 29
Hof III (Alte Backfabrik) 10110 Berlin www.jivamuktiberlin.de Die Etage Schule für die Darstellenden Künste e.V.
 Ritterstraße 12-14 10969 Berlin Tel. 030 69 12 09 5
 buero@dieetage.de www.dieetage.de


34   Hmmm, Lecker!

Kochtipps vom Kochhaus Thailändischer Reisnudelsalat mit Rindfleisch, Minze und Erdnussdressing Text und Bilder Kochhaus

Auf dieser Seite findet ihr monatlich einen Rezeptvorschlag mit Fotoanleitung vom Kochhaus, dem weltweit einzigartigen begehbaren Rezeptbuch in Prenzlauer Berg (Schönhauser Allee 46) und Schöneberg (Akazienstraße 1). Im Kochhaus findet man nicht nur regelmäßig wechselnde Rezepte, sondern auch gleich noch alle Zutaten, die man für das Gericht braucht – fertig portioniert an einem Tisch. Schaut doch mal vorbei und bis dahin: Guten Appetit! Zutaten für 2 Personen: 200 g Reisnudeln, 1 Rinderhüftsteak, 1 Mini Gurke, 1 Limette, 1 rote Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 1 getrocknete Chili, 1 Bund Minze, 1 Bund Koriander, 25 g Erdnüsse, 30 ml Sojasoße, 2 EL Olivenöl, Salz, Pfeffer, Zucker* * Mengenangaben beziehen sich auf 2 bzw. 4 Personen.

In einem Topf Wasser für die Reisnudeln zum Kochen

Knoblauch pellen und fein hacken. Zwiebel halbieren

Gurke längs halbieren, mit einem Löffel die Samen ent-

bringen. Limette mit heißem Wasser abwaschen, trock-

und in dünne Streifen schneiden. Chili fein zerbröseln.

fernen und in ca. 1 cm große Stücke schneiden. Kori-

nen, Schale abreiben und den Saft auspressen. Erdnüsse

ander mit dem Stiel in feine Streifen schneiden. Minz-

grob hacken.

blätter von den Stielen zupfen und ebenfalls in feine Streifen schneiden.

Gurke, Chili, Koriander, Minze, Zwiebel und 3 bzw. 6 EL*

Topf mit dem kochenden Wasser vom Herd nehmen,

In einer Pfanne 2 bzw. 4 EL* Öl erhitzen und die Rind-

Limettensaft mit der Sojasoße und 1 bzw. 2 EL* Zucker zu

Reisnudeln und 1 bzw. 2 TL* Salz hineingeben und ca. 5

fleischstreifen unter ständigem Wenden bei hoher Hit-

einem Dressing vermengen und bis zur weiteren Verwen-

Minuten ziehen lassen, bis sie weich sind. Rindfleisch

ze 2 Minuten scharf anbraten.

dung ziehen lassen.

in ca. 1 cm dünne Streifen schneiden und rundum mit ½ bzw. 1 TL* Salz würzen.

Pfanne vom Herd nehmen, Limettenabrieb und ge-

Weich gegarte Reisnudeln abgießen, kurz mit kaltem

Reisnudelsalat mittig auf einem Teller anrichten, mit

hackten Knoblauch zum Rindfleisch geben und mit ½

Wasser abschrecken und anschließend mit dem herge-

Rindfleischstreifen garnieren und mit den gehackten

bzw. 1 TL* Salz und Pfeffer nach Geschmack würzen.

stellten Dressing verrühren.

Erdnüssen bestreuen.


Gimme Five  35

Gimme Five — GO WITH THE FLOW Text Paul Schlosser

Wenn die ersten Sonnenstrahlen Berlin erwärmen, stehen die Zeichen auf Sommer in der Hauptstadt und das Leben verlagert sich schlagartig nach draußen. Nirgendwo sonst kann man in Berlin so ungestört sein Ballgefühl oder die Stehkraft auf dem Skateboard üben wie auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. Wo einst die Rosinenbomber landeten, fahren heute Besucher mit dem Fahrrad, auf Skates oder in einem Velo-Taxi herum. Insgesamt rund 380 Hektar misst das gesamte Flughafenareal! Zieht man das denkmalgeschützte Gebäude und die dahinterliegende Betonfläche ab, bleiben ziemlich genau 340 Hektar. Eine unfassbare Größe. 340 Hektar, das sind 3.400.000 Quadratmeter. Jeder der knapp 3,4 Millionen Berliner Einwohner hätte somit exakt einen Quadratmeter Platz, um seinen Hobby nachgehen zu können. Selbst wenn es also jeden zur selben Zeit auf das Anwesen verschlagen würde, bliebe noch ungefähr so viel Platz wie im Sommer zur Mittagspause im Weinbergspark. Doch wie nutzen die Berliner das gigantische Areal? Während wir unsere Skates entstaubt haben, sind uns besonders die vielen, ungewöhnlichen Fortbewegungsmittel und Windsportarten ins Auge gestochen, die das Tempelhofer Feld erobert haben.

01  Kite-Landboarding Es erinnert an Astronauten auf dem Mond, wie die jungen Männer mit ihren Drachen über die Wiese hopsen. Die Leinen haben sie an einem breiten Gurt befestigt, den sie um die Taille tragen. Der Wind ist stark, sie stemmen sich mit dem ganzen Körper dagegen und werden doch immer wieder von ihm nach vorne gezogen. Steht der Drachen – das Kite – richtig im Wind, springen die Männer auf ihre Rollbretter und rasen die Startbahn entlang. Die Fortgeschritteneren nehmen Kurs auf die Wiese und springen samt Brett in die Höhe, um dann wieder auf dem Gras zu landen und weiterzufahren. Kite-Landboarding heißt das, was sie machen.

02

Windskating Mit etwas weniger Wind kommt man bei folgender Sportart aus. Zum Windskaten wird ein Segel, wie man es beim Windsurfen benutzt, auf ein langes Skateboard montiert. Damit fährt man auf dem Tempelhofer Feld die Startbahn hoch und runter, mal in Schlangenlinien, mal in Kreisen. Und einige Manöver seien an Land sogar einfacher als im Wasser.

03

Das Hochrad Filigrane Hochräder mit ihren rennraddünnen Reifen wirken ungemütlich und gefährlich. Doch eine kleine Fangemeinde gleitet hier auch heute noch elegant auf den 1,40 Meter hohen Rädern aus dem 19. Jahrhundert umher: ohne Bremsen, dafür oft in traditioneller Kleidung – und bei Gefahr immer bereit zum rettenden Absprung.

04

Die Poweriser Oder wie wir sagen, Känguruschuhe, denn mit diesen ungewöhnlichen Sprungvorrichtung, hüpft man höher als die australischen Beuteltiere. Die Sprungstelzen bestehen aus einer Sprungfeder aus Fieberglas, die in einem Gestell mit Gummifüßen integriert ist, einer Fußplatte mit Bindung und einer Beinfixierung. Wenn durch Laufen oder Springen Druck auf die Feder ausgeübt wird, wird diese zusammengepresst. Die Feder dehnt sich anschließend aus und gibt die Energie wieder zurück. Mit Sprungstelzen kann man bis zu 35 km/h schnell laufen und stolze 2,50 m hoch und 4 m weit springen.

05

Das Segway Die Segways, die man sich am Eingang des Tempelhofer Damms ausleihen kann, bewegen sich allein durch Verlagerung des Körpergewichts. Akkubetrieben und an jeder Steckdose aufzuladen, gehören diese „Luftkissenfahrzeuge“ neben Senioren-Elektromobilen sicherlich zu den langweiligsten Fortbewegungsmittel, die jemals das Licht der Welt erblicken durften und belegen deshalb zurecht nur den hintersten Rang unserer diesmonatigen Gimme Five.


36   Kulturgut

Kunsttipps

von

EyeOut

Text Saskia Neuman  Translation Robert Schlicht P. 41

In dieser Kolumne stellen wir euch jeden Monat eine kleine Auswahl der interessantesten Ausstellungen in Mitte vor. Weitere spannende Tipps findet ihr in der iPhone App EYEOUT Berlin (www.eyeout.com).

Martin Eder 17. März – 5. Mai 2012 EIGEN+ART, Auguststr. 25, S1, S2, S25 Oranienburger Strasse, Di–Sa 11–18 h +49-30-280 66 05, berlin@eigen-art.com, www.eigen-art.com

Martin Eder – Asymmetry, 2012 Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/ Berlin Foto: Uwe Walter, Berlin

Martin Eders neue Werkgruppe kombiniert Skulpturen, großformatige figurative Ölbilder und Papierarbeiten. Ein Teil davon ist derzeit in der Ausstellung Asymmetry bei EIGEN+ART zu sehen. Die mit schaurigen Titeln wie etwa My Laughing Sister You Are Death versehenen Skulpturen – abstrakte, durchlöcherte Aluminiumköpfe – scheinen in Zeit und Bewegung erstarrt zu sein. Der gespenstische Torso aus Eichenholz einer nackten Frau, der mit fleischfarbenem Wachs versiegelt ist, beteiligt sich an dem spukhaften Gespräch, das die Werke miteinander führen. Diese zarte und gleichzeitig unheimliche, schöne Skulptur spricht ein von Eder bislang unerforschtes Thema an. Das große Gemälde indessen, auf dem das regenbogenfarbene Hinterteil einer Frau zu sehen ist, ist eine genaue Untersuchung der weiblichen Gestalt. Es erschafft ein realistisches und beunruhigendes Bild als Gegenentwurf zur üblichen Darstellungsweise von Frauen.

Anthony McCall 28. April – 16. Juni 2012 Sprüth Magers Berlin, Oranienburger Str. 18, S1, S2, S25 Oranienburger Strasse, Di–Sa 11–18 h +49-30-28 88 40 30, info@spruethmagers.com, www.spruethmagers.com

Anthony McCall – Landscape for Fire, 1972, performance view Courtesy Sprüth Magers Berlin London Foto: Carolee Schneemann

Anthony McCall ist für seine Solid Light Film-Installationen und für den großen Einfluss, den er auf die Londoner Avantgardefilmszene der 1970er Jahre ausübte, bekannt. Letzteres wird in seiner Ausstellung bei Sprüth Magers gefeiert. Early Performance Films lädt uns dazu ein, einige der einflussreichen Werke aus McCalls künstlerischem Schaffen, wie etwas Landscape for Fire, 1972, neu zu betrachten. Enttäuscht von den Beschränkungen der Videokunst ging der Künstler in den 1970er Jahren zur Dekonstruktion von Film über, indem er dessen geschwungene weißen Linien in Form verwandelte. Diese früheren Arbeiten haben dabei nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Der durch die eher skulpturalen Werke erzeugte meditative Zustand tritt bereits in McCalls ersten Filmen klar zutage. Der scharfe, ohrenbetäubende Lärm, dem ebenso atemberaubende Bilder entsprechen, inszeniert performative Aspekte. So entsteht Zeitlichkeit, während zugleich unsere Neugier angesprochen wird.

Rirkrit Tiravanija 28. April – 30. Juni 2012 Neugerriemschneider, Linienstr. 155, S1, S2, S25 Oranienburger Strasse, Di–Sa 11–18 h +49-30-28 87 72 77, mail@neugerriemschneider.com, www.neugerriemschneider.com

Rirkrit Tiravanija – Untitled, 2010 (Angst essen Seele auf – September 17, 2008) Courtesy neugerriemschneider, Berlin Foto: Jens Ziehe, Berlin

In seiner Ausstellung bei neugerriemschneider nimmt Rirkrit Tiravanija den deutsch-schweizerischen Künstler Dieter Roth als Bezugspunkt seiner Ausstellung Untitled, 2012 (Freedom cannot be simulated). Ein Zitat aus einem Satz von spezifischen Anweisungen, die Roth 1964 an Hans Sohm schickte, findet sich im Hauptraum der Galerie auf Deutsch gesprayt, im angrenzenden Raum auf Englisch; er bezieht sich auf die Literaturwürste, eine Reihe von Künstlerbüchern, die Roth zwischen 1961 und 1974 schuf. Jedes Buch entstand nach einem traditionellen Wurstrezept, nur dass anstelle von Fleisch ein Buch oder eine Zeitschrift verwendet wurde. Tiravanija treibt Roths konzeptuelle Arbeit weiter, indem er eine Wäscheleine mit Würsten aufhängt, die aus Fleisch, 18 zerrissenen thailändischen Verfassungen sowie einem Exemplar von Sarrazins kontroversem Anti-Immigrations-Buch hergestellt wurden. Eine deutliche Kritik an den heute überall auf der Welt geltenden Einwanderungsbestimmungen.


Mitteschön Filmtipps  37

Filmgalerie 451 presents:

LIEBE IN & LIEBE OUT Text Silvio Neubauer

Der 451-DVD-Tipp Nr. 4 nimmt aktuelle Frühlingsgefühle zum Anlass, einige der schönsten Beschreibungen junger Liebe aus den 90er Jahren wieder aufleben zu lassen, vier Lovestorys, die zufällig auch gay daherkommen: Mehr Probleme bedeuten nämlich oft auch mehr Spaß – gerade dann, wenn mal kein Leo samt sinkendem Schiff oder Mr. Shakespeare zur Verfügung steht... Die behütete, schüchterne 15-jährige Agnes ist im schwedischen Provinzkaff Amal nie ganz angekommen. Sie ist heimlich verliebt in ihre Schulkameradin Elin, die sich rotzfrech, cool und unnahbar gibt. Ausgerechnet sie ist es dann, die unerwartet bei Agnes’ total gefloppter Geburtstagsparty auftaucht – doch es war wohl nur eine fiese Wette und Agnes ist am Boden zerstört. Wie die beiden Mädchen dann nach vielerlei Komplikationen doch zueinander finden, macht Lukas Modyssons Kinodebüt Raus aus Amal (1999) zu den am besten beobachteten, sensibelsten und schlicht schönsten Filmen über die Turbulenzen des Erwachsenwerdens überhaupt. Auch Hettie MacDonald schildert in ihrem Erstling Beautiful Thing (1996) einfühlsam und realitätsnah eine zart knospende jugendliche Romanze, diesmal vor dem Hintergrund des stressigen Alltags dreier Arbeiterfamilien in einem Plattenbau einer Londoner Trabantenstadt: Auf der Flucht vor seinem prügelnden Vater schlüpft Jamie bei einem Nachbarjungen unter – und entdeckt dabei überraschenderweise ganz neue Gefühle. Begleitet von der kultigen Musik von Mama Cass entwickelt sich eine hinreißende Mischung aus pointierter Milieu-Studie und beschwingter Coming-Out-Komödie. Ganz auf eigenen Füßen scheint in Anne Wheelers Better Than Chocolate (1999) die Buchverkäuferin Maggie zu stehen, als die toughe Malerin Kim in ihr Leben tritt. Doch kaum sind die beiden

zusammen, zieht Maggies scheidungsgeschädigte Mutter, die nichts vom Leben (und Lieben) ihrer Tochter weiß, samt kleinem Bruder bei ihr ein, was das leidenschaftliche junge Paar zu einem chaotischen Versteckspiel nötigt...: Eine frische & sexy Indie-Komödie mit interessanten Nebenfiguren. Was für ausufernde Folgen der kreative Umgang mit der Wahrheit haben kann, präsentiert das dritte Debüt, das Hochzeitsbankett (1993) von Ang Lee: Um seine ahnungslosen und erzkonservativen Eltern aus Taiwan, die die Verheiratung ihres beruflich erfolgreichen Sohnes anmahnen, zufriedenzustellen, beschließt der homosexuelle New Yorker Wei-Tung auf Anregung seines Partners Simon, eine Scheinehe mit einer Bekannten einzugehen. Doch dann laufen die Feierlichkeiten mehr und mehr aus dem Ruder und es gibt noch manche Überraschung... Und Leo? Nun, auch er hat Anfang der 90er in This Boys Life einen dicken Schmatzer bekommen – von Tobey. Was daraus geworden ist...? Nix! Filmgalerie 451, Torstraße 231, 10115 Berlin, www.filmgalerie-berlin.de



Berliner Gesichter  39

BERLINER GESICHTER Text Bettina Schuler  Foto Tina Linster  Translation P. 43

Der Schwerbelastungskörper, 71 Jahre Denkmal

Ich stehe schon seit 1941 hier. Albert Speer hat mich von französischen Zwangsarbeitern erbauen lassen, um die Tragfähigkeit des Märkischen Sandes zu prüfen. In meiner unmittelbaren Nähe sollte später ein gewaltiger Triumphbogen von 117 Meter Höhe und 170 Meter Breite gebaut werden. Er sollte das Ende der 120 Meter breiten und sieben Kilometer langen Prachtstraße des neuen Berlins, der NSWelthauptstadt Germania bilden. Zum Glück wurde das menschenverachtende Projekt nie realisiert. Das einzige Relikt, das von dem einstigen größenwahnsinnigen Bauvorhaben noch zeugt, bin ich. Ich bin ein zylindrischer Druckkörper mit einem Durchmesser von 21 Metern. Ich reiche 14 Meter in die Höhe und 18 Meter in die Tiefe. Ich bestehe aus purem Beton und habe ein Gewicht von über zwölftausend Tonnen. Zunächst wollte Speer mich nach Erledigung der Messungen abreißen. Später plante er jedoch, mich unter der Prachtstraße verschwinden zu lassen, um so eine steile Auffahrt hin zum Triumphbogen zu schaffen. Was für ein gigantischer Anstieg das gewesen wäre, das kann man heute nur noch erahnen, wenn man die 14 Meter hohe Aussichtsplattform besteigt, die 2009 in meiner unmittelbaren Umgebung gebaut wurde. Bereits in den ersten zweieinhalb Jahren meines Bestehens habe ich mich tiefer abgesenkt als geplant, genau gesagt um 19,3 cm. Zudem habe ich mich bereits während des Betoniervorgang um 3,5 cm geneigt. Der von Speer geplante Triumphbogen hätte folglich nur gebaut werden können, wenn man zuvor den Boden verfestigt hätte. Denn ansonsten wäre ich wohl

in Konkurrenz mit dem Schiefen Turm von Pisa treten können. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man mich zunächst sprengen. Doch der Plan wurde wieder verworfen, weil man befürchtete, die umliegenden Wohngebiete zu gefährden. So wurde ich zunächst von Bodentechnikern für Messungen genutzt. Doch Anfang der 80er Jahre zogen die Wissenschaftler ab und das Interesse an mir verblasste. Man überlegte mich als Kletteranlage umzugestalten oder gar mich zu begrünen. Doch im Endeffekt begannen das Gelände um mich herum nur zu verwildern.

Ort des Schwerbelatsungskörpers

Mittlerweile stehe ich unter Denkmalschutz, als ein Mahnmal des Größenwahns der Nationalsozialisten. Es wurde sehr viel Zeit und Geld in mich gesteckt, um mich in den Informationsort Schwerbelastungskörper umzugestalten, der 2009 eröffnet wurde. Mit angrenzendem Pavillion, besagtem Aussichtsturm und drei Stellen, die über die Geschichte des Ortes informieren. Betreut werde ich von dem Berliner Unterweltenverein, der auch regelmäßig Besichtigungstouren anbietet.

Öffnungszeiten:

Meine Umgestaltung in einen Informationsstandort wurde jedoch nicht allerorts begrüßt. Denn hätte man die 913 750 Euro, die der Bund, das Land und die EU in mich gesteckt haben nicht besser direkt für die Erinnerung an die Opfer des Natonalsozialismus nutzen können? Oder ist es das Geld wert, um, wie es der Berliner Unterweltenverein schreibt, „die menschenund stadtverachtende Dimension des nationalsozialistischen Städtebaus zu begreifen und zu diskutieren“? Am Besten stattet ihr mir einen Besuch und ab und entscheidet selbst.

General-Pape-Straße/ Ecke Loewenhardtdamm www.schwerbelastungskoerper.de Verkehrsanbindung: S 1: Julius-Leber-Brücke, weiter mit Bus 104. U-Bahnhof: Platz der Luftbrücke, ebenfalls weiter mit Bus 104, Station Kolonnenbrücke. S-Bahnhof: Südkreuz plus 15 Minuten Fußweg.

Di und Mi von 14 – 18 Uhr, Do 10 – 18 Uhr, So 13 – 16 Uhr Der Eintritt ist frei Von April bis Oktober kann man auch jeden Sonntag um 12 Uhr an einer Führung des Berliner Unterwelten e.V. teilnehmen. Unkostenbeitrag: 6 Euro Kinder bis 11 Jahren sind in Begleitung der Eltern frei.


40   Mitte night

Events (p. 8)

is particularly apt with the opening of Hamburg-set

Anton Corbijn - In-

film, Abriss, a tragic comedy on 9 May. At the opening

wards and Onwards

Boheme Sauvage

party you can take the festival’s name literally

Exhibition

Party

The next day the festival travels to Korea, followed

21 April to 2 June

26 May

by China and Africa. Finally, you find yourself in the

Admission is free

Tickets: in advance from vvk@

former GDR where the bizarre appearance of the

Paparazzi

boehe.sauvage.de, €18.50 €17 at

punks in the gray East is on the subject. Punk's Not

dered by many to be

the box office

Dead discusses the current commercialization of the

unethical hunters. They

Doors open at 11 pm

punk scene, while films like Punk Rock Holocaust and

force themselves into

The Golden 20s in Berlin: they

Attack of the Living Dead Punkers offer absurd and

the private lives of celebrities and try to take unflat-

are the golden age of German art and culture in which

pure entertainment. The last blast will be with Wild

tering pictures. The press then scramble to get hold

many would have liked to have lived. At that time films

at Heart on 13 May and then again there’s chance to

of as many of these unpleasant pictures as possible.

were accompanied by a seventy-member symphony

party at the end of the festival.

They’re looking to immortalize negativity by photo-

orchestra wearing velvet jackets, the Charleston was

Moviemento

graphing the stars with wet panties, bawling drunk or

danced, and champagne-filled glasses clinked in ball-

Kottbusser Damm 22

being arrested for DUI.

rooms like the Barberina. Wearing flapper dresses and

www.toodrunktowatch.de

In the Gallery Camera Work, Dutch photographer

feather boas, and armed with cigarette holders, women

www.moviemento.de

are

consi-

Anton Corbijn is presenting his exhibition Inwards and Onwards of extremely intimate black and white

strutted down the Kurfürstendamm. Even gangsters and their dubious dealings had a touch of elegance.

Apocalypse

Now

portraits of famous personalities from the world of

On 26 May, thanks to Bohème Sauvage, you can slip

(And Then) – The end

visual art, music and fashion. Only working with na-

into the infamous smoky glamour of the '20s and

of the world in pop

tural light and no assistant, he takes a look behind the

dance the Charleston and foxtrot to Swing in the Ju-

culture Electro

staged facades of these world-famous human beings,

biläums Ballroom of the Wintergarten Theater. Guests

Theme Weekend

and tries to capture their essence in these partially

dressed up this era style slip into roles they choose:

3 to 5 May

abstract portraits. With his Hasselblad camera, he

Vaudeville Girl, Dandy, Gigolo, or Mafia boss. Eve-

Admission: Day tickets

manages to reflect the character of artists such as

rything is allowed; as long as it's chic.

€22, otherwise €12.10

Damien Hirst, Lucien Freud, Kate Moss and Gerhard

Try out your luck at the door casino and play to win

In spite of Hiroshima

Richter by photographing them in familiar environ-

50 million Reichmarks. The evening will be sweetened

and Nagasaki there is

ments.

with a sideshow, burlesque performances and a well-

no word in the Japanese language for ‘catastrophe’.

Corbijn helped create the image of bands such as De-

stocked, traditional Absinthe bar. If you’re not into the

Instead, it is Godzilla, mange, anime, kawaii, Cosplay

peche Mode, Joy Division and U2 in the 70s. He direc-

green fairy, you can enjoy cocktails creations true to

and J-pop. From 3 to 5 May, pop culture will explain

ted music videos for Metallica, Nirvana and Johnny

the wild era. Jazz/Swing-Electro-record entertainment

the end of the world in the Hebbel am Ufer theater.

Cash, and is now one of the most influential photo-

will bring you back to Noughties.

Reflecting the cultural movement of discontent in the

graphers and directors of our time.

Wintergarten

60s and 70s, fans full of euphoria threw themselves

Camera Work

Potsdamer Strasse 96

on the Beatles. The emerging punk scene in the early

Kant Strasse 149

www.boheme-sauvage.net

80s was the answer to the then apocalyptic mood and

www.camerawork.de

the angry ideology of unbridled growth. Today, there

www.corbijn.co.uk

Punk Film Festival

are pop icons like Madonna, Lady Gaga, Rihanna and

Too Drunk To Watch

countless others. Historically, pop went through its

Nôze & Band

Film Festival

most productive phase every time one world shatte-

Electro

9 to 12 May

red.

1 May

Tickets: €7 to €30

With their three-day, curated theme weekend, Chris-

Tickets: €22, concessions

You most often see them

toph Gurk and Tobias Rapp explore how Pop symbo-

€18. For online booking,

at

with

lizes the end of the world. A worldwide group of cul-

add €2 fee

their closest companions,

tural theorists and artists, including Simon Reynolds,

Doors open: 8 pm

Labrador-German Shepherd

Greg Tate, Atsushi Sasaki and Jens Balzer will explore,

The name Nôze sounds

mutts that usually wear scarves, while their masters

in terms of the current crisis, the theme of apocalypse

like the word "noise," but the experimental, French

Alexanderplatz

have a beer.The Moviemento in Kreuzberg, the oldest

in the more than 50-year-long history of pop culture.

techno duo consisting of Nicolas Sfintescu and Eze-

cinema in Germany, will be celebrating the worldwide

The discussion will be accompanied by concerts and

chiel Pailhes, creates hedonistic sounds accentuated

punk scene with a four-day film festival. Documenta-

DJ sets by international musicians such as Kode 9,

by Tom Waits-like boozy singing. They got to know

ries on the punk movement in various countries like

Rushmo, and New Zion Trio.

each other in Paris. Ezekiel married Nicolas’ sister,

South Africa, America, China, former East Germany

Hebbel am Ufer Theater

and this bonded them even more than their mutual

and South Korea will be presented under the name

Hallesches Ufer 32

love of electronic music.

Too Drunk To Watch. The name of the film festival

www.hebbel-am-ufer.de

Sfintescu and Pailhes mainly want to have fun. They


English Translations  41

play and fool around while creating their songs. In

EYEOUT Art Events (p. 36)

Roth as his main point of reference in the exhibition: Untitled, 2012 (Freedom can not be simulated) at

the Techno scene, they are celebrated for their unbridled and insane live performances, which include

Martin Eder

neugerriemschneider. A quote, a set of specific inst-

roaring some of their lyrics, binge drinking and live

17 Mar to 5 May

ructions from Roth to Hanns Sohm in 1964, is even-

strips. The duo love to take their clothes off on the

EIGEN+ART, Auguststr. 25,

ly sprayed in German in the main gallery space, and

stage, which they follow with a champagne shower.

S1, S2, S25 Oranienburger

appears in English in the following room. It refers to

This is of course generously shared with the crowd.

Strasse

Roth’s Literaturwürste (Literature Sausages), a series

The significant jazz influence is explained by the fact

Tue to Sat 11am – 6pm

of artist books Roth made between 1961 and 1974.

that Ezekiel is a professional pianist. Improvisation

Martin Eder’s recent work is

Each book was completed using traditional sausage

is the essence of Nôzes music. Pebbles, screws, and

an amalgamation of sculptu-

recipes, but the meat was replaced with a book or ma-

whatever else the two of them can get their hands on,

res, figurative oil paintings, and works on paper. Some is

gazine. Tiravanija furthers Roth’s conceptual work by

are used to produce unusual sounds and manipulate

currently being shown at EIGEN+ART in the exhibition

hanging up a clothes line of sausages, made of meat,

piano sounds.

Asymmetry. With gruesome titles such as My Laughing

18 shredded Thai constitutions, and one copy of Thi-

They’ve already released four albums. The last one,

Sister You Are Death, the sculptures – abstract punctured

lo Sarrazin’s controversial anti-immigration book –

Dring, was released in 2011 after their two-year world

aluminum heads – seem caught in time and movement.

clearly stating a critique of the current immigration

tour. The basis of the album's sound is built on what

A nude woman’s torso in oak, wraith-like and sealed in

laws dominating throughout the globe.

they played at very spontaneous jam sessions to

flesh-colored wax, contributes to the otherworldly con-

which friends their were invited. This must have been

versation that engages the works with one another. Soft,

Game on!

decisive because they’re performing with a band at

although uncanny, the beautiful sculpture does stray

(p. 26)

the Volksbühne.

from the themes Eder has previously explored. But the

"Use it or lose it" as the

Volksbühne am Rosa-Luxembourg-Platz

large painting, a rainbow-colored woman‘s backside,

saying goes. In order to

Linien Strasse 227

honestly investigates the female form, creating a reali-

prevent this, we’d like to

www.volksbuehne-berlin.de

stic and menacing image to counteract the manner in

introduce you to four

which woman a often portrayed.

new worth

Giana Factory

sports

that

swinging

are your

Electro Synth Pop

Anthony McCall

ass from couch to court..

2 May

27 Apr to 16 Jun

Wheel High

Tickets: from €14.50

Sprüth Magers Berlin

Instead of sitting high

Doors open: 8 pm

Oranienburger Str. 18

on a horse, to play this sport you sit on a bicycle. Bike

Without having ever pro-

Tue to Sat, 11 am – 6 pm

Polo originated in New York and London, but even

duced

Renowned

his solid-

in this country you see more and more people with

an

album,

Giana

for

Factory’s very first appea-

light film installations and

wheels, balls and bats. Although different rules apply

rance took place in front of a sold-out opening con-

great influence on London’s

in each city, the goal of the game is always the same:

cert for Glasvegas. They spontaneously met Glasvegas

1970s avant-garde film scene, Anthony McCall celeb-

Two teams of three players try to get a street hockey

front man James Allan in London while they were fol-

rates the latter in his show at Sprüth Magers. In Early

ball into the opponent's goal using a bat and front

lowing the Raveonettes on tour. Two weeks later the

Performance Films, we are invited to revisit seminal

tire. The goal consists of two, cylindrical cones placed

three Danish women Loui Foo, Johanne Sophie, and

works from McCall’s oeuvre, such as Landscape For

at a distance of a meter and a half. Bamboo sticks, golf

Lisbet Frize decided to form Giana Factory. Their first

Fire, 1972. The artist, disenchanted with the limita-

clubs or ski poles with a cylindrical crosspiece at the

album, Save The Youth was released in 2010.

tions of video art in the 1970s, went on to deconst-

end are used to hit. The ground should be flat so that

Psychedelic glam/noir-pop sounds connected with a

ruct film, creating form from its curved white lines.

the ball doesn't always roll away, and the field must

catwalk reminiscent appearance soon led to the trio

But the importance of these earlier works is far from

be marked. Whether Fixie, mountain bike or folding

being played on the radio at home. Their musical

lost. The meditative state created by the later, more

bike – it’s important that you have a good feel for your

creations are not mainstream.

sculptural work is evident in his first films. The sharp,

two-wheeled steed and can ride with one hand. And

Through the fusion of melodic pop with morbid

deafening noise, matched by stunning visuals, emo-

left-handed at that because you hold the racket in

charm, they have created a both elegant and sinister

tes performative aspects. Creating temporality whilst

your right hand. If a player puts a foot on the ground,

atmosphere with their music. The dreamy synths

simultaneously engaging our curiosity.

he’s penalized and has to blow a horn on the sideline before he’s allowed to continue playing.

paired with the Loui Foos’ cool, falsetto voice let you close your eyes and immerse yourself in an nebulous-

Rirkrit Tiravanija

ly 80’s world instead of wanting to dance in a club.

28 Apr to 30 Juni 2012

This beautiful electro-pop trio is performing live in

Neugerriemschneider

HBC on 2 May live.

Linienstr. 155

.HBC

Tue to Sat, 11 am – 6 pm

Karl-Liebknecht-Straße 9

Rirkrit Tiravanija appoints

www.hbc-berlin.de

Swiss-German artist Dieter

www.bikepolo-berlin.de Let's roll, baby! This sport, which disappeared from the scene in the early 1970s, has been brought back into U.S. gyms almost thirty years later by female amateurs from the punk movement and third wave feminism. Even today, girls have the edge in Roller Derby. There are


42   English Translations

two game modes: Banked Track Roller Derby, which is

Born Golfers in Paris, Warsaw, Miami, San Francisco

tures in Kreuzberg. Incidentally, we use the term ‘cul-

played by professional teams and on a banked track,

and Shanghai.

ture,’ because the Nazis used the word ‘movement’.

but the more common variant is Flat Track. Roller

In the indoor-black light-mini golf course in Görlitz

A definition is difficult. Youth who have developed a

Derby is anything but prissy: armed with helmets

park, you travel through a surreal 3D world full of co-

sub-culture within a culture of adults mainly want to

and knee pads, two teams, each consisting of up to 14

lor and magic. Different artists have painted the cellar

differentiate themselves informally and subjectively,

jammers and blockers, go at each other in two 30-mi-

of the Park Café in bright colors. Here, the backdrop

and not only from their elders but also from other

nute periods. At the first whistle the pack of four blo-

along with clubs and golf balls, the backdrop is illu-

sub-cultures and – and especially! - from the boring,

ckers starts off. The jammers, who set off later, have

minated – you play on 18 courses spread out in five

square rest of the world, no matter how old they are.

to fight their way through the pack and overtake their

rooms of Berlin's sights, deserts and lunar landscapes

They recognize each other by informal codes (music,

opponents within the track boundaries. One point is

and other fantastic worlds.

clothes, habit), which by no way necessarily means

won for each player who is passed. A jam ends when

www.naturalborngolfers.com

that non-members of a scene have to recognize group

the lead jammer, the one who has passed all blockers

www.indoor-mini golf-berlin.de

membership: if you’re wearing baggy jeans, you're still far from being a skater. The idea is to create a

first, breaks off the round or two minutes is up. The next jam begins after a 30-second break.

"The youth of

space in which others do not have access. This may

www.rollerderbygermany.de

today..." (p.

express itself mundanely—if you’ve stood in line for

20)

Berghain for two hours and not gotten in, you know

If you start a sentence

what we’re talking about. It can also be a space crea-

like this you uninten-

ted by one’s own communications – Facebook being

tionally and indirect-

the perpetual example. It has been found out that

ly prove the fact that

children often don’t dare to refuse their parents and

you're no longer a part

relatives as friends on Facebook, even though they’d

of the young generati-

actually prefer to be there undisturbed. They distrust

on. No matter how iro-

privacy settings, so a communication has evolved

nic you say it, and no

from abbreviations that only kids understand. kP?

Disc play In this still very young outdoor sport you do not fight for a ball, but a Frisbee. Goaltimate is a new version of the Frisbee game and also comes from the United States. Unlike Ultimate, this game has a goal, from which the name is derived, and it’s played with a lot more dynamic and without long breaks. In addition to endurance and speed, good eye and hand coordination is a must. Two teams of four players plus two substitutes play on a round field. One point is awarded as soon as a player throws the Frisbee through a semi-circular goal and his teammates catch the disc on the other side of the goal. You get two points for a pass played behind the two-point-line. The disc goes

matter how it ends, and it’s usually: "... is no longer what

I want to know from Farin whether subcultures such

it once was." The idea is that most kids don’t want to be

as Punk used to be less commercialized - and put my

like old people and that they want to develop their own

foot right in my mouth. That’s just a transfigurati-

youth cultures and sub-cultures.

on used by "old people" (thanks a lot for that!). Each youth culture will sooner or later be commercialized,

So who then invented the youth culture? Just like

not least by the scene itself. Everyone dreams about

with Swiss candy, everyone wants to be the one who

being able to live off his art (and sell not only tickets

did. We Germans maintain that the first youth culture

for his concert, but also the merchandising after-

was developed in Steglitz in 1896. At that time they

wards); nowadays word just spreads faster (keyword

spoke of a ‘movement’; pupils and students bonded

Internet). Something emerges from exactly this. Fi-

together for the so-called Wandervogel (similar to the

nally, the commercialization of culture is responsible

Australian 'walkabout’ TRANS NOTE). In the wake of

for a boost of creativity - non-commercial anti-move-

industrialization, these young people wanted to get

ments result. Everything was not always better in the

back to nature (for example, they went swimming

past.

naked—disapproved of since the 18th century—and

In order to find out what moves the youth of today, I

this paved the way for “FKK” nudism scene). The Ame-

buy the magazines Bravo and Bravo Girl. I flip through

Rock'n'Hole

ricans also wanted to claim a youth culture for them-

the latter, and it strikes me that the girls appear re-

Golf, a sport with centuries-old tradition, is consi-

selves with their Rock-n-Roll in the Fifties. It sounds

markably adult, mainly in how they dress - there is

dered in this country a pastime for the well-heeled,

plausible, but I’ve also heard Americans say that piz-

little difference to a magazine such as InStyle. On the

snobbish gentry. It’s something quite different for

za is one of their creations. The English Mods entered

cover you already read: "How to style yourself older,

Natural Born Golfers. In the 1990s, Hamburger Tors-

the youth culture competition in the early Sixties. In

richer..." I thought rebellion looked different. "Right!"

ten Schilling went about dusting off the sport's elite

all cases, the question raised was: what is a youth cul-

says Farin. But Bravo’s for the kids who don't necessa-

image with the aid of his Rock'n'Hole philosophy and

ture? The uninformed define it as young people’s ali-

rily belong to a sub-culture. Most don’t belong to any

integrating it into an urban lifestyle. The result was

enation from their parents (and their generation). But

movement or they just jump on the bandwagon by

the Natural Born Golfers Club, a fusion of urban golf

that's only partly true. Today, the question asked is,

adopting the physical characteristics (included in this

and music. While cross golfers tee off in abandoned

and what do they want to rebel against? Against a ge-

issue of Bravo is a "flashy neon peace chain").

lots, along the Spree and in various nightclubs, bands

neration of old people who want to be forever young?

But what subcultures are there now; which ones are

and DJs provide music during breaks. The communi-

The generation gap, as we’ve known it since the Mods

relevant today? The three most important ones are

ty, which regularly organizes events, is now made up

and Rockers, is no longer true.

Hip Hop, Punk and Techno. These are certainly the

of 150,000 cross golfers worldwide. There are Natural

We asked Klaus Farin from the Archive of Youth Cul-

largest and most visible - on MTV, at Alex and in the

back to the offensive team, which is behind the clear line where they launch a new attack. Whoever catches it, stops where he is and may play anywhere. You play in a non-stop mode, which means that teams can always replace their players. Each period ends after 5 points. It’s the best of 5: the team that wins three sets wins the game. www.afdc.com / activities / goaltimaterules.de www.frisbeesportverband.de / sports / goaltimate. html


English Translations  43

clubs of Kreuzberg and Friedrichshain. But there are

those chemical processes that occur in the mind of a

also, there was a boy in Boston, a punk and Pakista-

still others. The Metal Banders who meet once a year

teenager should be regarded as a disease. So, my level

ni, he and I had a thing for the same girl, but I didn’t

to head-bang at the Wacken Open Air Festival. The

of self-recognition at age 17 could be questioned.

know him at the time. He had a big, purple Mohawk

Emo's, who missed a chance with Tokio Hotel to go

How did the trip to Pakistan come about? Who moti-

and sang in a Goth band. The girl told him that he had

mainstream (or was it vice versa?), and there was a

vated you?

to read my book because he was like a character from

similar situation with the Goths and Unheilig, and

The mosque in New York state where I converted had

the novel. She told me that I should meet him. She

the Hippies, who no longer meet in San Francisco, but

a connection to a mosque in Pakistan, and not just

introduced us and from then on, the Taqwacore scene

in Kater Holzig. And the Poppers (they were the good

any, but the famous King Faisal Mosque in Islama-

got a boost. He later founded The Kominas, the most

kids in the Eighties with the hair-dried hairstyles who

bad, which is named after and built by the King of

famous Taqwacore band.

shocked their beatnik parents with their super cooled

Saudi Arabia. They had the money to fly me around

What was your relationship to the Punk scene at that

conformity) – and who now in 2012 go shopping on

the world to study Islam the way they wanted me to. I

time?

Saturday afternoon at Weekday.

was the youngest in the group and very enthusiastic.

As a teenager I was almost fanatically religious. I even

And by the way, kP means “no idea”.

Today Saudi Arabia is something like an Islamic Mc-

believed, according to the strict Islamic doctrine, that

Donalds. There is such a great variety in the Muslim

stringed instruments are banned. I was not part of a

Muhammad

world, but Saudi Arabia spending its money building

musical movement. I had a strong inner conflict in

was a Punk

mosques they want, and are destroying this diversity.

my early twenties. I was ashamed and couldn’t talk

Rocker (p.

Geographically, I may have been in Pakistan, but I was

to anyone about it. At the time I started to hang out

28)

in fact in a Saudi Arabian franchise.

with punks who encouraged me to just be myself.

Nine years ago, Mi-

You once stated that the Islamic society in Saudi

And before I had ever grasped Punk music, I was in-

chael

Muhammad

Arabia is, as examples of how some aspects of Islam

troduced to the philosophy of Punk. These kids had

Knight wrote a no-

appear traditional, although they are really modern.

their own value system, their own worldview. Being

vel with a plot that

What exactly did you mean by this?

a punk meant not worrying about what others think,

sounds like pure sci-

I think the traditional concept is misleading because

just showing the world the middle finger. Only then

ence fiction: Muslim-

it’s all kind of modern today. The traditional is often

did I start to become interested in the music. I wan-

Punk roommates live

re-invented. Saudi Arabia professes to keeping tradi-

ted to incorporate this state of mind into my personal

together in Buffalo,

tion, but their concept of tradition is just 200-years-

path of Islam, because in my previous experiences,

New York: these young people pray during day and get

old. The Republic of Iran is also based on a return to

there wasn’t much space in Islam for individuality. By

drunk at night, they smoke pot while studying the Ko-

tradition, but by the Ayatollah Khomeini. Khomeini

contrast, philosophically, Punk is only about the in-

ran and pogo at concerts until the prayer rug is rolled

introduced a political doctrine in which only a reli-

dividual. Punk motivated me to re-think my original

out on stage. The book, which sprang from the imagi-

gious judge was qualified to lead the state. His return

concept of Islam.

nation of a twentysomething convert, was the foundati-

to tradition is therefore modern, because there was

What do Punk and Islam or Punk and religion have in

on for a real and very lively scene today. The Taqwacores

never a religious leader of the state in the history of

common?

has now been translated into German. We met the au-

Iran. He adapted a modern form of government onto

As in all religions, there are fundamentalists in Punk.

thor who does not want to be told how he is to believe.

the religion and not vice versa. At first glance, Muslim

Some Muslims think that Islam should not change.

women who wear the headscarf seem very traditional

Similarly, there are punks who consider that Punk

You grew up as a Catholic boy in Geneva, New York.

to most people, however, before the 20th Century, no

died in 1980; everything that came afterwards is not

Why did you convert to Islam?

one spoke of a compulsory veil. Everything we do can

authentic. So there is this idea of history and traditi-

I started listening to Hip Hop when I was 13. I quickly

only be modern because we interpret things in our

on and a projection onto the past, which is only just

realized that my stepfather was scared shitless of

own subjective way.

that. They create an image of tradition that never

black music, black culture and everything that had to

Your book The Taqwacores is a novel, but many peo-

existed. They believe they go back to 1977, yet they're

do with blacks. I liked that. I wore a necklace with an

ple thought it was a real story. Today a real scene has

just creating their own 1977. This is the same for other

Africa pendant, listened to Public Enemy, Brand Nu-

developed on the basis of the book. How did you first

music genres of course. In Hip-Hop, for example, the-

bian and stuff like that. At 15, I read the biography of

hear of this scene?

re are some people who think real Rap existed only

Malcolm X. It moved me very much at the time, and

When I wrote the book it was pure fantasy for me,

up to the Nineties.

inspired me to convert to Islam. This all began with

but all of a sudden, an Iranian guy from Texas wrote

You are fighting at least two fronts with your beliefs:

wanting to make my stepfather angry, but later it be-

me. He had read the book and could relate to it: the

many conservative Muslims surely have as much a

came more genuine.

book described his life, his reality. So he wrote me

problem with you as a large number of Christians. You

You were just 17-years-old when you went to Pakistan

and asked me to make contact with the people of

probably have at least as many enemies as fans. Do

to study Islam. Was it a conscious decision or more of

the book. I told him, sorry, but there's no such thing

you ever feel threatened?

an act of rebellion?

as Taqwacore. And he said, but I’m Taqwacore. Then

Good that you mention both sides. Many people think

At the time when I converted to Islam and went to Pa-

a Sufi from New York wrote me believing the scene

that I should be afraid of devout Muslims, but they

kistan, I was very sure of my decision. On the other

would develop in the future. We talked about it. He

forget white, racist people. Some of them consider me

hand, who doesn’t doubt that as a teenager you're

grew up in the punk scene, and he thought there were

a traitor to my own race because religion and ethnici-

somewhat mentally deranged. In my opinion, all of

kids out there who were waiting for this book. And

ty are often mixed. They are not so much concerned


44   English Translations

about my converting, but about a type of impersona-

ter is very athletic; especially in a type of sport that

After I was measured Speer wanted to demolish me

tion, namely the identity of a white boy connecting

I thought was for girls from better families: ballet.

at first. Later, however, he planned to let me disap-

with an identity that is usually associated with dark

Wearing a pink tutu and with dedication and her

pear in the boulevard by creating a steep ascent to the

or black people. I don't really feel threatened.

arms arched gracefully over her head, my five-year-

triumphal arch. If you look from the 14-meter high

If someone says you pick what you like from the Ko-

old practices going on point every afternoon. And

observation platform that was built in next to me in

ran, but are not willing to sacrifice anything: What do

when she performs a pirouette for her teacher Oliver

2009, you can imagine what an incredible incline it

you say?

from the Center of Dance, she looks at him with the

would have been.

I would say two things: Firstly, that’s what everyone

same admiration as I once did David Bowie.

I sank further than planned in the first two and a half

does with their religion. Even the most fundamental

Next thing she’ll probably be doing is the tightrope,

years of my existence, to be exact, 19.3 centimeters.

must decide how to interpret scripture. I would have

like the prettily-dressed girls in Pippi Longstocking.

In addition, during the concreting process, I tilted 3.5

to ask: what’s the alternative? The claim that I pick

Just as well that there’s a good address for it in Ber-

centimeters. The triumphal arch planned by Speer

just what’s right for me is based on the assumption

lin: die Etage – a school for the performing and vis-

could only have been built if he first solidified the

that there is only one Islam. This is historically false.

ual arts. Here children from 3 to 13 years can practice

ground. Otherwise I would have competed with the

The second thing I would say to that: selecting and

their first acrobatic jumps.

Leaning Tower of Pisa.

interpreting is not easy. Intellectually, it’s even more

Another place for sports is the Pfefferwerk Sportv-

After World War II they wanted to blow me up. But

difficult than simply doing what’s been decided for

erein (sports club) where in addition to the classic

the plan was rejected out of fear of endangering the

you. From the ethical perspective, it’s a bigger chal-

sports such as volleyball, basketball and soccer, yoga,

surrounding residential areas. I was initially used

lenge because he who has the freedom to decide must

martial arts and Pilates are offered. Even for us par-

by technicians for ground measurements, but in the

take the responsibility for these decisions himself.

ents it’s a place to get back into in shape.

early '80s the scientists moved out and interest in me

Also to be recommended are the children's yoga

waned. There was talk of converting me into a climb-

We Mitte Mums

classes at Jivamutki that take place every Saturday at

ing facility or planting me like a garden. In the end,

(p. 33)

5 pm in the Studio Mitte in Brunnen Strasse. Another

the area around me became overgrown.

An F on a report card for

option is their very practical child care service until

In the meantime, I have been listed as a protected na-

your average student is

6:45 pm, which allows us stressed Mitte Mums to also

tional monument that attests to the megalomania of

the

work out.

the National Socialists. A lot of time and money has

widening experience. Few,

However, should you have a daughter who was as

been put into converting me into the Information

however, can claim to have

sports-lazy as I was: Please be kind to her and occa-

Center Schwerbelastungskörper, which opened in

had four of them, and one

sionally write her an excuse. She’ll be grateful to you

2009. An adjoining pavilion, observation tower and

of those in PE. I can.

for a lifetime.

three columns provide my history. The Berlin Unter-

classical,

horizon-

weltverein tour group takes care of me and they also

I was neither overweight nor did I often skip class. No, I was just plain lazy. As lazy as a fourteen-year-old

Berlin Faces

offer regular tours.

teenager can be. It even went so far that I extended

(p. 39)

My transformation into an information site has

having my period for three weeks; that is until my

The

not been welcomed everywhere. Couldn’t

PE teacher began keeping a mensturation calendar

tungskörper (“Heavy

913,750.00 that the federal government, state and EU

where she meticulously documented the beginning

Load Bearing Body”),

invested in me not have been put to better use for re-

and end of my womanly suffering..

71-years-old, monu-

membering the victims of National Socialism? Or is it

Fortunately, I quickly found a doctor who would

ment

worth the money, as the Berlin Underworld Associa-

write me medical excuses. In particular, one for the

I’ve been here since

tion writes "to understand and discuss the extent to

much-loathed “Federal Youth Games,” which I basi-

1941. Albert Speer

which National Socialism city planning distained the

cally attended just to sit on the bench. Somehow my

had me built by

human and the urban?”

PE teacher managed to lose one of my doctor's ex-

French forced labor-

Pay me a visit and decide for youself!

cuses, and so four weeks of sitting comfortably on the

ers in order to test

bench became twenty-eight days refusing to perform.

the load-bearing capacity of Mark Brandenburg sand.

In other words, an F. But even that didn’t bother me,

A monumental arch of 117 meters and 170 meters

despite my grandma’s scolding, a former physical

wide was supposed to be built right near me. It was

education teacher herself. Fortunately, shortly after-

supposed to be the end of the 120-meter wide and 7

wards, we got a new PE teacher who was willing to

km long boulevard of the new Berlin, the Nazi world

give me a C on every report card if I stopped annoy-

capital, Germania. Fortunately, the inhuman project

ing him with my whining. The matter was solved un-

was never realized. I am the only relic that testifies to

til graduation. And I swore to myself, if I should ever

these megalomaniac building plans.

have a daughter I would always write her an excuse

I am a cylindrical, pressure vessel with a diameter of

for gym class so that she wouldn’t have to come up

21 meters, 14 meters high and 18 meters deep. I am

Schwerbelas-

with stupid excuses like I did.

made of pure concrete and weigh about twelve thou-

But unfortunately I don’t have to because my daugh-

sand tons.

the €


English Translations  45

mongrels spring / summer 2012

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46   Kolumne

Über die Empörung Text Oliver Janik

Illustration Nicole Pieloth

„Was ich noch sagen wollte…“ – Hinweise auf Missstände und andere Belanglosigkeiten. Niemand hat sich wohl mehr über die Occupy-Bewegung gefreut als die Igluzelt- und Isomattenindustrie. Obwohl von der Jahreszeit eher das Ende der Campingsaison, ging hier noch mal richtig was über die Ladentheke von Baumärkten und Outdoor-Spezialisten in Tel Aviv, Madrid oder New York. Grund dafür war öffentliche Empörung, die man diesmal innovativer ausdrücken wollte anstelle von der klassischen Demonstration mit/ohne Ausschreitungen, Sitzblockaden oder Lichterketten. „Idignados, die Empörten“ nannten sich die Beweger oder Bewegten in Spanien, damit auch klar wird, warum sie das eigentlich taten, was sie taten und nicht zuhause schliefen oder grillten. Ich finde ja, dass ständig jemand empört ist. Zeit also, sich endlich mal ernsthaft damit auseinanderzusetzen: In Deutschland sind verschiedene Formen kollektiver Empörung zu beobachten. Zum Beispiel die „saisonale Empörung“, die aufgrund fester Termine und damit Wiedervorlagen von (Boulevard-)Journalisten förmlich in den Kalender gemeißelt ist. Hier sprechen wir – zugegeben – auch von keiner wirklichen Empörung im Wortsinne, kommt eher intuitiv oder wie eine liebgewordene Gewohnheit daher. Und jetzt korreliert „lieb geworden“ naturgemäß eher wenig mit Empörung, klar, ist auch nur so medium-schlimm, aber man stimmt einfach gerne und lustvoll ein in den Kanon oder besser die Suada. Bestes Beispiel: die traditionellen „jetzt-stehen-schondie-Nikolaus-und-Weihnachtsmänner-in-den-Supermärkten“Empörungsmonate September und Oktober oder alternativ die „jetzt-stehen-schon-die-Osterhasen-in-Supermärkten“-Empörungsmonate Januar und Februar (hier allerdings mit Schwankungsbreiten, weil Ostern ja mal früher, mal später im Jahr liegt). Substanzieller Bestandteil der Empörungsforschung: der sogenannte nationale Aufschrei. Der ist deutlich weniger saisonal geprägt, das ist eher etwas Punktuelles. Kommt manchmal ganz plötzlich und unvermittelt, häufiger aber im Zuge wichtiger nationaler Ereignisse wie z.B. Fußball WM, Wetten Dass oder Sinn und Unsinn von Ehrensolden. Gerne auch bei jedweder Schlachtung heiliger Kühe wie die öffentliche Kritik an Instanzen oder Institutionen. Das können hier altgediente Ex-Politiker, Wirtschaftskapitäne oder auch nur Ehrenspielführer sein, wahlweise aber auch Zoo-Eisbären oder die katholische Kirche. Untrügliches und unverwechselbares Kennzeichen des nationalen Aufschreis:

BILD fragt: „Darf man das?“ Oder wenn es ganz arg ist: „Was ist das für ein Land, indem man das darf?“ Nicht zu vergessen die „beleidigteLeberwurst-jetzt-reicht’s-uns-aber-mal“Empörung oder auch „warum-immer-wir?"-Empörung. Das ist eine eher jüngere Erscheinung und gibt es, seitdem man (in Deutschland) öffentlich überhaupt erst wieder „warum immer wir?“ fragen darf, also etwa seit 20 Jahren. (s. Griechenland, Blauhelmeinsätze mit deutscher Beteiligung, etc.) Dann gibt es sie noch die „Neidempörung“ oder auch die „die -da-oben-Selbstbedienungs-Mentalität“-Empörung, folgt meist mit minimaler Latenz auf die Ankündigung von Diätenerhöhungen von Politikern oder die Veröffentlichung von Banker-Boni. Von Erhöhungen der Mineralölsteuer ganz zu schweigen. Last but not least: die moralische Empörung, die meistens auch eine Kollektivempörung, viel häufiger aber eigentlich eine Neidempörung ist, insbesondere bei Lustreisen von Managern, oder wenn Promimann (wahlweise Politiker, Sportler, TV-Moderator) seine Ehefrau mit den Kindern sitzen lässt für ein blutjunges und super-knackiges Unterwäschemodel, die aber ja eigentlich Schauspielerin ist (wirklich!) und früher oder später unweigerlich Schmuckdesignerin sein wird, auch wenn sie möglicherweise bis dato gar nicht weiß, dass dieses Berufsbild auf sie zukommt. Undundund, vermutlich lange nicht abschließend. Riesenthema also das mit der Empörung, für jeden was dabei, und daher kaum verwunderlich, dass der große amerikanische Autor Philipp Roth sogar ein ganzes Buch darüber geschrieben (und es auch gleich mal so genannt) hat. Und darüber schreibt ein Kritiker „(...) mit welcher Wut, welcher Empörung Roth da wieder und vielleicht noch nackter anschreibt, gegen die Welt, die man sich nicht vom Hals halten kann, und einen Gott, der einem dabei nicht hilft(....).“ Rumms. Empörung ist eine Coming-of-Age-Geschichte aus den 50er-Jahren mit dramatischem Ausgang, es geht also nicht um Ostereier, noch weniger um Benzinpreise. Aber bei aller Empörung über die lächerlichen Ausgeburten der Empörung ist es doch das schlimmste, wenn man aufhört sich zu empören. Also: weiter machen.


Stadtplan  47

Legende Kultur/Freizeit

Bars/Cafés/Clubs

Sport

1. Hebbel am Ufer, Hallesches Ufer 32

10. Wintergarten, Potsdamer Straße 8

14. Center of Dance, Schönhauser Allee 36

2. Camera Work, Kantstraße 149

11. Nola's am Weinberg, Veteranenstraße 8

15. Sportverein Pfefferwerk e.V., Paul-Hayse-Straße 29

3. Moviemento, Kottbusser Damm 22

12. Caffè e Cioccolata, Anklamer Straße 41

16. Jivamutki, Brunnenstraße 29

4. Volksbühne, Linienstraße 227

13. Zsa Zsa Burger, Motzstraße 28

17. Die Etage, Ritterstraße 12-14

5. .HBC, Karl-Liebknecht-Staße 9 6. Gedenkstätte Berliner Mauer, Bernauerstaße 119 7. Chamäleon Theater, Rosenthaler Straße 40/41 8. Archiv der Jugendkulturen e.V., Fidicinstraße 3 9. Ort des Schwerbelastungskörpers, General-Pape-Staße



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