Mitteschön Magazin - Ausgabe 14

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Angehört und nachgehorcht  35

Mit ihrem selbstbetitelten Debüt, das 2010 bei dem Berliner Label Sinnbus erschien, knüpfen Hundreds an den Trip-HopSound der 90er Jahre an und entwickeln ihn konsequent weiter. Melancholische Texte und Evas sinnliche Stimme verschmelzen mit Klavier, gebrochenen elektronischen Beats und sphärischen Klängen. Wir haben die eine Hälfte des Zweigespanns, das ursprünglich aus dem Spessart stammt, vor einem Konzert in Berlin getroffen. Im Interview erzählt uns die 30-jährige Sängerin und Songwriterin von ihrem Verhältnis zu ihrem Bruder, warum eine Kapuze auf der Bühne so wichtig für sie ist und was sie am liebsten tun würde, wenn das zweite Album floppen sollte.

Eva, wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein gemeinsames Projekt zu gründen? Wie genau, das kann ich gar nicht mehr sagen. Musik spielte bei uns immer eine Rolle. Wir haben schon zuhause viel Musik gemacht. Philipp spielt Klavier, seitdem er sechs Jahre ist. Er hat mich lange gefragt, ob ich Lust dazu habe. Irgendwann dachte ich mir, ich kann nicht länger warten, da ich mich sonst später ärgere. Das war der ausschlaggebende Punkt, dass es losging. Philipp hatte vorher schon viel allein gemacht, aber ihm fehlte immer etwas. Gibt es auch manchmal Reibereien zwischen dir und Philipp? Ja, klar. Aber das ist nicht so schlimm, wie wenn ich mich mit einem Freund streite. Philipp und ich kennen uns schon so lange. Er ist sechs Jahre älter als ich und sehr früh ausgezogen. In der entscheidenden Phase, wo wir uns die Schädel hätten einschlagen können, war er weg und hat studiert. Ich habe ihn dort immer besucht, er war sehr locker im Umgang mit mir und hat mich sogar mit in den Urlaub genommen. Ich denke, es ist dieses blinde Verständnis zwischen uns, was sehr viel erleichtert und uns ermöglicht, ohne Worte miteinander zu reden. In deinen Texten geht es oft um das Thema Bewegung und Reisen. Bist du selbst auch ein rastloser Mensch, der gerne herumreist, vielleicht auch im emotionalen Sinne? (überlegt) Ja, das stimmt, ich habe eine eigene Welt, die ich viel bereise, viele Orte, an denen ich öfter bin, Orte aus der Vergangenheit. Man könnte sagen, ich bin ein ziemlicher Träumer. Das hilft natürlich, obwohl du mitten drin steckst, einen Abstand zur Welt zu kriegen, um dann aus dieser Distanz heraus etwas zu schreiben. Zum Thema Reisen: Ich bin sehr gerne unterwegs, aber in letzter Zeit war ich so viel auf Tour, dass ich jetzt erst mal genug habe. Das nächste Album wird ein bisschen geerdeter, auch etwas kantiger und nicht so luftig wie das jetzige.

ronischen Remixen von DJs und Cover- bzw. Remixversionen von verschiedenen Künstlern, z.B. Get Well Soon, Bodi Bill und Architecture in Helsinki. Wir haben dadurch einen völlig anderen Blick auf unsere eigenen Songs gewonnen. Du trägst auf der Bühne zu Beginn immer eine Kapuze, die du irgendwann absetzt. Was hat es damit auf sich? Damit kann ich entscheiden, wann ich da bin. Ich komme immer etwas später auf die Bühne. Das ist ein ziemlich krasser Moment, wenn man die ganzen Leute da stehen sieht. Es ist gut, dass man etwas hat, worin man sich hüllen kann. Ich will erst mal nur Stimme sein, ich will, dass die Leute zuerst darauf achten. Ich habe das mit der Kapuze intuitiv angefangen, mittlerweise ist es aber sehr wichtig für mich, eine Art Unsichtbarkeit. So entscheide ich, wann ich bereit bin. Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal auf der Bühne standest? Ich habe mir fast in die Hosen gemacht. So viel rauchen konnte ich gar nicht, wie ich vor lauter Aufregung gerne geraucht hätte (lacht). Im Studium bin ich vor einem Referat fast umgefallen. Aber wenn du etwas machst, was aus dir entstanden ist, dann ist das etwas anderes. Die Aufregung ist immer noch ein bisschen da, aber es wird langsam entspannter. Es war schön, diesen Weg mit mir selbst zu gehen und zu merken, dass ich das kann und die Leute mich auf der Bühne sehen wollen. In euren Songs tauchen häufig Bilder wie Wasser und Hafen auf. Kannst du dir vorstellen, auch woanders zu leben, oder ist und bleibt Hamburg deine Lieblingsstadt? Von den Städten her bleibt es auf jeden Fall Hamburg. Auf der einen Seite gibt es dort Weite und Wasser, auf der anderen Seite Nachtleben, viel Kunst und Musik. Nur ist alles ein bisschen kleiner. Du kannst jeder Zeit heraus und hast deine Ruhe. Das ist toll. Ich glaube allerdings, dass wir irgendwann aufs Land ziehen werden. Philipp kommt bestimmt mit. Ich lebe seit fünf Jahren in der Großstadt und merke so langsam, dass mir das reicht. Du hast früher in der elementaren Musikerziehung gearbeitet. Fehlt dir manchmal die Arbeit mit Kindern? Ja, auf jeden Fall. Das ist auch etwas, was ich irgendwann wieder machen werde. Vielleicht nehme ich ja mal ein Album für Kinder auf. Allerdings bin ich auch kein Mensch, der für eine geregelte 5-Tage-Woche besonders gut geeignet ist. So, wie es momentan ist, ist es schon besser. Vielleicht arbeite ich irgendwann mal ehrenamtlich mit Kindern, wenn unser nächstes Album floppt (lacht). Am 11.11.2011 erscheint das „Hundreds-Variations“-Album.

Arbeitet ihr schon an dem neuen Album? Nee, wir fangen gerade erst an. Wir brauchen sehr viel Ruhe und sind ziemlich langsam. Aber im November erscheint unser Album Hundreds Variations, eine Mischung aus elekt-

Danach geht es für das Duo auf Europa-Tour nach Polen, Kroatien, Italien, Frankreich, Schweden und England.


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