Mitteschön Magazin - Ausgabe 14

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Wie kann sich die Kunst von dieser Beliebigkeit befreien? Indem sie anfängt, sich der ständigen Kontextualisierung zu verweigern, und sich mehr auf sich zurück besinnt, um wieder einen ganz eigenen Weg, losgelöst von irgendwelchen Einordungsversuchen, für sich zu finden. Darum geht es auch in meinem Ausstellungsraum. Die Kontextualisierung von Kunst bedeutet ja nicht nur, dass man die Kunst durch die Erklärbarkeit aus der elitären Ecke holt, sondern auch, dass man eine gewisse Kontrolle auf die Kunst und deren weiteren Verlauf ausüben kann. Ich will damit niemanden an den Pranger stellen, mir geht es lediglich um die Frage, wie man zukünftig interessante Wege in der Kunst beschreiten kann. Schließlich scheinen alle an Autonomie und Identität interessiert zu sein, zumindest reden alle davon. Beide Ideale sind sicher erstrebenswert – schlimmstenfalls naiv – aber definitiv als bürgerliches Faustpfand für eine ökonomisch ausgerichtete Sammlerperspektive unabdinglich. Denn die Arbeit muss in dem Wertschöpfungsprozess sofort erkennbar einem Künstler zugesprochen werden können. Daher stehe ich diesen Begriffen auch skeptisch gegenüber, wenn sie als Qualitätskriterium für Kunst gleich als erstes fallen. Autonomie bezieht sich nicht nur auf die Annahme, dass nur ökonomische Voraussetzungen Freiräume schaffen. Denn zu Geld gehört bekanntlich eine, wenn auch glamouröse, so auch fesselnde Abhängigkeitsstruktur. Doch ich bin ganz zuversichtlich. Es wer-

den trotzdem immer wieder neue Inhalte kommen. Das spiegelt sich allein schon in der gesellschaftlichen Sehnsucht nach weniger Beliebigkeit und dem Ruf nach echter Authentizität wider. Und in meiner Galerie, Salon oder als was auch immer man die Räumlichkeiten bezeichnen will, biete ich Künstlern ein Forum, in dem ein Diskurs entstehen kann, der nicht immer gleich ausformuliert für alle verständlich sein muss.

Du selbst besitzt ja auch einige OriginalComicblätter, unter anderem von Daniel Clowes und dem Fritz-The-Cat-Zeichner Robert Crumb. Was ist so faszinierend an den Originalen? Zum einen das Gefühl, genau jene Zeichnung in der Hand zu halten, die ich aus dem Heft kenne, und natürlich wegen der ungeheuren Lebendigkeit, den virtuosen Details und der Einzigartigkeit der Originale.

Einen authentischen Künstler, gibt es das überhaupt? Ja, zum Beispiel Raymond Pettibon, bei dem Werk und persönliches Leben eine Summe ergeben. Und der sich auch durch seinen Erfolg nicht von seinem Weg hat abbringen lassen.

Ab Ende Oktober wird Heiner Franzen bei heldart ausstellen. Die Ausstellung namens Schichter wird ein Raum mit einem Komplex aus Zeichnungen und Collagen sein. Im Zentrum der Arbeit steht ein manipuliertes Filmstill, das immer aufs Neue weitererzählt wird. Die Arbeit wird mit der Erfindung der Tarnkappe des Karlsruher Institutes für Physik (KIT) kombiniert – in beiden Fällen geht es um das Sichtbarwerden des Unsichtbaren und umgekehrt.

Der Maus-Zeichner und Pulitzerpreisträger Art Spiegelman hat einmal gesagt, dass der Comic besonders authentisch ist, weil er in seiner Ausdrucksform den Gedanken am nächsten kommt... Das stimmt, Comics strahlen eine wahnsinnige Intimität aus. Man fühlt sich dem Erzähler immer viel näher als beim klassischen Story Telling. Das liegt sicher auch daran, dass im Comic die Grenzen zwischen Bild und Text weniger hierarchisch sind und Text und Bildebene gleichberechtigt nebeneinander stehen. Im Umkehrschluss ist das sicherlich auch ein Grund, warum die Comics in Deutschland noch immer so ein stiefmütterliches Dasein führen und erst nach und nach als eigene Kunstform anerkannt werden.

Heiner Franzen „Schichter“ and KIT’s „Magic Hood“ 26. Oktober bis 31. November in den heldart-Räumen. Besichtigung nach telefonischer Vereinbarung. heldart Erkelenzdamm 61 10999 Berlin Tel. 030 – 48 81 60 48 E-Mail: info@heldart.de


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