Mitteschön Magazin - Ausgabe 14

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Ausgabe 14, Oktober 2011

Neues aus Berlin Mitte

art Attack deutsch + English

Kunstrausch Gl端ckstag mit Chicks On Speed Nachgehorcht: Hundreds Mittes Monatsheft!



Editorial  3

Mitte ins herz Langsam aber sicher wird es draußen spürbar frischer und die Blätter wehen einem um die Ohren. Der Berliner Kunstherbst ist gerade vorüber, der kalendarische Herbst hat begonnen. Kunst ist natürlich ganzjährig ein spannendes Thema in Berlin, aber mit seinen herbstlichen Temperaturen, Sprühregen und Windgebläse eignet sich der Oktober bestens, um sich in Sachen Kunst auf dem Laufenden zu halten. Wir stellen euch einige Orte vor, an denen ihr euer Kunstwissen auf den neusten Stand bringen könnt. Dass Berlin als eine attraktive Stadt für Kunstschaffende gilt, ist bekannt. Doch wie wirkt sich eigentlich das eigene Atelier, die Brutstädte der Kunstobjekte, auf die Arbeitsweise der Erschaffer aus? Wir gehen der Frage auf den Grund und stellen euch drei verschiedene Künstler samt ihrer Ateliers vor. Des Weiteren erfahrt ihr, was unser Redakteur Björn erlebt hat, als er einen Tag lang mit Kathi von der Formation Chicks on Speed durch die Gegend gezogen ist. Außerdem haben wir mit dem Kunstsammler Matthias Held über seine Sammelleidenschaft und die Kommerzialisierung von Kunst gesprochen. Und für alle, die mit der Kunstform Musik mehr anfangen können: In dieser Ausgabe stellen wir euch das Geschwisterduo Hundreds vor. Natürlich gibt es wie immer unsere Kolumnen MIMU und Hinweise auf Missstände und andere Belanglosigkeiten und vieles mehr. Viel Spaß! Eure MitteSchön-Redaktion

katharina geiSSler Katharina stammt aus einem historischen Städtchen nahe der Dübener Heide, in welches sich hin und wieder auch mal Berliner Punkbands für Konzertauftritte an einem ehemaligen Brückenkopf verirren. Nach ihrer Studienzeit in Stuttgart mit kurzen Zwischenstopps in Leipzig und Berlin ließ sie sich letzten Sommer endlich in ihrer Lieblingsstadt an der Spree nieder. Für die aktuelle Ausgabe hat sie Eva von der Hamburger Band Hundreds auf den Zahn gefühlt.

stini Mimissonsdotir Als Teil des Electropop/Kunst-Kollektivs Kinky White Hórse und der Performance Art-Gruppe Crystalmafia hat Stini schon zahlreiche Hüften zum Wackeln gebracht. Aber auch hinter der Kamera hat sie sich in ihrer noch jungen Karriere schon ein beachtliches Portfolio erknipst: neben Plattencovern für Billie Ray Martin und Juli Holz, war sie schon für Dior in Paris tätig. Im Oktober wird sie ihre Profession vertiefen und an der UDK ihren Abschluss in Visueller Kommunikation angehen. Für diese Ausgabe haben wir die Autodidaktin losgeschickt, um die Ateliers dreier Künstler mal etwas genauer unter die Lupe, pardon, das Objektiv zu nehmen. www.mimissonsdottir.com

kristina wedel Kristina stammt aus Würzburg und studiert seit zwei Jahren Design in Nürnberg. Nun schnuppert sie für ein halbes Jahr Berliner Luft und unterstützt das Mitteschön Grafik-Team. Außerdem ist sie eine Illustrationsfetischistin. Filmisch und musikalisch ist sie immer hungrig, doch Alejandro Gonzáles Iñarritu kann sie nicht oft genug sehen und Delta Spirit, Erykah Badu oder Efterklang nicht laut genug aufdrehen. Was sie gerade am meisten vermisst, ist ihre Nähmaschine und worauf sie sich momentan am meisten freut, ist Stockholm zum Jahreswechsel. www.kristinawedel.tumblr.com


4   Impressum

Mitteschön no  14

Herausgeber

Toni Kappesz Veröffentlichung

Vollstrudel GmbH Schröderstr. 12 10115 Berlin, Germany Projekt Manager

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) Projekt Manager online

André Uhl (andre@mitteschoen.com) ARTDIREction

Dörte Lange (doerte@mitteschoen.com) Grafikdesign

Kristina Wedel (christina@mitteschoen.com) Redaktion

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) André Uhl (andre@mitteschoen.com) Presse

Pelén Boramir (pelen@mitteschoen.com) Redakteure

Paul Schlosser, Bettina Schuler, Katharina Geißler, Björn Lüdtke, Oliver Janik, André Uhl, Emilie Trice, Pelén Boramir, Anne Kammerzelt, Tina Fraas Fotografen

Tina Linster, Johanna Ruebel, Stini Mimissonsdottir, Chloé Richard ÜBersetzung

Nicholas Tedeschi (nicted@web.de), Jan Winkelmann Anzeigenvermarktung

media@mitteschoen.com WEBSeITE

www.mitteschoen.com Druck

Henke Pressedruck

Coverfoto:

Chicks on Speed im Garten des Künstlerhauses Bethanien, fotografiert von Johanna Ruebel


Inhaltsverzeichnis  5

INHALT / Content Wegweiser 6

Momentmal: Eva &  Adele

8

Konzerte und Ausstellungen Concerts and Exhibitions

10

Mitteschön Lieblingsstücke

30

Kochtipps vom Kochhaus

37

Gimme five: Coffee Table Books

40

Englische Übersetzungen English Translations

45

Mitteschön Online und Verlosung

47

Stadtplan City Map

kieztalk 12

Glückstag mit Kathi von den Chicks on Speed

17

Neu in der Stadt: The Dude

26

interview: Matthias Held, Privatsammler, HeldArt Interview: Matthias Held, Private Collector, Heldart

31

Wir Mitte-Muttis: sind Kreativ mit kindern We Mitte Mums: are creative with kids

38

Berliner Gesichter: Gunnar Gratz, CYM Kunstbedarf Berlin Faces: Gunnar Gratz, CYM Art Supplies

46

Kolumne: Missstände und andere Belanglosigkeiten

Kulturgut 18

Wo Kunst Entsteht: Besuch in drei Berliner ATeliers Where art is created - A visit to three Berlin art galleries

23

Künstlerin des Monats: Bonnie Begusch Artist of the month: Bonnie Begusch

32

Kunsttipps von EyeOut EYEOUT Art Events

34

Angehört und nachgehorcht: Hundreds


Eva & Adele: ... die kennt man doch... Sie tauchen immer

dort auf, wo Kunst zu sehen ist und dürfen deshalb auch in dieser MITTESCHÖN-Ausgabe, die sich ganz der Kunst verschrieben

hat, nicht fehlen. Kennengelernt habe ich das Duo, wo sonst, auf einer Vernissage, fotografiert dann wenig später in ihrem Atelier. Wenn nicht gerade eine Eröffnung beehrt werden muss, wird ge-


malt – somit passen die beiden gleich doppelt in diese Ausgabe. Soviel zum Foto. Bleibt noch, in aller Kürze, zu klären: was genau ist Kunst? – Die wohl präziseste Definition hat Ad Reinhardt pa-

rat: „Kunst ist nicht was nicht Kunst ist. Kunst ist Kunst und alles andere ist alle andere“. evaadele.com Tina Linster fängt für „MitteSchön“ Berlin-Momente ein.


8   Veranstaltungstipps von Tina Fraas, Translations P. 40

Foto: Steve Schapiro Foto: Konzertdirektion GmbH

Jane Birkin Sings Serge Gainsbourg Pop Chansons Eintritt: Ab 32 € 28. Oktober, 20 Uhr

Steve Schapiro Ausstellung Eintritt: Frei 10. September – 19. November Di bis Sa, 11 – 18 Uhr

Foto: Carolina Ubl

Riverside Drive Theaterstück von Woody Allen Eintritt: 14 €, ermäßigt: 9 € Premiere: 28. Oktober, 20 Uhr Weitere Vorstellungen: 29./30. Oktober und 18./19./20. November, 20 Uhr

Serge Gainsbourg hat in diesem Jahr 20. Todestag. Mit seiner ehemaligen Ehefrau und späteren engen Freundin Jane Birkin nahm er 1969 den öffentlich verpönten Hit Je t’aime… moi non plus auf. Es folgte eine künstlerisch sehr erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden mit diversen Alben. Nach dem Tod von Gainsbourg schloss Birkin vorerst mit der Musik ab, entschied sich aber 1998 um und veröffentlicht seitdem wieder eigene Songs, darunter auch Coverversionen von Tom Jones, Neil Young und Kate Bush. 40 Jahre nachdem Birkin und Gainsbourg sich begegneten, wollte sie seine Songs wieder singen, aber völlig neu und offen interpretieren. Als Japan im März von einem Erdbeben erschüttert wurde wollte Birkin sofort helfen. Sie flog nach Tokyo und arbeitete an einem Benefiz-Konzert, um die Opfer des Erdbebens zu unterstützten, mit den Songs von Serge Gainsbourg. Das Konzert war ein großer Erfolg. Bei Via Japan arbeitete Birkin ausschließlich mit japanischen Musikern, was den Songs eine neue, japanische Note verleiht. Mit diesen Musikern ist Birkin jetzt auf Tournee und singt – vielleicht zum letzten Mal – die Songs von Serge Gainsbourg.

Steve Schapiro fotografiert, seitdem er neun Jahre alt ist. Er studierte Fotografie bei dem Fotojournalisten W. Eugene Smith, der seine Arbeit bedeutend und nachhaltig beeinflusste. Seit 1961 arbeitet Schapiro selbst als Fotojournalist. Seine einzigartigen und unverwechselbaren Bilder sind immer wieder in Magazinen, wie der Times, Vanity Fair oder Life zu finden. Schapiro hat das Talent, durch seine Fotografien die Wesenszüge der Menschen einzufangen, wie z. B. Ray Charles’ mitreißende Tanzbewegungen oder die unnahbare Aura eines Andy Warhol. Sein 2007 erschienener Bildband Heroes zeigt ein imposantes fotografisches Who is Who der bewegten 60er Jahre. Stars wie Jacky Kennedy, Samuel L. Beckett, Barbara Streisand und Muhammad Ali standen vor Schapiros Linse. Auch als Set-Fotograf machte er sich einen Namen. Er dokumentierte über 400 Filmsets, darunter Taxi Driver und Der Pate. Ebenso politisch engagiert, begleitete er John F. Kennedy fotografisch im Wahlkampf und fing bewegende Reaktionen nach dem Attentat auf Martin Luther King in Memphis ein. In der von Camera Work präsentierten Ausstellung ist eine Auswahl aus dem Gesamtwerk von Steve Schapiro zu sehen.

Sam (Stephan Kostropetsch) ist Drehbuchautor und lebt in New York. Er steht im Nebel am Hudson River und wartet an diesem einsamen Ort auf seine Freundin Barbara (Teresa Bachmann). Sam hat sich entschieden, es heute zu tun. Der Plan ist, die Beziehung mit Barbara endgültig zu beenden. Doch die kommt erst einmal nicht, stattdessen taucht Fred (Claas Würfel) auf – ein Obdachloser, der in eigener Mission unterwegs ist. Die unerwartete Begegnung endet in schicksalhafter Verwirrung, als Barbara doch noch auftaucht. Und sie ist so gar nicht begeistert von Sams Vorhaben, einen Schlussstrich zu ziehen. Die bizarre Situation nimmt einen unvorhergesehenen Verlauf. Riverside Drive ist ein Stück aus Central Park West: Drei Stücke von Woody Allen. Drei Geschichten über neurotische New Yorker, wie man sie von Allen kennt. Riverside Drive ist eine Kriminal-Komödie über das Leben und die Liebe – und das mit einer großen Portion satirischen Humors. Christine Kostropetsch inszeniert die erste Koproduktion von TANK theater und Sam’s Lorry Company, und wir freuen uns auf einen Theaterabend à la Woody Allen.

Kammermusiksaal Philharmonie

Galerie CAMERA WORK

Theaterforum Kreuzberg

Herbert-von-Karajan-Straße 1

Kantstraße 149

Eisenbahnstraße 21

www.berliner-philharmoniker.de

www.camerawork.de

www.tfk-berlin.de


Veranstaltungstipps von Tina Fraas, Translations P. 40  9

Foto: Marketa Irglova

Markéta Irglová Foto: Mary Rozzi

Feist Independent, Pop Eintritt: 37,75 - 44,65 € 22. Oktober, 19 Uhr Einlass, 20 Uhr Beginn

Folk Rock Pop 27. Oktober, 19 Uhr Einlass, 20 Uhr Beginn Eintritt: VVK 22 €, Abendkasse tba

Fotos: Morr Music ; Haute Areal

GAstspielreisen: Stankowski & Butcher the Bar Folk Pop Eintritt: 12,10 € 30. Oktober, 20 Uhr Einlass, 21 Uhr Beginn

Tempodrom Berlin

Die Eltern von Markéta Irglová meldeten sie bereits als Siebenjährige zum Klavierunterricht an und legten dabei einen wichtigen Grundstein in ihrer musikalischen Entwicklung. Mit neun Jahren lernte Markéta von ihrem Vater Gitarre spielen. Durch ihn machte sie viele Jahre später auch Bekanntschaft mit Glen Hansard, Sänger und Gitarrist von The Frames. In dem Film Once spielten Markéta und Glen nicht nur die Hauptrollen, sondern schrieben auch gleich noch den Soundtrack. Mit dem Song Falling Slowly erhielten sie 2008 einen Oscar in der Kategorie Bester Song. Markéta und Glen taten sich zusammen und veröffentlichten als The Swell Season bereits zwei Studio-Alben. Die letzte Veröffentlichung erschien 2009 mit dem Titel Strict Joy. Jetzt widmet sich Markéta Irglová ihrer Solokarriere und kommt nach Deutschland auf Tour. Im Gepäck hat sie ihre eigenen Songs sowie die Musiker, die schon bei The Swell Season mit dabei waren, wie die Percussionistin Aida Shanhghasemi und den Gitarristen Rob Bochnik. Am 11. Oktober erscheint Markéta Irglovás neues Album Anar. Auf dem Cover ist ein Granatapfel, ein Gemälde des iranischen Künstlers Nahid Hagigat. Anar ist persisch und heißt Granatapfel. Wir sind gespannt!

Möckernstr. 10

Babylon Berlin

HBC Berlin

www.tempodrom.de

Rosa-Luxemburg-Straße 30

Karl-Liebknecht-Straße 9

www.babylonberlin.de

www.hbc-berlin.de

Als die Kanadierin Leslie Feist mit ihrem Album Let it die im Jahr 2004 debütierte, eroberte sie Fans und Kritiker im Sturm. Mittlerweile nennt sich Leslie Feist nur noch Feist und reiht Erfolg an Erfolg. Neben ihrer Solokarriere arbeitete Feist unter anderem mit Peaches, Kings of Convenience und James Blake zusammen. Ihr 2007 erschienenes Album The Reminder wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Juno Award für das beste Album. Jetzt kommt Feist mit einem neuen Album zurück, das am 30. September erscheint und Metals heißt. Das Album ließ immerhin vier Jahre auf sich warten, und die Spannung ist groß. Aufgenommen und produziert wurde Metals in Big Sur, Kalifornien. Chilly Gonzales und Mocky haben am Album mitgebastelt. Produziert wurde Metals von dem Isländer Valgeir Sigurðsson, der schon mit Björk und Mum zusammengearbeitet hat. Live ist Feist immer ein Erlebnis, und ihr bisher einziges Konzert in Deutschland ist mit Sicherheit einen Besuch wert.

Butcher the Bar ist der Künstlername von Joel Nicholson aus Rotherham, England. Bekannt wurde der Brite durch seine akustischen Bühnenshows mit Gitarre und Instrumenten vom Flohmarkt. Butcher the Bar hat gerade ein Album namens For Each A Future Tethered via Morr Music veröffentlicht. Auf dem neuen Album werden auch Instrumente wie Klarinette, Klavier und Trompete verwendet, die wundervoll mit Joels Stimme harmonieren. Johannes Stankowski, der mit Werle und Stankowski großen Erfolg feierte, stammt aus Köln und verbindet in seiner Musik Gitarre und Stimme mit elektronischen Klängen. Da Stankowski jetzt ohne Werle tourt, hat er als Verstärkung seine eigene Band, bestehend aus Benedikt Filleböck (Wolke), Philipp Janzen (Von Spar) und Volker Zander (Calexico), dabei. Stankowski hat auch gerade seine ersten Solo-Platte Torres Vol.1 (via Haute Areal) veröffentlicht. Jetzt touren Gastspielreisen mit Stankowski & Butcher the Bar zusammen durch Deutschland, und diese Show verspricht, ein unvergesslicher Konzertabend zu werden.


10   Lieblingsstücke

Mitteschön Lieblingsstücke Texte Paul Schlosser

Der Himmel auf Erden Ist: jetzt im zweiten O. G. Kann: Fashion Victim-Herzen höher schlagen lassen. Leute, es lohnt sich wieder, Ellenbogenhiebe, Knietritte und durch Regenschirmspitzen ausgestochene Augen auf den überfüllten, hektischen Gehsteigen des sonst gerne mal bis zum Weihnachtsgeschäft gemiedenen Kudamms in Kauf zu nehmen! Ausgerechnet Peek & Cloppenburg, von denen ich immer annahm, dass sich ihr Sortiment zumindest für die Herren der Schöpfung hauptsächlich auf plakative T-Shirts mit lustigen Sprüchen, Cartoons oder Tattoomotiven beschränkt, haben im März diesen Jahres mit P&C Fashionation ein Store in Store-Konzept gestartet, das im Westen der Stadt seines Gleichen sucht. Dieser Department-Store ähnliche Bereich hebt sich von den eher klassischen und jugendlich-sportlichen Marken ab, aufzufinden sind größere und trendgebendere Streetwear Labels wie Acne, Comme Des Garcons, Raf Simons, Givenchy, Helmut Lang, Moschinos’ Cheap & Chic und viele mehr, die sonst selbst in Berlin nicht so ohne weiteres überall zu haben sind. Eine durchaus gelungene Labelzusammenstellung also, die für jedes Budget etwas bietet. Peek & Cloppenburg, Tauentzienstraße 19, 10789 Berlin

käufliches glück Ist: ein Florenti-Nut mit Gute-Laune-Garantie Kann: dir eine rosige Zukunft prophezeien Kostet: jeweils 3,80 Euro Beim Besuch im Chinarestaurant darf er nicht fehlen – der knusprige Glückskeks mit seinen inhaltsschweren Sinnsprüchen. Über dessen Entstehung gibt es unzählige unterschiedliche Berichte: Einer Legende zufolge soll sich vor vielen Jahrhunderten in China ein Liebespaar mit eingebackenen Nachrichten heimlich verständigt haben. Angeblich spielten eingebackene Botschaften für die Chinesen schon während der Besetzung durch die Mongolen eine Rolle. Die jüngere Geschichte berichtet wiederum von einem japanischen Einwanderer in San Francisco, der 1909 begonnen haben soll, in seinem Teegarten Glückskekse zum Tee zu reichen. Inzwischen haben sich die Zeiten längst geändert, und man braucht nicht mehr erst einen interkontinentalen Flug anzutreten, um auch hierzulande in den Genuss des traditionsträchtigen Gebäcks zu kommen. Annette Fahrtmann macht nun gängigen Fortune Cookies mit ihren in Berlin handgemachten Coachingkeksen ernsthafte Konkurrenz. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Berlinerin kann selbst auf jahrelange Coachingerfahrung zurückblicken und hat für ihre Variante des Glückskekses Mürbeteig gegen Gourmetzungen freundliche Mandelflorentiner eingetauscht. www.haeppi-berlin.de


Lieblingsstücke  11

Spice up your life Ist: ein „Conversation-Piece“ aus dem Big Apple Kann: so schön mitschwingen beim Tanzen Kostet: 155 Euro Der Neunziger-Trend ist auch in diesem Jahr ungebrochen. Noch vor wenigen Monaten fand ich mich beim Durchstöbern einiger Blogartikel zum Thema Fransen an Kleidung, insbesondere bauchfreien Shirts, hinter vorgehaltener Hand einsam lachend vor dem Bildschirm wieder. Schwedische Bloggerinnen scheinen diesen fragwürdigen Trend wieder mal als erste für sich entdeckt zu haben und fördern ihre Nabel hinter tentakelartigen Stoffstreifen zutage, die, mit bunten Perlen verziert, aussehen, als wären sie dem geheimen Dachbodenversteck von Geri „Ginger Spice“ Halliwell stibitzt worden. Dass es auch anders geht, beweist Modedesignerin Isabel Kibler mit ihrer aktuellen Herbst/Winter-Schmuckkollektion. Hier hängen die bunten Zotteln nicht an Shirts, sondern üppig gewickelt und geknotet an filigranen Chokern, engen, metallischen Halsreifen, die in der Modewelt aktuell nicht wegzudenken sind. Ein Statement-Schmuck, der, richtig eingesetzt zu cleanen Looks in schwarz, garantiert für viele neidische Blicke sorgen wird. www.isabelkibler.com

Edler Stauraum! Ist: das Topmodel unter den Laptoptaschen Kann: stilvoll vor Gebrauchsspuren schützen Kostet: ca. 326 Euro Es ist ja eine Tatsache, dass inzwischen ungefähr jeder einen Laptop besitzt. Die Frage ist nur, warum gibt es dann so wenige, wirklich schöne Laptoptaschen? Damit das nicht so bleibt, haben Want Les Essentiels De La Vie dieses todschicke Computer-Portfolio entworfen. In diesem edlen Begleiter haben aber nicht nur dein Laptop, sondern auch all die anderen Dinge, die sonst achtlos in deiner Jute verschwinden würden, wie Smartphone, Kuli, Headphones und sonstige Zettelwirtschaft, Platz. Für so viel Luxus lässt sich der kanadische Garant für stilsichere, handgemachte Lederaccessoires allerdings auch nicht zu knapp entlohnen. Der zweite Haken? Ihr müsst erst euren Laptop ausmessen, um herauszufinden, ob er überhaupt reinpasst – dummerweise sind nämlich nur cmMaße angegeben. Falls euch das zeitlose Design aber zusagt, nichts wie ran an Mac und Maßband und gleich bestellen! www.wantessentials.com

Harlem’s finest Ist: einer von den Guten Kann: pur schmecken, aber auch als Cappuccino oder Caffè Latte Kostet: ab 21 Euro für 1kg feinsten Badass-Coffee Nein, dieser Femme fatale macht so schnell keiner etwas vor. Wiegenden Schrittes bewegt sie sich durch Harlem, als einsame Kämpferin, die jeden kennt, mit ihrem freizügigen Outfit und der geladenen Knalle. Eine Emanze, die weiß, wie man die Männer scharenweise um den Verstand bringt – jeden Kerl wegpustet, der ihr krumm kommt, die ein Herz hat für die Schwachen und die Hilflosen – eine stolze Kämpferin für das Gute, die das Halblegale nicht scheut. Keine ist wie sie, denn sie ist immerhin Foxy Brown. Der Racheengel ist nicht nur die Hauptfigur aus dem gleichnamigen Film von 1974, er ist ein Statement. Diese Foxy Brown, die unkorrumpierbare Privatdetektivin, ist anders als die Charaktere, die Hollywood vorher zu bieten hatte, und genau diese Frau prangt nun auf der Verpackung des Harlem Black Coffees. Warum ich euch das alles erzähle? Weil, wie schon seine Grande Dame auf dem Etikett, auch dieser kultige Organic-Espressogenuss mit seiner herrlichen Crema und dem vollmundigem Geschmack andere EspressoBlends mit Leichtigkeit in die Knie zu zwingen weiß. Harlem ist und bleibt eben Harlem. WORD! www.harlem-coffee.com


Kathi von den Chicks on Speed im Prinzessinnengarten


Glückstag  13

cultural glückstag now! Text Björn Lüdtke  Fotos Johanna Ruebel

Wer einmal gesehen hat, wie Kathi Glas aus einem Fetzen Tüll und wenigen gekonnten Handgriffen einen Hut mit Schleier bastelt, der weiß, warum sie von den „Chicks on Speed“ als Stylistin und Designerin angeheuert wurde. Es ist Donnerstag, der 15. September 2011, 19.30 Uhr. Wir befinden uns im Kunstraum des „Künstlerhaus Bethanien“ in Kreuzberg. In dreißig Minuten soll eine Performance der Chicks im Rahmen ihrer Werkschau „Cultural Workship Now!“ stattfinden. Kathi hat noch bis zum Abend vor der ersten Performance Kostüme genäht. „Für die Chicks zu arbeiten, heißt auch, spontan sein zu können. Was aber auch gut ist, dann kommen einem oft die besten Ideen.“ Wie soeben.


14   Glückstag

Barcomi´s Deli

Doch zurück auf Anfang. Für unseren heutigen Glückstag treffen wir Kathi im Barcomi’s Deli in den Sophie-Gips-Höfen. „Seit ein paar Monaten geht mein Sohn hier um die Ecke in die Kita. In der Eingewöhnungsphase habe ich hier immer meinen Kaffee getrunken, während ich auf ihn gewartet habe.“ Kathi macht seit 2001 die Kostüme für die Chicks on Speed, seit 2006 performt sie auch auf der Bühne und ist fester Bestandteil des Ensembles. Wenn man das überhaupt so nennen kann – der Kern der Chicks besteht aus Melissa Logan und Alex Murray-Leslie, darum gruppiert sich eine wabernde Masse aus Chicks, die je nach Bedarf und Zeit mit auf der Bühne stehen. Heute Abend im Künstlerhaus Bethanien werden es fünf sein, Kathi ist aber erst morgen dran. Ob sie noch Lampenfieber hat? „Heute noch nicht. Aber morgen, vor der Performance bestimmt. Da hat man schon Respekt.“ Bekannt wurden die Chicks um die Jahrtausendwende durch ihre Musik. Kathi lernte Alex kennen, als gerade Kaltes Klares Wasser im Radio hoch und runter gespielt wurde, in einer Bar in der Torstraße, die Dirt hieß, ein Laden, der komplett weiß war und mit der Zeit immer dreckiger wurde. „Ich fand den Track total super und hab Alex gleich zu meiner Diplom-Modenschau an der ‚Esmod‘ eingeladen. Sie kam prompt, und daraufhin haben wir zusammengearbeitet. Wir haben damit angefangen, alte Sweatshirts zu bedrucken, und haben dann daraus Mützen, Schals und so gemacht. Auf

Petite Boutique

Alex’ Dachboden in der Torstraße, da war’s total kalt.“ Wer unsere Rubrik Glückstag kennt, der weiß, dass wir uns mit Menschen, die das Gesicht von Berlin mitprägen, durch sie Stadt treiben lassen, um Neues zu finden oder Bekanntes wieder zu entdecken. Die Kaffeerösterei Barcomi’s, in der wir unseren Tag beginnen, ist inzwischen zur Institution geworden. Kathis Affinität zu Klamotten liegt auf der Hand, und so starten wir eine ausgedehnte Shoppingtour durch Mitte. Wir brechen Richtung Auguststraße auf und kehren in der Petite Boutique ein. Der Kinderladen gehört Ines, einer Freundin von Kathi. Die beiden freuen sich über das Wiedersehen, und Kathi entdeckt ein weiß-blaues Ringel-T-Shirt für ihren Sohn. Nebenan besuchen wir Maike vom Stricklabel Maiami. Sie hat ihr Atelier im Hinterraum der Schmuckgalerie Oona und packt gerade eine Lieferung für einen Kunden in Japan. Das kleine Atelier quillt über von Handgestricktem. Nicht nur Pullis werden hier gestrickt, sondern auch Lampenschirme oder Manschetten für Vasen. In der Schmuckgalerie entdecken wir ein Stück, das die Schmuckkünstlerin Lisa Walker in Zusammenarbeit mit den Chicks on Speed gefertigt hat. An dem Versuch, das Werk der Chicks zu beschreiben, scheitern Journalisten immer wieder. Musik? Kunst? Fashion? Irgendwie alles, „wie es gerade kommt.“ In

Petite Boutique

der Art stand dann auch Kathi irgendwann mit auf der Bühne. „Das hätte ich nie gedacht, ich kann nämlich eigentlich gar nicht singen. Aber es stand eine Tour durch Japan und Australien an und Kiki (Moorse, Anm. der Red.), die damals noch dabei war, konnte nicht. Ich wurde gefragt, habe eine Nacht drüber geschlafen und gedacht, hey, Australien! Daraufhin habe ich gleich angefangen Texte zu lernen.“ Ihr erster Auftritt fand in der Kulturbrauerei statt, vor 20 Leuten. „Das war lustig. Ich kannte fast alle, die im Publikum waren.“ Das änderte sich schlagartig, als sie dann bei der Tour auf der Bühne stand. In Japan sind die Chicks Stars. „In Tokyo haben die Fans meine Bewegungen nachgemacht.“ Wir schlendern zur Torstraße, Ziel Happy Shop. Der Laden gehört Mischa Woeste, mit der Kathi an der Modeschule Esmod ihren Abschluss gemacht hat. In der Petite Boutique hat Kathi noch einen kleinen bunten Verbandskasten mit Heftpflastern gekauft, den sie ihrem Patenkind, Mischas Tochter, gleich vorbeibringen will. Der Happy Shop sticht aus dem Straßenbild der Torstraße heraus. In dem einzigen flachen Gebäude zwischen hohen Häusern findet sich eine äußerst besondere und exklusive Mischung an Mode, wie sie in Berlin für Frauen einzigartig ist: Maison Kitsuné, Toga, Bernhard Willhelm. Das scheint auch Sarah Jessica Parker zu gefallen, die kürzlich hier eingekauft hat. Zweimal sogar. Einmal mit Entourage – auf der Torstraße kam’s zum Stau – und einmal inkognito, am Tag danach.


Glückstag  15

Maiami

Kathi im Maiami

Trödelagentur

Le Coup

Motto

Happy Shop

Bixels

Maiami

Happy Shop

Prinzessinnengarten


16   Glückstag

Performance im Künstlerhaus Bethanien

Wir haben Hunger und marschieren zum Bixels in der Mulackstraße, wo Kartoffeln in einem alten gusseisernen Ofen gebacken werden. Früher war hier der Bless-Shop. Ob Kathi dem „alten“ Mitte, wie sie es vor zehn Jahren kennen gelernt hat, nachtrauert? „Eine Stadt verändert sich, und ich freue mich, da teilhaben zu dürfen.“ Sie ruft Alex an, die im Künstlerhaus Bethanien die Performance für heute Abend vorbereitet. Wir wollen mit allen aktuellen Chicks vor Ort noch ein paar Fotos schießen und brauchen dafür Tageslicht. Weil die Sonnenstunden im September schon wieder weniger werden, machen wir uns auf den Weg. Als wir das Bixels verlassen, kriegen wir jedoch noch einen Tipp: Ein neuer Schuhladen soll in der Steinstraße aufgemacht haben. Schuhe? Nix wie hin! Le Coup heißt der Laden von Conny Stachowiak. Hier gibt’s Labels wie Minimarket oder Osborn. Auch die neue Schuhkollektion von Designer Vladimir Karaleev, mit dem Kathi früher zusammen im Apartment gearbeitet hat und von dem sie heute ein Kleid aus zusammengenähten T-Shirts trägt. Mit der U8 geht’s von der Weinmeisterstraße zum Moritzplatz. Wir machen einen kurzen Abstecher in den Prinzessinnengarten, einer von Kathis Lieblingsorten. 2009 haben hier Naturliebhaber die Brachfläche entrümpelt und angefangen, sie mit Bio-Gemüse zu bebauen. Die Beete sind mobil. Vielleicht muss man nämlich umziehen, die Fläche darf immer nur für ein Jahr genutzt werden. Der Garten wird

nicht gefördert, sondern lebt allein vom Engagement der Gärtner, Spenden und dem, was verkauft wird. Ernten darf jeder selber.

Barcomi's Deli Sophie-Gips-Höfe, 2. Hof Sophienstraße 21 www.barcomis.de

Im Künstlerhaus Bethanien laufen die Vorbereitungen für die Performance. Das Gerüst mit den Scheinwerfern wird ständig auf- und abgefahren, der Beleuchter will die Spots symmetrisch haben: „Das muss perfekt sein.“ Daraufhin Kathi, leicht ironisch: „Du hast aber schon mal eine Chicks-Performance gesehen...?“ The Naked Performers go Bollywood ist der Titel des Abends, die für die Filme aus Indien typische Musik ist schon zu hören. Nachdem wir das Mitteschön-Cover im Kasten haben, machen sich die Performerinnen startklar, wollen wissen, ob ihre Outfits so in Ordnung gehen. Kathi legt letzte Hand an, hier und da wird noch ein Accessoire ergänzt – ein Hut aus Tüll gefällig?

Petite Boutique Auguststraße 58 Maiami Auguststrasse 26 Maiami.de Happy Shop Torstraße 67 www.happyshop-berlin.com Bixels Finest Baked Potatoes Mulackstraße 38 www.danielbixel.com Prinzessinnengarten am Moritzplatz www.prinzessinnengarten.net


Neu in der Stadt  17

the dude Text Björn Lüdtke  Fotos Emil Zander

Viel geschäftlich unterwegs zu sein bedeutet auch, viel in Hotels übernachten zu müssen. Was sich oft glamourös anhört – Paris, London, Berlin – kann schnell zum Alptraum werden, wenn man in unpersönlichen und – noch schlimmer! – in hässlichen Hotels übernachten muss. Was heute allerdings post-, prä- und in der Krise im Reisekostenbudget liegt, ist oft nicht sehr heimelig und geschmackvoll. Dagegen geht Alexander Schmidt-Vogel vor und eröffnet am 1. September 2011 das Hotel The Dude. Der ehemalige Manager verschiedener Mediaagenturen ist 62 Jahre. In einem Alter, in dem die meisten von uns an die Rente denken, eröffnet er sein Vier-SterneHotel in der Köpenicker Straße. In seinem früheren Job ist er selbst viel gereist und weiß, an was es den meisten Hotels fehlt: Persönlichkeit und Wärme in Design und Service, das Gegenteil von Uniformität in der Ausstattung und Klasse in Frühstück, Restauration und Zimmerservice. Und persönlich geht es hier zu, oder in welchem anderen Hotel wird die Geschäftsführerin Moneypenny gerufen? „Als ich einmal etwas unwirsch zu ihr war, sagte sie mir, ich sei ja auch nicht James Bond. Seitdem heisst Sie so“, erzählt uns The Dude. Ganz so wie man in den RitzCarlton-Hotels den Mitarbeitern beibringt „We are ladies and gentlemen who serve ladies and gentlemen“, erwartet man im The

Dude „Character and Attitude“ von Gästen wie auch Mitarbeitern. Nicht alle kommen aus der Hotellerie, an der Rezeption beispielsweise arbeitet ein italienischer Romanautor: „Unsere Mitarbeiter sind sprühende Charaktere, zugleich bestens ausgebildet, aber eben keine Roboter, wie ich sie so oft selbst auf Reisen erlebt habe.“ Die Zahl der geschmackvollen Hotels in Berlin kann man an einer Hand abzählen. The Dude befindet sich in einem 1822 im Stil des Klassizismus errichteten Herrenhaus, dessen Charakter bei der Renovierung gewahrt wurde. Die Gestaltung ist zeitgemäß, aber nicht „trendy oder stylish“ – und dürfte so einige Zeit überdauern. Überdauern wird hoffentlich auch das Preiskonzept, denn Schmidt-Vogel besteht auf Festpreisen – und das übers ganze Jahr: „Schnäppchenjäger sind nicht unsere Zielgruppe, und der zu beobachtende Preisverfall macht die Hotelbranche kaputt, wie schon so viele andere Branchen.“ Abgezockt wird hier keiner. Beim Frühstück wird nur das berechnet, was auch verzehrt wurde, Telefon und die Drinks aus der Minbar sind genauso teuer wie außerhalb des Hotels. Stornierungen sind bis 18 Uhr vor dem Tag der Anreise möglich. So macht reisen Spaß.

The Dude Köpenicker Straße 92 10179 Berlin Mitte Das Haus hat 27 Zimmer. Eine Übernachtung im Einzelzimmer kostet ab 160 Euro, für ein Junior Doppelzimmer werden 200 Euro pro Nacht berechnet, für die Suite 320 Euro. Buchungen unter +49 30 – 41 19 88 17 7 oder booking@thedudeberlin.com


18   Kulturgut

Wo Kunst entsteht Besuch in drei Berliner Ateliers Text André Uhl  Fotos Stini Mimissonsdottir  Translation P. 42

Jede Erfahrung eines Kunstwerks ist abhängig von „dessen Ambiente, seinem Stellenwert, seinem Ort im wörtlichen und übertragenen Sinn“, stellt Adorno in seiner Ästhetischen Theorie fest. Recht hat er! Eine vom Raum losgelöste Kunst ist kaum vorstellbar. Er ist der Bezugsrahmen, in dem der Betrachter das Werk wahrnimmt. Kunstwerke im öffentlichen Raum bilden eine Referenz zum Ort, an dem sie sich befinden. Die Wahrnehmung von Ausstellungsobjekten wiederum hängt maßgeblich von den Galerieräumen, den vorhandenen Lichtverhältnissen, dem Ort der Präsentation im Raum sowie den anderen Objekten ab. Doch wie sieht es mit dem Ort aus, an dem Kunstwerke entstehen? Wie groß ist der Einfluss des Raums auf den Kunstschaffenden, auf den kreativen Prozess und somit auf das Objekt selbst? Wir haben drei Berliner Künstler an ihrem Arbeitsplatz besucht, um zu erfahren, was ihr Atelier für sie bedeutet...


Kulturgut  19

Gregor Hildebrandt Das Atelier von Gregor Hildebrandt befindet sich im vierten Stock eines Industriedenkmals von 1928. Die von Bruno Buch erbaute ehemalige Brauerei trägt mit ihren kubischen Formen deutliche Züge der Bauhausarchitektur. Wollte man sich ein typisches Gebäude für ein Berliner Künstleratelier vorstellen, würde es womöglich genau so aussehen. 2006 ist er hier eingezogen und teilt sich seitdem die Räume mit dem Künstler Axel Geis. Seine Werke haben bisweilen recht ausladende Dimensionen, eine seiner aktuellen Arbeiten misst eine Höhe von fünf Metern. Dafür ist sein Atelier eigentlich zu klein, weshalb er sich eine zusätzliche Halle in Weißensee mit einer respektablen Deckenhöhe von sieben Metern achtzig angemietet hat. Das Studio ist also nicht perfekt, dennoch fühlt er sich sehr wohl hier in der Prinzenallee. Der Hauptraum ist schlauchartig und hell. Die lange, durchgezogene Wand bietet eine ideale Arbeits- und Präsentationsfläche. Auch für gemeinsame Essen an einer langen Tafel eignet sich der Raum wunderbar, wie Gregor zufrieden anmerkt. Wenn er Fotos von seinen Arbeiten machen

möchte, geht er einfach nach nebenan zu Axel, dessen Raum so weit abgedunkelt werden kann, dass nur noch künstliches Licht ihn erhellt. Ein weiterer Vorteil ist die Lage: gerade mal zehn Minuten braucht er mit der Bahn oder dem Fahrrad von seiner Wohnung am Rosenthaler Platz hierher. Viele seiner Werke konzipiert Hildebrandt bereits vor dem Hintergrund bestimmter Galerieräume. „Andererseits“, sagt er, „habe ich auch schon ein Fenster meines Ateliers auf eine Leinwand übertragen. Ich hole mir meine Inspiration dort, wo ich lebe und arbeite. Die Ideen können auch durch Gegenstände bei mir zu Hause entstehen.“ Oder auf seinen täglichen Wegen, wie durch das Bodenornament in der Station Gesundbrunnen, das er in der Größe eins zu eins mit einer Höhe von 3,64 Metern mit Kassettentape auf Leinwand übertragen hat. Natürlich haben sich dabei wieder die Grenzen seines Ateliers bemerkbar gemacht, doch auch dafür gab es eine Lösung: Jedes der vier Teile konnte genau zwischen den Säulen des Raumes angefertigt werden, vor Ort wurden die Stücke dann wieder zusammengesetzt. www.gregorhildebrandt.com


20   Kulturgut

Mira O’Brien Im Kreuzberger Wrangelkiez befindet sich das Atelier der amerikanischen Künstlerin Mira O’Brien. Es liegt in einem kleinen modernen Gebäude, das wirkt, „...als sei es direkt in einem überwucherten Garten gelandet“, so Mira. Mit seinen großen Fenstern und dem üppigen Weinbewuchs entlang den Mauern bildet es einen deutlichen Kontrast zur Kreuzberger Umgebung. Seit zwei Jahren arbeitet die Künstlerin in dem Haus, das sich im Besitz einer Kita befindet. Mira nutzt für ihre Arbeiten viel Glas und Papier, Wasserfarben und Tinte. Immer genügend Tageslicht in ihrem Arbeitsraum, vor allem im Winter, das ist für sie besonders wichtig. Außerdem muss sie sich wohl fühlen, die Atmosphäre muss stimmen. Beide Wünsche erfüllt das Haus in der Wrangelstraße.Einer von Miras thematischen Schwerpunkten ist die Überschneidung von Natur und Architektur, für die sie nach Gemeinsamkeiten zwischen künstlich geschaffenen und organischen Strukturen sucht. Insofern ist das Atelier hervorragend geeignet, um ihre Inspiration zu fördern, und beeinflusst auch ihre Arbeitsergebnisse ganz un-

mittelbar: „Ich habe wirklich Glück, in einem Atelier mit so vielen passenden Eigenschaften arbeiten zu können. Viele meiner Zeichnungen bilden konkrete Teile der Architektur dieses Gebäudes ab.“ Mira begreift ihr Studio also ebenso als Arbeitsplatz wie als Inspirationsquelle – und darüber hinaus auch als Labor, wo sie neue Techniken ausprobiert, die Eigenschaften der von ihr verwendeten Materialien erforscht. Manchmal arbeitet die Yale-Absolventin an Installationen abseits ihres Ateliers. An Orten, die zeitweise zu ihrem Studio werden. Wie zum Beispiel bei der Installation When Breaking a Current an der Volksbühne, wo sie ein Studio nutzen konnte, welches einen direkten Zugang zum Theaterbalkon hat. Diese besondere Beobachterposition hat ihre dortige Arbeit entscheidend geprägt. Aktuell arbeitet Mira ein Proposal für ein Projekt in Istanbul aus, das sie gerne realisieren möchte. Doch viele Details muss sie dabei noch offen lassen – diese werden nämlich bestimmt durch die Parameter des Raums, den sie nutzen wird. www.miraobrien.com


Kulturgut  21

fort Ebenfalls im Wrangelkiez befindet sich das Atelier von FORT, ein Dreierkollektiv, bestehend aus den Künstlerinnen Anna Jandt, Jenny Kropp und Alberta Niemann. Die Gruppe war bereits mit ihrer Installation The Eye Balled Walls auf der diesjährigen LISTE in Basel vertreten und dürfte wohl zukünftig noch für einige Aufmerksamkeit sorgen. Dieses Atelier gefunden zu haben bezeichnen die jungen Frauen als Glücksfall. Es ist günstig, erfüllt ihre ästhetischen Ansprüche und liegt in der Nähe zu den Wohnungen der drei. Da viele ihrer Ideen aus ihrer unmittelbaren Umgebung heraus entstehen, war ihnen der letzte Punkt bei der Suche besonders wichtig. FORT arbeitet überwiegend mit Alltagsgegenständen, die sie zum Teil verfremden oder extra anfertigen lassen. Viele ihrer Installationen sind Settings, die wie reale Räume wirken, sich beim näheren Hinsehen aber als unwirklich entpuppen. Diese raumbezogene Arbeit verlangt viel Platz – auch Lagerplatz, um Werke wie etwa das fünfstöckige Hochbett aus Hotel Marienbad oder 30 Fabriktische aus der Installation Fort Hatchery Works aufzube-

wahren. Licht ist für ihren Arbeitsprozess eigentlich nicht besonders wichtig, doch, dass ihr Studio an der Südseite liegt, gefällt ihnen schon. „Das Wichtigste ist aber, dass das Atelier einen gewissen Charme hat und wir uns gerne darin aufhalten, da unsere Arbeiten zunächst einmal im Kopf und über Gedankenaustausch entstehen“, so die Künstlergruppe. Ihre künstlerische Arbeit bezieht sich immer stark auf den Raum, in dem sie stattfindet, also auf den Ort der Ausstellung. „Dieser Raum ist oft der Motor für den kreativen Prozess. Das Atelier spielt in diesem Zusammenhang eher eine untergeordnete Rolle. Meist arbeiten wir für unsere Ausstellungen vor Ort, so haben wir beispielsweise letzten Winter drei Monate im Heizkraftwerk Neukölln verbracht und dort unsere Arbeit installiert. Unser Atelier war in dieser Zeit verwaist, aber es war schön, danach wieder an einen festen Ort zurückkehren zu können.“ Dennoch vertreten sie die Auffassung, dass verschiedene Ateliers zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können: „Schon ein anderer Ausblick kann einen neuen Anstoß geben“. www.fortcollective.com



Kulturgut  23

Künstlerin des monats: Bonnie Begusch Translation Page 43

Die in Berlin lebende Künstlerin Bonnie Begusch arbeitet mit einer Vielzahl von Medien und rekurriert dabei vor allem auf die Geschichte der Abstraktion, der konkreten Poesie und des strukturalistischen Films, um die miteinander verflochtenen Beziehungen zwischen Zeichen, Werkzeug und Wahrnehmung zu reflektieren. Ihre Video-Projektionen, Fotografien und Installationen rücken den Akt des Sehens und des Lesens ins Zentrum und unterstreichen so die vielfältige Ambiguität der Wahrnehmung innerhalb unserer vertrauten Bezugssysteme. Indem sie sich solcher Materialien wie Satzzeichen, standardisierter Papierformate oder digitaler Platzhalter als Ausgangspunkt ihrer Arbeiten bedient, untersucht sie die Art und Weise, wie wir durch vorgeschriebene Parameter und Codes navigieren, um Sinn zu generieren oder Unsinn zu bejahen. Für Mitteschön zeigt Bonnie ein Foto aus der Serie In The Flat Field. Irgendwo zwischen der Sprache formaler Abstraktion und elementarer Übung in visueller Komposition situiert, erinnern die fragmentartigen Farbflächen an Teststreifen, wie sie in der traditionellen Dunkelkammer verwendet werden. Übereinander geschichtet beginnen sie, eine Art Tarnmuster zu bilden, das sich bis zu den Rändern der Bildfläche erstreckt und die flache Ebene der Komposition hervorhebt. Bonnie wurde in Kalifornien geboren, studierte Kunst und Literatur in Los Angeles und erhielt 2010 ihren MFA an der UC Berkeley. In diesem Sommer war sie Artist-in-Residence an der Skowhegan School of Painting and Sculpture in Maine. Ihre Arbeiten wurden u. a. im San Francisco Museum of Modern Art, Berkeley Art Museum, San Francisco Arts Commission Gallery, Exile Berlin und Vox Populi, Philadelphia, ausgestellt. Im November nimmt sie teil an der von Mira O'Brien und Helen Homan Wu kuratierten Ausstellung Navigating Darkness im Tape Modern. www.bonniebegusch.com

Du bist Illustrator und möchtest mit deinem Artwork das nächste heraustrennbare „MitteSchön“-Poster zieren? Dann schick uns deine Bilder und Entwürfe an: info@mitteschoen.com.





Kieztalk  27

Interview Matthias Held Text Bettina Schuler  Fotos Chloé Richard  Translation P. 43

Nein,

als

Galerist

will

Matthias

Held sich nicht verstanden wissen. Denn dafür müsste er sich bestimmten

Künstlern

zu

sehr

verpflichtet fühlen. Doch was ist er dann? Ein Kurator, der seine Wohnung Künstlern als Ausstellungsraum

zur

Verfügung

stellt

und deren Werke mit Teilen seiner Sammlung kombiniert? Nein, auch diese Zuschreibung wäre zu kurz gegriffen. Denn als typischer Kurator

würden

seine

Ausstel-

lungen in einem viel engeren Kontext stehen. Was also veranstaltet Matthias Held dort in seinem heimischen Wohnzimmer? Und was ist es eigentlich, was die heutige Kunst für ihn auszeichnet? Wir haben den ehemaligen Punk und Privatsammler befragt.


28   Kieztalk

„Die Kunst ist kein heiliger Gral, den es gegen jeden ökomischen Zugriff zu schützen gilt. Aber wenn der ökonomische Aspekt zu sehr im Mittelpunkt steht, wird es langweilig.“

Wie kommt man dazu Kunst zu sammeln? Ich habe eigentlich schon angefangen, Kunst zu sammeln, als ich noch selbst an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert habe. Meine Kommilitonen und ich haben damals unsere Werke schlicht und ergreifend untereinander getauscht. So richtig klassisch angefangen, Kunst zu sammeln, habe ich aber erst vor zehn Jahren mit einer Arbeit von Raymond Pettibon, der unter anderem auch das Cover zu dem Sonic Youth Album Goo gezeichnet hat. Nach welchen Kriterien gehst du bei dem Kauf eines Kunstwerks vor: Nach persönlicher Präferenz oder zukünftiger Wertentwicklung? Mir geht es nie um eine Investition, sondern immer um die Arbeiten selbst. Mich interessiert die Schnittstelle, an der Kunst eine Geschichte zu erzählen scheint, die sich letztlich auflöst, weil sie sich dem Zugriff durch komplette Erklärbarkeit entzieht. Glücklicherweise gibt es immer noch eine ganze Menge unbekannter Sammler, die einzig und allein wegen der Sache Kunst sammeln und denen es ebenso wenig wie mir darum geht, mit ihrer Sammlung möglichst viel Geld oder Prestige anzuhäufen. Früher, in den 70er Jahren, war Kunstsammeln auch im bürgerlichen Milieu sehr beliebt. Ist das heute immer noch so weit verbreitet? Zumindest die Zahlen sprechen dafür. Die Frage ist nur, aus welcher Motivation he-

raus heutzutage Kunst gesammelt wird. Viele betrachten Kunst heute als eine Art Investition, ähnlich wie einen Immobilienkauf.  Demzufolge sind vor allem Künstler sehr gefragt, die schon bekannt sind oder denen ein hoher Bekanntheitsgrad vorausgesagt wird. Man darf bei dieser Diskussion aber nicht vergessen, dass heutzutage ganz anders produziert wird als noch in den 70ern, als es viel Installationskunst gab, die nicht verkäuflich war und – wenn überhaupt – nur von Institutionen erworben wurde. Andererseits gab es damals auch sehr viele Drucke, die selbst für den normal verdienenden Kunstbegeisterten erschwinglich waren. Wohingegen es heute eher käufliche Unikate gibt, für die man auch den dementsprechenden Preis zahlen muss. Aber nicht nur bei den Kunstsammlern hat sich die Motivation für das Interesse an der Kunst verändert. Auch viele Künstler gehen mit einer ganz anderen Einstellung an die Sache heran.... ...und denken zu sehr an den ökonomischen Aspekt ihrer Kunst? Die Kunst ist ja kein heiliger Gral, den es gegen jeden ökonomischen Zugriff zu schützen gilt. Aber wenn der ökonomische Aspekt zu sehr im Mittelpunkt steht, dann wird die Kunst beliebig und langweilig. Es sei denn, man treibt es mit der Beliebigkeit auf die Spitze, wobei in diesem Punkt Jeff Koons ohnehin schon der König ist, weshalb meiner Meinung nach selbst der künstlerische Umgang mit der Beliebigkeit schon ziemlich ausgereizt ist.


Kieztalk  29

Wie kann sich die Kunst von dieser Beliebigkeit befreien? Indem sie anfängt, sich der ständigen Kontextualisierung zu verweigern, und sich mehr auf sich zurück besinnt, um wieder einen ganz eigenen Weg, losgelöst von irgendwelchen Einordungsversuchen, für sich zu finden. Darum geht es auch in meinem Ausstellungsraum. Die Kontextualisierung von Kunst bedeutet ja nicht nur, dass man die Kunst durch die Erklärbarkeit aus der elitären Ecke holt, sondern auch, dass man eine gewisse Kontrolle auf die Kunst und deren weiteren Verlauf ausüben kann. Ich will damit niemanden an den Pranger stellen, mir geht es lediglich um die Frage, wie man zukünftig interessante Wege in der Kunst beschreiten kann. Schließlich scheinen alle an Autonomie und Identität interessiert zu sein, zumindest reden alle davon. Beide Ideale sind sicher erstrebenswert – schlimmstenfalls naiv – aber definitiv als bürgerliches Faustpfand für eine ökonomisch ausgerichtete Sammlerperspektive unabdinglich. Denn die Arbeit muss in dem Wertschöpfungsprozess sofort erkennbar einem Künstler zugesprochen werden können. Daher stehe ich diesen Begriffen auch skeptisch gegenüber, wenn sie als Qualitätskriterium für Kunst gleich als erstes fallen. Autonomie bezieht sich nicht nur auf die Annahme, dass nur ökonomische Voraussetzungen Freiräume schaffen. Denn zu Geld gehört bekanntlich eine, wenn auch glamouröse, so auch fesselnde Abhängigkeitsstruktur. Doch ich bin ganz zuversichtlich. Es wer-

den trotzdem immer wieder neue Inhalte kommen. Das spiegelt sich allein schon in der gesellschaftlichen Sehnsucht nach weniger Beliebigkeit und dem Ruf nach echter Authentizität wider. Und in meiner Galerie, Salon oder als was auch immer man die Räumlichkeiten bezeichnen will, biete ich Künstlern ein Forum, in dem ein Diskurs entstehen kann, der nicht immer gleich ausformuliert für alle verständlich sein muss.

Du selbst besitzt ja auch einige OriginalComicblätter, unter anderem von Daniel Clowes und dem Fritz-The-Cat-Zeichner Robert Crumb. Was ist so faszinierend an den Originalen? Zum einen das Gefühl, genau jene Zeichnung in der Hand zu halten, die ich aus dem Heft kenne, und natürlich wegen der ungeheuren Lebendigkeit, den virtuosen Details und der Einzigartigkeit der Originale.

Einen authentischen Künstler, gibt es das überhaupt? Ja, zum Beispiel Raymond Pettibon, bei dem Werk und persönliches Leben eine Summe ergeben. Und der sich auch durch seinen Erfolg nicht von seinem Weg hat abbringen lassen.

Ab Ende Oktober wird Heiner Franzen bei heldart ausstellen. Die Ausstellung namens Schichter wird ein Raum mit einem Komplex aus Zeichnungen und Collagen sein. Im Zentrum der Arbeit steht ein manipuliertes Filmstill, das immer aufs Neue weitererzählt wird. Die Arbeit wird mit der Erfindung der Tarnkappe des Karlsruher Institutes für Physik (KIT) kombiniert – in beiden Fällen geht es um das Sichtbarwerden des Unsichtbaren und umgekehrt.

Der Maus-Zeichner und Pulitzerpreisträger Art Spiegelman hat einmal gesagt, dass der Comic besonders authentisch ist, weil er in seiner Ausdrucksform den Gedanken am nächsten kommt... Das stimmt, Comics strahlen eine wahnsinnige Intimität aus. Man fühlt sich dem Erzähler immer viel näher als beim klassischen Story Telling. Das liegt sicher auch daran, dass im Comic die Grenzen zwischen Bild und Text weniger hierarchisch sind und Text und Bildebene gleichberechtigt nebeneinander stehen. Im Umkehrschluss ist das sicherlich auch ein Grund, warum die Comics in Deutschland noch immer so ein stiefmütterliches Dasein führen und erst nach und nach als eigene Kunstform anerkannt werden.

Heiner Franzen „Schichter“ and KIT’s „Magic Hood“ 26. Oktober bis 31. November in den heldart-Räumen. Besichtigung nach telefonischer Vereinbarung. heldart Erkelenzdamm 61 10999 Berlin Tel. 030 – 48 81 60 48 E-Mail: info@heldart.de


30   Hmmm, Lecker!

Kochtipps vom Kochhaus Gebratener Ziegenkäse mit Rucola und Portweinfeigen Text und Bilder Kochhaus

Auf dieser Seite findet ihr monatlich einen Rezeptvorschlag mit Fotoanleitung vom Kochhaus, dem weltweit einzigartigen begehbaren Rezeptbuch in Berlin Prenzlauer Berg (Schönhauser Allee 46) und Schöneberg (Akazienstraße 1). Im Kochhaus findet man nicht nur regelmäßig wechselnde Rezepte, sondern auch gleich noch alle Zutaten, die man für das Gericht braucht – fertig portioniert an einem Tisch. Schaut doch mal vorbei und bis dahin: Guten Appetit!

Zutaten für 2 Personen: 1 Rolle Ziegenkäse, 2 Feigen,1 Bund Rucola, 1 Bund Rosmarin, 100 ml Portwein, 20 g Honig, 2 EL Olivenöl, 1 EL heller Balsamico Essig, Salz, Pfeffer (* Mengen- und Zeitangaben beziehen sich auf 2 bzw. 4 Personen.) Unsere Weinempfehlungen: Portwein: Der klassische Portwein macht jedes Gericht unvergesslich. Der herb-gehaltvolle Portwein verdankt seinen Namen der Stadt Porto, die direkt am Douro im Norden Portugals zu finden ist. Im Regelfall reift der Portwein zwischen zwei und sechs Jahren, bevor er in dunklen Flaschen abgefüllt wird, die ihn vor der Sonneneinstrahlung schützen. Daher empfiehlt es sich, den Portwein gleich nach dem Öffnen mit Rosmarin zu reduzieren, mit Feigen zu paaren und zusammen mit köstlichem Ziegenkäse zu kombinieren. Deidesheimer Riesling, Q.b.A., Dr. Deinhard, Pfalz: Unser gebratener Ziegenkäse verlangt nach einem fruchtbetonten Weißwein wie dem Deidesheimer Riesling. Gewachsen und gereift unter der deutschen Sonne, erinnert sein leichtes Aroma an Aprikosen und seine sanfte Säurestruktur harmoniert mit den zarten Honigtönen des Gerichts. Als ideale Begleitung zu dieser aromen- reichen Vorspeise rundet der trockene Pfälzer das Geschmackserlebnis für unsere Gaumen perfekt ab.

2 bzw. 4* Rosmarinspitzen als Dekoration beiseite

Währenddessen Feigen waschen, vierteln und von den

Wenn der Portwein eingekocht ist, Topf vom Herd

legen. Verbliebenen Rosmarin mit dem Portwein zu-

Stielen trennen. Ziegenkäse in 6 bzw. 12* gleich große

nehmen und Rosmarin entfernen. Feigen hinzufügen,

sammen in einen Topf geben und bei voller Hitze ca.

Scheiben schneiden.

mit je einer Prise Salz und Pfeffer würzen und ziehen lassen.

10 bzw. 20 Minuten* sirupartig einkochen. (Rühren ist nicht notwendig.)

Rucola waschen und in mundgerechte Stücke zupfen.

Honig in einer Pfanne bei niedriger Temperatur erwär-

Gebratenen Ziegenkäse auf einem Teller anrichten,

Aus 2 bzw. 4 EL* Öl, 1 bzw. 2 EL* hellem Balsamico Essig, 1⁄2

men, Ziegenkäse hinzufügen und von beiden Seiten je

Feigen und marinierten Rucolasalat hinzufügen und

bzw. 1 TL* Salz und ausreichend Pfeffer eine Vinaigrette

30 Sekunden vorsichtig anbraten.

mit Portweinsoße beträufeln. Mit Rosmarinspitzen

herstellen und den Rucola marinieren.

dekorieren.


Wir Mitte Muttis  31

Wir mitte - Muttis Text Bettina Schuler  Bilde Schuler  Translation P. 44

Neulich habe ich in der Zeitung einen Artikel über eine 4-jährige Australierin gelesen, deren kunterbunte Kinderbilder nicht nur in Galerien hängen, sondern auch für mehrere tausend Euro den Besitzer wechseln.

Eine lukrative Einnahmequelle für alle Eltern, die ein malwütiges Kind das ihre nennen und täglich ungefähr zwanzig abstrakte Kinderkunstwerke wegen akuter Hausvermüllung in die Tonne werfen. Gegen ein bisschen Kinderarbeit ist ja auch gar nichts einzuwenden. Irgendwer muss das Geld für die Privatschule und den Chinesisch-CrashKurs ja verdienen. Und überhaupt, warum die Zeit des Kindes auf dem Spielplatz verschwenden, wenn es stattdessen an seiner künstlerischen Karriere feilen und zugleich das Plus auf dem elterlichen Konto erhöhen kann? Doch leider werde ich mit den Bildern meiner Tochter keine Millionen verdienen. Es sei denn, rosa Einhörner mit lila Flügeln sind bei über 30-Jährigen demnächst wieder schwer in. Bis es soweit ist, muss ich mich wohl oder übel damit begnügen, dass es meinem Kind einfach wahnsinnig viel Spaß macht zu malen. Und dass ich jedes Mal danach den Boden ihres Kinderzimmers mit Terpentin schrubben darf. Wer anstelle von Putzen lieber eine Stunde frei haben möchte, der sollte seine Kinder jedoch einfach in die KLAX-Kinderkunstgalerie schicken, wo von der KLAX-Kinderbildungswerkstatt verschiedene Kinder-Malkurse angeboten werden. Denn dort können die Kinder unter Anleitung einer erfahrenen Künstlerin so viel herumklecksen und spritzen wie es ihnen beliebt, ohne dass Mutti nachher putzen muss. Samstags von 13.30 bis 17.30 Uhr finden dort auch immer kreative Mitmachaktionen zu verschiedenen Themen statt. Die perfekte Alternative für alle, die an einem verregneten Nachmittag überfüllte Spielcafés meiden wollen und mit 3,- Euro Unkostenbeitrag pro Person zudem noch eine sehr preiswert. Allen Eltern, die keine Großeltern haben, bei

denen sie die Kinder während der Herbstferien parken können, sei zudem noch das Ferienprogramm der Bildungswerkstatt empfohlen, währenddes die Kinder ganztätig betreut und versorgt werden. Die Teilnahme kostet 16,- Euro pro Tag, inklusive Mittagessen, Vesper, Getränken und Material. Eine weitere Anlaufstelle für kleinen Kreativlinge ist die KinderKunstWerkstatt Kim Archipova in Kreuzberg, wo die Großen Comiczeichnen lernen, währenddes sich die Kleinen im Kurs Malen und Matschen ausprobieren können. Für 100,- Euro stellen die Macher sogar ein 3-stündiges Programm für Kindergeburtstage zusammen. Verpflegen muss man sich allerdings selbst in der hauseigenen Küche. Wessen Kind hingegen einfach nur mehr über Kunst erfahren möchte, der sollte einen Blick in das Programm der Kinderakademie der Staatlichen Museen werfen. Denn dort kann man für 100,- Euro eine Kinderakademiekarte erwerben, die das Kind berechtigt, ein Semester lang an 17 Kursen teilzunehmen. Zudem können die Inhaber der Karte an allen öffentlichen Kinderführungen umsonst und an den weiteren Kreativangeboten der Museen für die Hälfte des regulären Preises teilnehmen. Wem das alles zu teuer ist, der kann die Kunstbildung seines Kindes allerdings einfach auch selbst in die Hand nehmen und ein wenig Geld in entsprechende Kinderkunstbücher investieren. Eine Liste einiger empfehlenswerter Exemplare haben wir für euch zusammengestellt. Viel Spaß damit!

Kinder Künstler Kritzelbuch Anmalen, Weitermalen, Selbermalen Beltz Verlag für 9,95 Euro Für Kinder ab 6 Jahren Kinder Künstler Mitmachbuch: Aufschlagen, Loslegen, Spaß haben Beltz Verlag für 9,95 Euro Für Kinder ab 6 Jahren Kinder Künstler Abenteuerbuch: Loskritzeln, Reinmalen, Rumspinnen Beltz Verlag für 9,95 Euro Für Kinder ab 6 Jahren Der Junge, der Picasso biss Knesebeck Verlag für 14,95 Euro Ab 6 Jahren Das Kunstbuch für Kinder Für Kinder ab 7 Jahren Phaidon Verlag für 19,95 Euro What A Colour Is Your World? (Englisch) Phaidon Verlag für 12,95 KLAX-Kinderbildungswerkstatt Asta-Nielsen-Str. 11 Telefon: 030–3474510 www.klax-gruppe.de KinderKunstWerkstatt Kim Archipova Fichtestr. 28 Tel. 030/ 698 197 8 www.kinderkunstwerkstatt-berlin.de


32   Kulturgut

Kunsttipps

von

EyeOut

Text Emilie Trice  Translation Jan Winkelmann, P. 41

In dieser Kolumne stellen wir euch jeden Monat eine kleine Auswahl der interessantesten Ausstellungen in Mitte vor. Weitere spannende Tipps findet ihr in der iPhone App EYEOUT Berlin (www.eyeout.com).

Sergej Jensen „Master of Color“ 9. September – 22. Oktober 2011 Galerie Neu, Philippstr. 13, U6 Naturkundemuseum, Di–Sa, 11–18 Uhr +49 – 30 – 28 57 55 0, mail@galerieneu.com, www.galerieneu.com

Sergej Jensen – Master of Color (Ausstellungsansicht) Courtesy Galerie Neu, Berlin Foto: Lepkowski Studios, Berlin

Sergej Jensens Gemälde, die in dem recht kleinem Ausstellungsraum der Galerie Neu in Pertersburger Hängung präsentiert werden, erinnern an Meisterwerke von Mark Rothko oder Yves Klein. Jensen bringt die Farben jeweils auf die Rückseiten seiner Werke auf, wodurch das resultierende Bild nur teilweise durch den Künstler und der andere Teil vom Zufall bestimmt wird. Pastell-, Öl- und Acrylfarbe sickert durch die Leinen-, Jute- und auch Hanf-Leinwände, wodurch unvorhersehbare abstrakte Kompositionen mit vielfältigen Texturen und Momenten von erhabener Zufälligkeit entstehen. Der Ausstellungstitel Master of Color legt bereits das Hauptanliegen offen, doch während die Werke offensichtlich den Titanen der modernen Malereigeschichte huldigen, wurden sie ebenso mit dem respektlosen Gestus eines zeitgenössischen Ästheten geschaffen.

Marcus Steinweg „Diagramme“ 3. September – 15. Oktober 2011 BQ, Weydingerstr. 10, U2 Rosa-Luxemburg-Platz, Di–Sa, 11–18 Uhr +49 – 30 – 23 45 73 16, info@bqberlin.de, www.bqberlin.de

Marcus Steinweg – Diagramme (Installationsansicht) Courtesy BQ, Berlin

Das Problem bei konzeptueller Kunst ist sehr oft, dass sie von einem Text begleitet werden muss, damit der Betrachter überhaupt verstehen kann, was er denn da sieht. In Marcus Steinwegs Ausstellung Diagramme werden die erläuternden Texte selbst zum Kunstwerk und führen uns zur Antwort auf die vielleicht ultimative Frage: Was ist Kunst? Steinweg ist ein zeitgenössischer Philosoph mit künstlerischen Neigungen. Seine Diagramme sind Anwendungen von meta-narrativer, postmoderner Dekonstruktion. Mit den Werken aus schlichten, einfachen Materialien – wie Textmarker, Tesafilm, weißem Druckerpapier – hat der Künstler bedeutsame soziale, kulturelle oder philosophische Konstruktionen aufgeschlüsselt, indem er klassische philosophische Referenzen mit seinen eigenen aufschlussreichen Artikulationen verschmelzt. Dabei ist es eine Ausstellung, in der die Kunst im wahrsten Sinne des Wortes darstellt, was sie ist.

Sophie Erlund „THIS HOUSE IS MY BODY“ 10. September – 22.Oktober PSM, Strassburger Str. 6 –8, U2 Rosa-Luxemburg-Platz, Mi–Sa, 14–18 Uhr +49 – 30 – 75 52 46 26, office@psm-gallery.com, www.psm-gallery.com

Sophie Erlund – This House Is My Body (Installationsansicht) Courtesy PSM, Berlin

Wer die im Hinterhof gelegen Räume von PSM betritt dem fällt sofort die visuellen Kargheit der aktuellen Ausstellung von Sophie Erlund mit dem Titel This House Is My Body auf. Genau genommen ist die Galerie fast vollständig leer. Und doch ist der Raum voll – mit Geräuschen. Die Künstlerin hat drei Jahre damit verbracht, den Abriss von Gebäuden in und um Berlin mit speziellen Kontaktmikrophonen aufzunehmen, unter anderem den mittlerweile verschwundenen Palast der Republik. Dabei nahm Erlund beim Abriss entstandenen physikalischen Vibrationen der Kernmaterialien der Gebäude auf. In mehrere Abschnitte unterteilt – und damit einer Symphonie nicht unähnlich – schwingen die resultierenden Melodien von wuchtigen stählernen Schlägen und dynamischen Splitterungen und dem getragenen Seufzen einer Architektur, die sich ihrer eigenen unausweichlichen Zerstörung hingibt.



34   Angehört und nachgehorcht

hundreds – Blut ist dicker als Wasser Text Katharina Geißler  Foto Jenny Schaefer

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Eva und Philipp Milner ein eigenes Musikprojekt gründeten. Bereits vor zehn Jahren fing das Geschwisterpaar an, Songs zu schreiben und zu vertonen, aber erst Philipps Umzug von Erfurt nach Hamburg ermöglichte eine intensivere Zusammenarbeit. Seit Sommer 2008 sind „Hundreds“ nun auf deutschen wie auf internationalen Bühnen unterwegs. Auf Ihrer Europa-Tour mit „Bodi Bill“ 2010 lernten sie die Band „Small Panthers“ kennen, die auf Anhieb eine Cover-Version des Songs „I Love My Harbour“ aufnahm. Auf der gleichen Tour trat das Duo auch mit „Get Well Soon“ auf. Die Chemie stimmte auf Anhieb, und die beiden wurden auf das „Maifeld Derby“ im Mai dieses Jahres eingeladen.


Angehört und nachgehorcht  35

Mit ihrem selbstbetitelten Debüt, das 2010 bei dem Berliner Label Sinnbus erschien, knüpfen Hundreds an den Trip-HopSound der 90er Jahre an und entwickeln ihn konsequent weiter. Melancholische Texte und Evas sinnliche Stimme verschmelzen mit Klavier, gebrochenen elektronischen Beats und sphärischen Klängen. Wir haben die eine Hälfte des Zweigespanns, das ursprünglich aus dem Spessart stammt, vor einem Konzert in Berlin getroffen. Im Interview erzählt uns die 30-jährige Sängerin und Songwriterin von ihrem Verhältnis zu ihrem Bruder, warum eine Kapuze auf der Bühne so wichtig für sie ist und was sie am liebsten tun würde, wenn das zweite Album floppen sollte.

Eva, wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein gemeinsames Projekt zu gründen? Wie genau, das kann ich gar nicht mehr sagen. Musik spielte bei uns immer eine Rolle. Wir haben schon zuhause viel Musik gemacht. Philipp spielt Klavier, seitdem er sechs Jahre ist. Er hat mich lange gefragt, ob ich Lust dazu habe. Irgendwann dachte ich mir, ich kann nicht länger warten, da ich mich sonst später ärgere. Das war der ausschlaggebende Punkt, dass es losging. Philipp hatte vorher schon viel allein gemacht, aber ihm fehlte immer etwas. Gibt es auch manchmal Reibereien zwischen dir und Philipp? Ja, klar. Aber das ist nicht so schlimm, wie wenn ich mich mit einem Freund streite. Philipp und ich kennen uns schon so lange. Er ist sechs Jahre älter als ich und sehr früh ausgezogen. In der entscheidenden Phase, wo wir uns die Schädel hätten einschlagen können, war er weg und hat studiert. Ich habe ihn dort immer besucht, er war sehr locker im Umgang mit mir und hat mich sogar mit in den Urlaub genommen. Ich denke, es ist dieses blinde Verständnis zwischen uns, was sehr viel erleichtert und uns ermöglicht, ohne Worte miteinander zu reden. In deinen Texten geht es oft um das Thema Bewegung und Reisen. Bist du selbst auch ein rastloser Mensch, der gerne herumreist, vielleicht auch im emotionalen Sinne? (überlegt) Ja, das stimmt, ich habe eine eigene Welt, die ich viel bereise, viele Orte, an denen ich öfter bin, Orte aus der Vergangenheit. Man könnte sagen, ich bin ein ziemlicher Träumer. Das hilft natürlich, obwohl du mitten drin steckst, einen Abstand zur Welt zu kriegen, um dann aus dieser Distanz heraus etwas zu schreiben. Zum Thema Reisen: Ich bin sehr gerne unterwegs, aber in letzter Zeit war ich so viel auf Tour, dass ich jetzt erst mal genug habe. Das nächste Album wird ein bisschen geerdeter, auch etwas kantiger und nicht so luftig wie das jetzige.

ronischen Remixen von DJs und Cover- bzw. Remixversionen von verschiedenen Künstlern, z.B. Get Well Soon, Bodi Bill und Architecture in Helsinki. Wir haben dadurch einen völlig anderen Blick auf unsere eigenen Songs gewonnen. Du trägst auf der Bühne zu Beginn immer eine Kapuze, die du irgendwann absetzt. Was hat es damit auf sich? Damit kann ich entscheiden, wann ich da bin. Ich komme immer etwas später auf die Bühne. Das ist ein ziemlich krasser Moment, wenn man die ganzen Leute da stehen sieht. Es ist gut, dass man etwas hat, worin man sich hüllen kann. Ich will erst mal nur Stimme sein, ich will, dass die Leute zuerst darauf achten. Ich habe das mit der Kapuze intuitiv angefangen, mittlerweise ist es aber sehr wichtig für mich, eine Art Unsichtbarkeit. So entscheide ich, wann ich bereit bin. Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal auf der Bühne standest? Ich habe mir fast in die Hosen gemacht. So viel rauchen konnte ich gar nicht, wie ich vor lauter Aufregung gerne geraucht hätte (lacht). Im Studium bin ich vor einem Referat fast umgefallen. Aber wenn du etwas machst, was aus dir entstanden ist, dann ist das etwas anderes. Die Aufregung ist immer noch ein bisschen da, aber es wird langsam entspannter. Es war schön, diesen Weg mit mir selbst zu gehen und zu merken, dass ich das kann und die Leute mich auf der Bühne sehen wollen. In euren Songs tauchen häufig Bilder wie Wasser und Hafen auf. Kannst du dir vorstellen, auch woanders zu leben, oder ist und bleibt Hamburg deine Lieblingsstadt? Von den Städten her bleibt es auf jeden Fall Hamburg. Auf der einen Seite gibt es dort Weite und Wasser, auf der anderen Seite Nachtleben, viel Kunst und Musik. Nur ist alles ein bisschen kleiner. Du kannst jeder Zeit heraus und hast deine Ruhe. Das ist toll. Ich glaube allerdings, dass wir irgendwann aufs Land ziehen werden. Philipp kommt bestimmt mit. Ich lebe seit fünf Jahren in der Großstadt und merke so langsam, dass mir das reicht. Du hast früher in der elementaren Musikerziehung gearbeitet. Fehlt dir manchmal die Arbeit mit Kindern? Ja, auf jeden Fall. Das ist auch etwas, was ich irgendwann wieder machen werde. Vielleicht nehme ich ja mal ein Album für Kinder auf. Allerdings bin ich auch kein Mensch, der für eine geregelte 5-Tage-Woche besonders gut geeignet ist. So, wie es momentan ist, ist es schon besser. Vielleicht arbeite ich irgendwann mal ehrenamtlich mit Kindern, wenn unser nächstes Album floppt (lacht). Am 11.11.2011 erscheint das „Hundreds-Variations“-Album.

Arbeitet ihr schon an dem neuen Album? Nee, wir fangen gerade erst an. Wir brauchen sehr viel Ruhe und sind ziemlich langsam. Aber im November erscheint unser Album Hundreds Variations, eine Mischung aus elekt-

Danach geht es für das Duo auf Europa-Tour nach Polen, Kroatien, Italien, Frankreich, Schweden und England.


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Das direktorenhaus

Direktorenhaus / Illustrative e.V. Am Krögel 2 10179 Berlin www.illustrative.de

Text Annemarie Kurz

www.direktorenhaus.com

Seit Juni 2010 ist das Direktorenhaus ein neuer Anlaufpunkt für die Kunst- und Designszene Berlins. Hier präsentieren sich international renommierte Designer und Künstler der Öffentlichkeit. Als experimentelle Direktiven mit sozialen Bezügen bilden die Projekte im Direktorenhaus eine Plattform, die mit den Vorurteilen der Besucher spielt und

Foto Mitte: Husmann Tschäni, „Poultry Poetry“

gewohnte Grenzen durchbricht.

Denn trotz des Unesco-Titels Stadt des Designs, den Berlin 2008 erhielt, kommt der Design-Schwerpunkt häufig zu kurz. Die Initiatoren des Direktorenhauses spielen bewusst mit den Grenzen zwischen freier und angewandter Kunst und führen die Debatte „Was ist Kunst, was ist Design?“ in wechselnden Ausstellungen fort. Aktuell werden im Direktorenhaus die Werke des Schweizer Künstlerduos Husmann/Tschäni gezeigt. Die Ausstellung mit dem Titel Poultry Poetry besteht aus einer umfassenden Installation aus exquisiten, illustrativen Arbeiten unter Einbindung sowohl ihrer Gemälde, als auch von „Überbleibseln“ aus Performances, wie beispielsweise Kostümen und textilen Skulpturen. Beides zusammen schafft eine außergewöhnliche Szenerie, einen Concours der Federn und Farben. Der Besucher wird zu einer tranceartigen Sitzung eingeladen. Das Künstlerpaar Pascale Mira Tschäni und Michael Husmann Tschäni zeichnet sich durch seinen einzigartigen Stil aus, der sich vielfältig zwischen den Bereichen Malerei, Comics, Installation und Performance bewegt – und diese zu einer Einheit verschmelzen lässt. Im Direktorenhaus geben Husmann/Tschäni nun Einblick in ihre bunte Welt, in der so vieles sichtbar wird – die Zellen, die Organismen, das mikroskopisch Kleine, das gigantisch Große und sogar das Unsichtbare. Das Direktorenhaus ist das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Staatlichen Münzanstalt Berlin und befindet sich zentral zwi-

schen Alexanderplatz und Nikolaiviertel. Nachdem das Gebäude 17 Jahre lang leer stand, wurde es in Eigenregie von Pascal Johanssen und Katja Kleiss instand gesetzt und mit Rücksicht auf den historischen Bestand renoviert. Die Erneuerung und Nutzung der an der Spree gelegenen Räumlichkeiten bedeutet gleichzeitig die Rettung des wunderschönen und geschichtsträchtigen Anwesens vor drohendem Verfall und dessen künstlerische Belebung. Der geheimnisvolle Charakter und die Spuren seiner Geschichte sind dem Haus erhalten geblieben und werden wirkungsvoll in Szene gesetzt. Getragen wird das Direktorenhaus von den Initiatoren der Illustrative. Alle zwei Monate geben sie das international erscheinende Magazin Objects – Journal of Applied Arts heraus. Es untersucht und präsentiert internationale Trends der angewandten Kunst in Interviews, Bilderstrecken und Essays. Jede dieser qualitativ hochwertigen und anspruchsvollen Ausgaben ist ein künstlerisches Kleinod und wird von bekannten Grafikern und Illustratoren gestaltet. Objects erscheint auf Deutsch und Englisch mit einer Auflage von jeweils 80.000. Das Direktorenhaus ist die Fortsetzung dieser Projekte, das als fester Ort für die gesamte Neocraft-Art-versus-Design-Debatte fungiert. Hier haben es sich Pascal Johanssen und Katja Kleiss zum Ziel gesetzt, eine neue Generation an „Künstler- Designern“ experimentieren zu lassen.


Gimme Five  37

Gimme Five Coffee Table Books Text Paul Schlosser

Sie sind auf keinem Couchtisch mehr wegzudenken – Coffee Table-Books. Diese sperrigen, auf hochwertige Fotografien setzenden Bildbände in Hochglanzdruck und minimaler Textaufbereitung versprechen Augenschmaus und angenehm leichtes Blättervergnügen. In unserer Top Five widmen wir uns diesmal den spannendsten Neuerscheinungen aus der Modefotografie. Mode wurde unlängst demokratisiert, ihr Faszinosum bleibt aber auch weiterhin ungebrochen. Das liegt vor allem an ihrer visuellen Präsentation – früher durch Modezeichnungen und Illustrationen, heute überwiegend mit Hilfe der Fotografie. Der schönste Entwurf ist nichts ohne seine Inszenierung, denn was nicht gezeigt wird, wird auch nicht gesehen.

01

Rizzoli Das amerikanische Ausnahme-Genie Rick Owens wurde von der Presse in der Vergangenheit gerne mal in die Gothic-Schublade gesteckt. Dennoch gibt es kaum einen zweiten Modedesigner, dessen Werk so oft kopiert wurde. Völlig zurecht widmet Rizzoli ihm nun ein ganzes Buch gleichen Namens, das einen tiefen Einblick in Owens beachtliche 20-jährige Karriere gewährt. Designt und, neben Beiträgen von Maria Luisa Frisa, Francesco Bonamy und Olivier Zahm, geschrieben vom Mode-Revoluzzer höchstpersönlich. Ob wir ab dem vierten Oktober auch erfahren werden, wie das mit den Prêt-à-Porter-Kollektionen, der Zweitlinie und dem Möbeldesign überhaupt zu vereinen ist?

02  Dazed & Confused: Making It Up As We Go Along Eins muss man denen ja lassen: Rizzoli bringen im Oktober richtig tolle Bücher raus. Ein weiteres Coffee Table Book, dem wir schon jetzt einen Spalt in unserem Billy-Regal freigeräumt haben, ist Dazed & Confused: Making It Up As We Go Along zum 20-jährigen Jubiläum des britischen Kultmagazins, das seit den frühen 90ern, von Jefferson Hack und Starfotograf Rankin gegründet, ein verlässliches Barometer für Trends und Popkultur ist. Da überrascht es nicht, dass das der Katalog ein wahres Sammelsurium der Reize mit bahnbrechenden Arbeiten der weltweit größten Fotografen, Stylisten und Künstlern geworden ist. Ein Must-Have für alle Modeliebhaber!

03

Visionaire No. 60 Da bekommt der Begriff „Modebibel“ eine völlig neue Bedeutung: Die aktuelle, von Givenchy Chefdesigner Riccardo Tisci kuratierte Ausgabe des streng limitierten New Yorker Visionaire Magazins erscheint in schwarzem, geprägtem Ledereinband, goldenen Seiten, in einer antiken Holzbox und unter Tiscis Lieblingsthema Religion. Zu sehen gibt es neben seinen Musen auch eine Fotostrecke von Helmut Lang, die der Lieblingsdesigner der Interlektuellen und Kreativen, nach seinem Rückzug aus der Modewelt mit Performancekünstlerin Marina Abramovi beisteuerte. Exklusivität hat seinen Preis, für stolze 310 Dollar ist das monothematische „Experiment“ zu haben.

04

The Fashion Pictures Ein weiterer Hit aus dem Hause Rizzoli ist der längst überfällige Bildband von Deborah Turbeville. Turbeville ist oft als der Anti-Newton beschrieben worden. Während Helmut Newtons Fotografien sehr vital waren und ihnen oft etwas Gewaltsames anhaftete, zeigt Turbeville ätherische, surreale Studien der Reglosigkeit, die fast wirken, als seien sie durch beschlagenes Glas aufgenommen worden. Traumhaft schön...

05

Visions & Fashion – Bilder der Mode 1980/2010 Wer noch nicht im Kulturforum gewesen ist, hat noch bis zum 9. Oktober die Gelegenheit in die Mode- und Stilgeschichte der letzten 30 Jahre abzutauchen. Allen anderen sei zu dem gleichnamigen, dazugehörigen Katalog Visions & Fashion – Bilder der Mode 1980/2010 geraten, denn der ist anders als die recht kurzweilige Ausstellung, ziemlich umfangreich ausgefallen und gibt einen umfassenden Einblick in die facettenreichen Entwicklungen der Fotografie und Modeillustration aus eben dieser Zeitspanne.



Berliner Gesichter  39

BERLINER GESICHTER Text Bettina Schuler  Foto Tina Linster  Translation P. 44

Gunnar Gratz, 48 Jahre Mitinhaber des Kunst- und Zeichenbedarfsladens CYM

Ich arbeite seit ungefähr fünf Jahren in dem Kunstbedarfsladen CYM. Es ist allerdings nur ein Teilzeitjob, in der restlichen Zeit fertige ich in meinem Atelier Skulpturen und Gebrauchsobjekte an. Ich bin direkt nach der Schule nach London gegangen. Doch nach einem Jahr hat es mich nach Paris, der Stadt der Kunst, gezogen. Dort habe ich mich zwanzig Jahre als Künstler durchgeschlagen, mal mehr und mal weniger erfolgreich. Vor fünf Jahren bin ich dann nach Berlin gekommen. Auf die Arbeit hier bin ich durch einen Aushang im Fenster gestoßen. Da ich mich mit der Materie auskannte, hat mich mein Chef, Andreas Cymbarewicz, gleich eingestellt. Wir verkaufen hier alles: vom Rahmen über ganze Leinwände bis hin zu Pinseln und diversen Farben. Unsere Spezialität sind allerdings Keilrahmen, aus denen wir für unsere Kunden Leinwände nach Maß anfertigen. Für die Künstler sind die Leinwände etwas ganz Entscheidendes. Wie ein Instrument, auf dem sie spielen. Dementsprechend gibt es auch eine Vielzahl von Leinenarten, die man für die Anfertigung verwenden kann. Je nachdem, welchen Effekt man mit seinem Bild erzielen möchte, entscheidet man sich für ein glattes oder raues Leinen. An den Bildern von Paul Gauguin kann man sehr schön sehen, wie entscheidend die Wahl des Leinens für den Stil eines Werkes ist. Denn Gauguins harte, schraffierte Strichführung ist vor allem auf die Jute zurückzuführen, die er für den Bau seiner Leinwände verwendet hat. Die Menschen, die bei uns im Laden einkaufen, sind ganz unterschiedlich. Es kommen sowohl bekannte Künstler wie Franz Ackermann oder Rainer Fetting als

auch kunstaffine Laien, die noch keinerlei Erfahrung mit Malerei haben. Bei den Kunst-Neulingen muss man vor allem darauf achten, dass sie sich nicht gleich in Unkosten stürzen, sondern es erstmal mit einer kleinen Grundausstattung ausprobieren.

CYM Kunst- und Zeichenbedarf Dieffenbachstraße 16 10967 Berlin cym-kunstmalerbedarf.de Tel. 030 – 69 16 406

Manche Kunden zeigen mir ihre Kunstwerke, obwohl ich ehrlich gesagt überhaupt nicht erpicht darauf bin. Denn häufig sind es ausgerechnet die interessanten Menschen, die besonders belanglose Bilder malen, wohingegen sich ein echter Unsympath als wahrer Künstler herausstellt. Die bekannten Künstler, wenn sie denn selber kommen und nicht ihre Assistenten schicken, sind hingegen sehr diskret. Sie erzählen uns noch nicht einmal, wo sie demnächst ausstellen. Viele benutzen die Kunst aber auch nur als Alibi, um nicht zugeben müssen, dass sie arbeitslos sind. Der innere kreative Arbeitsprozess als Totschlagargument, das keine weitere Nachfrage erlaubt.

Mo bis Fr, 10 – 18 Uhr Sa, 10 – 14 Uhr CYM Planufer 96 10967 Berlin Tel. 030 – 69 12 943 Mo bis Fr, 10 − 18 Uhr Sa, 10 − 14 Uhr Galerie Gratz Solmstraße 8 10961 Kreuzberg Mi bis Fr, 15 – 18 Uhr

Der Erfolg eines Künstlers hängt meiner Meinung nach nur zu einem sehr geringen Teil mit seinem Talent zusammen. Es ist vor allem entscheidend, welche Kontakte der Künstler hat und wie gut er sich vermarkten kann. Deshalb ist auch so viel schlechte Kunst erfolgreich. wFür mich selbst wird die Kunst zu einer Plagerei, wenn ich gezwungen bin, davon zu leben. Deshalb bin ich auch sehr zufrieden mit meiner momentanen Arbeitsteilung.

www.galeriegratz.de


40   Anzeige

skyy swap market Text Tina Fraas Fotos: Kay Kirchwitz / Starpress

So war der dritte Skyy Swap Market im Stadtbad Oderberger Straße

Bereits zum dritten Mal lud Skyy Vodka Fashionistas, Designer, Promis und Mode-Interessierte sowie das Berliner Szene-Publikum zum Skyy Swap Market ein. Jeder hat ja in seinem Kleiderschrank ein oder zwei Teile (bei mir weit über zehn), die irgendwann unbedingt hermussten, aber doch nie angezogen wurden. Solche hochwertigen und lieb gewonnenen Kleidungsstücke, Schuhe und Accesoires konnten beim SKYY Swap Market geswappt bzw. getauscht werden. Auch viele Berliner Designer haben Stücke ihrer Kollektionen gespendet. Ganz entgegen dem Berliner Ausgehverhalten stand schon pünktlich um neun Uhr eine lange Schlange vor dem Stadtbad, die

Events (p. 8)

besten Teile sind ja bekanntlich am schnellsten weg. Dann wurde gesucht, getauscht und gefunden. Erholung boten die beiden Skyy Bars mit leckeren Drinks, bevor man sich wieder ins Getümmel stürzte. Mitgeswappt haben unter anderem Jade Jagger, Jana Pallaske (die sehr hübsche, rote Schuhe erswappte), Eva Padberg und Kerstin Linnartz. Mit rund 700 Gästen war der Abend im Stadtbad ein voller Erfolg, und es wurde bis in die frühen Morgenstunden getanzt und gefeiert. Der Erlös des gesamten Abends geht übrigens an die Berliner Aidshilfe e.V. Das ist dann Swappen mit gutem Gewissen.

Skyy Swap Market Stadtbad Oderberger Straße 57/ 59 Trends im Internet: www.swapstyle.com www.bigwardrobe.com

boration between the two of them. After Gainsbourg’s

to support the earthquake victims. The concert was a

death, Birkin made closure with music, but changed

huge success. With Via Japan, Birkin worked exclusi-

jane birkin sings

her mind in 1998. Since then, she has released new

vely with Japanese musicians, giving the songs a com-

serge gainsbourg

songs including Tom Jones, Neil Young and Kate Bush

pletely new, Japanese touch. Jane Birkin is now on a

Pop songs

covers. 40 years after Birkin and Gainsbourg met, she

world tour with these musicians and sings – perhaps

Admission: From €32

wanted to sing his songs again, but with a new and

for the last time – the songs of Serge Gainsbourg.

28 Oct, 8 pm

open interpretation. Then, when Japan was hit by an

Philharmonic Chamber Hall,

Serge Gainsbourg died 20 years

earthquake in March, Birkin immediately wanted to

Herbert-von-Karajan-Straße 1

ago. With his former wife and

do something to help. She has always had a close rela-

www.berliner-philharmoniker.de

later close friend Jane Birkin, he recorded the public-

tionship with Japan and many friends there. She flew

ly scorned 1969 hit Je t'aime ... moi non plus. Various

to Tokyo and worked on a benefit concert with the

albums followed in the very successful artistic colla-

songs of Serge Gainsbourg for Doctors of the World


English Translations  41

steve Schapiro

production of TANK theater and Sam's Lorry Compa-

career and has come to Germany on tour. She has her

Exhibition

ny and it was directed by Christine Kostropetsch. We

own songs with her and musicians from The Swell

Admission: free

look forward to their evening of theater à la Woody

Season: percussionist Aida Shanhghasemi and guita-

10 Sep – 19 Nov

Allen.

rist Rob Bochnik. Markéta Irglovás new album Anar

Tue – Sat, 11 am – 6 pm

Theater Forum Kreuzberg, Eisenbahn Strasse 21

will be released on 11 October. A pomegranate, a pain-

Steve Schapiro has been taking

www.tfk-berlin.de

ting by Iranian artist Nahid Hagigat, is on the cover.

pictures since he was nine

Anar means pomegranate in Persian. We can hardly

years old. He studied photography with the photo-

feist

wait!

journalist W. Eugene Smith who influenced his work

Independent, Pop

Babylon Berlin, Rosa-Luxemburg-Strasse 30

significantly and sustainably. Schapiro has worked as

Admission: €37.75 to 44.65

www.babylonberlin.de

a photojournalist since 1961. His unique and distinc-

22 Oct, doors open 7 pm,

tive images were always found in magazines like the

show begins 8 pm

Butcher the Bar &

Times, Vanity Fair and Life. Schapiro has the talent to

When Canadian Leslie Feist de-

Stankowski

capture the characteristics of people, for example Ray

buted in 2004 with her album

Folk Pop

Charles' thrilling dance moves or the unapproachab-

Let it die, she won over fans and critics by storm. Me-

Admission: €12.10

le aura of Andy Warhol in his photographs. His 2007

anwhile, Leslie Feist, now just called Feist, goes from

30 Oct, doors open 8 pm, show

book is an impressive photographic who's who of the

success to success.

begins 9 pm

tumultuous 60’s. Stars like Jackie Kennedy, Samuel

In addition to her solo career, Feist works with

Butcher the Bar is the sta-

L. Beckett, Barbara Streisand and Muhammad Ali all

Peaches, Kings of Convenience and James Blake. The

ge name of Joel Nicholson who’s from Rotherham,

stood in front of Schapiro's camera. He also made a

Reminder, her 2007 album, won many awards, inclu-

England. The Briton became known for his acoustic

name for himself s as set photographer. He documen-

ding the Juno Award for best album.

guitar and stage show in which he uses instruments

ted more than 400 films, including Taxi Driver and

Now Feist is back with her new album, Metals, which

from flea markets. Butcher the Bar has just released

The Godfather. Politically engaged, he accompanied

will be released on 30 September. The album has ta-

an album called A Future For Each Tethered by Morr

John F. Kennedy and photographed the election cam-

ken four years and the excitement runs high. Metals

Music. It’s Folk Pop in the tradition of musicians such

paign, capturing emotional reactions to the assassi-

was recorded and produced in Big Sur, California.

as Nick Drake and Elliott Smith. Instruments like cla-

nation of Martin Luther King in Memphis.

Chilly Gonzales and Mocky also tinkered on the al-

rinet, trumpet and piano are also used on the new

A selection of the complete works of Steve Schapiro

bum. Metals was produced by the Icelander Valgeir

album, and they harmonize wonderfully with Joel's

can be seen in this exhibition presented by Camera

Sigurðsson who has worked with Bjork and Mum. Feist

voice. Johannes Stankowski, who celebrated a great

Work.

live is always an adventure. Her only concert in Ger-

success with Werle and Stankowski, comes from Co-

Galerie CAMERA WORK, Kant Strasse 149

many is well worth a visit.

logne, and combines guitar and voice with electronic

www.camerawork.de

Tempodrom Berlin

sounds in his music. Since Stankowski is now touring

Möckern Strasse 10

without Werle, he has as reinforcement his own band

www.tempodrom.de

consisting of Benedict Filleböck (Wolke), Philip Janzen

riverside drive Play by Woody Allen

(Von Spar) and Volker Zander (Calexico). Stankowski

Admission: €14 / Concs: €9

markéta irglová

has also just released his first solo album Torres Vol.1

Premiere: 28 Oct, 8 pm

Folk Pop Rock

(via Haute Areal). Butcher the Bar & Stankowski are

Further performances: 29/30 Oct

27 Oct, doors open at 7 pm,

touring together through Germany and this show

& 18/19/20 Nov, 8 pm

show starts at 8 pm

promises to be an unforgettable evening.

Sam (Stephen Kostropetsch) is

Admission: advance tickets €22

HBC Berlin

a screenwriter who lives in New York. He stands in the

Markéta Irglová’s parents laid

Karl-Liebknecht-Strasse 9

fog on the Hudson River and waits in this lonely spot

an important ground stone in

www.hbc-berlin.de

for his girlfriend Barbara (Teresa Bachmann). He’s

her musical development by

decided to do it today, to finally end the relationship

signing her up for piano lessons at age seven. Mar-

with Barbara. But at first she doesn’t come, instead

kéta learned to play guitar from her father when she

Fred (Claas Würfel) does - a homeless person who’s

was nine. Through him, many years later, she made

on a mission of his own. The unexpected encounter

acquaintance with Glen Hansard, singer and guita-

Sergej Jensen –

ends in fateful confusion when Barbara finally does

rist with The Frames. In the movie Once, Markéta and

„Master of Color“

show up. And she’s not so excited about Sam's plan

Glen not only played the main roles, but also wrote

9 Sep – 22 Oct

to end it. The bizarre situation takes an unexpected

the soundtrack. They won the 2008 Best Song Oscar

Galerie Neu, Philippstr. 13

turn. Riverside Drive is a piece from Central Park West:

for their song Falling Slowly. Marketa and Glen got

Tue - Sat, 11 am – 6 pm

Three Plays by Woody Allen. Three stories about neu-

together under the name The Swell Season and pro-

Hung salon-style in Galerie

rotic New Yorkers we know well from Woody Allen. Ri-

duced two studio albums. Their last release, entitled

verside Drive is a crime story/comedy about life, love

Strict Joy, appeared in 2009.

space, Sergej Jensen’s paintings recall the masterpie-

with a big dose of satirical humor. This is the first co-

Markéta Irglová is now dedicating herself to her solo

ces of Mark Rothko or Yves Klein. Jensen applies his

EYEOUT Art Events (p. 32)

Neu’s

diminutive

exhibition


42   English Translations

colors to the backside of his pieces, so that the resul-

finally submitting to its own inevitable destruction.

I get my inspiration where I live and work. The ideas can

partially left to chance. Pastels, oil and acrylic paint

Where art is created - a visit to

perambulations, such as over the ornamental floor in

seeps through their linen, burlap and even hemp can-

three Berlin art galleries (p. 18)

the Gesundbrunnen station, which he put on canvas in

vases, creating unpredictable abstract compositions

Any experiencing of an artwork depends on “its ambi-

cassette tape to a size of one to one and to a height of

with rich textures and moments of sublime coinci-

ence, its importance, and its place in the literal and figu-

3,64 meters. Of course, he noticed he was pushing the

dence. The exhibition’s title, Master of Color, reveals

rative sense,” postulated Adorno in his aesthetic theory.

boundaries of his studio, but also there was a solution:

its core concern, but while these works pay obvious

And he's right. A space detached from the art is hard to

each of the four components could be accurately drawn

homage to the modern titans of painting history,

imagine because it’s the framework in which the viewer

up between the columns of the room, and the pieces

they are also created with the irreverent gesture of a

perceives the work.Art in public spaces references the

were then reassembled on location.

contemporary aesthete.

place where it is located. The perception of an exhibi-

ting picture is partially determined by the artist and

also come from objects in my home.” Or on his daily

ted object in turn depends significantly on the gallery

Mira O’Brien

Marcus Steinweg –

space, the available lighting, and the site of presentati-

The studio of the American ar-

„Diagramme“

on within the room as well as the other objects.But how

tist Mira O’Brien is also in the

3 Sep – 15 Oct

do the places look where the art works are created? How

Wrangelkiez neighborhood. It’s

BQ, Weydingerstr. 10

big is the impact of space on the artists, the creative

in a small modern building,

Tue – Sat, 11 am – 6 pm

process and thus, on the object itself? We visited three

which is “..as if it landed right

The problem often with con-

Berlin artists in their workplace to find out what their

in an overgrown garden,” says

ceptual art is that it must be

studios mean to them..

Mira. With its large windows and overgrown vines gro-

accompanied by a text, so that the viewer can begin

wing on the walls, it’s in stark contrast to the Kreuzberg

to understand what, exactly, he or she is observing. In

Gregor Hildebrandt

area. She’s worked for two years in the building that is

Marcus Steinweg’s exhibition Diagramme at BQ, the

Gregor Hildebrandt's studio is

owned by a daycare center. Mira uses a lot of glass, pa-

explanatory text becomes the artwork itself, leading

located on the fourth floor of

per, water colors and ink in her work. It’s especially im-

us towards the answer to, perhaps, the ultimate ques-

an industrial monument that

portant for her to always have enough daylight in her

tion: What is art? Steinweg is a contemporary philoso-

dates back to 1928. The cubic

work space, especially in winter. In addition, she needs

pher with artistic leanings. His diagrams are exercises

forms of the former brewery,

to feel good in the space and the atmosphere has to be

in meta-narrative, post-modern deconstruction. As-

which was built by Bruno Buch,

right. Both wishes were met in in the Wrangel Strasse

sembled using crude, basic materials – magic marker,

bears clear traces of Bauhaus architecture. If you can

space. One of Mira's thematic main points of focus is

scotch tape, white printer paper – the artist has broken

imagine the typical building of a Berlin artist's studio,

the overlap of nature and architecture, for which she

down significant constructs, whether social, cultural or

this is it. Already as you enter you can’t help but noti-

searches for similarities between artificial and organic

philosophical, through the use of classical philosophic

ce the cassette tape, the material Hildebrandt mainly

structures. In this respect, the studio is ideally suited

references and his own insightful articulations. This is

works with. Six assistants are focused on their work. He

to inspire her and directly influence the result of her

one exhibition in which the art literally says exactly

moved in 2006 and has since shared the space with ar-

work: “I am really lucky to be able to work in a studio

what it is.

tist Axel Geis. Hildebrandt’s works sometimes takes on

that suits me in so many ways. Many of my drawings

quite expansive dimensions; one of his current works

depict specific parts of the architecture of this building.”

Sophie Erlund –

measures five meters in height. His studio’s actually

Mira considers her studio as a place of work, a source

„THIS HOUSE IS MY

too small so he rents an additional hall in Weissensee

of inspiration, and also as a laboratory where she tries

BODY“

that has the respectable ceiling height of seven meters

out new techniques that explore the properties of the

10. Sep – 22 Oct

eighty. Although the studio is not the perfect place for

materials she uses. Sometimes, the Yale graduate works

PSM, Strassburger Str. 6–8

his work, he feels very comfortable here in the Prin-

on installations outside her studio in locations that

Wed – Sat , 2 – 6 pm

zen Allee. The main room is long and bright. The long,

temporarily become her studio. Like for example when

Entering PSM’s back-lot galle-

solid wall offers an ideal work and presentation space.

installing When Breaking a Current on the Volksbüh-

ry, one is immediately struck by the austerity of This

The room is also perfect for eating together at a long

ne stage, where site could use a studio that had direct

House Is My Body, the current show by Sophie Erlund.

table, as Gregory observes with satisfaction. If he wants

access to the theater balcony. This particular observer

The gallery is, in fact, almost entirely empty. And yet,

to take pictures of his work, he just goes next door to

position fundamentally shaped her work there. Mira is

the space is full ­– of sounds. Recorded using special

Axel’s room, which can be completely darkened and

currently working out a proposal for a project in Istan-

contact microphones, the artist spent three years

only lit with artificial light. Another advantage is its lo-

bul, which she hopes to realize. But she must leave out

auditing the demolition of buildings around Berlin,

cation: it takes him just ten minutes by train or bike to

many details because these are in fact determined by

including the fated Palast der Republik. Erlund re-

get here from his home on Rosenthaler Platz. The influ-

the parameters of space she will use.

corded the physical vibrations in the buildings’ core

ence of the studio on Hildebrandt's work is much less

materials as they were being razed. Separated into

than the influence of the exhibition site because many

four distinct sections, like a symphony, the resulting

of his works are conceived within the confines of speci-

melodies resonate with hulking steel beats, aggres-

fic gallery spaces. “On the other hand,” says Gregory, “I’ve

sive splintering, and the solemn sighs of a structure

already put one of my studio windows on canvas.


English Translations  43

FORT

points of departure, her interest lies in how we navigate

art and for whom it’s as unimportant as it is for me to

The studio of FORT, a collective

through prescribed parameters and codes to arrive at

accumulate money or prestige with their collection.

of the three artists Anna Jandt,

sense and affirm nonsense.

Earlier, in the '70s, collecting art was also very popular

Jenny Kropp and Alberta Nie-

For Mitteschön, Bonnie presents a photograph from

with the middle-class. Is that still common today?

mann is in Kreuzberg’s Wran-

the series In The Flat Field. Situated someplace between

At least the figures suggest it is. The only question is,

gelkiez

The

the language of formal abstraction and an elementary

what’s the motivation to collect art these days. Many

group presented their instal-

exercise in visual composition, cropped color fields

people today consider art as a kind of investment

lation The Balled Eye Walls at this year's LISTE in Basel

reminiscent of the test strips used in the traditional

similar to real estate. Consequently, well-known ar-

and will probably get a lot of attention in the future. The

darkroom are layered and begin to produce a type of ca-

tists or artists people think will become well-known

young women consider finding the studio as a stroke of

mouflage pattern that extends towards the edges of the

are in especially high demand. One must not forget

luck. It’s affordable, meets their aesthetic demands and

picture plane, pointing towards its essential flatness.

that nowadays we produce very differently than in

is within proximity of their apartments. As many of

Bonnie was born in California, studied art and literature

the 70’s when there was a lot of installation art that

their ideas come from their immediate surroundings,

in Los Angeles, and received her MFA from UC Berkeley

was not for sale and if it was, it was only purchased

the last point was particularly important to them in the

in 2010. This summer she was a resident artist at the

by institutions. On the other hand, there used to be

search for a studio. FORT works mainly with everyday

Skowhegan School of Painting and Sculpture in Maine.

a lot of prints that were affordable even for normal

objects, which they sometimes alienate or have spe-

Her work has been presented at such venues as the San

art enthusiasts. Today there are more unique pieces

cially made. Many of their installations are settings that

Francisco Museum of Modern Art, Berkeley Art Museum,

for which you pay accordingly. The motivation to be

look like real spaces, but upon closer inspection turn

San Francisco Arts Commission Gallery, Exile Berlin, and

interested in art hasn’t just changed for art collectors.

out not to be real. These site-specific works demand a

Vox Populi, Philadelphia. In November she will be ex-

Many artists have a completely different attitude to

lot of space - even storage space to store works like the

hibiting a piece at Tape Modern as part of Navigating

their approach...

five-story loft bed from Hotel Marienbad or 30 factory

Darkness curated by Mira O’Brien and Helen Homan

...and think too much about the economic aspect of

tables from the installation Fort Hatchery Works. Light

Wu.

their art?

neighborhood.

Art is not a holy grail that must be protected against

is not particularly important for their work process, but still, they like the fact that their studio faces sou-

Interview

any economic access. But if the economic aspect is

th. “The most important thing is that the studio has a

Matthias Held

too much in focus, then art is arbitrary and boring.

certain charm and we like to be in it, because our works

(p. 26)

are created initially in the head and in an exchange of

Matthias

call

Koons who’s the king of it, but in my opinion even the

ideas.” says the artists group. Their artistic work is al-

himself a gallery owner because

arbitrary treatment of art has already pretty much

ways connected to the space in which it takes place, in

he doesn’t stand for a fixed pro-

maxed out.

other words, the exhibition location. “This space is often

gram of artists. So what is he

How can art be freed of this arbitrariness?

the driving force behind the creative process. The studio

then? A curator who makes his home available as an

In that it refuses the permanent contextualization and

plays a rather subordinate role in this context. We mostly

exhibition space for artists and combines their works

reflects more on itself, that it rediscovers its very own

work for our exhibitions on site, for example, last winter

with parts of his collection? Not just. Because if he

way and is divorced from any classification attempt in

we spent three months installing our work in the thermal

were a typical curator his exhibitions would be in a

itself. That's what I do in my showroom.

power station in Neukölln. Our studio was deserted at

much narrower context. Held asks, why the constant

The contextualization of art does not just mean that

this time, but it was nice to be able to return afterwards

categorizing – aren’t labels ultimately death for the

explaining art brings it out of an elite corner, but that

to a fixed location.” However, they think that different

thing they describe? So what is it that distinguishes

you can exert some control on the art and its further

studios can lead to different results. “Just a change of

today's art for him? We asked this curator and private

course.I don’t want to put anyone in the pillory. It's just

view can stimulate.”

collector.

a question of how to proceed interestingly in art.

How does one come to collecting art?

In the end everyone seems to be interested in autono-

Illustrator of the

I actually started to collect art while I was studying at

my and identity, at least everyone talks about it. Both

month (p.23):

the Academy of Fine Arts in Munich. My classmates

ideals are certainly desirable – at worst, naive – but

Bonnie Begusch

and I quite simply exchanged our work at the time. I

definitely essential as a pledge for the middle-class col-

Drawing from the histories of

really began to collect art in the classic sense only ten

lector’s economically oriented perspective. The artist’s

abstraction, concrete poetry, and

years ago when I acquired a work by Raymond Petti-

creation process must be immediately recognizable

structuralist film, Berlin-based ar-

bon who drew the cover of Sonic Youth album Goo.

in the work and attributable to the artist. That's why

tist Bonnie Begusch works within

What criteria do you use when buying artwork: perso-

I’m skeptical when these are the first terms used as

a range of media to reflect on the intertwined relation-

nal preference or investment?

qualitative criteria for art. Autonomy not only refers

ship between signs, tools, and perception. Her video

It’s never about an investment for me. Always about

to the assumption that only economic conditions cre-

projections, photographs, and installations foreground

the work itself. I am interested in the interface in

ate free space because, and this is well known, money

the act of looking and reading, underscoring moments

which art seems to tell a story that ultimately dis-

goes along with a captivating, if glamorous, structure

of perceptual ambiguity within familiar frameworks.

solves because it eludes the grasp of complete expla-

of independence. I'm very confident. New content will

Adopting such materials as punctuation marks, stan-

nation. Fortunately, there are still quite a number of

always keep coming. This is reflected in society’s desire

dardized paper formats, and digital place-holders as

unknown collectors who collect solely for the sake of

for less arbitrariness and the need for genuine authen-

Unless you push the arbitrariness to the limit, like Jeff Held

doesn’t


44   Kolumne

ticity again. And in my gallery, lounge or whatever you

ever, am unfortunately not going to make a fortune

Berlin Faces

want to call the space, I offer artists a forum in which a

with daughter’s pictures. Unless pink unicorns with

(p. 38)

discourse may arise even if it’s not always understand-

purple wings are suddenly the next must-haves for

Gunnar Gratz, employee in the

able to all.

the thirty-something crowd. So, until that time comes

art supply store CYM,

Is there really such a thing as an authentic artist?

along, I’ve got to more or less content myself with the

48-years-old

Yes, Raymond Pettibon, for example, the sum of his

fact that my child is just mad about painting, and that

I’ve worked in the art supply

work and personal life. And also that he hasn’t strayed

every time when she’s finished doing it I have to scrub

store CYM for about five ye-

from his path because of his success.

the her floor with turpentine. For those of you who

ars. It's only a part-time job,

The mouse illustrator and Pulitzer Prize winning Art

could use an hour off from cleaning, send the child-

however; the rest of the time I work on sculptures

Spiegelman once said that the comic is especially au-

ren to the KLAX-Kinderkunstgalerie. It's an art gallery

and objects in my studio. Right after school, I went to

thentic because in thoughts it comes closest in its ex-

in the Schönhäuser Allee where children of all diffe-

London, but after a year, I was drawn to Paris, the city

pression...

rent ages can take painting classes. The children can

of art. I struggled as an artist there for twenty years,

That's right. Comics radiate an insane intimacy. You

not only try out genuine easels under the guidance

sometimes more and sometimes less successfully.

always feel much closer to the narrator than you do

of an experienced artist, but also thanks to mats and

Five years ago, I came to Berlin. I came across this job

in classic storytelling. This is certainly due to the fact

blankets, they can drip and drop as much as they want

by the notice hanging in the window. My boss, Andre-

that in comics the boundaries between image and text

without us Moms not having to crawl around on the

as Cymbarewicz, hired me right away because I knew

are less hierarchical, and that the text and image plane

floor with a washcloth afterwards. Creative hands-on

my way around with the material. We sell everything

are equal and juxtaposed. It’s one reason why I exhibit

activities on various topics take place there on Satur-

here: from frames, canvases, brushes to a variety of

comics. On the other hand, this is certainly one reason

days from 1.30 to 5.30 pm. It's the perfect alternative

paints. Our specialty is, however, stretched canvases,

why comics in Germany still live such a step-child life

for all those who want to avoid crowded cafes on a rai-

which we manufacture to measure for our customers.

and are only gradually being recognized as an art form.

ny afternoon, and at €3 per person it’s a very affor-

Canvases are quite essential for artists. They’re like

You own some original comic pages, including Daniel

dable outing. Attention parents who can’t park their

an instrument you play. Accordingly, there are also a

Clowes and the Fritz-The-Cat-artist Robert Crumb. What

children with their grandparents during the autumn

variety of canvas types that can be used. You either

is so fascinating about the originals?

holidays: you might be very interested in KLAX’s ho-

choose a smooth or rough cloth depending on what

Firstly, the feeling of holding a drawing in my hand

liday program of educational workshops that include

effect you want to achieve.

that I know from the magazine, and of course because

all-day care. For €16 a day, they get lunch, snacks, be-

In Paul Gauguin’s paintings you can very clearly see

of the tremendous vitality, virtuous details and uni-

verages and materials. An inventor's workshop is go-

how important the choice of linen for the style of

queness of the originals.

ing to be held this year. Children will learn all about

his work is. Gauguin's hard, hatched strokes can be

Heiner Franzen will be showing at heldart from late

fairy tales, stories, and puppet theater. There’s also an

attributed mainly to the jute that he used for his

October. The exhibition entitled Schichter (Layers)

inventor's games workshop where kids can not only

canvases. The people who shop in our store are very

will be a space with a complex of drawings and colla-

dream up their own games, but also make it them-

different. There are both well-known artists like Franz

ges. A manipulated film still, which is constantly told

selves. Another point of contact for small creatives

Ackermann and Rainer Fetting, as well as artistically

anew, will be focal point of the work. The work will

is the children's art workshop, the KinderKunstWerk-

inclined lay people who haven’t any experience with

be combined with the invention of the magic hood

statt Kim Archipova in Kreuzberg, where the big kids

painting. You have to make especially sure that new-

from the Karlsruhe Institute of Physics (KIT), - in both

learn to draw comics while the little ones learn in the

comers to art don’t go over board with spending; that

cases it's about the appearance of the invisible and

course, Malen und Matschen (Paint and Mud). The

they first try it out with the basics. Some customers

vice versa.

organizers will even put together a 3-hour program

show me their art, though, and honestly, I’m not at all

We Mitte Mums

for children's birthdays for € 100. But you have to

keen on it. Often it’s because the interesting people

(p. 31)

do your own catering in their kitchen. If your child

paint especially inconsequential pictures, whereas

I recently read a newspaper ar-

just wants to learn more about art, take a look at the

the really obnoxious ones turn out to be true artists.

ticle about a 4-year-old Austra-

Children's Academy program at the Staatlichen Mu-

When the well-known artists don’t send their assis-

lian girl whose colorful pictures

seen. You can purchase a children's academy card for

tants and come in themselves, they're very discreet.

not only hang in galleries but

€100,which entitles them to participate in 17 classes

They don't even tell us where they’re going to exhi-

also change hands for several

for one semester. In addition, cardholders can take

bit next. Many people only use art as an alibi not to

thousand euros. A lucrative source of income for all

all public tours for children for free and participate

have to admit that they are unemployed. It's the inner

parents who have a paint-happy kid and who have to

in the museum’s other creative activities at half the

creative process as a killer argument that allows no

throw away some twenty or so abstract, kid-art pictu-

regular price. Too expensive? Simply take your kid’s

more questions. In my opinion, an artist’s talent plays

res because of an acute danger of house-junking. So,

art education into your own hands and invest a little

only a very small part in his success. Decisive are the

what’s wrong with a little bit of child labor? Somebo-

money in the right children's art books. We’ve com-

artist’s contacts, and how well he can market himself.

dy has to earn the money for private schools and the

piled a list of some of best examples for you. Have fun

That’s why so much bad art is successful. For myself,

Chinese crash course. And anyway, why waste your

with it.

art would become drudgery if I were forced to live

children’s time on the playground when instead they

from it. That’s why I’m very happy with my current

could be building their artistic career and increasing

work situation.

the amount of money in your bank account? I, how-


Mitteschön   Kieztalk  Online  45

Mitteschön online Mehr Neuigkeiten aus Mitte gibt es in unserer Online-Ausgabe unter www.mitteschoen.com zu entdecken. Neben den beiden Kategorien Mitte Streets und Mitte Nights – in denen wir klassische Restaurant-, Kultur-, Shop- und Ausgehtipps geben – stellen wir in der Rubrik Kieztalk interessante Menschen aus Berlins Mitte vor. In der Kolumne MiMu geben wir Tipps für alle Muttis, und wir fischen für euch unsere Lieblingsstücke aus Mittes Läden und dem Netz. In Brave New World schauen wir über Mitte hinaus und berichten euch Kurioses und Unterhaltsames aus der ganzen weiten Welt. Zu guter Letzt finden in regelmäßigen Abschnitten Gewinnspiele statt und wir vergeben Gästenlistenplätze für diverse Events. Viel Spaß!

Mitte streets

Verlosung: Zeige deine kreative ader! Wer nach all den Seiten voller Kunst nun auf den Geschmack gekommen ist und selbst Hand anlegen möchte, der ist bei Modulor an der richtigen Adresse. Kreativ sein mit allem, was dazu gehört. Planet Modulor am Moritzplatz in Berlin lädt nicht nur zum Shoppen, sondern auch zum Verweilen ein. Ein kleines Café und eine Buchhandlung schmücken den Eingang, bevor es dann rein geht ins Kreativ-Zentrum. Modulor bietet alles, was man zum Basteln, Bauen und Malen braucht. Sämtliche Materialien in einer ungewöhnlichen Vielfalt an verschiedenen Farben, Formen und Strukturen. Das Besondere: Das ganze Sortiment gibt es in kleinen, aber auch großen Mengen. Man fühlt sich beim Durchlaufen der Gänge wie ein kleines Kind in der Spielzeugabteilung eines Warenhauses. Der Besucher erlebt das „Machen“ und wird selbst dazu angeregt. Mit Planet Modulor am Moritzplatz zeigen Modulor und seine Partner den Prototyp eines Ortes auf, an dem sich Handel, Handwerk und Dienstleistung kreativ verbinden. Wir verlosen zwei 100 Euro Gutscheine, einzulösen bei Modulor in Berlin. Das Gewinnspiel läuft ab sofort auf www.mitteschoen.com. Viel Glück!

Zur Zeit Online Kulturgut SMILE! Ich las einmal das Buch Traumatische Tropen des Ethnologen Nigel Barley. Was von den Ausführungen über seinen Feldversuch bei einem bis dahin von unserer „Zivilisation“ abgeschnittenen afrikanischen Stamm hängen blieb war dieses: Die Menschen erkannten auf Fotografien von Tieren aus ihrer direkten Umgebung selbige nicht! Fotografie existierte nicht, und wurde auch überhaupt nicht verstanden... Mitte Streets NEU IN MITTE: TEPPICHDESIGNER JAN KATH Jan Kath ist seit dem 20. August mit großzügigen 150 qm Verkaufsfläche auf der Brunnenstraße 3 in Mitte vertreten; sogar New York muss da noch einen knappen Monat auf die Eröffnung des dortigen JK-Stores warten! Links daneben bekommt man preiswertes und gutes chinesisches sowie thailändisches Essen im thai-ha. Rechts daneben nächtigen die Gäste des All Seasons Hotels. Und darunter rattert die Linie U8... Kieztalk TROEDELEI – ICH KAUF DEINS DU KAUFST MEINS! Eine wirklich praktische Idee ist im Prenzelberg aufgetaucht. Troedelei heißt der Indoor Kiez-Flohmarkt. Der Laden in der Senefelder Strasse 8 befindet sich gerade in der BetaPhase, offizielle Eröffnung wird am 17. Oktober sein. Aber man kann bereits Dinge, von denen man sich trennen möchte, dort abgeben, bzw. sich Regalplätze oder Stellfläche mieten. Oder eine Box oder einen Kleiderbügel. Keine weiteren Kosten...


46   Kolumne

Das MaSS aller Dinge oder: „Früher war mehr Lametta“ Text Oliver Janik

Illustration Kristina Wedel

„Was ich noch sagen wollte…“ – Hinweise auf Missstände und andere Belanglosigkeiten. Wie wir ja alle wissen, ist das Kilogramm die letzte Maßeinheit, die noch über ein physisches Vorbild definiert wird, das Urkilo. Der oder das Vorletzte war der Ur- Meter (ein Platin-Lineal) und wurde bereits 1960 in Paris abgeschafft, weil sich schon damals ein Meter deutlich exakter über Laserwellen bestimmen ließ. Aber wem sage ich das. Zum Glück gibt’s also wenigstens das Urkilo noch, und noch zu viel größerem Glück beschäftigen sich an einer Hochschule in Braunschweig gerade ein paar Physik-Freaks mit der Neuberechnung, denn aktuell sind die Messungen noch um ein paar Hunderttausendstel zu ungenau, und da muss man also noch mal ran, klar, wenn schon. Wer das für übertrieben hält, der irrt gewaltig und dem sei an dieser Stelle gesagt, dass das bitteschön nicht mehr und nicht weniger als aktiver Verbraucherschutz ist. Jetzt wo die Aktienmärkte mal wieder ähnlich stabil und vorhersehbar sind wie der S-Bahnverkehr in Berlin zwischen Oktober und März, die Leistungen von Mario Basler als Fußballprofi oder auch nur das Sommerwetter 2011, kaufen ja die Leute Gold wie blöd und verkloppen Uromas pommerschen Erbschmuck, der schon seit Generationen im Familienbesitz ist und zwei Weltkriege, den Mauerbau, den Mauerfall und sogar Guido Westerwelle als FDP-Chef überdauert hat. Bis heute halt. Denn jetzt bloß weg damit und bitte mit maximalem money for value, und da hilft die Sache mit dem Urkilo natürlich enorm. Aber das ist nicht nur im Wertanlagenbereich wichtig, unverzichtbar wird das erst, wenn man vom Biomarkt (in dem man immer noch nicht Mitglied ist) kiloweise wiederentdeckte archaische Gemüsesorten oder ein gutes Stück Hüfte eines totgestreichelten Brandenburger Weideochsen mit ins Bötzowviertel schleppt. Dann ist es ja hilfreich, dass der Mondpreis, wenigstens was die reine Quantität der Ware angeht, gerechtfertigt ist. Höchste Zeit also, sich mit dem Urkilo mal näher zu beschäftigen, und man kann die Damen und Herren in Braunschweig gar nicht genug dafür loben. Eine Instanz in Kugelform wird das sein (wenn das mit den letzten Hunderttausendsteln auch mal gelöst ist), so wie es Rainer Calmund oder Norbert Blüm immer sein wollten. Wirkliche Instanzen sind ja aber ganz Andere, und kürzlich hat insbesondere die internationale (Finanz-)Welt schmerzlich lernen müssen, dass Rating-Agenturen wohl dazu gehören. Instan-

zen sind eigentlich grundsätzlich toll, und wir Menschen lieben das, weil das dieses ständige und mühevolle Hinterfragen und Reflektieren erspart – Peace of Mind, hochdosiert. Es ist ja auch nichts nerviger als die uns seit jeher und immer noch umgebende Indifferenz und Unklarheit (JFK-Attentat, Wembleytor, wer oder was ist Lady Gaga und warum? usw.) oder die X-Files des täglichen Lebens wie z.B. Nerd-Brillen, David Lynch Filme oder einfach nur Frauen. In Deutschland ist man sich einigermaßen darüber einig, was und vor allen Dingen wer das ist, ein scheinbar kollektiver Konsens, der bitteschön unwidersprochen bleibt und „alternativlos“ ist – wie Frau Merkel sagen würde. Deswegen vertrauen wir Deutschen auch Instanzen wie dem IFO-Institut, Schwacke-Listen oder dem Wetterbericht nach der Tagesschau. Und wir lieben fast betrunken in unserer Bedingungslosigkeit Franz Beckenbauer, Iris Berben oder Helmut Schmidt, weil die schon mal qua Alter und Lebensleistung Gravitas, nein, einfach Recht haben. Und wenn nicht, es dann auch wurscht ist. Oder eben Loriot, der wohl so etwas wie das Urkilo des deutschen Humors war. R.I.P.


Stadtplan  47

Illustration: Kristina Wedel

Legende Kultur/Freizeit

Bars/Cafés/Clubs

1. Kammermusiksaal Philharmonie, Herbert-von-Karajan-Str.1

11. Barcomi´s Deli, Sophie-Gips-Höfe

2. Galerie Camera Work, Kantstraße 149

12. Bixels Finest Baked Potatoes, Mulackstraße 38

3. Theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstraße 21

13. Prinzessinengarten am Moritzplatz

4. Tempodrom Berlin, Möckernstraße 10 6. HBC Berlin, Karl-Liebknecht-Straße 9

Läden 14.. Petite Boutique, Auguststraße 58

7. KLAX-Kinderbildungswerkstatt, Asta-Nielsen-Str.11

15.  Happy Shop, Torstraße 67

8. KinderKunstWerkstatt Kim Archipova, Fichtestraße 28

16. Kochhaus, Schönhauser Allee 46

9. Direktorenhaus, Am Krögel 2

17.  CYM Kunst-/Zeichenbedarf, am Planufer

5. Babylon Berlin, Rosa-Luxemburg-Straße 30

10. Galerie Gratz, Solmstraße 8



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