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Investment

Herbst 2015: Die IAA Bosse der deutschen Automobilindustrie sind sichtlich gut gelaunt, machen Witze, präsentieren sich selbstsicher und genießen die Aufmerksamkeit des Publikums und die teilweise neidischen Blicke der Konkurrenten. Die Autos sind poliert und gehen nach der Enthüllung im Blitzlichtgewitter unter. Kein Wunder, sind dies doch alles hochqualitative Vorzeigestücke der deutschen Ingenieurskunst, die wie kein anderes das Siegel „Made in Germany“ untermauern. Journalisten schreiben Reviews, Analysten versuchen fieberhaft das Potenzial neuer Märkte einzuschätzen, alle sind hochkonzentriert bei der Arbeit. Nur für einen kurzen Augenblick wird das Bild der makellosen Fassade der IAA verzerrt, als BMW-Chef Harald Krüger während einer Pressekonferenz auf der Bühne aufgrund einer Kreislaufschwäche kollabiert. Doch genau dieser Vorfall lässt – zwar nur ansatzweise, dennoch sehr deutlich – erahnen, unter welchem enormen Druck nicht nur der BMW-Chef, sondern die gesamte deutsche Automobilindustrie steht. Nicht verwunderlich, denn viel zu lang hat man sich auf den Erfolgen und glorreichen Errungenschaften der Vergangenheit ausgeruht. Viel zu lang wurden Innovationen und Visionen nicht komplett, aber doch spürbar ignoriert. Viel zu lang konzentrierte man sich bei einem Riesenpotenzial und einem enormen Maß an Know-how lediglich auf das Verbessern der bereits bestehenden Technologien, ohne etwas völlig Neues oder gar Revolutionäres zu kreieren. Öffentlich wird es zwar nur am Rande und ganz leise signalisiert, doch eigentlich sind es die Produkte, die für sich sprechen. Denn diese IAA ist anders: Endlich wird Elon Musk mit seinen Elektroautos nicht mehr arrogant belächelt, sondern als vollwertiger Konkurrent wahrgenommen. So bietet sich auch kaum eine bessere Gelegenheit als die IAA, um eine etwas träge wirkende Elektromobiloffensive gegen Tesla anzukündigen. Man hat ja schließlich ein Heimspiel. Und man hat tatsächlich sehr qualitative Stücke, um Tesla zwar verspätet, aber dennoch fast auf Augenhöhe begegnen zu können. Sichtlich stolz verkündet der (Ex)-VW-Chef Martin Winterkorn, dass man sich auf den Wettbewerb mit dem kleinen US-Unternehmen gar nicht einlassen möchte, sondern sich bereits auf „eigenem Weg“ befände, der eine Überholspur sein wird. Die VW-Tochter Porsche präsentiert einen Prototyp und es wird sofort deutlich, dass VW es endlich ernst mit dem Elektroauto meint. Denn der Porsche Mission E hat es mächtig in sich: 600 PS bringen den Wagen auf eine Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h und die Batterie soll angeblich Kraft

für rund 500 km Reichweite haben. Zielgruppe soll wie bei Tesla die obere Mittelschicht sein, die sich – ob ideologisch oder zeitgeistgemäß – nach einem leistungsstarken und gut aussehenden Auto ohne Auspuff sehnt. Auch die andere Konzernschwester Audi präsentierte in Frankfurt ihre Vision eines Elektro-SUV. Dazu verkündete der Audi-Chef Rupert Stadler bescheiden: „Man muss nicht unbedingt der Erste sein, aber wenn man kommt, dann muss man der Beste sein.“ Diese Ansage richtet sich ganz klar an Tesla, denn der Audi E-tron Quattro weist Spezifikationen auf, die es ihm erlauben, es mit dem Tesla-Model X aufzunehmen: Gleich drei Elektromotoren sorgen für eine Leistung von 435 PS und können das Auto rund 500 km rein elektrisch antreiben. Diese Beispiele sind jedoch nur ein Teil des Gesamtkonzepts des VW-Konzerns. Bis 2020 sollen rund zwanzig weitere Elektro- und Hybridfahrzeuge entwickelt und marktreif gemacht werden. Wie man sieht wurde die Elektro-Offensive des VW-Konzerns, die zugegebenermaßen angesichts eines eher schwachen Absatzmarktes für Elektrofahrzeuge etwas gewagt erscheint, gut durchdacht und sehr großflächig angelegt. Eines wollen die VW-Manager im Gegensatz zu Tesla aber anders machen. Sie wollen mit ihren E-Produkten schon ab dem ersten Tag Geld verdienen: „(...) das ist für uns Pflicht“, beteuerte Porsches Produktionsvorstand Oliver Blume. Die Serienfertigung von Audi und Porsche erscheint für 2018 bzw. 2019 sehr realistisch. Eine weitere Zukunftsvision von VW offenbarte sich auch in dem Moment, als (Ex-)Konzernchef Winterkorn eine sehr deutliche Bemerkung zur Batterietechnologie machte: „Das haben wir (die gesamte deutsche Autoindustrie) 30 Jahre lang verschlafen“. Aus diesem Grund möchte Volkswagen wenigstens bei der Ladetechnik zum Marktführer werden. Zu diesem Zweck wird fieberhaft am V-Charge-System gearbeitet. Es soll über ein App gesteuert werden und erlaubt das kabellose Aufladen von Elektroautos über im Boden eingefasste Ladepaneele. Großartige Ideen, qualitative Produkte, gute Zukunftsaussichten, doch es sollte ganz anders kommen. Ein Zufall, der sehr pünktlich kommt... „... es liegt in unserer Hand, uns vor einer Niederlage zu schützen, doch die Gelegenheit, den Feind zu schlagen, gibt uns der Feind selbst ...“ (Quelle: Sun Zi, „Die Kunst des Krieges“, Kapitel IV „Taktik“) I nvestment + High l i fe

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