Investment + Highlife

Page 61

Lifestyle

Seit einigen Jahren boomt mit dem Gin eine Spirituose, die lange Zeit fast nur in Bars zu finden war. Gin ist für einen Martini, Gin & Tonic und zahlreiche Cocktails unverzichtbar, und so verfügte jede gut sortierte Bar stets über fünf, sechs unterschiedliche Gins. Eine Zahl, über die Barkeeper heute nur müde lächeln und die so mancher Gin Genießer daheim in seinem Privatbestand mit Leichtigkeit überbietet. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein neuer Gin auf den Markt kommt - das Angebot ist schier unüberschaubar groß geworden. Wer sich einmal auf diese Spirituose einlässt und die angebotenen Produkte näher anschaut und probiert, merkt sehr schnell: Gin ist keinesfalls gleich Gin, die Unterschiede sind ähnlich groß wie man sie aus dem Bereich des Whiskys kennt. Machen wir doch einmal einen kleinen Ausflug in die vielfältige Welt des Gins und schauen uns Geschichte, Herstellung und Vielfalt dieser Spirituose an. Vom Genever zum Gin Auch wenn der Gin in England zu seiner Blüte auflief, so liegen seine Wurzeln nicht auf der britischen Insel, sondern auf dem europäischen Festland, genauer gesagt in den Niederlanden. Und es ging beim Gebrauch des Gins zunächst überhaupt nicht um Vergnügen, Rausch und Ausschweifungen. Im Gegenteil: Der deutsche Arzt Franz de le Boe erforschte in der holländischen Stadt Leiden Mitte des 17. Jahrhunderts die Heilwirkungen von Wacholderdestillaten. Seine „Essence de Genièvre“ sollte Nieren- und Magenleiden lindern und als Arznei bei Koliken dienen. Die Patienten fanden Gefallen an der wohlschmeckenden Medizin und schon rasch entwickelte sich der Genever (auch Jenever) zu einem lohnenswerten und begehrten Handelsobjekt. In Holland stationierte englische Soldaten brachten den Genever mit in ihre Heimat, wo er als Gin Karriere machte. Kleine Herstellungsgeschichte Die Kunst des Destillierens hatte sich vom arabischen Raum vom 14. Jahrhundert an auch in Europa verbreitet. Als Franz de le Boe seinen ersten Genever brannte, nutzte er einen damals bereits verbreiteten Getreidebrandwein aus Roggen, Weizen oder Gerste und baute darauf seinen Wacholderbrand auf. Noch heute kennt man in den Niederlanden diesen „Malt Wine“, der eine Art destilliertes Bier darstellt und über 50 bis 55 % Vol. Alkohol verfügt. Beim zweiten Brand mit den geschmacksgebenden Wacholderbeeren und anderen Kräutern (Botani-

cals) werden höhere Alkoholkonzentrationen erzielt. Auf die Erhöhung der Konzentration verstanden sich die Engländer schon bald, nachdem sie die Ginherstellung perfektionierten und modernere Brennapparate erfanden. Mittlerweile ist Weizen oder Roggen nicht mehr zwingend die Grundlage für die Ginherstellung. Jeder nach natürlichem Gärprozess erzeugte Ethylalkohol darf laut EU-Recht als Basis für Gin dienen. Ob Mais, Kartoffeln oder sogar Melasse: Vieles ist möglich, solange der erhaltene Neutralalkohol mindestens 96 % Vol. Alkohol aufweist. Wie wird der Gin zum Gin? Neutralalkohol ist, wie der Name schon sagt, recht geschmacksneutral, egal, ob er aus Getreide, Kartoffeln oder anderen Stärkelieferanten gewonnen wird. In diesen hochprozentigen Ausgangsstoff werden Kräuter und Früchte eingelegt, damit sie ihre Aromen abgeben können. Dieser Vorgang, Mazeration genannt, dauert manchmal 24 Stunden, manchmal eine Woche oder auch länger - jeder Hersteller entwickelt hier sein eigenes Rezept. Das gilt auch für die Zusammensetzung der verwendeten Botanicals. Nur eines ist laut EU-Definition für Gin unerlässlich: Wacholder muss die geschmacklich dominierende Zutat sein. Weitere klassische Botanicals sind Koriander, Kardamom, Kümmel, Orange, Zitrone, Anis, Fenchel, Zimt, Angelikawurzel oder Lavendel, doch in letzter Zeit experimentieren Ginhersteller munter mit allerlei weiteren Kräutern und Gewürzen. Bereits nach dieser Mazeration ist der Alkohol aromatisiert und wird zum Teil so als Compound Gin oder „Badewannen Gin“ (Bathtub Gin) abgefüllt. Hochwertiger Gin jedoch entsteht erst nach mindestens einem weiteren Brennvorgang, bei dem die Botanicals mitdestilliert werden. Sollen weitere empfindliche Pflanzenteile oder Kräuter wie beispielsweise Rosenblätter ebenfalls aromatisierend wirken, so werden sie bei der Destillation auf Lochsieben dem aufsteigenden Alkoholdampf ausgesetzt, der die ätherischen Öle beim Passieren extrahieren und mitführen kann. Manche Ginproduzenten führen noch eine weitere Destillation durch, um einen weicheren und reineren Alkohol zu gewinnen oder fügen Aromen oder Zucker hinzu, bevor der Gin dann verdünnt und in Trinkstärke von mindestens 37,5 % Vol. Alkohol abgefüllt wird. >>

I nvestment + High l i fe

61


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.