Investment + Highlife

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Zwischenruf

als in Frankfurt, dafür funktioniert er reibungslos, und alle Bahnen fahren ausgesprochen pünktlich. Überhaupt wirkt alles ein bisschen sauberer als bei uns. Und wohlgeordneter, besser organisiert. Das fängt schon morgens beim Brötchenkaufen an, denn ich musste an meinem ersten Urlaubstag mit Erstaunen feststellen, dass ich in der Bäckerei mit Bargeld fehl am Platze war. In feinstem Englisch (Holländisch hätte ich wohl nicht so gut verstanden) erklärte mir deren Geschäftsführer, leider könne man in seinem Laden nicht mehr mit Euro und Cent, sondern nur noch mit einer Bank- oder Kreditkarte die (wirklich ausgezeichneten) Brötchen und Kuchenstücke erwerben. Ich solle mir nichts vormachen, aber in ein paar Jahren würde wohl in Holland niemand mehr mit Bargeld bezahlen. Natürlich bin ich niemand, der sich gegenüber dem Fortschritt verschließt. Etwas merkwürdig kam es mir dennoch vor, als ich im Parkhaus in Amsterdam einen einzigen Euro an Park-Gebühr mit meiner Maestro-Karte mittels PIN-Zahlung beglich. Aber vor allem hatte ich nicht bedacht, dass bei all den kleinen Abbuchungen womöglich eine Postengebühr meiner Hausbank von jeweils 0,20 Cent pro Geschäftsvorfall anfallen könnte. Da wird das Parken gleich einmal 20 Prozent teurer. Und die Fahrt mit der Straßenbahn, die ohnehin schon stolze 3,60 Euro kostet, gleich mehr als 5 Prozent. Aber lassen wir mal solche kleinlichen Rechnereien beiseite. Allein die Vorstellung, meinen Sohn nicht mal mehr schnell zum Bäcker schicken zu können, um ein paar Brötchen einzukaufen, weil er mit seinen 14 Jahren noch nicht über eine Geldkarte verfügt und ich ihn auch nicht mit meiner Karte samt PIN losschicken wollte, machte mich nachdenklich. Wahrscheinlich würden auch die 20 Euro von Tante E., die meine Kinder alljährlich im Geburtstagsbrief vorfinden, in Zukunft wegfallen. Ganz zu schweigen von den spontanen Spenden für Straßenmusikanten. Ohne klimpernde Euro-Münzen im Hut wären die wahrscheinlich ganz schnell weg. Die Frankfurter Zeil ohne Straßenmusik? Vielleicht ist das ja auch so gewollt. Schöne neue Welt So habe ich mich auch nicht mehr aufgeregt, als wir im Escher-Museum in Den Haag für 24,50 Euro (habe natürlich bargeldlos gezahlt) eine Familienkarte erstanden. Unter Familie versteht man in den Niederlanden Vater, Mutter und (maximal) zwei Kinder. Und weil ich auch meiner jüngsten Tochter nicht die schönen optischen Täuschungen des Escher-Museums vorenthalten wollte, entrichtete ich schweren Herzens den Extra-Eintritt von 6,50 Euro für das dritte Kind. Das fühlte sich nach dem Familienrabatt nicht nur wie ein heftiger Extraverlust auf einem gesonderten mentalen Konto an. Vor allem verstand ich die implizite Botschaft: Beim nächsten Mal sollte ich mich bei der Kinder(er)zeugung etwas zurückhaltender gerieren. Nach dem Museumsbesuch schritt ich auf den (peinlich sauber gefegten Vorplatz), wo ich unser Auto geparkt hatte. Sieben Euro Parkgebühr für etwas mehr als zwei Stunden hatte ich berappt, natürlich nur mit EC-Karte zahlbar. Ich blickte kurz in den blauen Sommerhimmel: Nein, keine Drohne weit und breit. Derer hätte es auch nicht bedurft, denn der Parkplatz war, wie viele Orte in Den Haag, sowieso videoüberwacht. Schöne neue Welt. Clockwork Oranje.

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