kulturschwärmer Juni 2012

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bastianehl.com

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Was haben die Einkaufsfläche in Downtown-Magdeburg und das klassische Wetter miteinander gemeinsam? Richtig! Beide kennen neben knallharten Analysen und Messungen das schöne Wort „gefühlt“. Mag das Thermometer am, ähm, sagen wir mal zufällig: am Blauen Bock, noch so stur in Quecksilber gemeißelte Gradzahlen anzeigen – „gefühlt“ würden geschätzte 99,9 Prozent der Bevölkerung Stein und Bein schwören, dass es soundsoviel Grad kälter oder wärmer ist. Genauso ist‘s mit der Einkaufsfläche im Perlmutbereich der charmanten Miesmuschel an Elbe: „Gefühlt“ würden ebenfalls 99,9 Prozent der Magdebürger domfelsenfest davon überzeugt sein, dass die Landeshauptstadt ausreichend mit Kaufhallen jeglicher Coleur gesegnet ist. Und vielleicht etwas anderes als Einzelhandel für die verbliebenen „Filetstücke“ der City, wie z.B. den Blauen Bock, als positiv „gefühlvoll“ empfinden. Aber wie beim Wetter kommt man auch beim Einkaufsflächenbedarf nicht an den knallharten Tatsachen vorbei: Denn „Experten“ (Volksstimme), also die von Aengefeldt-Immobilien, verkündeten neulich in der Tagespresse, dass Magdeburg in der City noch erheblichen Nachholbedarf bzgl. Flächen für potentielle Einzelhandelsinsolvenzen hat, um Dörfer wie München oder Berlin endgültig in die Schranken verweisen zu können. Aber keine Panik – die Rettung ist nah: Ebenfalls in der Tagespresse war fast zeitgleich zu lesen, dass der für den Herbst anvisierte Verkauf des Blauen Bocks unter der („Experten“-)Regie von Aengefeldt-Immobilien glücklicherweise der Innenstadt soundsoviel tausend Quadratmeter Verkaufsfläche mehr bescheren wird... So fügt sich eines zum anderem, und die Magdebürger werden bezüglich ihrer „gefühlten“ innerstädtische Einkaufssituation medial vorsorglich eines Besseren belehrt. Ob das dann auch zur Wohlfühltemperatur in der City führt – wer weiß. Aber irgendwie klingt es wie ein Abschied von der kritischen Auseinandersetzung mit einer Stadt, die nicht nur „gefühlt“ mehr zu bieten haben sollte als Einkaufsflächen...

& Abschied...

Willkommen...

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Bis vor kurzem konnte man noch zweifeln am Großstadtfeeling unserer Landeshauptstadt: Während es in anderen Metropolen fast schon zum guten Ton gehört, jahrelang über Großbauprojekte zu streiten - über deren Nutzen, deren Kosten und deren Prestige – war es in Magdeburg verdächtig ruhig geworden um den Tunnel, welcher stauentlastend die Innenstadt unterkellern soll. Nach mehr oder weniger intensivem Heckmeck schien klar zu sein, dass der Tunnel kommt und dass in zwei Jahren am Damaschkeplatz die hübschen „Eltern haften für ihre Kinder“-Schilder aufgestellt werden. Es herrschte provinzielle Ruhe im Karton: Keine Demos, keine Wasserwerfer, keine hitzig geführten Debatten über „explodierende Kosten“. Andere Städte nutzen ihre Großbauprojekte, um es bundesweit in die Leitmedien zu schaffen. Magdeburg zog es vor, die Tunnel-Bälle flach zu halten – und schien damit die Chance zu verspielen, auch mal in einem Atemzug mit Leipzig (Citytunnel), Dresden (Waldschlösschenbrücke), Hamburg (Elbphilhamonie) und Stuttgart (21) genannt zu werden. Bis jetzt. Denn glücklicherweise hat sich mit dem BUND und dem City Carré endlich jemand ein Herz gefasst, um mit der Klage-Keule den Weg für weitere medial interessante Kapitel zum Tunnelthema freizuhauen. Die Chancen sind somit nicht schlecht, dass durch die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss mindestens Terminverzögerungen entstehen, die (denn Zeit ist ja bekanntlich Geld) das geflügelte Wort von den „explodierenden Kosten“ dann auch real untermauern. Insofern darf man die Klagen gegen den Tunnel guten Gewissens willkommen heißen und sich darüber freuen, dass es sich auch in Magdeburg trefflich und großstädtisch über große Bauvorhaben endlos streiten lässt. Welches putzige Tierchen dann zu gegebener Zeit die Rolle der Kleinen Hufeisennase (damals in Stellung gebracht gegen die Waldschlösschenbrücke) übernimmt, kann später ja der Magdeburger Zoo mittels Abstimmung entscheiden lassen...

06.12

Es wird Juni


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