kulturschwärmer Juni 2012

Page 11

Kino & Film

06.12

Von Müttern und Töchtern Gesehen: Mit Die Liebenden entwirft Christophe Honoré ein bittersüßes Melodram, das noch bis 06. Juni auf dem Moritzhof zu sehen ist. eine Mutter war ein Hure“ sagt Véra (Chiara Mastroianni) zu Beginn aus dem Off und in ihrer Stimme klingt keinerlei moralische Verurteilung, vielleicht sogar ein wenig Stolz. Eher zufällig wird die Schuhverkäuferin Madeleine (Ludivine Sagnier) im Paris der sechziger Jahre zur Nebenerwerbsprostituierten. Aber eines Tages nimmt der junge tschechische Arzt Jaromil (Rasha Bukvic) ihre Dienste in Anspruch und es dauert nicht lange, bis sie ihm nach Prag folgt, wo das frisch verheiratete Paar schon bald eine Tochter bekommt. Als die Russen einmarschieren und sich Jaromil schon längst mit einer Anderen vergnügt, kehrt Madeleine mit dem Kind nach Paris zurück. Während Madeleine selbst als Dame im fortgeschrittenen Alter (hier gespielt von Catherine Deneuve) ein Kind der libertären Sechziger und eine ewig glücklich unglückliche Liebende bleibt, ist ihre Tochter Véra ein Produkt der Achtziger, in denen mit dem Aufkommen von AIDS die Liebe ihre Unbeschwertheit verloren hat. Als sie in London den Amerikaner Henderson kennenlernt und der ihre Avancen höflich zurückweist, weil er

senator

M

schwul ist, wird er für sie zum perfekten, unerreichbaren Geliebten. In Die Liebenden entwirft Regisseur Christophe Honoré eine generationsübergreifende Liebesdramödie. Einerseits wird hier die Leichtigkeit, mit der die Elterngeneration in den Sechzigern sich in der Liebe ausprobiert hat, der Beziehungsunfähigkeit der Kinder des AIDS-Zeitalters gegenübergestellt. Andererseits zeigt Honoré auch, wie sehr die Töchter, die versuchen sich von der Lebensweise der Mütter abzugrenzen, deren Verhaltensmuster unbewusst wiederholen. Dass es in der Welt immer Liebende und Geliebte gibt und es nur Wenigen vergönnt ist, in beiden Rollen aufzugehen, ist die bittersüße Erkenntnis des Films, der allerdings mit 135 Filmminums ten deutlich überdimensioniert wirkt.

Der Tag vor der Verbrennung

D

er Gewaltexzess ging bundesweit durch die Medien: In der Nacht zum 16. Juni überfielen zwei Jugendliche in der brandenburgischen Kleinstadt Beeskow einen Obdachlosen und steckten ihn in Brand – aus Frust, weil bei ihm keine Wertsachen zu holen waren. Regisseur Christian Klandt, selbst in Beeskow aufgewachsen, begibt sich im fiktionalen Spielfilm Weltstadt auf die Suche nach dem Warum und erzählt (nicht nur) die Geschichte der Täter in den 24 Stunden vor der Tat – ohne vorschnell vermeintliche Antworten zu geben: Da ist Till (Florian Bartholomäi), der gerade seine Malerlehre aufgab und keine Ahnung hat, was er mit seinem Leben anfangen will. Ähnlich geht es auch seinem Freund Karsten (Gerdy Zint), der keinen Schulabschluss hat, Sozialstunden in einem Obdachlosenheim ableisten muss. Dazu kommen Tills Vater, Polizist der Kleinstadt, seine Freundin Steffi und auch Heinrich, kulturschwärmer

Vorgänge » 06

Bühne » 14

Musik » 24

der seine Imbissbude aufgeben muss. Ihre Geschichten komprimiert Weltstadt in den 24 Stunden vor dem Verbrechen an dem Obdachlosen, nachts auf einer Parkbank in Deutschland... „Wir haben uns für diesen Film entschieden, da er die Thematik sehr gut reflektiert“, erklärt Prof. Dr. Jochen Fuchs von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Im Rahmen eines Projekts des Studiengangs Soziale Arbeit, welches sich mit Obdachlosigkeit beschäftigt, zeigen Fuchs und seine Studierenden „Weltstadt“ am 05. Juni im OLi-Kino. Zudem wurde zur Filmvorführung Regisseur Christian Klandt eingeladen, der im Anschluss mit dem Publikum die Weltstadt-Thematik diskutiert. jd/avb Literatur » 30

Kunst » 32

Kinder » 36

Termine » 38

Adressen » 58

x-verleih

Am 05. Juni zeigen Studierende der Sozialen Arbeit im OLi-Kino den Film Weltstadt, der in 24 Stunden der Frage nachspürt, warum zwei Jugendliche 2004 einen Obdachlosen verbrennen wollten.

11


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.