Ostwest

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24. Mai 2014 Vor dem Gewinner der Präsidentschaftswahl in der Ukraine liegt die gewaltige Herausforderung, das Land zu stabilisieren. 21 Politiker sahen sich der Aufgabe gewachsen und reichten ihre Kandidatur ein, zwei zogen diese zurück.  Als Nachfolger des nach Russland geflüchteten Chefs der Partei der Regionen, Viktor Janukowitsch, wird der neue Staatschef laut bestehender Verfassung die Außen- und Verteidigungspolitik bestimmen. Die aussichtsreichsten Kandidaten erklärten, dass sie den Europa-Kurs fortsetzen wollen. Unterschiede gibt es bei der Frage des Umgangs mit dem Nachbar Russland. Ein politisch wendiger Schokoladenfabrikant Realistische Chancen auf den Gewinn werden nur Pjotr Poroschenko eingeräumt. Der 48-jährigen Inhaber des Süßwarenimperiums "Roshen" kann Umfragen zufolge mit 45 Prozent der Stimmen rechnen. Allerdings könnte er in der ersten Runde die absolute Mehr-

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heit verpassen. Spätestens bei einer Stichwahl am 15. Juni wird ihm aber der Sieg vorausgesagt.  Der schwerreiche Unternehmer ist politisch sehr wendig. Er war Außenminister im Kabinett von Viktor Juschtschenko, dem Präsidenten nach der Revolution in Orange. Unter dessen politischem Gegner, Präsident Viktor Janukowitsch, war Poroschenko einige Zeit Wirtschaftsminister. Als sich in Kiew der Protest gegen Janukowitsch wegen der Ablehnung des EU-Assoziierungsabkommen formierte, stellte sich Poroschenko offen hinter die Maidan-Bewegung und war einer ihrer wichtigsten Geldgeber.  Recht pragmatisch und kompromissbereit will er auch als Präsident vorgehen. Er unterstützt enge Beziehungen zur EU und verspricht visafreie Reisen noch im ersten Jahr seiner Amtszeit. Er ist aber gegen einen NATO-Beitritt und strebt eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland innerhalb von drei Monaten an. In den vergangenen Wochen reiste er zusammen mit dem Oppositionspolitiker und Box-Weltmeister

Vitali Klitschko in europäische Hauptstädte und traf auch Kanzlerin Angela Merkel.  Einen Neustart in der Innenpolitik will er mit Parlamentswahlen im Herbst garantieren. Russisch soll besonders geschützt werden, Ukrainisch aber die einzige Amtssprache bleiben. Auch sprach er sich für die Fortsetzung der "Anti-Terror-Aktion" gegen militante Separatisten im Osten der Ukraine aus. "Wir müssen Recht und Ordnung wieder herstellen", erklärte er. Bei einem Wahlsieg will der Oligarch seinen Süßwarenkonzern verkaufen. Polarisierende Ex-Regierungschefin An zweiter Stelle der Umfragen liegt Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die nach dem Umsturz in Kiew aus dem Gefängnis freikam. Umfragen sehen sie weit abgeschlagen bei sechs bis 7,5 Prozent.  Ganz offenbar wirkte ihr Versprechen für einen Kampf gegen die Oligarchie und für Gerechtigkeit wenig glaubwürdig,


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