Heimfocus #13 - 05/2013

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No 13 • 05 / 2013

STIMME FÜR MENSCHEN

Wer offen ist, kann mehr erleben. Die Würde des Menschen ist unantastbar Teil 11 „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen …“ Weiter auf S.5

Der letzte Mann an Bord Was wird wohl in dem einzigen Überlebenden gestorben sein, der inmitten von Leichen als Letzter übrig blieb? Weiter auf S.10


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Inhalt-Inside Pages Editorial ...................................................................................................................................................................... 3 DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR Angstschweiß in Blauweiß?......................................... 4 Meine Stimme Versprochen ist versprochen! ........................................................................................................... 8 Projekte: Integration leichtgemacht Sprachkurse in Ringheim ........................................................................ 9 Der letzte Mann an Bord Flüchtlingsdrama und Hintergründe . .......................................................................... 10 Fata Morgana der Freiheit Maneis Arbabs Karikaturenausstellung .................................................................... 13 Wie wertvoll Freiheit und Demokratie sind Karikaturen-Ausstellung ........................................................... 14 Mutig für Menschenwürde Streetwork Würzburg .............................................................................................. 16 Mensch Eyerusalem aus Äthiopien ............................................................................................................................20 Sie töten uns hier, ganz langsam Asylbewerber-Unterkunft in Brandenburg .................................................. 22 Alles Wirtschaftsflüchtlinge? Deutsche Waffenexporte und Fluchtgründe . ..................................................... 24 Gebet der Vereinten Nationen .......................................................................................................................... 27 Willkommen, Lächeln, Sonnenschein Bundespräsident Gauck in Äthiopien ................................................. 28 7 endlose Jahre Somalischer Flüchtling in Nepal .................................................................................................... 30 7 endless years Somali refugee in Nepal . ............................................................................................................... 32 Interview „ Wir denken immer positiv!“ .................................................................................................................... 34 Aktuelle Veranstaltungen der KHG Würzburg zu Flucht und Asyl ........................................................ 37 Flucht.Asyl.Immigration Filmfestival Würzburg ................................................................................................. 38 Die Kirche von Lalish Erinnerungen eines jesidischen Flüchtlings ........................................................................ 42 Till GU-Spiegel Asyl-Survival-Challenge 2013 ......................................................................................................... 44 Impressum und Infos ............................................................................................................................................ 46

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Editorial

Der Wind bläst ins Gesicht Der Wind des „arabische Frühlings“, zutreffender „Arabellion“ genannt, wirbelte von Tunesien aus Algerien, Libyen, Ägypten und Jemen auf und zieht nun eine grausame und blutige Spur durch Syrien. Er zwang Millionen Menschen in die Flucht und in eine ungewisse Zukunft als Flüchtlinge in anderen Ländern. Das Flüchtlingsproblem beschränkt sich jedoch nicht nur auf ein Land oder eine Region, sondern ist eine weltweite Tragödie von über 40 Millionen entwurzelten Menschen. Aus Furcht vor Gewalt, Verfolgung und Folter verlassen sie ihr Zuhause auf der Suche nach Sicherheit in anderen Gesellschaften, wo sie dann oft genug eine Randexistenz führen. Aktuell sind hunderttausende Syrer aus ihrer Heimat geflohen oder noch auf der Flucht. Tausende unschuldiger Zivilisten sind verwundet oder getötet worden. Dies wie auch all die anderen Flüchtlingsdramen sind eine lange Geschichte von unsagbarem Leid.

Heimat überleben und bleiben. Das wirft zurecht die Frage auf, die wir in einem Artikel dieser Ausgabe stellen: „Alles nur Wirtschaftsflüchtlinge?“

Innenminister Hans-Peter Friedrich bestätigte, spätestens ab Juni 3000 Syrer aufzunehmen, weitere 2000 sollen später folgen als Antwort auf die „zunehmend schwierige“ Lage.

Im Augenblick erreicht die Zahl der syrischen Flüchtlinge Rekordhöhen. Auch aus anderen Ländern fliehen Allein im bitterarmen, kleinen jedoch weiter Menschen nach Jordanien mit seinen rund 7 Millionen Deutschland, sei es aus Afghanistan, Einwohnern sind es über 500.000 Irak, Iran oder aus afrikanischen syrische Flüchtlinge, zusätzlich zu vielen Ländern wie Äthiopien, Eritrea oder anderen aus dem Irak, aus Afghanistan, Somalia. „Jedes gute Geschenk Armenien usw. Demgegenüber kommt von oben“, so sagt man. berichten „The Local German English Und jedes schlechte, negative aus News online“ und andere Medien, dass den Niederungen, so möchte man sich das wohlhabende Deutschland mit hinzufügen. Das Leben und die Zukunft

Dahinter verbirgt sich jedoch eine kritische Frage: Warum sind all diese Menschen gezwungen, zu fliehen? Woher kommen all die Waffen, die Gewalt und Tod säen? Wer profitiert davon? In keinem der Waffen exportierenden Länder ist die eigene Bevölkerung bedroht und muss militärisch verteidigt werden. Die Waffen werden für den Export produziert, ein tödliches Bombengeschäft. Allein die Schusswaffenschmiede Heckler und Koch liefert in 139 Länder! So werden weit weg, in anderen Teilen der Welt , © C.Hutabarat unzähligen Akteuren die Werkzeuge für Leid und Tod in die Hand seinen fast 82 Millionen Einwohnern der Flüchtlinge hängen von den der dramatischen Verantwortlichen in der Asylpolitik ab, gegeben. Wenn die Waffenhändler angesichts ihre Lieferungen einstellen würden, Zustände in Syrien bereit erklärt hat, was diese auch beschließen. Dagegen könnten Millionen Menschen in ihrer 5000 Flüchtlinge aufzunehmen. Der haben die Flüchtlinge keine Chance.


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4 Das gilt für die deutsche wie auch die europäische Asylpolitik. So klärten wir unsere Leser in der vorletzten Ausgabe darüber auf, dass EU-weit eine sehr weit gefasste EU-Richtlinie künftig ermöglichen soll, sämtliche Flüchtlinge willkürlich zu kriminalisieren und in Gewahrsam zu nehmen. Diese Richtlinie ist nun beschlossen worden, gegen erbitterten Widerstand von M ens chenrech t s organis a tion en. So ist künftig jeder Flüchtling der Gefahr ausgesetzt, überall und aus nichtigem Anlass vom Träger der Friedensnobelpreises in Haft genommen zu werden. Nicht nur die allgemeine Lage vieler Flüchtlinge ist belastend und kritisch. Wie wir gehört haben, gibt es Flüchtlinge, die seit Monaten oder gar seit mehr als einem Jahr nichts mehr vom Bundesamt gehört haben, obwohl ihr drittes und entscheidendes Interview zur Aufnahme eines Asylverfahrens noch nicht stattgefunden hat. Ohne dieses Interview gibt es keine

Entscheidung, ob das Asylverfahren überhaupt aufgenommen wird. Die Asylsuchenden warten nun in den Lagern in Ungewissheit, Verwirrung und Depression. Dazu kommt noch die fehlende Sinn stiftende Struktur des Lagerlebens: Essen, Schlafen, Fernsehschauen, Warten... Meist fehlt auch der Zugang zur Integration mit der lokalen Bevölkerung. Lesen Sie dazu auch unseren aktuellen Bericht: „Sie töten uns hier drin, ganz langsam...“. Kürzlich stattete die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer der Würzburger Unterkunft einen Besuch ab und diskutierte mit geladenen Teilnehmern über die Situation der Asylbewerber – jedoch nicht mit den Asylbewerbern selbst. Das einzige Ergebnis dieses Gesprächs sind die in Aussicht gestellten Deutschkurse für alle Asylbewerber in Bayern. Der Sprachkurs ist ein wirksames Mittel der Integration, insofern ist dies ein bedeutender Schritt. Nun besteht Hoffnung, dass alle Flüchtlinge und

AHa. Effekt?

Asylbewerber in Bayern ihre eigene Stimme zurückbekommen und selbst für sich sprechen können. Es ist eine große Aufgabe, die individuellen Bedürfnisse der Flüchtlinge zu befriedigen. Ihre dringendsten grundsätzlichen Anliegen außer der Kommunikationsfähigkeit verlangen jedoch nach einer Lösung: zügige Entscheidung in den Asylverfahren, Bewegungsfreiheit in ganz Bayern, die Freiheit, sich Lebensmittel und Kleidung frei beschaffen zu können usw. Aus welchem Grund oder auf welchem Weg die Flüchtlinge auch immer gekommen sein mögen, sie brauchen Unterstützung und würdige Behandlung, solange ihr Schicksal von Entscheidungen der Asylpolitik abhängt. Vielleicht könnte dort, wo jeder Bürger aktiv werden kann, unser aktueller Projektbericht „Stadt der Zuflucht“ als Anregung dienen. Heimfocus Redaktion


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Die Würde des Menschen ist unantastbar

Angstschweiß in Blauweiß?

Teil 11

Denk - und Merkwürdiges rund um den Besuch von Staatsministerin Haderthauer in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft.

Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen... Nein, es geht hier nicht um die leidigen Essenspakete, obwohl diese sehr wohl ein wesentlicher Bestandteil der repressiven bayerischer Asylpolitik sind. Es geht auch nicht darum, einer Ministerin den ignoranten Ausrutscher zu unterstellen, welchen einst Marie Antoinette zum Besten gegeben haben soll. Doch die Geschichten gleichen sich: Kann man so wenig Einsicht in die Lebenswelt der Mitmenschen haben (wollen!), so wenig von ihren wirklichen Nöten wissen (wollen!) und sie so wenig ernst nehmen? Man kann. Nüchterne Sachkenntnis, die den Menschen auf einen Verwaltungs- und Kostenfaktor reduziert, heißt noch lange nicht, das Wesentliche begriffen zu haben: Der Mensch, jeder Mensch im eigenen Wirkungsbereich ist mit seiner Würde und mit seinen dringenden Bedürfnissen ernst zu nehmen. Das ist das Fundament jeder guten Politik, die ihre Daseinsberechtigung und ihr Mandat nicht aus den Augen verloren hat. Wer staatliche Fürsorge verbissen auf möglichst restriktive Auslegung gesetzlicher Rahmenbedingungen minimiert, wer menschliche Not ignoriert oder gar leugnet, der kommt Marie Antoinette ziemlich nahe. Schade, dass die Inhalte des Gesprächs mit Staatsministerin Haderthauer in der medialen Empörung über ihre

(c)Maximilian Sturm

Reaktion auf die draußen wartenden ist migrationspolitisch nicht zu Flüchtlinge untergegangen sind. relativieren“. Dabei werfen sowohl die Diskussion als auch der Eklat vor der Tür die Frage Was in der bayerischen Asylpolitik auf, ob die entscheidende Feststellung dringend anders werden muss, des Bundesverfassungsgerichts haben Frau Haderthauer und alle in seinem Urteil zum Verantwortlichen schon unzählige Asylbewerberleistungsgesetz vom Male von den Betroffenen selbst Juli 2012 endlich auch in Bayern wie auch von denen gehört, die angekommen ist: „Menschenwürde sich solidarisch auf die Seite der


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6 Asylbewerber und Flüchtlinge stellen. An Sachkenntnis mangelt es der Ministerin gewiss nicht; die Not in den großen wie auch abgelegenen kleinen Unterkünften dürfte ihr bekannt sein. Das gehört zu ihrem Job. Niemand von den Verantwortlichen kann behaupten, er wüsste nicht, woran die Flüchtlinge leiden und mitunter zerbrechen. Die brennenden Forderungen nach Grundrechten wie Freiheit und Selbstbestimmung sind immer gleich. Umso verwerflicher sind die Kälte und Entwürdigung als roter Faden der bayerischen Asylpolitik. Sie setze doch nur um, was der Landtag beschlossen habe, so rechtfertigt sich die Ministerin. Und der sei mehrheitlich eben nicht zu weiteren Zugeständnissen an die menschenwürdige Behandlung Asylsuchender bereit. Doch so einfach ist es nicht. Wenn man sich den Grundrechten der Menschen wirklich verpflichtet fühlt, wird niemand einen davon abhalten können, sich immer und überall für sie einzusetzen. Ein Ministerium hat Gestaltungskompetenzen und Spielräume, oder etwa nicht? Das bekannte Spiel, die Verantwortung für Missstände anderen in die Schuhe zu schieben, ist und bleibt eine ebenso beliebte wie erbärmliche Taktik. Die Bezirke, Landkreise und Kommunen bekommen die Ausführung der ministeriellen Vorgaben aufs Auge gedrückt und werden damit oft im Regen stehen gelassen. Auch dort stinkt oder duftet der Fisch sehr wohl von Kopfe her, er zappelt dabei jedoch im Münchner Netz. Überall, auch dort, muss endlich gelten: Fremdenfeindliche oder gar rassistische Gesinnung, egal in welcher Verpackung oder politisch entscheidender Position, ist außerhalb der Toleranzgrenzen freiheitlicher Demokratie. Sie ist deren Bedrohung und sollten so benannt und bekämpft werden. Nennen wir die Dinge beim Namen: Die menschenverachtende bayerische Asylpolitik ist offensichtlich die in Gesetze und Verordnungen gegossene Haltung weiter Teile der bayerischen (Noch-) Staatspartei. In deren Reihen ringt eine sehr überschaubare Zahl

wacker darum, dem „C“ und „S“ im Namen gerecht zu werden. „Mehr ist derzeit politisch nicht durchsetzbar“ als Erklärungsversuch für die mickrigen Schrittchen in der Asylpolitik, das ist ein moralischer und christlicher Offenbarungseid der verstockten Bewahrer. Bewahrer von was und für welche Zukunft, das ist die Frage. Wer so wenig Mut, Gestaltungswillen

Willkommenskultur und Gerechtigkeit gefällt? Und ferner noch immer nicht zu begreifen scheint, dass er sich damit ins eigene Fleisch schneidet, wenn er das Potenzial der Asylbewerber so gering schätzt und verkommen lässt? Auf der Suche nach Antworten steigen aus dem bedrohlichen Nebel aus Fehlinformation, Vorurteilen und diffusen Ängsten

unrühmliche Vokabeln auf wie Rassismus mit seiner elitären Diskriminierung in Menschenklassen, Menschenverachtung und das Schreckgespenst der „Überfremdung“ – aber damit auch ein gestörtes und Was ist los mit dem bundesweiten klägliches Selbstbild. Primus in Wirtschaftskraft und Prosperität, wenn er sich immer Ja, warum denn soviel Angstschweiß noch in der Rolle des verzagten in Blauweiß? Es gibt keinen objektiven Hinterbänklers in Sachen Grund dafür in einem Land, in dem

und Vertrauen eine bunte, vielfältige Zukunft hat, die schon längst begonnen hat, ist Bewahrer der Asche, nicht Hüter des Feuers. Das ist nicht gut, für niemanden.


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13 / 2013 sich die Regale im Supermarkt biegen, in dem so viel gereist und konsumiert wird, in dem kostenlose Schulen und beste medizinische Behandlung selbstverständlich sind. Woran es uns mangelt, ist Verteilungsgerechtigkeit und Teilhabe aller an der Gesellschaft. Woran es uns noch fehlt, das sind Bodenhaftung, Demut, Zivilcourage – und eben Willkommenskultur. Die wird gegenüber Flüchtlingen eher so verstanden, auch in der Politik: Du bist weniger wert als ich. Du bist mir lästig und fremd. Ich will dich hier nicht haben, ich will mit dir nicht teilen. Ich bin so gemein zu dir, wie es geht, damit du gehst. Steht das für eine gefestigte, offene, selbstbewusste Gesellschaft? Eine Gesellschaft, die ihre Werte und Grundrechte ernst nimmt und allen zugesteht? Das Problem ist in den eigenen Köpfen, nicht bei den Asylsuchenden.

verständigen zu können ist ein Riesenschritt aus der Isolation und Hilflosigkeit heraus und auf die Gesellschaft des Gastlandes zu. Heimfocus wird gerne über die zügige Umsetzung dieses Beschlusses berichten. Es ist wichtig und gut, miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam nach Lösungen für brennende Missstände zu suchen. Es wäre wünschenswert, es öfter und ausgiebiger zu tun, wenn aufrichtige Bereitschaft zu Veränderungen und Fortschritt vorhanden ist. Und wenn man sich mit Respekt begegnet. Die medizinisch wie ethisch gut begründete Kritik an der krank machenden Lagerunterbringung aus dem Mund eines für seine Integrität und Expertise geschätzten Mediziners mit den Worten: „Wollen Sie etwa das Asylrecht abschaffen?“ abzukanzeln,

gehört nicht dazu. Es ginge in allen Punkten auch anders, wenn man wollte, das führen uns andere Bundesländer zur Genüge vor. Warum ausgerechnet Bayern, das sich sonst in der Rolle des Klassenprimus gefällt, hier gerne das Schlusslicht gibt, bleibt nicht nur ein Geheimnis jener Partei, die sich in ihrem Namen auf einen Gottessohn beruft, dessen Botschaft und Handeln sich herzlich wenig in ihrem Tun widerspiegeln. Es ist eine unmissverständliche Anfrage an uns alle. Soviel österliche Nachlese muss sein.

Nein, wir können nicht zufrieden sein mit dem Ergebnis dieser Diskussion mit einer Staatsministerin, die in fast allen wesentlichen Punkten keinerlei Bewegung zeigte. Dazu gehören nach wie vor die Basisforderungen nach Bewegungsfreiheit im ganzen Bundesland, nach Bargeld statt Sachleistungen, nach Abschaffung des Wohnzwangs in Unterkünften unter krank machenden Bedingungen und ohne ausreichende soziale Betreuung. Vieles davon ist in den meisten anderen Bundesländern schon Alltag. Das Rad ist schon erfunden. Dass zumindest in einem Punkt Erfreuliches zu vermelden ist, ist den deutlichen Worten von Bischof Dr. Hofmann und der evangelischen Dekanin Frau Dr. Weise zuzuschreiben sowie den sichtlich um jeden kleinen Fortschritt ringenden Landtagsabgeordneten Barbara Stamm und Oliver Jörg. Diese waren es auch, die nachfolgend im Landtag die Zustimmung zum einzigen Erfolg durchgesetzt haben: Zu flächendeckenden Sprachkursen für Asylbewerber und Flüchtlinge in Bayern. Auch die ehrenamtlichen Diskussionsteilnehmer, die sich leidenschaftlich dafür einsetzten, die Mitmenschen in den Unterkünften aus ihrer Sprachlosigkeit herauszuholen, freuen sich über diese Zusage. Sich

ÖDE, ODER? Wer offen ist, kann mehr erleben. © Interkulturelle Woche 2013

Eva Peteler


Meine Stimme

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Versprochen ist versprochen! Wer sind denn Flüchtlinge? Das sind jene Mitmenschen, die von ihrer Heimat in ein fremdes Land geflohen sind, das sich oftmals in seiner Kultur, Sprache, sozialer Struktur und vielleicht auch in der Religion stark vom vertrauten Ursprungsland unterscheidet. Es ist hinreichend bekannt, dass diese Menschen aus vielen verschiedenen Gründen nicht zurückkehren können. Dies können Furcht vor Verfolgung und Folter wegen ihrer politischen Überzeugung, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion sein oder aber geschlechtsspezifische und verschiedene persönlich bedrohliche Gründe. Wenn diese Menschen dann als Flüchtlinge in das neue Zielland kommen, haben sie jedoch mit neuen Schwierigkeiten zu kämpfen. Eine der größten Herausforderungen ist dabei die Sprachbarriere.

Möglichkeit, deutsch zu lernen, mehr wert als ein Geschenk von tausend Euro! Das hat für uns eine große Bedeutung und erleichtert unser Leben. Wir können uns endlich mit den Menschen hier verständigen und auch damit anfangen, die Amtsbriefe selbst zu lesen.“

hielt die bayerische Staatsregierung bisher nichts davon, Flüchtlingen selbst nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland den Spracherwerb zu ermöglichen, solange sie nicht anerkannt waren. Nicht ein einziger Flüchtling war selbst als bloßer Beobachter, geschweige denn als Diskussionsteilnehmer Ein pakistanischer Flüchtling merkte zu der Gesprächsrunde mit der an: „Meine Englischkenntnisse sind Ministerin zugelassen. Draußen vor nicht genug, um hier leben zu können. der Tür harrten jedoch Scharen von Ich freue mich sehr darauf, Deutsch Asylbewerbern in der Kälte aus, um zu lernen. Ohne Sprache ist es schwer, Frau Haderthauer ihre Situation vor seine Zukunft zu bewältigen.“ Augen zu führen. Das war jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen; die Ein äthiopischer Flüchtling, der schon Ministerin hastete zu ihrem Fahrzeug länger in der Würzburger Unterkunft und verließ so schnell wie möglich lebt, meinte, zusätzlich zu den vielen den Ort, ohne auch nur zumindest gewichtigen Problemen, die das Leben mit einer menschlichen Geste auf die als Flüchtling mit sich bringe, sei die Wartenden zuzugehen. Sprachbarriere ein großes Hemmnis Die Unterstützer der Asylbewerber, im Alltagsleben: „Bei mir wirkt es die an der Diskussion teilgenommen sich so aus: Ich habe nun die Erlaubnis, hatten, berichteten: „Wir kämpften Unlängs t diskutier te die hier zu bleiben, doch nach drei Jahren Punkt für Punkt dafür, dass sich bayerische Sozialminis terin des Wartens in Sprachlosigkeit Bayern endlich in den grundlegenden Chris tine Haderthauer in der habe ich nun Angst davor, mit den Forderungen bewegt, die in Würzburger Gemeinschaftsunterkunft Einheimischen zu kommunizieren und anderen Bundesländern schon mit Vertretern der Regierung und spüre Unsicherheit, die mich an der längst umgesetzt sind. Doch das der beiden großen Kirchen, mit Integration hindert. Ich brauche für Zugeständnis von Sprachkursen war Landtagsabgeordneten sowie haupt- jede Kleinigkeit einen Dolmetscher.“ schließlich alles, was wir erreicht und ehrenamtlichen Unterstützern haben. Das war ein großer Schritt, über die Situation der Flüchtlinge und Die Sprache spielt die Schlüsselrolle dem aber noch viele folgen müssen. beim Kennenlernen von Kultur, Damit können und werden wir uns Asylbewerber. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht zufrieden geben!“ „Als ich von dem Besuch der Ministerin eines Landes. Die meisten Menschen hörte, war ich froh und enttäuscht sind froh, wenn sie sich in einer Damit sprechen sie eben jene Hürden zugleich“, so ein kurdischer Flüchtling. Fremdsprache ausdrücken können. an, die neben der sprachlichen Umso mehr gilt es dann, wenn man als Barriere den Flüchtlingen Tag für „Ich war froh, zu hören, dass wir nun Flüchtling in einer fremden Umgebung Tag das Leben schwer machen. Eine die Möglichkeit bekommen sollen, ohne Sprache immer hilflos bleibt. zügige Bearbeitung des Asylantrags Deutsch zu lernen, andererseits war Die Sprache macht einen großen gehört ebenso zu den Forderungen ich enttäuscht darüber, dass nicht ein Unterschied im Selbstwertgefühl, wie die Bewegungsfreiheit wenigstens einziger Flüchtling zu der Diskussion im Selbstbewusstsein und der innerhalb des Bundeslandes. Wir eingeladen war.“ Grundhaltung gegenüber den warten darauf, dass sich viele Dinge Herausforderungen, die es zu endlich ändern, damit unser Leben Ein anderer Flüchtling aus Armenien bewältigen gilt. Und auf der hier erträglich wird. Das hängt von meinte: “ Für jemanden, der als anderen Seite freuen sich auch den Entscheidungen der Politik ab. Wir Flüchtling mit einer gänzlich neuen die einheimischen Bürger, wenn hoffen indes, dass Frau Haderthauer Kultur konfrontiert wird, ist die man sich als Ausländer in ihrer Wort hält und uns wenigstens das Chance, die Sprache zu lernen, der Landessprache verständigen kann. Erlernen der deutschen Sprache wichtigste Schritt.“ Das erleichtert die Kommunikation ermöglicht. für beide Seiten und ermöglicht das Versprochen ist versprochen! Ein Mann aus Afghanistan, seit sechs Verständnis füreinander. Für eine Monaten in der Unterkunft, drückte es zügige Integration ist die Sprache Addis Mulugeta so aus: „Für einen Asylbewerber ist die unverzichtbar. Aus eben diesem Grund


Projekte

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Integration leicht gemacht– beispielhaft in Ringheim

Der großen Aufgabe, im Erwachsenenalter noch eine neue Sprache zu erlernen, die in Klang und Melodie keinerlei Anhaltspunkte liefert, stellen sich in Ringheim 26 Männer aus Pakistan. sind die fremden Schriftzeichen und die Aussprache, die mit ihrer Muttersprache nichts zu tun hat. Aber diese Schwierigkeiten sind ihnen egal. Alles in ihrem Leben ist derzeit ziemlich schwierig. Sie wissen nicht, ob sie überhaupt in Deutschland bleiben können. Asylverfahren in Deutschland sind langwierig, kompliziert und enden häufig negativ. Entweder stellen die Behörden keine politische oder religiöse Verfolgung fest, vermuten Armut als Fluchtgrund – oder es wird ganz amtlich auf die sogenannte Drittstaatenregelung verwiesen. Die sieht vor, dass der Asylbewerber ohne inhaltliche Prüfung seines Antrags in den sicheren Drittstaat abgeschoben Die Männer lassen keinen wird, über den er nach Deutschland Deutschkurs aus. Dreimal in der eingereist ist. Woche setzen sie sich mit ihren An den Unterrichtstagen können Kursleitern im Infoladen Ringheim an sie dies verdrängen, können lernen, die zusammengeschobenen Tische können ihr Leben aktiv gestalten und pauken Deutsch. Buchstaben, und sind nicht nur ein Spielball der Zahlen, erste Wörter – ein kurzer Satz. Umstände. Die größten Probleme der Pakistani Der Deutschkurs ist mittlerweile

Knapp 2000 deutsche Wörter muss ein Schüler parat haben, um einen Text inhaltlich zu verstehen. Die Ziele von 26 Männern in Ringheim sind vorerst deutlich bescheidener. Es beginnt mit 26 Buchstaben, 26 Zeichen, die einige von ihnen zuvor nie gesehen haben – dem deutschen Alphabet. Seit Oktober vergangenen Jahres sind die Pakistani in Deutschland. Sie sind geflüchtet vor Terror, Krieg und bitterer Armut. Doch hier trennen sie mehr als 26 Buchstaben und 7000 Kilometer von der Heimat. Sie sprechen kein Deutsch, haben eine andere Kultur, sind anders sozialisiert. Es ist eine andere, eine unbekannte Welt – hier in Ringheim.

fester Bestandteil geworden im eintönigen Tages- und Wochenablauf. Diese Menschen aus Pakistan sind eine sehr große Bereicherung für alle. Die sechs ehrenamtlichen Helfer tun alles dafür, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. So wird z. B. der bescheidene Wunsch nach einem Bügeleisen erfüllt, Fragen werden beantwortet, man amüsiert sich gemeinsam über die holprige Aussprache der Kursleiter, wenn sie versuchen Wörter in der Heimatsprache der Männer nachzusprechen. In Ringheim passiert zurzeit genau das Gegenteil von dem, was man oft in den Medien hört. Integration findet auf zwei Seiten statt. 6 Ehrenamtliche haben einen Weg gefunden, der beiden Seiten, den Männern aus Pakistan und ihnen das gibt, was so oft in der hektischen Zeit fehlt: Würde, Menschlichkeit und Herzenswärme. Kerstin Richmond


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Der letzte Mann an Bord „Im Meer unserer Ferien sterben die Leute. Das ist die Verletzung eines alten Gesetzes, die unsere eigenen Wurzeln bedroht - die Idee, was der Mensch wirklich ist und was sein unendlicher Wert bedeutet.“ Katholische Bischofskonferenz Italiens, 2009* (c)SHS

Ein Mann aus Eritrea, der an einem Strand in Tunesien verzweifelt mit seinen Armen um Hilfe winkte, war der einzige Überlebende von 54 Flüchtlingen. Wie er den Rettungskräften erzählte, verhungerten und verdursteten nach und nach alle anderen Flüchtlinge an Bord des Bootes, noch bevor sie das rettende Ufer erreicht haben. „Wir waren zusammengedrängt an Bord, und die Signalpistole ging verloren,“ berichtete er. Sie seien von Flugzeugen der NATO wohl gesehen worden und von Besatzungen anderer Schiffe, aber niemand sei ihnen zu Hilfe gekommen. Was für ein tagelanges Martyrium müssen diese Frauen, Männer und Kinder durchlitten haben, bevor sie

gestorben sind? Und was wird wohl Daraufhin habe er nachgesehen und in diesem einzigen Überlebenden „festgestellt, dass mindestens 41 gestorben sein, der vor mehr als einem Menschen tot waren. Er befreite die Jahr diesen Albtraum mit ansehen Überlebenden und kippte die Leichen musste, der inmitten von Leichen als ins Gebüsch.“ Letzter übrig blieb? Diese Tragödie ist kein einmaliges Ereignis. Sie Jeden Augenblick sterben Flüchtlinge, wiederholt sich ständig und in vielerlei wenn sie versuchen, nach Europa zu gelangen und dessen Grenzen zu Gestalten. überwinden. Wenn nun das Wetter wärmer wird, wachen Europas So wurden neulich nach Berichten Grenzschützer wieder auf und richten von Ethiopiantimes online in einem ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf Container in Kenia, wohin sie vor die hilflosen Flüchtlinge aus Afrika. dem diktatorischen Regime in ihrer Nicht immer, um diese aus höchster Heimat geflohen sind, 41 äthiopische Not zu retten. Mitunter auch, um sie Flüchtlinge tot aufgefunden. Der sehenden Auges sterben zu lassen. Das Lastwagenfahrer, der den Container ist wie in einem Science Fiction Film. aufgeladen hatte, habe Probleme bemerkt und Schreie gehört. Man muss sich fragen, warum verfolgt die EU immer weiter diese grausame


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(c)UNHCR, L.Boldrini

Abschottungspolitik mit immer neuen repressiven Gesetzen und Richtlinien? Warum der vorsätzlich oder billigend in Kauf genommene Tod so vieler unschuldiger Menschen? Erst vor Kurzem hat Brüssel trotz vieler erbitterter Proteste eine neue Richtlinie beschlossen, nach der Asyl suchende Menschen, die nichts verbrochen haben, aus extrem weit gefassten Gründen inhaftiert werden können. „Die Richtlinie kommt einem europaweiten Freibrief zur

(c)UNHCR, J.Björgvinsson

Inhaftierung von Asylsuchenden gleich“, so Pro Asyl e.V..Europa muss seine Einstellung zu Menschen in Not ändern. Glauben Sie, wir lebten in einer sicheren, verlässlichen Welt? Ich glaube es nicht; wir leben in einer Welt,

in der Menschen ständig in Bewegung, in Unruhe sind. Wir müssen nicht weit schauen, um Beispiele zu finden.


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(c)Burkhard Lehde, INFOCANARIAS

Entscheidungen? Wer ist denn nun ein “Wirtschaftsflüchtling“? Ist es etwa der armgemachte einfache Mensch, der sein Leben für eine bessere Zukunft aufs Spiel setzt? Oder sind es nicht viel eher die globalen Eliten, die mit ihrem Kapital aus Ländern flüchten, sobald diese nicht mehr den maximalen Profit versprechen, wie man aktuell in Zypern beobachten kann, davor in Griechenland - und morgen wo? Die einen kämpfen um ihr nacktes Überleben, die anderen brauchen nur einen Mausklick, um ihrem Kapital zur Flucht von einem Land zum anderen zu verhelfen. Beide sind „Wirtschaftsflüchtlinge“, oder nicht? Und wer von beiden bedroht Sie, bedroht uns mehr?

sich. Womit rechtfertigt man also in einer miteinander fest verwobenen globalisierten Welt die Einteilung der Asylsuchenden in politische und „bloße“ Wirtschaftsflüchtlinge? Wer ist letztlich politischer Flüchtling und wer nicht? In weiten Teilen dieser Welt von Afrika bis Asien herrschen Instabilität, Konflikte und Verfolgung von Menschen auf Grund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit und wegen ihrer politischen Überzeugung. Wenn sie für sich keinen anderen Ausweg mehr sehen, fliehen sie – und finden dabei unter anderem im Mittelmeer zu Tausenden den Tod. Das gehört auch zu den Gesichtern der globalisierten Welt.

Während ich diesen Artikel schreibe, versammeln sich im Vatikan Abertausende gläubiger Menschen, um den Segen des neuen Papstes zu (c)UNHCR, A.Rodriguez empfangen. Im selben Augenblick schicken auf dem Meer unzählige Nehmen wir die Wirtschaftskrise bei Bootsflüchtlinge Stoßgebete zum den europäischen Nachbarn. Was Himmel, ringen um ihr Leben oder meinen Sie dazu? Menschen ziehen sterben bereits. Oft genug sind sie hin und her; sie haben als EU-Bürger auf sich selbst zurückgeworfen und jedoch das Glück, dass ihnen kein EU-Grenzschutz Brot und Wasser Im Falle einer politischen Krise ist es ohne Hilfe dem Tod ausgeliefert. Ja, verweigert, wenn sie von einem zum doch die oberste Aufgabe der Politik, überall auf der Welt sterben in jedem die Versorgung ihrer Bevölkerung Augenblick Menschen. Aber das hier anderen EU-Land wandern. sicherzustellen und so schnell ist etwas anderes! Diese Menschen Ist die Krise in Europa nun eine wie möglich stabile ökonomische könnten leben. Sie könnten überleben, wirtschaftliche oder eine politische? Verhältnisse herbeizuführen, um der wenn ihnen die notwendige Hilfe nicht Und was ist am Ende der Unterschied Menschen und des Landes willen. verweigert würde. dazwischen? Beide sind ja nur zwei Wenn die Menschen eine verlässliche vorfinden, die Es bleibt zu hoffen, dass die segnende Seiten einer Medaille. Bedingt denn Wirtschaftslage nicht ein Versagen der Politik eine ihnen Vertrauen in die Zukunft Hand des neuen Papstes , der sich Krise des Wirtschaftssystems, und gibt, verlassen sie ihr Land nicht. offen auf die Seite der Armen und stellt, diejenigen ist nicht die unregulierte globale Und schon gar nicht nehmen sie Verstoßenen Raubtierökonomie Ergebnis politischer das große Risiko einer Flucht auf erreicht, die für die wirtschaftliche und politische Situation in den Heimatländern der Fliehenden „Wer von Menschen wie von einer Seuche spricht, hat Europa verraten, verantwortlich sind. Dann wird indem er es zu schützen vorgibt.“ niemand sein Leben aufs Spiel setzen Navid Kermani, 2005* müssen, indem er die Flucht ergreift. Andererseits werden hoffentlich der „Mich regt das Schweigen von Europa auf, das gerade den Friedensnobelpreis Segen und die Gebete des Papstes erhalten hat, und nichts sagt, obwohl es hier ein Massaker gibt, bei dem das Gewissen der Menschen in Europa Menschen sterben, als sei es ein Krieg.“ erreichen, damit diese ihre Einstellung Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa, 2012* ändern und ihre Stimmen erheben gegen das Sterben Unschuldiger an Infos zur Situation von Flüchtlingen an EU-Grenzen auf: den Grenzen Europas. Erst dann wird www.unhcr.org niemand mehr für den Rest seines www.unhcr.de Lebens mit einem Albtraum im Herzen www.borderline-europe.de weiterleben müssen wie dieser arme www.proasyl.de überlebende Flüchtling aus Eritrea. www.amnesty.de alle Zitate auf www.borderline-europe.de

Addis Mulugeta


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Eine Idee davon, wie wertvoll Freiheit und Demokratie sind Eine besondere Begegnung, die Spuren hinterlässt: SchülerInnen im Gespräch mit Maneis Arbab

„Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Führung durch Ihre sehr eindrucksvolle Karikaturen-Ausstellung. Meine Schüler waren äußerst bewegt und begeistert von dem Treffen...“, so die Worte der begleitenden Lehrerin in ihrem Dankesschreiben. Nachdenklich gemacht und tief beeindruckt hat die SchülerInnen der Q 11 des Deutschhaus-Gymnasiums in Würzburg, die Begegnung mit dem iranischen Künstler Maneis Arbab in seiner viel beachteten Karikaturenausstellung in der Kath. Hochschulgemeinde der Stadt. Und weiter heißt es: „ Als Lehrerin versuche ich Stunde um Stunde, den Schülern den Wert unserer Demokratie – mit ihren Elementen der Garantie der Menschenrechte und Meinungsfreiheit – zu erläutern, was natürlich zumeist in der Theorie bleibt. Durch die Begegnung mit Ihnen wurde es uns allen möglich, einen Einblick in die Zustände im Iran zu erhalten. Viele meiner Schüler meinten im anschließenden Gespräch, dass sie Sie bewunderten und waren dankbar dafür, dass sie durch die Begegnung mit Ihnen eine Idee davon erhalten haben, wie wertvoll Freiheit und Demokratie sind.“

Die SchülerInnen Gedanken und zusammen:

Heimatland. Der Besuch war eine große Bereicherung hinsichtlich des Schulalltags.“ „Es lag Ihnen, Herr Arbab, sehr am Herzen, uns als der Jugend Deutschlands verständlich zu machen, wie wertvoll unsere Freiheiten sind, und dass wir darauf sehr stolz sein können. Ich fand es sehr berührend, wie Sie uns von Ihrer Vergangenheit erzählten. Nun habe ich eine viel klarere Vorstellung vom Leben im Iran und vom der Unterdrückung der Menschen und ihrer Rechte, die dort herrscht.“

fassten Ihre „Beeindruckt hat uns vor allem Eindrücke so seine Lebenseinstellung und seine Überzeugung, dass man durch diese Form des friedlichen Widerstandes „Ich bewundere Sie sehr für Ihren Mut, die Situation im Iran verbessern Ihre Meinung so zu vertreten trotz der könne. Wir glauben, dass wir uns von iranischen Regierung und auch, wenn seinem politischen Engagement und es für Sie gefährlich sein könnte. Ich seinem Durchhaltevermögen eine habe bei Ihnen sehr viel gelernt, mehr Scheibe abschneiden können. Uns als im regulären Unterricht. Mich ist dadurch erst klar geworden, wie hat sehr berührt, was Sie uns für wertvoll unsere Demokratie und der die Zukunft gewünscht haben, und Rechtsstaat in Deutschland sind. Wir man hat begriffen, dass Dinge, die sind überzeugt, dass Herr Arbab mit für uns selbstverständlich sind, in seiner Lebenseinstellung und mit anderen Teilen der Welt keineswegs seinen Zeichnungen die Gesellschaft selbstverständlich sind.“ sehr bereichert. Wir hoffen daher auf einen positiven Ausgang seines „Der Besuch Ihrer Ausstellung Asylverfahrens.“ hat uns einen Einblick in die Hintergründe der politischen „Die Karikatur mit dem Schädel, auf Unruhen im Iran gewährt. Besonders dem ein Mensch stand, hat uns die Zeichnungen zum Thema der sehr beeindruckt. Der Gedanke, Menschenrechtsverletzungen im Iran dass die Freiheit eines Menschen haben uns beeindruckt. So erzählten die Unterdrückung eines anderen Sie uns auch von Nasrin Sotoudeh Menschen bedingt, ist vielleicht und den Grausamkeiten, die sie im auf den ersten Blick schwer iranischen Gefängnis erleben muss nachvollziehbar, mit Hilfe Ihrer nur auf Grund ihres Einsatzes für Erläuterungen macht es jedoch Sinn. faire Prozesse und Rechte in Ihrem Wir hoffen, dass Ihre Karikaturen


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noch mehr Verbreitung finden.“ „Vor allem hat mich Ihre Einstellung zu Deutschland und zu unserer Kultur begeistert. Mit Ihrem Respekt gegenüber uns und unserer vollkommen anderen Kultur haben Sie mich sehr berührt. Mich hat es begeistert, wie viel Mut sie zeigen, indem Sie diese Karikaturen ausstellen. Die Ausstellung und Ihre Situation haben mich zum Nachdenken gebracht, dass die Freiheit, die wir hier in Deutschland haben, nicht selbstverständlich ist und dass man dankbar sein sollte für so ein Leben.“ „Dass die Freiheit ein so wichtiger, wertvoller Wert ist, den wir hier schon als selbstverständlich ansehen, ist mir klarer geworden. Natürlich wissen wir hier alle, dass wir freie Meinungsäußerung und all das haben, aber so richtig bewusst, was das für ein Glück ist, wird es einem erst, wenn man vergleichen kann, wie die Situation in anderen Ländern ist. Und das haben sie sehr anschaulich erklärt.“ „Ergriffen hat mich vor allem das Bild, © Karikatur:Maneis Arbab auf dem ein junger Mann, zwischen einen Laptop eingeklemmt, von einem erhalten sollte. Deutschland ist riesigen Fuß zusammengedrückt wird. ein Land, in dem Meinungsfreiheit Zu diesem Bild erklärte Maneis uns, grundlegend ist, und auch deshalb dass der Mann auf dem Bild einen sollten wir Menschen wie Maneis Internetblog erstellte. In diesem Arbab unterstützen.. Viel mehr sollte Blog klagte er über die fehlende es davor geschützt werden, dass ihn Freiheitsbildung im Iran. Obwohl der ein ähnliches Schicksal ereilt wie den Blog nur von sehr wenigen Personen jungen Blogger in der Karikatur.“ gesehen wurde, wurde dieser Mann gefangen genommen und ohne „Maneis Arbab klärte uns mit Hilfe Prozess getötet. Diese Beispiel zeigt, seiner Zeichnungen über die politische wie stark die Meinungsfreiheit im Klage im Iran auf und erzählte uns Iran eingeschränkt ist. Gerade durch interessante Geschichten über die diesen Fall wird auch deutlich, dass Situation seiner Famillie und über die Maneis unbedingt Asyl in Deutschland Schikanen, denen er in dem totalitären

© Karikatur:Maneis Arbab

Staat ausgesetzt war. Eindrucksvoll schilderte er uns die dortigen Machtverhältnisse, die Beziehung zwischen Religion und Staat und die daraus resultierende Unterdrückung des Volkes, insbesondere der Frauen. Seine Kritik richtete sich gegen das Machtgefüge, das jede Freiheitsbildung im Iran verhindert.“ Heimfocus Team


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Mutig für Menschenwürde Mutig für Menschenwürde - das weckt bei mir Assoziationen von Demonstrationen, von Menschen, die aufstehen und anderen, deren Würde missachtet wird, eine Stimme verleihen.

Mut richten, den es braucht, um für Menschenwürde aufzustehen? Wo muss ich mich aufraffen, meine Komfortzone verlassen, für Gerechtigkeit und Menschenrechte eintreten? Das heißt ja ‚mutig sein’ – nicht wegsehen, sich nicht Mutig für Menschenwürde – zu herausreden, auch mal ein Risiko diesem Motto der Ökumenischen auf sich nehmen. Und mal ganz FriedensDekade 2012 gab deren ehrlich: Da haben wir es eigentlich Schirmherrin Frau Käßmann zu sehr einfach, oder? Was blüht uns, bedenken: „Die FriedensDekade wenn wir unsere Meinung sagen? ermutigt uns, uns nicht Es gibt keine Gesinnungspolizei, die zurückzuziehen hinter das Argument Demonstranten und Blogger verhaftet ´Ich kann doch nichts tun`, sondern und einsperrt oder gar verschleppt, Teil einer Gemeinschaft zu werden, foltert und tötet. Meinungsfreiheit, die aufsteht gegen die Verletzung der Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit: Menschenwürde im eigenen Land und wir leben im globalen Vergleich auf auf der Welt. einer Insel der Glückseligen, und doch nehmen diese Grundrechte nur sehr Sehen wir den den Realitäten doch verhalten in Anspruch. Wer steht ins Auge: Ob wir es so wahrnehmen hier auf und tritt ein für die Wahrung wollen oder nicht, Deutschland ist der Menschenwürde, selbst in der reich. Deutschland ist der drittgrößte Gewissheit, dass er dabei sein Leben Waffenexporteur der Welt: Wir nicht auf Spiel setzt? exportieren Waffen in Länder, in welchen Menschenrechte nicht Ja, ist das denn überhaupt notwendig, uneingeschränkt angewandt werden. in Deutschland für Menschenwürde Wozu werden diese Waffen genutzt? einzutreten? Es läuft doch alles ganz Wir essen jede Menge Fleisch. Das gut. Grundrechte haben wir, die meist Futter dieser Tiere kommt jedoch geachtet werden. Ja, es gibt soziale überwiegend aus Ländern, in denen Ungerechtigkeit, aber meist trifft sie Menschen hungern. Wir fahren Autos, ja die anderen – alles in allem geht es die jede Menge ‚Bio’- Sprit benötigen: uns doch gut… Auf den Feldern, auf denen diese Pflanzen wachsen, werden keine Aber: Nahrungsmittel angebaut. Wir pflegen einen Lebensstil, der auf der Ist es menschenwürdig, wie wir mit Armut am anderen Ende der Welt Flüchtlingen und Asylsuchenden begründet ist. Doch das andere Ende umgehen? Mit Menschen aus anderen Teilen der Welt, die unter Bedingungen ist näher, als wir glauben. leben, die wir uns nicht vorstellen Gemeinsam ist das ‚mutig sein’ können und die um ihr Recht auf leichter. Doch worauf muss sich der Asyl, um Schutz und Hilfe in unserem

wohlhabenden Land bitten? Ist es menschenwürdig, wenn wir diese Menschen in unserem Land zwingen, so zu leben, wie wir selbst es niemals akzeptieren würden? Ist es menschenwürdig, wenn wir Slogans wie „Sozial ist, was Arbeit schafft“ an die Wände plakatieren? Geht es im Leben wirklich zuallererst um ein staatlich vermitteltes Beschäftigungsprogramm, wenn wir von Menschenwürde reden? Ist es menschenwürdig, wenn ein junges Mädchen, welches allen Grund hat, seiner Familie und den Angeboten des Jugendamtes zu misstrauen, über zwei Monate in ‚arrestähnlichen Bedingungen’ ausharren muss, bis sich die ‚Experten‘ darauf verständigen, was gut für sie ist? Ohne das Mädchen dabei nach ihren Plänen zu fragen? Ist es menschenwürdig, dass Behörden und Einrichtungen anstatt von Menschen von ‚Fällen‘ sprechen oder sich die Zuständigkeiten hin und her zuschieben? Ist es menschenwürdig ...? Alles beginnt mit einem ersten Schritt : Warum nicht auch und gerade dort, wo es darum geht, das - außer dem Leben selbst - kostbarste Gut des Menschen, seine eigene Würde, in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns zu stellen? Beginnen Sie bei sich selbst – wo denn sonst? Wir laden Sie dazu ein, sich Gedanken zu folgende Fragen und Aussagen zu machen:


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(c) Steffen Boseckert, Streetwork Würzburg

1. „ Die Würde des Menschen ist unantastbar“. 2. Was verstehe Menschenwürde?

ich

unter

3. Wenn Menschenwürde für mich Grenzen hat: wo? 4. Wie steht es um die Menschenwürde von Flüchtlingen und Asylsuchenden in unserem Land? 5. Wird die Menschenwürde der betagten Mitbürger stets geachtet?

(c)Streetwork Würzburg

6. Ohne Chancengleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen wird ihre Würde nicht geachtet. Wie sieht es damit in unserer Gesellschaft aus? 7. Es gibt für jeden einen Platz, wo er etwas bewirken kann: Wie kann ich in meinem Umfeld, in meinem Alltag, für Menschenwürde eintreten? Eva Peteler in Anlehnung an die Gedanken von Streetwork Würzburg anlässlich der Würzburger FriedensDekade 2012

(c)Manuel Mohr, Streetwork Würzburg


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Streetwork Würzburg

besteht seit 1996 befindet sich in der Trägerschaft des Diakonischen Werkes Würzburg e.V. Das Streetwork-Team: Teamleiter Jürgen Keller (Diplom-Sozialpädagoge FH), Stefan Müller (Diplom-Pädagoge Univ.) Sarah Pletschacher (Diplom-Sozialpädagogin) ehrenamtliche Mitarbeiter_innen Was ist Streetwork? - aufsuchende Form Sozialer Arbeit - andauerndes Kontakt- und Hilfeangebot an Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen aus dem gesellschaftlichen Rahmen gefallen sind, sich in schwierigen Lebensverhältnissen befinden und von keiner sozialen Einrichtung mehr erreicht werden. Wie arbeitet Streetwork Würzburg? Die Streetworker sind von Montag bis Freitag zwischen 16 und 18 Uhr am Bahnhof unterwegs und einmal wöchentlich in der Innenstadt. Die Anlaufstelle „Underground“ am Bahnhof ist von Montag bis Freitag von 14-16 Uhr geöffnet, samstags von 13-15 Uhr. Spendenkonto: Diakonisches Werk Hypovereinsbank Würzburg BLZ 790 200 76 Kto.-Nr. 11 120 23 Stichwort: Streetwork


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Mensch

Eyerusalem Wer sind Sie, woher kommen Sie? Ich heiße Eyerusalem und komme aus Äthiopien, aus der Hauptstadt Addis Ababa. Ich habe dort ein Bachelorstudium in Business Management abgeschlossen und danach als stellvertretende Verkaufsmanagerin in einem Unternehmen gearbeitet. Seit wann sind Sie in Deutschland und wo leben Sie hier? Im August 2010 bin ich als politisch Verfolgte nach Deutschland gekommen und habe in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf Asyl beantragt. Von dort bin ich dann nach Würzburg umverteilt worden, wo ich seit September 2010 in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber wohne. Wie war Ihr Leben zu Hause? An was denken Sie gerne zurück? in Äthiopien in ist es für junge Frauen nicht einfach, zu studieren. Im Vergleich mit jungen Männern sind ihre

Möglichkeiten, es an die Universität zu schaffen, sehr begrenzt. Zudem sind die Konkurrenz zwischen den Studenten und der Druck, zu den Besten zu gehören, sehr groß. Auch da haben die Studentinnen besonders zu kämpfen, sie müssen willensstark und zielstrebig sein. Denn von ihnen wird neben dem Studium erwartet, sich gemäß der Tradition in der Familie und im Haushalt einzubringen. So fehlt ihnen mitunter die nötige Zeit zum Lernen. Aber ich bin eine von denjenigen, die das Studium erfolgreich abgeschlossen haben. Als ich noch zu Hause war, hatte ich nach dem Studium natürlich klare Vorstellung von meiner Zukunft, ich hatte Pläne und ich konnte meinen Alltag selbst bestimmen. In Äthiopien wie auch in anderen Ländern ist die junge Generation der Motor der Gesellschaft. Unser Land braucht uns dringend. Aber die Politik dort ist nicht gut, wie auch in manchen anderen afrikanischen Ländern. Es gibt dort ein Regime, das seit mehr als 20 Jahren beständig an der Macht ist. Als ich Studentin war, engagierte ich mich sehr aktiv in einer Studentenbewegung gegen dieses Regime.


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In Äthiopien gibt es viele Kulturen und über 80 Sprachen. © FineArtPhotographyNeumayer Aber es gibt kein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, keine Versammlungsfreiheit, keine Dabei ist der Begriff „Familie“ vielDemonstrationsfreiheit, weiter gefasst als hier und die Regierung schwächt und vorsätzlich in Deutschland, auch entferntere unterdrückt Verwandte sind für uns die Oppositionsparteien. Meine Familie beispielsweise Familie und wir teilen so weit wie möglich den Alltag mit kommt ausWohl einerdes Region, die hängt Oromo heißt. Gerade dort ihnen. Das Einzelnen von diesen Bindungen © FineArtPhotographyNeumayer ist die Unterdrückung durch das Regime besonders stark, ab. weil Menschen dort Freiheit fordern. Deshalb sind viele Hier die fehlt mir insbesondere meine Privatatmosphäre, wie Studenten wie ich sehr aktiv in Widerstandsbewegungen meinsind eigenes Zimmer, meine Sie? eigene Toilette und auch Wer Sie, woher kommen und sind Mitglieder von Oppositionsparteien gegen das meine Küche. müssen wir, wir aus Mein Name istHier Tirunesh, und ichdie komme ausverschiedenen Addis Ababa, System. Dafür werden wir verfolgt, inhaftiert oder müssen Ländern mit verschiedenen kulturellen Hintergründen der Hauptstadt von Äthiopien. An der Universität von fliehen. kommen, in einem Lager Jimma habezusammengedrängt ich dort Gesundheitswesen studiert undleben. darin Zudem leben in einem erworben. Raum mehrere Menschen einen Hochschulabschluss Mehr als sieben unterschiedlicher Herkunft undBeruf müssen mit Jahre habe ich dann in meinem im ingemeinsam verschiedenen Was vermissen Sie hier meisten? anderen eine Toilette, einam Bad und eine Küche benutzen. medizinischen Bereichen gearbeitet. Ich vermisse meine Landsleute, meine Freunde, die vertraute mit ihren Traditionen und auch meinen Job. Was wann sind Kultur Ihre Pläne und Seit sindpersönlichen Sie in Deutschland undVorstellungen? wo leben Sie hier? Sollte ich die2012 Gelegenheit haben, so möchte ich gerne über Im August bin ich nach Deutschland geflohen und Äthiopien undErstaufnahmeeinrichtung die dortige Situation, insbesondere über die habe in der in Zirndorf einen Was sind Ihre persönlichen Pläne, in Hoffnungen, Menschenrechtslage, Deutschland Asylantrag gestellt, damit ichVerantwortlichen in meinem Heimatland politisch Lebensträume? diskutieren. Zu Recht die 2012 Respektierung der verfolgt worden bin. Imwurde Oktober bin ich nach Ich habe Pläne wievom andereDeutschen junge Menschen auch. Ich will Menschenrechte Bundespräsidenten Würzburg gekommen und lebe seitdem in der dortigen aber auch aus der seines Ferne aktiv beitragen zu Veränderungen aktuell anlässlich Staatsbesuches Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge.in meiner Heimat in meinem Ursprungsland. Wir haben auch hier in gegenüber der dortigen Regierung angemahnt. Mein Deutschland eine Oppositionspartei. besonderes Anliegen ist es, inSie meinem Beruf Wie war Ihrpersönliches Leben zu Hause? Erzählen uns etwas als zu arbeiten, wo auch immer mein überKrankenschwester Ihre Heimat. Als Flüchtling möchte ich hier ein Zuhause finden und ein Wissen und Können Ich liebe mein Landbenötigt und ichwerden. weiß, dass ich in meinem Teil dieser Gesellschaft werden. Aus diesem Grund lerne ich Land mit meinem Wissen eigentlich dringend gebraucht fleißigmöchten Deutsch Sie undgerne habe kein Problem, mich mit meinen Was lebenden werde. Ich habe dort unterden derhier Woche in einerMenschen Klinik als deutschen Freunden in ihrer Sprache zu verständigen. Ich mitteilen? Oberschwester und als Lehrschwester gearbeitet, an bedanke mich bei meinen Unterstützern, die mir dabei Schätzt man hier zusätzlich das besondere Glück Freiheit, den Wochenenden noch in einerder Privatklinik. behilflich sind.

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Ich habe immer noch die Hoffnung auf baldige Anerkennung als politischer Flüchtling. Diese Hoffnung möchte ich nicht verlieren. Ich gebe nicht auf. Die Anerkennung ist der Schlüssel für alles: Für Bewegungsfreiheit in ganz Deutschland, für ein eigenständiges, selbstbestimmtes und in jeder Hinsicht aktives Leben. Als junge Frau möchte ich die Gesellschaft hier in Deutschland bereichern und mittragen und nicht vom Eine Herzensangelegenheit war für mich mein freiwilliger Sozialsystem abhängen. Einige Leute hier denken, dass Dienst in einem Waisenhaus, diese Erinnerungen gehen mir insbesonderenurder Meinungsfreiheit Flüchtlinge hierher kommen, umund von der der Toleranz sozialen auch heute noch sehr nahe. individuellerzuStandpunkte? Kann man hier diedie besondere Sicherung profitieren. Wenn sie jedoch Chance Wie allgemein zu sozialen Diensten ist auch der Zugang Situation einer Fluchtsievonsehr einem Land in ein anderes bekommen, wollen wohl arbeiten, für die zu medizinischer Versorgung in Äthiopien abhängig vom nachempfinden? bedeutet Veränderungen und Gesellschaft ihrenDies Beitrag leistenviele und Steuern zahlen. Aber sozialen Status. Die Privilegierten bekommen leicht und Verluste im Leben, welche nur die schwer vorstellbar sind. ihre im Flüchtlingslager verlieren jungen Flüchtlinge schnell gute Behandlung. Die öffentlichen Krankenhäuser ganzen Energie, ihren Lebensmut und Zuversicht. sind in der Regel überlastet, die Oberschicht hingegen hat Übersetzung: Prof. Neumayer / Eva Peteler Möglichkeiten, in gute Privatkliniken auszuweichen. Was möchten Sie gerne den einheimischen Bürgern hier An was denken Sie gerne zurück? Was vermissen Sie hier sagen? am meisten? Wir sind hierher geflohen im Vertrauen auf Demokratie Am meisten vermisse ich das Zusammensein mit meiner und die Solidarität der Einheimischen. Wir brauchen Familie und meinen Freunden sowie das soziale Leben ihre Unterstützung. Wir brauchen offene Arme und in Äthiopien, insbesondere verschiedene Feste wie das menschliche Herzen. Integration ohne die Einheimischen Äthiopische Weihnachten und Ostern, das Äthiopische ist unmöglich. Neujahr und viele kleine traditionelle Ereignisse. Alle diese Festivitäten werden nach dem Äthiopischen Kalender Ich bedanke mich beim Heimfocus Magazin, das mit mir gefeiert, welcher sich vom hiesigen unterscheidet. dieses Interview gemacht hat. Das soziale Leben in meiner Heimat ist anders als hier: dort legen wir weniger wert auf persönliche Unabhängigkeit; bei uns ist der Zusammenhalt und der Austausch in der Heimfocus-Redaktion Familie viel intensiver, zumindest in meiner Wahrnehmung.


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„Sie töten uns hier drin, ganz langsam...“ Eines der schlimmsten Lager Deutschlands Althüttendorf in Brandenburg Vor kurzem besuchten wir das Flüchtlingslager Althüttendorf in Brandenburg, nahe Eberswalde. Wir wussten aus der Zeitung, dass im letzten Jahr zwei der Bewohner gestorben waren: Ein junger Mann aus Kenia war im Dezember im Wald erfroren und ein Vietnamese mittleren Alters war im Oktober gestorben. Wir wollten mit den Bewohnern reden, um zu verstehen, wie es dazu hat kommen können. Was wir dort zu sehen und zu hören bekamen, hätten wir uns auch in unseren schlimmsten Träumen nicht ausmalen können.

Das Lager Althüttendorf liegt an einer Autofahrstraße mitten im Wald. LKWs rasen hier entlang und nehmen keine Rücksicht auf Fußgänger, die, mangels Bürgersteig, auf dem Seitenstreifen oder im Graben gehen müssen wenn sie nicht überfahren werden wollen. Nachts ist diese Straße nicht beleuchtet, was eine besondere Gefahr darstellt.

Das Lager ist ein ehemaliges Ferienlager aus DDR – Zeiten, bestehend aus Holzhütten, ähnlich wie kleine Gartenhäuschen und lose auf dem Gelände verteilt. In Wir waren zu fünft, ein deutscher ihnen sind knapp hundert Menschen Journalist, zwei iranische Flüchtlinge, untergebracht. Toiletten, Duschen, ein Sudanese, der seit 13 Jahren in Waschmaschinen und die einzige Europa lebt und, wie er gesagt hatte Küche mit drei Elektroherden gibt „schon viel gesehen hat“ und ich, eine es nur im Haupthaus, die Bewohner Psychologin. Ziel unseres Besuches müssen also immer durch die Kälte war es auch, die in Althüttendorf laufen, wenn sie sich ihr Essen lebenden Menschen über die kaum kochen oder auf die Toilette gehen 70 Kilometer entfernt stattfindenden wollen. Da die Hütten aus Holz Flüchtlingsproteste in Berlin sind, hängen überall Warnhinweise, aufzuklären, die hier in der Hauptstadt die auf Brandgefahren hinweisen seit Monaten immer wieder in den Feuerlöscher oder Rauchmelder gibt Medien auftauchen und dadurch es nicht. ganz langsam auch das Bild von Asylsuchenden in der Öffentlichkeit An der Tür des Heimleiters hängt verändern. eine Drehscheibe, die bei unserem Besuch auf „Pause“ gestellt war. Das Lager, den Ausdruck „Heim“ Andere Optionen sind „bin auf dem verdient dieser Ort nicht, denn er Hof“, „wichtige Besprechung“, „bin im kann und wird niemals für Menschen Waschraum“, „nicht stören“, „komme ein Heim darstellen, liegt am Rande gleich wieder“ und als einzige von ein kleinen Dorfes. Der Ort ist so acht Optionen schließlich: „Bitte klein, dass es dort nicht mal einen eintreten“. Da aber alle Hinweise nur Supermarkt gibt und die Flüchtlinge auf deutsch sind, klingen sie wie Hohn. zum Einkaufen mit dem Zug nach An der Eingangstür sind hinter Glas Barnim oder Eberswalde fahren die Heimregeln angebracht. Diese müssen.

gibt es in mehreren Sprachen. Unter anderem steht dort zu lesen: „Wenn jemand länger als drei Tage unentschuldigt dem Lager fernbleibt, wird sein Bett anderweitig vergeben!“ Eine Nachfrage bei den Lagerbewohnern zeigte, dass dies schon öfter vorgekommen ist, also nicht nur eine leere Drohung darstellt. Es gibt keinen Aufenthaltsraum, keinen Raum, um Kurse abhalten oder gemeinsam Tee trinken zu können, keinen Trainingsraum, kein Spielzimmer für Kinder, keine seperaten Männer-und Frauengebäude. Vorhanden ist einzig und allein ein Computerraum mit 2 Computern, von denen nur einer funktioniert, mit einer sehr langsamen Internetverbindung. Die Bewohner, in der Mehrzahl junge Männer, begrüßten uns mit großer Herzlichkeit. Die meisten hatten noch nie von den Flüchtlingsprotesten und dem Protestcamp in Berlin gehört, obwohl sie teilweise schon über ein Jahr hier leben. Unvorstellbar, wie es jemand hier überhaupt so lange aushalten kann. Man hatte ihnen gesagt sie bekämen Wohnungen zugewiesen und seitdem warten sie. Viele haben die Hoffnung aufgegeben, dass sich an ihrem Leben noch einmal etwas ändern würde. Ein junger Mann drückte es so aus: „Sie töten uns hier drin, ganz langsam, und sie brauchen dafür keine Waffen.“ Sie waren motiviert und gut ausgebildet nach Deutschland gekommen: Ein junger Elektriker aus Kenia, ein Historiker aus Somalia, ein Diplomingenieur


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13 / 2013 aus Kamerun. Sie alle sitzen jetzt hier fest, ohne zu wissen, was sie mit ihren Abschlüssen und der vielen sinnlosen Zeit anstellen sollen. Wir trafen auch auf eine Frau, die in all dieser Trostlosigkeit versucht, ein vier Monate altes Baby groß zu ziehen. Alle anderen Familien sind längst ausgezogen, nur sie ist geblieben aus Angst, dass sie, wenn sie in eine Wohnung nach Eberswalde zöge, nie die Erlaubnis bekäme, zum Vater des Kindes nach Norddeutschland ziehen zu dürfen. So hatte ihr das die Ausländerbehörde gesagt.

wurde erst nach mehreren Tagen das eigentlich Wichtigste, den gefunden. Bis dahin war er erfroren. Mitmenschen, aus den Augen verliert Heimbewohner berichten, dass die und bei Menschenrechtsverletzungen alarmierten Polizisten erst nach 20 weg schaut. Minuten gekommen waren und es dann unterlassen hätten, den Mann Letzte Anmerkung: Das Lager zu suchen. Seine Leiche wurde Tage Althüttendorf sollte schon vor 10 später von einer Frau auf einem Jahren geschlossen werden; bis heute ist nichts passiert. verlassenen Grundstück gefunden. Diese Geschichten passieren nicht in einem fernen Land, sondern mitten in Deutschland! Wir sind diejenigen, die sie zu verantworten haben - weil wir schweigen, weg schauen und nicht zur Stelle sind, wenn unsere Hilfe gebraucht wird! So können solche Dinge passieren!

Viele, die es hierher verschlägt, versuchen bei Freunden oder Bekannten unterzukommen und möglichst wenig Zeit im Lager zu Auf der Rückfahrt im Zug waren wir alle verbringen. Einige kommen nur sehr schweigsam. Die drei Aktivisten einmal im Monat vorbei, um ihr Geld abzuholen und sich bei den Behörden zu melden. Auf diese Weise lässt sich für das Heim Geld bei den Heizund Wasserkosten sparen und für Neuankömmlinge stehen fast immer freie Betten zur Verfügung. Eng wird es nur einmal im Monat am Zahltag, wenn alle gleichzeitig da sind und sich die Küche und die Waschräume teilen müssen: Dann ist das Lager hoffnungslos überfüllt. Was uns zutiefst erschütterte, waren die Geschichten über die Tragödien, die sich hier letzten Winter zugetragen haben: Im Oktober war es, wie häufig in dieser Gegend, schon sehr kalt gewesen. Ein Mann aus Vietnam, der in der Einsamkeit zum Alkoholiker geworden war, hat bei jeder Witterung nur noch draußen in einem Zelt geschlafen, da es ihm Angst bereitete, sich in einem Haus aufzuhalten. Schließlich durch Alkoholkonsum und Kälte krank geworden, ist er mit Fieber ins Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem er mehrere Stunden vor Schmerzen gestöhnt hatte. Dort starb er. Im Dezember 2012 gab es einen weiteren Todesfall: Ein junger Mann aus Kenia, Bernhard Mwanzia, 28 Jahre alt, hatte sich in einem Anfall von Wahnsinn und Verzweiflung die Kleider vom Leib gerissen und war splitternackt in den Wald gelaufen. Es lag meterhoch Schnee und er

des Protests, alle drei ebenfalls Flüchtlinge, gaben zu, dass dieser Ort mit nichts zu vergleichen sei, was sie bisher gesehen hatten. Mein Freund und ich spürten eine wahnsinnige Wut im Bauch, wir hätten alles kurz und klein schlagen können. Und gleichzeitig eine furchtbare Scham darüber, in einem Land zu wohnen, dessen Bevölkerung sich für Tierrechte und Biolebensmittel einsetzt, aber

Hanna Greve Quellen: Über den Protestmarsch und das Protestcamp: www.refugeetentaction.net Über das Heim und die Todesfälle: ht tp:// w w w.rbb - online.de/

nachrichten/ vermischtes/ 2012_12/ asylbewerber_ in _ althuet tendor f. html http://www.taz.de/1/berlin/tazplankultur/artikel/?dig=2013%2F03%2F02 %2Fa0222 h t tp: // w w w.f luech tlingsra tbrandenburg.de/wohnen/leben-imdschungelheim-althuettendorf


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? “ e g n i l ? t n h a c ü s l a f s d t f s s a e n h l l u c A irts eht „W as g W

Das isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. München veröffentlichte den folgenden wichtigen Artikel, den wir bewusst in voller Länge wiedergeben. Jeder Mitbürger, vor allem jeder Politiker, der mit den Begriffen „Wirtschaftsflüchtlinge“ populistische Stereotype bedient und sie zur Abwehr von Asylbewerbern und Flüchtlingen benutzt, der Gewalt und menschliches Elend außerhalb unserer Sichtweite billigend in Kauf nimmt und jede Mitverantwortung dafür von sich weist, sollte wissen, was hier steht:

Deutsche Waffenexporte – eine tödliche Bilanz Honoré de Balzac: „Hinter jedem großen Vermögen steht ein Verbrechen.“

Das ist so, als würde der überführte Bankräuber dem Richter erklären, dass, wenn er den Bankangestellten am Schalter nicht erschossen hätte, Obwohl Waffenexport Beihilfe zum dies früher oder später sicher ein Massenmord ist, verschwindet das anderer getan hätte. Und außerdem Thema immer recht schnell wieder aus möchte er daran erinnern, dass sein den Schlagzeilen. Zwei „Argumente“ Banküberfall immerhin spielen dabei eine Rolle: Rüstung die Arbeitsplätze in den sichere Arbeitsplätze und: Wenn Justizvollzugsanstalten sichern würde. Deutschland diese Waffen nicht liefert, dann lieferten sie andere Länder. Deutschland – weltweit auf Platz

drei bei den Waffenexporten NachEinschätzungendesschwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI war Deutschland in den fünf Jahren bis 2012 der drittgrößte Waffenexporteur der Welt nach den USA und Russland. Kein anderes europäisches Land exportiert so viele Waffen wie Deutschland. Nach Einschätzungen von SIPRI hatten die deutschen Ausfuhren von konventionellen Großwaffen zwischen 2007 und 2011 einen


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Kampfpanzern nach Saudi Arabien. Dagegen protestierten seit Juli 2011 Nichtregierungsorganisationen, weil saudische Soldaten im Frühjahr 2011 mithalfen, den Aufstand in Bahrein niederzuschlagen. Im Sommer 2012 informierten Medien die Öffentlichkeit, dass es sich bei dem Geschäft mit SaudiArabien sogar um bis zu 800

Anteil von 9 Prozent am weltweiten Waffenhandel. (Zum Vergleich: 2004 lag der Weltmarktanteil bei etwa 4 %) . Im Jahr 2011 sind Kriegswaffen im Wert von 1,285 Milliarden Euro exportiert worden. (Zum Vergleich: Im Jahr 2010 2,119 Mrd. €, im Jahr 2009: 1,34 Mrd. €) Bezogen auf den Wert der gesamten deutschen Ausfuhren ist der Umfang der Rüstungsexporte laut offiziellen Angaben zwar gering – er liegt unterhalb von einem Prozent – aber er ist der tödlichste. Deutschland gehört zusammen mit anderen EU-Staaten zu den zentralen Akteuren auf dem Weltrüstungsmarkt. Zwischen 2007 und 2011 erreichten die EU-Staaten dort insgesamt einen Exportanteil von mehr als dreißig Prozent und liegen damit knapp vor den USA. Den größten Anteil am deutschen Waffenexport haben Großwaffen wie Kriegsschiffe, U-Boote, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Hauptabnehmer sind die Türkei, Griechenland und Südafrika, bei den Panzern vor allem Saudi-Arabien. 2011 genehmigte der Bundessicherheitsrat den Export von 200 Leopard-

Leopard-2 Panzer handeln könnte. Viele dieser Panzer werden mit speziellen Räumschilden ausgerüstet, die im Inneren des Unterdrückungssystems, aber auch in den Nachbarländern gegen Aufständische eingesetzt werden können. Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland gehörte in den letzten fünf Jahren zu den fünf größten Rüstungskäufern weltweit. In diesem Zeitraum kaufte Griechenland vier U-Boote und insgesamt 1640 Leopard-Panzer. U-Boote, Panzer und die dafür nötigen Kredite kamen aus Deutschland, dessen Politiker gerne behaupten, die Griechen lebten über ihre Verhältnisse. „Die Welt“ online schrieb am 2.5.2010: “Deutsche Großunternehmen Thyssen-Krupp und Krauss Maffei-Wegmann fordern von der Bundesregierung, dass mit den deutschen Anteilen an den Krediten für Griechenland zunächst die Forderungen der hiesigen Wirtschaft an die Regierung in Athen beglichen werden. Thyssen-Krupp wartet

auf 320 Mill. € für die Lieferung von U-Booten. Beim Rüstungskonzern Krauss Maffei-Wegmann sind 180 Mill. € offen.“ Die deutschen Ausfuhren von konventionellen Großwaffen und Komponenten sind zwischen 2007 und 2011 nach Angaben von SIPRI um 37 Prozent (verglichen mit dem Zeitraum zwischen 2002 und 2006) gestiegen. Hauptprofiteure sind - Rheinmetall: Gepanzerte Fahrzeuge, Luftabwehrsysteme, Munition - Krauss-Maffei-Wegmann: Vor allem Kampfpanzer Leopard - Thyssen: U-Boote, Kriegsschiffe - Diehl: Lenkflugwaffen, Munition, Bordkanonen - Heckler und Koch: Pistolen, Maschinenpistolen, Gewehre, Panzerabwehrwaffen.

Leitlinien der Bundesregierungen für Rüstungsexporte: Nur Schall und Rauch In den Leitlinien der Bundesregierung für Rüstungsexporte heißt es, dass Rüstungsexporte unzulässig sind, falls der Verdacht besteht, dass Waffen zur Unterdrückung im Inneren missbraucht werden oder zu fortdauernden systematischen Menschenrechtsverletzungen. Kriegswaffen sollen nicht in Spannungsgebiete geliefert werden. Aber schon die „rot/grüne“ Bundesregierung hat die Lieferung von 300 Leopard Panzer an die Türkei genehmigt. Ebenso 120 Eurofighter an Indien oder U-Boote an Israel. Alle diese Länder befinden sich entweder in potentieller Konfrontation mit Nachbarstaaten wie z.B. Griechenland und Türkei, oder Indien und Pakistan, oder führen Krieg gegen die Menschen im Land wie Israel oder die Türkei. Das Rüstungsgeschäft mit den mit Atomwaffen bestückbaren U-Booten an Israel geht auf das Jahr 2005 zurück, fällt also in die Amtszeit von Gerhard Schröder. 2011 hat die Bundesregierung der Lieferung eines sechsten U-Bootes an Israel


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26 zugestimmt. Die Bundesregierung subventioniert den Verkauf dieser U-Boote an Israel mit 135 Mill. € pro Stück, d.h. ein Drittel des Preises wurde von den deutschen Steuerzahlern finanziert. Kleinwaffen machen auch Mist Nach der Kalaschnikow ist das von H&K produzierte G3 Sturmgewehr und sein Ableger HK33 das zweithäufigste Mordinstrument. Seit den 50er Jahren sollen mehr als zehn Millionen Stück

von Streumunition in Form von Investitionen, Krediten und Anleihen. Diese Geschäfte werden auf über eine Milliarde Euro beziffert. Spitzenreiter sind die Deutsche Bank, die UniCredit und die HypoVereinsbank. Nach einer Aufstellung von „Robin Wood“ und Pax Christi ist die Deutsche Bank über Kredite, Anleihen und Beteiligungen an Konzernen beteiligt, die Atomwaffen, Streumunition oder Uranmunition herstellen oder an deren Herstellung beteiligt sind.

despotische Herrscherfamilien und repressive Regimes in aller Welt. Sie produzieren die sichtbare Faust, die die unsichtbare Hand des kapitalistischen Marktes ergänzt. (Alle Zahlen und Daten aus Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI und dem Rüstungsexportbericht der GKKE, Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung und aus Dokumentation Robin Wood)

© Karikatur:Maneis Arbab

produziert worden sein. Die Anzahl der damit Getöteten dürfte ein Vielfaches betragen. Statistisch gesehen wird alle 14 Minuten ein Mensch von einer Kugel aus dem Lauf einer Waffe von H&K getötet. Einer UNO-Studie zufolge sind 63 % aller Kriegstoten seit 1961 durch Handfeuerwaffen ums Leben gekommen.

Dem Bericht zufolge waren Walter Listl 23. März 2013 mindestens 21 Anbieter von sog. Riesterfonds mit Investitionen © ISW - Institut für sozial-ökologische von insgesamt 500 Mill. € an Wirtschaftsforschung e.V. Herstellerfirmen völkerrechtswidriger München Waffen beteiligt. D.h. über staatliche www.isw-muenchen.de geförderte Riesterfonds fließen Steuergelder in die Produktion von Links zum Thema: Streubomben. www.aufschrei-waffenhandel.de

Geschäfte von deutschen Banken mit der Finanzierung geächteter Waffen Trotz der im August 2010 in Kraft getretenen Konvention gegen Streumunition machen deutsche Banken Geschäfte mit Herstellern

Für die Produzenten lohnen sich die Geschäfte. Sie sind mit ihren Rüstungsexporten an Massenmorden beteiligt. Sie bewaffnen CIAgesteuerte Befreiungsbewegungen ebenso wie Staaten, die Konflikte mit den Nachbarstaaten haben,

www.planet-wissen.de/ natur_ technik/ erfindungen/ schusswaffen/ control_arms.jsp www.friedenskooperative.de


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Gebet der Vereinten Nationen

Prayer of the United Nations

Unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlosen Trennungen nach Rasse, Hautfarbe oder Glauben.

Our planet is just a tiny star in the space of the universe. It is up to us to make it a planet of peace where nobody is suffering from war and violence, hunger and fear, a planet not tortured by senseless disparity related to race, color of the skin or faith.

Gib uns den Mut und die Weisheit, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen „Mensch“ tragen.

Give us the courage and the wisdom to start going for this aim today, so that our children and the following generations once can proudly call themselves „human beings“.

© UNHCR


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Äthiopiens Willkommen, Lächeln,Sonnenschein nicht genug für Bundespräsident Gauck Gerne sagt Äthiopien von sich: Wir sind das Land mit 13 Monaten Sonnenschein. Ich hoffe, der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Joachim Gauck, hat die Willkommenskultur Äthiopiens und vier Tage strahlenden Sonnenscheins genossen und sich über das herzliche Lächeln der äthiopischen Menschen gefreut. Leider konnte er in der Kürze der Zeit nur wenige Orte der Hauptstadt Addis Ababa aufsuchen. In jedem Fall war er zu Gast im prächtigen neuen Hauptsitz der Afrikanischen Union, dessen Errichtung Deutschland finanziell unterstützt hat. Seit 2006 hat Berlin zu den Projekten der Afrikanischen Union 170 Millionen Euro beigesteuert. Doch vom strahlenden Sonnenschein am Himmel und im Protokoll des Staatsbesuches hat sich der Bundespräsident nicht blenden lassen. Neben den positiven Einblicken in das Land, neben der Begegnung mit seinen liebenswerten Menschen und seiner reichen Kultur, war es ihm ein Anliegen, die dunklen Seiten zu beleuchten: Das Volk leidet unter der Herrschaft des Regimes. Seine Meinung offen zu äußern, friedlich zu demonstrieren, sich zu einer Oppositionspartei zu bekennen, das alles sind höchst gefährliche Dinge in Äthiopien. Genauso geht jeder Bürger ein hohes persönliches Risiko ein, wenn er sich in der Öffentlichkeit mit Freunden zu einem Gespräch trifft, erst recht, wenn er dabei offen die sozialen und gesellschaftlichen Missstände diskutieren oder gar darüber berichten möchte. Die Menschen sind frustriert,

(c)Steve Gallup, Getty

eingeschüchtert, sie fühlen ausgeliefert und ohnmächtig.

sich

Viele jener Äthiopier, die außerhalb des Landes leben, mitunter leben müssen, begrüßen die Deutlichkeit und Offenheit, mit der Herr Gauck bei seinem Staatsbesuch vom 17. bis 20. März 2013 die äthiopische Regierung zur Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten drängte. Belay Abebe, ein junger äthiopischer Asylbewerber aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft, meinte: “Ich bin sehr froh, dass der deutsche Bundespräsident mit einer klaren Botschaft an das äthiopische Regime herangetreten ist. Unser Volk wird drangsaliert und bedroht von der Staatspolizei. Wir haben absolut keine Freiheit.“ Eyerusalem Zerihun, ebenfalls äthiopischer Flüchtling in Deutschland, berichtet, dass sie sich als Studentin in der Heimat der OromoStudentenbewegung angeschlossen hat, die vom äthiopische Regime verfolgt und bekämpft wird. Sie

erzählt: „Die Regierung hat unsere Gruppe zerstört, einige Studenten ins Gefängnis geworfen und andere dazu gezwungen, ihr Leben durch eine Flucht ins Ausland zu retten. Die Menschen in meinem Land brauchen dringend Freiheit!“ Herr Gauck bestätigte mit deutlichen Worten, Äthiopien leide unter der herrschenden Partei TPLF (Tigrian People Liberation Front, Befreiungsfront des Volkes von Tigray, Anm.d.Red.) zunehmend und in bedrohlichem Ausmaß unter einem gewaltigen Demokratiedefizit. Bei verschiedenen Gesprächen wurde er nicht müde, immer wieder die wesentliche Bedeutung der Menschenrechte und der Demokratie für eine nachhaltige Entwicklung zu betonen und auf deren Umsetzung in Äthiiopien zu drängen. Übereinstimmend mit dem Nachrichtenportal „The Transformation Ethiopia Report“ bemerkte Bundespräsident Gauck: „Weite Teile der Gesellschaft fühlen sich ausgeliefert und bedeutungslos.“


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dem dringlichen Appell, sich für die sein Wohl spielen dabei keine Rolle. Dies könnte eine destabilisierende Freilassung inhaftierter Journalisten Das äthiopische Volk ist es aber, dem Bedrohung der ganzen äthiopischen und Oppositioneller in Äthiopien auf diese Weise immer neues und Gesellschaft darstellen, zusätzlich einzusetzen. größeres Leid zugefügt wird. zur Saat der gesellschaftlichen Zwietracht, die das Regime mit seiner In der aktuellen Berichterstattung des Es trifft zu, dass sich die Menschen spaltenden Innenpolitik betreibt. Nachrichtensenders Al Jazeera wird in Äthiopien zunehmend ohnmächtig Einerseits zeigt es wenig Interesse, nicht nur bestätigt, dass Journalisten fühlen und resignieren. Wie kann die vielen Volksgruppen im Lande in Äthiopien nie wirklich frei über die man auf eine Zukunft in einem Land mittels einer ausgewogenen Teilhabe Lage im Land berichten konnten, vertrauen, in dem die Menschen am Staatswesen zu einem einigen sondern es wird ausdrücklich darauf nichts gelten und der Gestaltung äthiopischen Volk zu verbinden. hingewiesen, dass sich diesbezüglich ihres Lebens beraubt sind? Viele Andererseits fordert die äthiopische die Lage im Lande immer mehr Gebildete, insbesondere Studenten Regierung das bisher seit Alters her verschärft. Die Medien- und Anti- und Universitätsabsolventen, also gelebte friedliche Miteinander der Terror-Gesetzgebung des Regimes der Humus der Zukunft eines jeden großen Religionen im Lande, der von 2009 unter dem damaligen Landes, verlassen Äthiopien, das Äthiopisch-Orthodoxen Christen Premier Meles Zenawi dient nach ihnen keine Chance gibt, außer sie und der Muslime, heraus: Die wie vor als Freibrief für rigoroses treten der herrschenden Partei bei Staatsführung war und ist bestrebt, Vorgehen gegen jegliche Meinungs- und werden so Teil des repressiven die Oberhäupter beider Religionen im Lande selbst zu bestimmen und damit Kollaborateure des Regimes auch an der Spitze des religiösen Lebens im Lande zu etablieren. Das will sich aktuell die moderate muslimische Gemeinschaft im Lande nicht bieten lassen und sieht sich einer erbitterten staatlichen Verfolgung ausgesetzt, die einen gesellschaftlichen Flächenbrand auslösen könnte, indem sie radikalen Kräften in die Hände spielt. Erfolgreiche Unternehmer haben unter dem äthiopischen Regime keine Chance auf eine gute Zukunft: Mit ihrem Geschäftserfolg wächst der Druck von Regierungsstellen, auf vielfältige Weise den Staat am Erfolg zu beteiligen bis hin zur Enteignung oder zum Ruin des (c)Tigriaonline.de Unternehmens. Die armen Bauern, und Pressefreiheit und hat eine also an die 85% der Bevölkerung, verhängnisvolle Wirkung auf die bekommen nichts vom gänzlich in Medienlandschaft. Freie und offene Staatsbesitz befindlichen Land oder Berichterstattung über Wahrheiten, von Düngemitteln zugeteilt, außer die dem Regime nicht genehm sie unterstützen und „wählen“ das sind, werden als terroristische Akte Regime. Kritische Journalisten werden deklariert und mit entsprechender erbittert verfolgt und haben keine Härte verfolgt. Möglichkeit freier Berichterstattung; alle Medien sind unter staatlicher Nicht nur das berüchtigte AntiKontrolle. Oppositionsparteien Terrorismus-Gesetz, sondern auch und deren Mitglieder sind nach wie andere weitreichende Gesetze vor in einer äußerst bedrohlichen werden nach wie vor gleichsam über Lage. Auch deswegen haben sowohl Nacht und hinter verschlossenen äthiopische als auch deutsche Türen vom Regime beschlossen, um M ens ch enr e ch t s o r ganis a tio n en seine Macht zu festigen. Dabei kann einschließlich des PEN-Centers sich die Regierung von Äthiopien der Deutschland dem Bundespräsidenten Zustimmung des Westens sicher sein. vor seinem Staatsbesuch einen Das eigene Volk, seine Meinung und Offenen Brief zukommen lassen mit

Systems. Manche von denen, die das Land verlassen, das sie eigentlich dringend bräuchte, suchen ein neues Leben auch in Deutschland. Willkommen, Lächeln, Sonnenschein - danke, Herr Bundespräsident, dass Sie sich davon nicht haben blenden lassen, sondern den Machthabern in Äthiopien unbeirrt, öffentlich und in aller Deutlichkeit entgegengetreten sind als Anwalt des geschundenen äthiopischen Volkes, das sich nach Menschenrechten, Freiheit und Demokratie sehnt. Addis Mulugeta


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7 endlose Jahre Gespräch mit einem somalischen Flüchtling

gewichtige Gründe verlässt. Viele unter uns haben mit Sicherheit ein oder mehrere Male im Leben Zeiten Ich traf F. (Somalier, 28) zufällig der Ungewissheit und Anspannung im Sommer 2012 während meines des Wartens auf die Antwort Praktikums in Kathmandu/ Nepal. in einem wichtigen Anliegen Er erweckte mein Interesse an der aushalten müssen, beispielsweise Flüchtlingsproblematik, indem bei der Jobsuche. Nur Wochen des er mir aufzeigte, durch welche Bangens kamen uns da wie Jahre Engpässe und Tiefen ein vor, und besonders das Gefühl Flüchtling gehen der Ungewissheit begleitete uns muss. Wir unentwegt und lastete auf uns wie wurden enge ein Stein. Stellt euch nun einen Freunde und Flüchtling vor, der nicht nur drei s t e h e n Monate sondern 28 mal länger ganz i m m e r allein in einem fremden Land wartet, n o c h ohne zu wissen, ob er dort jemals in gutem überhaupt wirklich ankommen und Kontakt. Ich weiterleben darf. lernte von ihm, dass ein Ich habe auch gelernt, dass man F l ü c h t l i n g einen Flüchtling erst dann verstehen sein Land kann, wenn man ihn kennenlernt, nicht ohne wenn man ihm zuhört. Das, was man täglich liest, lässt sehr einen eher kalt. Hört euch nun die Worte einer Person an, die meine Sicht auf die Dinge und auf den Wert des Lebens verändert hat. Vielleicht werden seine Worte auch eure Einstellung ändern? F., du bist nun 28 Jahre alt. Erzähle mir, warum du Somalia verlassen hast. Ich verließ mein Land vor 7 Jahren… Seit 1991 hat Somalia keine wirkliche Regierung, und seither kämpfen


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Warlords und Milizen mit voller Gewalt um die Macht. Somalia ist kein richtiger Staat. Nichts funktioniert; es gibt kein Rechtssystem. Clans kämpfen gegen Clans. Junge Menschen schließen sich militanten Gruppen an, weil sie damit wenigstens etwas Geld verdienen und der Perspektivlosigkeit entfliehen können. Gewalt ist eine Lebensweise geworden. Meine Generation ist im Bürgerkrieg aufgewachsen und hat Frieden nie gekannt.

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erschossen worden. Meine Familie zog 1998/1999 wieder Assistent arbeitete. Statt von dort nach Mogadishu. Die Stadt war etwas aus in die Niederlande gelangen zu sicherer als vorher, aber immer noch können, wohin ich ursprünglich wollte, waren die Menschen nicht frei. In landete ich in Indien und entschied Shalanbood begegneten Menschen mich später, in Nepal auf mein Visum täglich bedrohlichen Situationen, zur Einreise in die USA zu warten. Ich und in Mogadishu starben täglich bin froh, nicht mehr meinem Leben in Menschen. Ich erinnere mich auch der Heimat ausgeliefert zu sein. an einen Tag, an dem ich mit ein paar Freunden in einem Café war und Wie sieht dein tägliches Leben in plötzlich eine Milizpatrouille anfing, Nepal aus? die Menschen auf ihrem Weg zu Ich lebte mit meiner Familie in beschießen. Ich eilte hin, um zu sehen, Ein Flüchtling zu sein, ist nichts Howlwadag, einem Viertel der was passierte. Als ich schließlich im Bewundernswertes.. Ich weiß nicht, somalischen Hauptstadt Mogadishu, Krankenhaus ankam, sah ich meinen warum es auf dieser Welt nicht ohne als der Bürgerkrieg im Dezember Freund, der noch wenige Minuten Flucht geht und warum Menschen 1990 ausbrach. Wir flohen nach vorher im Café neben mir gesessen gezwungen werden, ihr Land zu Shallanbood, einer Stadt in der hatte: Blut strömte über seinen Körper. verlassen. Ich bin hier frei, und doch Shabele Region. Wenige Monate Er war erschossen worden. Somalier kann ich nichts tun bis auf einen später wurde die Stadt von Milizen lebten permanent im Krieg. Auch von Englisch- und Grafikdesign-Kurs am des Habar Gidir-Stammes angegriffen. Somaliern, die in Nachbarländern Kathmandu Community Centre. Ich Sie besetzten die Stadt und lebten erfuhr ich, dass sie diskriminiert bereite mich außerdem noch für das GDE vor, das amerikanisches Abitur, bedrohten die Einwohner. Schon bald wurden. welches an Abendschulen erworben fingen sie an, die Menschen mittels Gewaltandrohung zu enteignen. Die Ich sah dort keinerlei werden kann, um nach meiner Situation verschlimmerte sich täglich. Lebensperspektiven mehr. So Ankunft in den USA in einen guten Es wurde immer gefährlicher, das beschloss ich, der täglichen Gewalt Beruf starten oder eine Ausbildung Haus zu verlassen: Menschen wurden und dem Blutvergießen den Rücken machen zu können. Ich würde sehr überall umgebracht. Mein Onkel zu kehren. Ich glaube, dass ich, wie gerne Physik studieren, doch ich Yasin verließ Mogadishu nie. Er hatte so viele andere auch, von einem muss ja erst einmal meine Familie in eine Autowerkstatt, welche er mit besseren, sicheren Leben und von Somalia ernähren. seinem Partner aus dem Hawiye- einem Job träumte. So verließ ich Clan teilte. 1993 wurde er auf einer 2006 Somalia, um Freiheit und ein Ich weiß nicht, ob du verstehst, was Fahrt angehalten und durch einen besseres Leben zu finden. Ich hatte es bedeutet, Flüchtling zu sein; was Milizangehörigen des Habar Gidir- Angst vor meiner Abreise. Ich wusste es bedeutet, mehr als sieben Jahre Stammes erschossen. Ich weiß nicht, nicht, was mich erwarten würde; ich nichts tun zu können, was es bedeutet was damals wirklich passiert ist. wusste nur, dass meine Flucht nicht zwischen zwei Welten gefangen Gerüchte gingen herum. Doch das einfach sein würde. Nach dem Abitur zu sein. Diese Ungewissheit ist das macht keinen Unterschied: Er hatte ging ich erst nach Äthiopien, wo ich in Schlimmste von allem. Du weiß nie, ob nur seinen Job gemacht und war einem Krankenhaus als medizinischer du das Visum jemals bekommen wirst.


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32 Familie?

Flüchtlinge, dort angekommen waren. Hier in Nepal haben wir wahrscheinlich Nicht so oft. Sie denken, dass mehr Freiheit als Flüchtlinge ich meine Zeit verschwende. in anderen Ländern. Ich lebe in Sie wollen, dass ich endlich einem einfachen Hotel, zusammen anfange zu arbeiten. Was mit anderen Flüchtlingen, auch kann ich machen? Ich fühle somalischen Flüchtlingsfamilien. Ich mich hilflos. Meine Mutter gehe häufig zu UNHCR: Sie sind und meine Schwester in meine einzige Hoffnung. Ich gehe Somalia benötigen meine dorthin, um mich nach dem Stand finanzielle Unterstützung, meines Visaantrages zu erkundigen. aber ich konnte ihnen Wir konnten nie selbst entscheiden, in sieben Jahre lang nicht helfen. welches Land wir gehen wollten. Kannst du dir vorstellen, wie es sich Nicht zu arbeiten ist für mich sehr anfühlt, sein Land so jung, mit gerade Wie stellst du dir deine Zukunft vor? schwierig. Ich kann es nicht erwarten, einmal 21 Jahren, zu verlassen und im Wenn du nach Somalia zurückkehren endlich etwas zu tun. Alter von 28 Jahren immer noch ohne könntest, würdest du es tun? Gab es Momente, in denen du sehr Perspektive hier stecken geblieben zu Ich will mir meine Zukunft nicht vorstellen. Ich werde sehen, was darunter gelitten hast, heimatlos zu sein? kommt. Ich würde liebend gerne nach sein? Gibt es eine Organisation, die sich Somalia zurückgehen - auch wenn sich die Menschen dort gegenseitig Viele Male wollte ich zurück nach um dich kümmert? umbringen. Es bleibt mein Land. Ich Afrika, weil ich kein Licht am Ende des hoffe, dass sich die politische Situation Ja, UNHCR. Sie geben uns 6.000 Tunnels sah. Im März 2010 versuchte bald bessert. Nepalesische Rupien (60€) monatlich, ich zum ersten Mal zurückzugehen, Danke, ich wünsche dir alles Gute für was nicht besonders viel ist, aber doch es war nicht mehr möglich. So deine Zukunft! immerhin etwas. Ich kann hier nur blieb ich sieben Jahre in diesem leben mit Hilfe des Geldes, welches „Gefängnis“. Leonore Heldman mir Cousins aus Europa schicken, die vor langer Zeit, ebenfalls als Wie oft hast du Kontakt mit deiner

7 endless years An interview with a Somali refugee

I met F. (Somalia, 28) by coincidence during my internship in Kathmandu/ Nepal in the summer 2012. He raised my interest for the refugee question as I learnt from him what kind of fears a refugee has to go through. We became very close friends. From him I learnt that no refugee leaves his/ her country without a really good reason. Many of us have once or some times experienced situations where she or he had to wait for important answers such as for instance for the answer to a job application. During this waiting period just three months may have appeared to us like years. Especially this feeling of uncertainty would bother us very much. Imagine now a refugee waiting not only for three months but 28 times more

in a foreign country on his/her own without even knowing if he/ she would ever be admitted. I have learnt that in order to understand a refugee it is not enough to see what is written or published somewhere. It is important to meet a refugee and to hear from him/her directly what he/she feels. Listen now to the words of a person who made me change my view on things and especially on the value of life. Maybe his words will also be able to change yours? F., you are 28 years old now. Tell me why you left Somalia. I left my country 7 years ago.... Since 1991 Somalia is without government and since that time warlords and militia men have been

fighting violently for the governance of this country. Somalia as a state doesn’t exist anymore. Nothing works. There is no law. Clans are fighting against clans. Young people join militant groups because for them it is the only opportunity to earn money and to escape from doing nothing. Violence has become a way of life. My generation has grown up in a civil war and has never experienced the reality and meaning of peace. I lived with my family in the Howlwadag district of Somalia’s Capital Mogadishu when the civil war broke out in December 1990. We fled to Shallanbood, a town in lower Shabele region. A few months later the town was attacked by militia from the Habar gidir tribe. They captured


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the town threatening everyone. Soon Being a refugee they began to take peoples’ property is not something by force. Things were getting worse that anyone day by day. It was hard to leave the would admire. I house, people were killed everywhere. don’t know why My uncle Yasin never left Mogadishu. we need to have He had a garage which he used to refugees in this share with his partner, who is from world and why the Hawiye clan. In 1993 while he was some have to driving a truck, he was stopped and leave and run shot dead by militia from the Habar away from their Gidir tribe. I don’t know what really home. I am happended. People say many things free here, but about him. I don’t care: he was just I am not doing doing his business and was murdered. anything except My family came back to Mogadishu for going to an in 1998/ 99. Mogadishu was better English and a than before but no one was free. Graphic design In Shalanbood, people would face course offered at threats every day, and in Mogadishu the Kathmandu young, only 21 years old, and still to people died all the time. C o m m u n i t y © C.Hutabarat Center. I am also preparing for the GDE be stuck with no perspective in the I also remember one time when I was (A-Levels diploma in the USA acquired same foreign country at the age of 28? with some friends in a café suddenly in evening schools) so that on arrival a militant group entered the city in the US I can start in a good job or Is there any organization which and started shooting at everyone maybe start a schooling. I would like takes care of you? within reach. I went to see what was to study Physics but I first of all need happening. When I later entered the to feed my family in Somalia. I don’t Yes, the UNHCR. They pay us 6.000 hospital I saw my friend who had know if you can understand what it Nepali Rupees a month (60€) which is been sitting with me in the café some means to be a refugee; what it means not a lot but at least something. I can minutes before: Blood was running not to be doing anything for 7 years, only live here thanks to the support over his body. He had been shot dead. what it feels like to be stuck between from cousins living in Europe who two worlds. This incertitude is the had also left Somalia as refugees I did not see any perspective staying worst of all things. You never know if a long time ago. Here in Nepal we in my country. I decided to leave my you will get the visa or not. Not being probably have more freedom than country because of all this violence and able to work is really difficult for me. I some refugees in other countries. I live in a flat in a guesthouse with bloodshed. Somalis have been living really can’t wait to do something. other refugees including some Somali in war constantly. Even from Somalis families, too. I have visited the UNHCR living in neighboring African countries Has there been any moment you office so often. They are my only I heard that they were discriminated. felt very bad about your situation of hope. I go there in order to know the I guess, as many others, I dreamt of being homeless? status of my papers. I am waiting for a better life and a job. So, in 2006 I my visa issue for the US. We can never left Somalia in order to find freedom A lot of times I wanted to return to decide on our country of destination and a better life. I was anxious about Africa as I didn’t see any light at the ourselves. my departure. I didn’t know what end of this tunnel. In March 2010 I tried would be waiting for me. I knew that for the first time but it wasn’t possible my escape wouldn’t be easy. After anymore. So I still remain caught in How do you imagine your future and if you could return to Somalia having finished my school education this “prison” here since 7 years. would you return one day? I went to Ethiopia where I worked as a medical assistant in a hospital. How often do you have contact with I don’t want to imagine my future, I Instead of arriving in the Netherlands, your family? will see what happens. I would always the country I had chosen, I arrived in love going back to Somalia. Even if India and later decided to wait for Not so often. They think I am wasting the people there are killing each other, my further visa in Nepal. In a way I‘m my time. They want me to start it is still my country. I hope that the happy I‘m not living that previous kind working. What can I do? I feel so political situation will change soon. of life anymore. helpless. My mother and my sister Thank you,I wish you all the best for back in Somalia need my financial your future! How does your daily life in Nepal support but I haven’t been able to help look like? them for 7 years. Can you imagine Leonore Heldman how it feels to leave when you are so


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Interview

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„ Wir denken immer positiv!“

Herr Abiliyev und Frau Abiliyeva

Ein ganz besonderes Paar aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft erzählt uns aus seinem Leben: Herr Polad Abiliyev und seine Frau Arzu Abiliyeva aus Aserbaidschan. Heimfocus: Herr Abiliyev, Frau Abiliyeva, wann und warum sind Sie nach Deutschland gekommen? Herr Abiliyev: Unsere Geschichte unterscheidet sich vielleicht von den Schicksalen anderer Bewohner dieser Unterkunft. Wir kommen aus der Hauptstadt von Aserbaidschan, aus Baku. Ich hatte

dort eine Juwelierwerkstatt, ich habe einen Meistertitel und ich arbeitete gern und erfolgreich in meinem Beruf. Meine Frau war drei Jahre lang an einem großen Krankenhaus als Hebamme beschäftigt. Wir waren jung und frisch verheiratet, wir waren glücklich. Dann kam, buchstäblich über Nacht, diese schwere Krankheit, die mich in den Rollstuhl zwang. Beide

Beine waren gelähmt und gefühllos; ich ließ viele Untersuchungen und Therapieversuche über mich ergehen, bis die Ärzte mir und meiner Frau sagten, sie könnten nichts mehr für mich tun. Mir ging es von Tag zu Tag schlechter, eine schreckliche Zeit nach gerade mal drei Jahren Ehe und dem ganzen Leben vor uns. Wir waren damals ja erst 25 und 36 Jahre alt! Doch


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13 / 2013 wir hatten großes Glück, dass es uns Willen und strahlen viel positive gelang, hierher zu kommen, unsere Energie aus. Hat sich das auch auf Ihre letzte Hoffnung auf Lebensrettung. Gesundheit ausgewirkt? Hat sich ihr Frau Abiliyeva: Wir kamen im Leben verändert? Sommer 2009 in Zirndorf an und wurden bald hierher nach Würzburg Herr Abiliyev: In meine Reha 2011 transferiert. Viele hilfsbereite und in Bad Kissingen bin ich mit dem menschliche Unterstützer, gerade im Rollstuhl gekommen und mit dem medizinischen Bereich, bemühten Rollator gegangen. Diesen habe ich sich sehr, meinem Mann zu helfen, dann selbst nach wenigen Monaten wir sind so dankbar dafür. Aber für in die Ecke gestellt und mir gesagt: mich war es schwer; ich war jung, ich Ich stehe jetzt selber auf, ich MUSS kannte mich hier überhaupt nicht aus, aufstehen! Ich bin kein alter Mann, ich konnte mich nicht verständigen, ich muss es selbst schaffen! Ich muss wo ist mein Mann, wie komme ich zum Krankenhaus, wie finde ich mich dort und hier im Heim alleine zurecht? Fragen, Unsicherheit, Angst, Depression. Ja, es gab auch hier Landsleute, die halfen, so gut sie konnten. Es gab aber dennoch viele schlimme, dunkle Tage.

aufstehen, ich muss gehen, ich muss es lernen! Seither laufe ich mit Hilfe von mit Stöcken und Stützschienen. Na ja, mit Stock und meiner Frau (beide lachen): Wir machen alles gemeinsam. Wenn wir irgendwo hingehen, ist meine Frau immer dabei. Ich habe dann meine Schienen an den Unterschenkeln, eine Stock in der einen und meine Frau an der anderen Hand. Immer zusammen, alles zusammen: Wir haben schon zu Hause

Heimfocus: Sie sprechen gut Deutsch, sie gehen sehr offen und freundlich auf andere zu. Wieso schaffen Sie es, wo sich viele andere so schwer tun? Herr Abiliyev: Seit Juli 2012 haben wir einen sicheren Aufenthaltstitel. Das ist ein großes Geschenk, es nimmt so viel Angst und Unsicherheit, und es gibt uns Lust und Energie, an die Zukunft zu denken. Es ist nicht gut, immer zu jammern und zu beklagen, was früher und gestern alles schlimm war. Man muss nach vorne denken, aufstehen, von sich aus etwas tun. Wir lernen mit viel Willen und Energie Deutsch, jeden Tag Deutschkurs bis in den Nachmittag und dann schauen wir jeden Tag mindestens zwei Stunden deutsches Fernsehen, um die Sprache zu üben. Sprache ist ein Muss, das ist das Wichtigste, nach der Gesundheit. Die Menschen müssen selbst aufstehen und sich bewegen. Ich mache mir immer einen Plan, stecke mir Ziele, was ich in diesem und jenem Zeitraum geschafft haben will. Und man muss selbst dafür kämpfen, sich bemühen. Es muss, es muss, das sage ich jeden Morgen! Ich sage immer zu meiner Frau: Sprich! Fehler sind egal! Wir müssen mit den Menschen sprechen! Früher war ich bei allem auf Unterstützung angewiesen, jetzt helfe ich anderen, so gut ich kann. Heimfocus: Sie haben einen starken

Erinnerungen :Das junge Paar in der Heimat

alles zusammen gemacht, wir sind viel gewandert, wir haben viel von unserem Land erkundet. Vom ersten Tag hatten wir eine tiefe Liebe zueinander, eine Zauberliebe. Wir haben zwar noch keine Kinder, aber wir sind uns sehr tief verbunden. Wir ergänzen und stützen uns: Wenn ich deprimiert bin, wenn ich einen schlechten Tag haben, richtet mich meine Frau auf und umgekehrt. Heimfocus: Sie feiern dieses Jahr beide einen runden Geburtstag; das ist eine gute Gelegenheit für Träume und Pläne. Welche private und berufliche Hoffnungen haben Sie? Herr Abiliyev als Künstler

Herr Abiliyev: Erst für sechs


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Monate Deutsch lernen, dazu hoffe ich auf weitere gesundheitliche Stabilisierung. Noch sind die Schwankungen sehr groß, eine Tag geht es mir gut, an einem anderen fühle ich mich schwach und niedergeschlagen, Dann haben auch meine Beine keine Kraft. Danach hoffen wir, eine Familie gründen zu können. Ich wünsche mir auch, dass ich in naher Zukunft in Würzburg eine Möglichkeit finde, mein berufliches Können unter Beweis zu stellen. Es wäre schön, bei einem Kollegen mitarbeiten zu dürfen.

Wachsmodelle von Schmuckstücken und Trauringe des Paares

Ich bin im Rollstuhl und halb tot hergekommen, jetzt, Gott sei Dank, geht es immer aufwärts. Ich denke immer positiv, auch wenn mancher Tag schwer ist. Wenn ich heute aufstehe, wenn ich Atem hole, sage ich: Gott sei Dank, wir haben ein Zimmer, wir haben Brot, wir haben zu Essen, wir sind glücklich miteinander. Ich bin froh über jeden Tag! (Frau Abiliyeva nickt und lächelt) Heimfocus: Woher schöpfen Sie diese Kraft und Zuversicht? Wie erhalten Sie sich Ihr positives Denken in der Gemeinschaftsunterkunft? Herr Abiliyev: Wir haben hier wirklich Glück; unsere Nachbarn und wir verstehen uns gut und haben auch die gleiche Vorstellung von Rücksicht, Sauberkeit und Ordnung. Wir haben hier auch viele nette Mitbewohner, mit denen wir Kontakt halten, aus Russland, aus Afrika...... Frau Abiliyeva: … auch aus Georgien, Serbien, aus der Türkei. Wir versuchen, mit allen guten Menschen hier freundschaftlich auszukommen. So Gott will, das ist einer unserer wichtigsten Sätze! Wir wissen nicht, was morgen kommt, Gott weiß es. Herr Abiliyev: Bei uns in Aserbaidschan leben Menschen aller Religionen und Konfessionen friedlich miteinander; da ist die Religionszugehörigkeit kein Thema. Wir sind Moslems, aber das hatte zu Hause nie eine Rolle gespielt im Zusammenleben. Religion ist doch nicht das Erste, was einen Menschen ausmacht. Wenn du ein guter Mensch bist, bist du mir willkommen.

Schmuckstücke von Meisterhand des Herrn Abiliyev

Die ersten Worte auf Deutsch, die ich gelernt habe, waren: Gott sei dank! Gott ist groß! Das ist mein Lieblingswort. Ich bin mit dem Glauben aufgewachsen, er gehört zu meinem Leben. Deswegen stehe ich jetzt, laufe ich jetzt, lebe ich jetzt. Ich habe Ehrfurcht vor Gott. Ich muss recht handeln, weil Gott es will, nicht stehlen, nicht betrügen, nicht gegen andere sein. Wir müssen miteinander leben, Integration suchen, Freundschaft schließen. So Gott will!

Herr Abiliyev, Frau Abiliyeva, wir danken ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen eine glückliche Zukunft in Deutschland! Heimfocus-Team


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Festung Europa Podiumsgespräch zur europäischen Asylpolitik im Rahmen der Veranstaltungsreihe „40 Jahre Europapreisträgerstadt Würzburg“ Donnerstag, den 16.05.2013 19.30 Uhr Katholische Hochschulgemeinde Würzburg (KHG) Hofstallstr. 4 97070 Würzburg Veranstalter: KHG Würzburg

Roma und Sinti Ihre Situation innerhalb und außerhalb Deutschlands besser kennen- und verstehen lernen Abend mit traditionell kosovarischem Abendessen und Vortrag durch Gastreferenten Mittwoch, den 29.05.2013 19.00 Uhr Abendessen 20.00 h Vortrag Katholische Hochschulgemeinde Würzburg (KHG) Hofstallstr. 4 97070 Würzburg Veranstalter: Asyl-Arbeitskreis der KHG Würzburg


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©Filminitiative Würzburg

Vom 14. bis zum 17.03.2012 wurden insgesamt siebzehn Filme gezeigt, in welchen diese Themen aufgegriffen wurden und die sich als Dokumentar-, Spiel-, Kurz- oder Kinderfilm auf sehr unterschiedliche Art mit der Thematik „Flucht, Asyl, Immigration“ auseinandersetzten. Damit hatten die Veranstalter sich in diesem Jahr zum ersten Mal einen Themenschwerpunkt gesetzt.


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mit der Problematik zu belassen, lud man in der Asylarbeit tätige Gruppen aus Würzburg und Umgebung ein und gab ihnen so die Möglichkeit, sich und ihre Arbeit vorzustellen: lokale Aktive von Amnesty International (AI), des Freundeskreises für ausländische Flüchtlinge im Regierungsbezirk Unterfranken e.V, des AsylArbeitskreises der katholischen Hochschulgemeinde, des HeimfocusMagazins sowie von V!VOVOLO e.V. nahmen die Einladung gerne an.

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Nachdem sich bei der Vorbereitung für das diesjährige Filmwochenende herausstellte, dass viele der ausgewählten Filme von Flucht, Asyl und Immigration handelten, beschlossen die Veranstalter, dies zum Schwerpunkt des Festivals zu machen. Um es nicht nur bei der theoretischen Auseinandersetzung

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Am Donnerstag, den 14. März, startete das Filmwochenende mit einem Sektempfang im Foyer des Programmkinos Central in der Würzburger Innenstadt, neben dem Cinemaxx Würzburg einer der beiden räumlichen Gastgeber des Filmfestivals. Hannes Tietze vom Vorstand der Würzburger Filminitiative betonte in seiner Begrüßung, dass das Filmwochenende Jahr für Jahr ausschließlich von Ehrenamtlichen geplant und durchgeführt werde. Umso erfreulicher die Anwesenheit vieler prominenter Gäste aus lokaler Politik und Gesellschaft als Beweis dafür, dass das Internationale Filmwochenende ein fester Bestandteil des kulturellen und politischen Lebens in Würzburg ist. Zur Einstimmung auf den Kurzfilm „Common Verses“ begrüßten fünf Schülerinnen der Würzburger Mönchbergschule das Publikum zusammen mit dem Jugendsozialarbeiter Naoufel Hafsa in ihrer jeweiligen Muttersprache und stellten das gemeinsame Filmprojekt vor. In dem Clip werden Schülerinnen und Schüler der Mönchbergschule Würzburg gezeigt, die gemeinsam „Freude schöner Götterfunken“ erlernen und anschließend gemeinsam singen (zu sehen auch im Internet unter http:// vimeo.com/36481902). Der Regisseur


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des Films Steffen Boseckert nutzte die Gelegenheit im vollen Kinosaal, um auf das neueste Filmprojekt in der Mönchbergschule aufmerksam zu machen. Grundlage für den Film „Schattenspringer“ sind Geschichten und Erfahrungen der Kinder, die ihre Heimatländer verlassen und in Deutschland ein neues Leben beginnen mussten. Die Dreharbeiten laufen bereits, allerdings ist das Projekt noch dringend auf Spenden angewiesen! Mit dem deutsch-norwegischen ©Filminitiative Würzburg Film „To liv – Zwei Leben“ von Georg Maas, wurde das 39. Internationale Filmwochenende dann offiziell eingeleitet. In der äußerst bewegenden Geschichte einer norwegischen Familie geht es unter anderem um die sogenannten „Lebensborn“-Heime, eine Flucht aus der DDR und die Auswirkungen der deutschen Geschichte auf die Gegenwart. Mit diesem Film als Einstieg wurde verdeutlicht, dass Flucht, Asyl und Immigration früher wie heute wichtige Themen sind, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Am Freitag begeisterten dann weitere Filme die Zuschauer. Allein zum Schwerpunktthema wurden ab 15 Uhr acht Filme aus Italien, Österreich, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland gezeigt. Unter anderem „Io sono Li – Shun Li and the Poet”, welcher am Ende des Wochenendes zum Sieger des Publikumspreises gewählt wurde. Der Film spielt in Italien, in einem kleinen Dorf bei Venedig, und erzählt von der Freundschaft zwischen einer jungen Chinesin und einem Fischer slawischer

Abstammung. Der Regisseur Andrea Segre zeigt in seinem Werk eine wenig bekannte Seite Italiens und beleuchtet auf sensible und originelle Weise diese besondere Beziehung zwischen zwei Menschen unterschiedlicher

Kulturen und die Reaktionen ihres Umfelds auf diese Verbindung. Samstags ging es dann weiter mit dem Filmmarathon. „Die verrückte Welt der Ute Bock“ gehörte zu den am besten besuchten Schwerpunktfilmen. Ute Bock ist die bekannteste Flüchtlingshelferin Österreichs. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit allen Mitteln Flüchtlinge zu unterstützen, indem sie Wohnungen vermittelt, Spenden sammelt und durch Auftritte an Schulen und Universitäten auf die Lage der Flüchtlinge in Österreich aufmerksam macht. Szenen, in denen die Zusammentreffen von Ute Bock mit Politikern, Nachbarn und Polizisten nachgespielt wurden, zeigen auf satirische Weise, wie irrsinnig Asylpolitik sein kann. Um den Zuschauern nochmal live vor Augen zu führen, wie das Leben als Asylbewerber und Flüchtling in Deutschland aussehen kann, wurde auch die Flüchtlingstheatergruppe der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg


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zum Filmwochenende eingeladen. Im Foyer und im Kinosaal des Cinemaxx führten die Flüchtlinge Passkontrollen durch, wie sie tagtäglich an Bahnhöfen zu sehen sind. In einer Szene wurde beispielsweise ein junger Erwachsener am Betreten des Kinosaals gehindert. Nachdem er die Aufforderung, seinen Pass zu zeigen, nicht verstanden hatte, wurde der Kontrolleur sehr unfreundlich und schüchterte den Mann ein. Die realistische Darstellung dieses Schauspiels brachte sogar eine Kinobesucherin dazu, in die Szene einzugreifen. Durch die Anwesenheit der Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft und diese kleinen Einblicke in ihren Alltag wurde deutlich, dass Flüchtlinge eben nicht nur im Film vorkommen, sondern auch bei uns in Würzburg mit unsinnigen Gesetzen und Vorschriften zu kämpfen haben. Auch sonntags konnten noch einige Filme zum Schwerpunktthema

angeschaut w e r d e n . U n t e r anderem „Blijf! Bitte bleib!“, ein niederländischen Kinderfilm von Lourens Blok. Die elfjährige Lieke versucht in dem Film die Abschiebung ihres besten Freundes Milad zu verhindern. Dieser soll mit seiner Familie in den Iran abgeschoben werden, wo seinem Vater die Inhaftierung droht. Mit viel Mut und der Hilfe eines Journalisten gelingt es Lieke, dass sich die zuständige Ministerin am Ende doch gegen die Abschiebung entscheidet und die Familie in den Niederlanden bleiben kann. Da nicht alle Geschichten so gut enden wie im Film und noch viel getan werden muss, um im Kampf gegen die menschenverachtende Asylpolitik Erfolge zu erzielen, wurden am Informationsstand der oben erwähnten Organisationen kräftig Unterschriften gesammelt und Flyer verteilt. So kamen neben interessanten Gesprächen mit den Besuchern des Filmwochenendes ca. 200 Unterschriften zusammen, vor allem für eine Petition von Amnesty International, die demnächst an Herrn Schulz, den Vorsitzenden des Europäischen Parlaments übergeben werden soll. Anliegen der Petition war unter anderem „sicherzustellen, dass die Menschenrechte von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden geschützt werden“ sowie „die Seenotrettung zu verbessern und alles zu tun, damit weitere Tote auf dem Mittelmeer verhindert werden“. „Wir hoffen sehr, damit zum Erfolg der Petition beitragen zu können,“ meinte Dietlinde Weinberger von Amnesty International. „Ganz wertvoll waren für uns aber auch die Gespräche mit den Besuchern am Stand über die

Thematik Asyl und über unsere Arbeit!“ Auch die Vertreter der anderen Organisationen waren sehr mit dem Wochenende zufrieden. „Es hat sich auf dem Internationalen Filmfestival ein anderer Geist Würzburgs abgebildet als in der Fußgängerzone, ein weltoffener, empörter, interessierter, gemeinschaftlicher ein hoffnungsvoller. Es war gut, Teil dessen zu sein. Wir wollen und dürfen nicht aufhören, über den Tellerrand hinaus zuschauen“, so fasste Mirjam von Bibra, Mitglied beim Aktionskreis Asyl der katholischen Hochschulgemeinde, ihre Erfahrungen am Stand zusammen. Der junge iranische Asylberwerber Rashid Jalaei beeindruckte die Besucher mit Portraits seiner Mitbewohner aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft und fing deren Einzigartigkeit als Mensch in seinen Schwarzweißfotos mit großem Respekt und Einfühlungsvermögen ein. Ein besonderes Dankeschön gilt an dieser Stelle Frau Birgit Pelchmann und all den Helfern der Filminitiative Würzburg, die den Ehrenamtlichen am Informationsstand jederzeit zur Seite standen und für eine hervorragende Betreuung sorgten! So konnten diese nicht nur über ihre Arbeit im Asylbereich informieren sondern selbst sehr gute Filme zu den unterschiedlichsten Themen genießen. Gerade die Filme zu den Themen „Flucht, Asyl, Immigration“ hoben nochmals hervor, wie wichtig die Arbeit in diesem Bereich ist und bestärkten die Ehrenamtlichen darin, ihre Arbeit ganz im Sinne von Ute Bock fortzuführen, die meinte: „Jeder kann ein bisschen dazu beitragen, dass es ihnen (Asylbewerbern und Flüchtlingen) besser geht!“ und „WIR müssen die Gesetze ändern. Man muss anfangen beim kleinen Mann auf der Straße. Die auf der Straße herumrennen und blöd reden, die muss man überzeugen!“ Sophia Löble


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Die Kirche von Lalish Ich heiße Sali und bin 18 Jahre alt. Ich bin ein Flüchling . Mein Bild zeigt die Kirche von Lalish. Lalish ist für uns Jesiden* heilig. An Festtagen gehen wir immer dorthin, und alle Kinder werden mit dem heiligen Wasser von Lalish getauft. Ich habe in einem Dorf bei Lalish gewohnt. 2007 kamen zwei Lastwagen vor die Kirche gefahren. Die Fahrer haben gesagt: “Wir haben Lebensmittel, kommt alle, und dann verteilen wir sie.“ Alle Dorfbewohner kamen, weil sie sehr arm und hungrig waren. Auch im Nachbardorf geschah dasselbe: Auch hier fuhren zwei Lastwagen vor uns versprachen Lebensmittel für die Hungrigen. Als sich alle Dorfbewohner versammelt hatten, explodierten die Lastwagen gleichzeitig in beiden Dörfern. Sehr viele Menschen starben, viel Kinder und viele Frauen. Alle Häuser wurden zerstört. Ich wohnte im Dorf daneben und war an diesem Tag zu Hause. Ich habe die Explosion gehört. Es waren Dörfer, in denen nur Jesiden gelebt haben. Viele unserer Nachbarn und unserer Verwandten sind an diesem Tag gestorben. Zum Beispiel mein Cousin, der ganz frisch verheiratet war. Die Überlebenden sind verrückt geworden. Sie haben nicht mehr geredet und sind auch nicht mehr aus ihren zerstörten Häusern gekommen. Viele hatten auch keine Häuser mehr und haben dann in Zelten gewohnt. Nur wenige konnten von Verwandten aufgenommen werden, weil die Menschen dort sehr arm sind und keinen Platz hatten. Das alles war wegen der Religion. Ich hoffe, dass es eines Tages keine Probleme mehr mit Religion gibt und dass die Menschen in Frieden zusammen leben. Sali

Jesiden / Yeziden

Die Yeziden oder auch Jesiden genannt, kurdisch Êzîdî; sind die Anhänger des Yezidentums, einer eigenständigen monotheischen Religion. Das Yezidentum ist keine missionierende Religion. Man kann nur als Yezide geboren werden. Dabei müssen beide Elternteile yezidischer Abstammung sein. Grundsätzlich bedeutet die Heirat eines Yeziden mit einem Andersgläubigen seinen Austritt aus der Religionsgemeinschaft. Nach Ansicht der Yeziden soll sich ihre Religion aus dem altpersischen Mithras-Kult oder aus den Kulten der Meder entwickelt haben. „Die frühesten Zeugnisse über der yezidischen Glauben gehen auf das 14. Jh. v. Chr. zurück. Damit sind die Yezidi eine der ältesten monotheistischen Religionsgemeinschaften überhaupt. Êzîd – das kommt aus dem Kurdischen und heißt so viel wie „der, der mich erschaffen hat“; es meint den Aus: „Heimat - Geschichten und Schöpfergott, an den die Yeziden Bilder von Menschen auf der Flucht“ glauben. Er habe die Erde und sieben herausgegeben vom Asylzentrum Erzengel geschaffen, und die Engel Tübingen wiederum den ersten Menschen,

Adam.“¹ Die Kirchenanlage von Lalish bei der Stadt Dohuk im kurdischen Teil Iraks ist für die Jesiden das religiöse Zentrum, in dem auch der wichtigste Heilige Sheik Adi, eines Glaubensreformators aus dem 12. Jahrhundert, begraben ist. In Lalish lebt bis heute stets das religiöse Oberhaupt der Yeziden, Baba Sheik. „Viele der yezidischen Riten sind an die heilige Stätte in Lalish gebunden. Einige Rituale finden traditionell nur dort statt. Jedes yezidische Kind etwa muss in Lalish getauft werden.“¹ Von großer Bedeutung für die Glaubensausübung und Glaubenstradierung sind die sog. Quewals, Männer, die „ das religiöse Amt des Erzählers ausüben. Die Quewals spielen bei allen religiösen Feierlichkeiten in Lalish eine große Rolle. Sie sind das religiöse Gedächtnis der Yezidi. Sie werden schon als Kleinkinder dazu erzogen, die religiösen, Gedichte, Erzählungen und Gebete auswendig zu lernen. Wenn sie diese Ausbildung durchlaufen haben, laufen sie von Dorf zu Dorf und geben die Glaubensinhalte weiter“, so der Freiburger Psychologe Jan Ilhan Kizikhan, selbst Yezide.¹ Doch diese mündliche Überlieferung scheint einer der Gründe zu sein für die Jahrhunderte alte Verfolgung und Unterdrückung der Yeziden. „Wegen ihrer mündlichen Tradition galten die Yezidi ihren islamischen Nachbarn als „Abtrünnige“, weil sie, anders als Christen oder Juden, keine Buchreligion seien. Auch bei politischen Konflikten in früheren


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Jahrhunderten war das immer wieder ein Argument, mit dem verschiedene Machthaber die Unterdrückung der Yeziden begründeten. Die Geschichte der kurdischen Yeziden ist deshalb auch eine Geschichte der Verfolgung.“¹ Lange hätten sie ihre Religion deshalb im Geheimen praktiziert. Seit dem Ende des Irakkrieges sind die Yeziden gezielt zur Zielscheibe fundamentalistischer Moslems geworden. Sie müssen um ihr Leben fürchten. Das führt dazu, dass die Yeziden aus dem Irak in Massen flüchten. Die ethnische und religiöse Gemeinschaft in der Heimat blutet bedrohlich aus. In vielen Ländern der Welt, auch in Syrien, im Iran, in den Kaukasusrepubliken, in der Türkei und natürlich auch in den USA und in Europa. Rund 70 000 Yeziden leben allein in Deutschland. Gerade die westliche Lebensart fordert das traditionelle Lebensgefüge heraus und führt zwischen den Generationen zu Konflikten bis zu Gewalt und Ehrenmord. „Wenn nichts geschieht, löst sich unsere Kultur langsam auf. Sie verschwindet. Noch feiern wir unsere Feste, aber viele Yezidi, die im Ausland leben, kennen ihre Bedeutung

gar nicht mehr“, so wehmütig.¹

Herr Kizikhan

Heimfocus-Team

¹aus „Die Yeziden“ von Antje Deckert, Publik Forum 3/2013 alle anderen Informationen von wikipedia.org: https://de.wikipedia. org/wiki/Jesiden

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Till GU-Spiegel

Sehr geehrte Frau Haderthauer, „Zukunftsministerium“, mit diesem Zusatz schmückt sich Ihr Ressort zurecht! Damit stellen Sie die dynamische Ausrichtung Ihrer Zukunftsvisionen für Bayern trefflich unter Beweis: Es gilt, unsere bayerische Heimat auch künftig gegen multikulturalistische Bedrohungen zu verteidigen, ohne die Vorteile der Globalisierung für den Standort aus den Augen zu verlieren. Diese zukunftsorientierte Dynamik haben Sie auch mit der Kooperationszusage für unser innovatives Format bewiesen und so die bundesweite Ausnahmestellung Bayerns erneut bestätigt. Für Ihre Kabinettskollegen und kritische Rückfragen aus dem Landtag haben wir, ihrer Anfrage Folge leistend, unser gemeinsames Projekt in der nachfolgenden Präsentation zusammengefasst: „Into the Wild Challenge 2013“:

Asyl-Survival-

Den beliebten Casting- und ContestQuotenbrechern „Dschungelcamp“, „Germany‘s Next Top Model“, „Deutschland sucht den Superstar“

usw. stellt nun die GamsBYart Media AG in Coproduktion mit dem Bayerischen Zukunftsministeriums für Soziales und ein überaus attraktives Format entgegen, das konkurrenzlos und erfolgreich Zuschauer jeden Alters fesseln wird und faktisch unbegrenzt ausbaufähig ist.

Teil 3

Heimat Zeuge atemberaubender Grenzerfahrungen und elektrisierender Mobilisierung animalischer Überlebenspotenziale, die es in ihrer Intensität ohne Weiteres mit der Challenge des Dschungelcamps aufnehmen können. Allerdings legen wir großen Wert auf das Konzept einer Familienunterhaltung, bei der Dank der Standhaftigkeit der schon kleine Zuschauer wie auch bayerischen Sozial- und Innenpolitik Senioren gerne mitfiebern und ihre bietet unser Heimat über 120 sehr Favoriten mit Zuschauer-Voting reizvolle, weit verstreute Locations unterstützen können. Daher werden mit internationalen Flair und bei uns dem breiten Publikum keine exotischer Kulturenvielfalt in Gestalt ekelerregenden Prüfungen zugemutet. von Gemeinschaftsunterkünften Die Zuschauer werden indessen an und Dezentraler Unterbringung (GU, inspirierten Mutproben und pfiffigen DZ) für Asylbewerber. Vielen davon Wettbewerben um nur scheinbar werden wir uns mit Unterstützung alltägliche Selbstverständlichkeiten unserer Kandidaten und Zuschauer ihre Freude haben. in der Entwicklung unseres Formats Wir bitten um Verständnis, dass wir aufmerksam zuwenden. nicht alle Details verraten können, aber hier schon ein kleiner Vorgeschmack Nach dem Casting von sicherlich auf die Vielfalt der Herausforderungen, Tausenden begeisterter Familien bei der es am Ende nur einen Sieger entführen wir die auserwählten geben kann. Seien Sie versichert, Kandidaten der ersten Staffel alles ist nachprüfbar der Realität zunächst in die spannende Alltagswelt entnommen und somit über jeden der Asylbewerber in Tückelfurt, Zweifel erhaben. wenige Kilometer entfernt von der pulsierenden Metropole Challenge 1: Um die Authentizität zu Ochsenhausen in Unterfranken. gewährleisten und die Alltagswelt der Die Zuschauer werden im 26 tschetschenischen und georgischen ländlichen Raum ihrer romantischen Asylbewerber in Tückelfurt realistisch


13 / 2013 abzubilden, stellen wir den Kandidaten erreiche ich ihn? und deren Kindern ausnahmslos tschetschenisch sprechende Sie merken schon, es erwartet Sie Bezugspersonen zur Verfügung. und die riesige Fangemeinde ein Ohne jegliche Sprachkenntnis unglaubliches Potenzial an Spannung zurechtkommen zu müssen in und Unterhaltung, und diese werden der gesamten Kommunikation die Zuschauer von Folge zu Folge mit der Außenwelt, im direkten immer mehr fesseln, denn der Kick Umgang mit Behörden, Ärzten, lauert erst im Detail! Lassen wir ganz Kindergarten, Schule oder Nachbarn bewusst eine optionale hilfsbereite und Unterstützern, bei sämtlichen Nachbarschaft außer acht, denn sie Mitteilungen, Behördenbriefen, ist ja nur zufällig und nicht Teil des Essensbestellungen etc., ist die eine ministerialen Konzepts und seiner der vier Challenges unseres Konzepts. lokalen Ausführung! Viel Spaß nun beim kleinen Vorgeschmack auf die Challenge 2: Abgeschiedenheit Prüfungen, die unsere Kandidatender Location, bar fast jeder Familien im kreativen Wettstreit grundlegenden Infrastruktur, die für zu lösen haben, immer unter dem ein zivilisiertes, entwickeltes Land Damokles-Schwert der vorgegebenen fast schon eine Selbstverständlichkeit Challenges: sein sollte: Ohne Handy-Empfang und nennenswerten öffentlichen 1. Mein Kind geht im entfernten Nahverkehr, ohne Computeranschluss Herbipolis in die Schule; es ist erst 6 und Einkaufsmöglichkeiten, ohne Jahre alt. Es kennt weder Sprache noch vorgehaltene soziale Betreuung und die Örtlichkeit oder irgend jemanden, Dolmetscher. Das hat etwas von der an den es sich unterwegs im Notfall Ursprünglichkeit eines Survivalcamps wenden könnte. Handy-Notruf in der Wildnis, und das mitten scheidet aus, siehe Challenge 1 und in unserer schönen fränkischen 2. Was macht mein Kind, was mache Heimat, ja, direkt gegenüber der ich, wenn auf dem komplizierten wunderbarenTückelfurter Kartause, und langen Weg Probleme auftreten, also auf historischem Boden, es Bus oder Zug verpasst oder die der von der Hochkultur unserer Haltestelle? abendländischen Zivilisation Zeugnis ablegt! Eine einmalige Konstellation, 2. Mein Kleinkind ist krank, es hat die sicherlich auch die lokale Fieber und muss schnell zum Arzt. An Tourismusbranche beflügeln wird! wen wende ich mich (Challenge 1, 2, 3, 4), wer fährt mich und mein Kind hin, Challenge 3: Haben wir bereits wer dolmetscht? Wie komme ich an erwähnt: keine vorgehaltene die Medikamente? Sozialbetreuung, völlige Abhängigkeit vom guten Willen und 3. Mein Kind ist fast blind; die hohen von der Solidarität der Eingeborenen Kosten für die Brille soll ich dennoch – mit denen man leider kaum vorstrecken; doch woher soll ich das kommunizieren kann, siehe 1. Geld nehmen?

45 6. Wir warten auf unser Kleidergutscheine; manche bekommen sie, manche nur zum Teil, manche gar nicht. Was tun? (siehe oben) 7. Der einzige Arzt, der unsere Sprache spricht, hat seine Praxis in einem Nachbarort, zu dem es gar keine Busverbindung gibt. Der Arzt, zu dem ab und zu überhaupt ein Bus fährt, versteht uns nicht. Was tun? (Challenge 1, 2, 3, 4) 8. Unsere Kleinkinder werden an ihrem ersten Kindergartentag sang-und klanglos und ohne Mama von einem Minibus abgeholt. Was ist, wenn sie, fremd und ohne Sprache, weinen und nach der Mama schreien? 9. Samstag Nacht: Ein medizinischer Notfall in der Unterkunft! Wir wissen, dass wir 110 wählen müssen; doch am anderen Ende der Leitung versteht uns niemand – und es ist auch niemand da, an den wir uns in unserer Not wenden könnten. 10. Die Essensbestelllisten sind ausschließlich auf Tschetschenisch! Hilfe, wir haben keine Ahnung, was wir bestellen! Formulare, Mitteilungen, Amtsbriefe und und und...: wir haben keine Ahnung, was drin steht und was man von uns will. Was sollen wir unterschreiben? Die Liste der absurden und spaßigen Herausforderungen ließe sich endlos fortsetzen und wird sicher für manches schallende Gelächter auf der heimischen Couch sorgen. Seien Sie versichert, schon lange hat keine Sendung derart positiven Einfluss auf das Familienleben gehabt und für soviel kollektive Erheiterung gesorgt. Sie wird ein voller Erfolg werden für Ihr Zukunftsministerium, geschätzte Frau Staatsministerin, und für uns!

Challenge 4: Besonders spannende, 4. Wenn ich hier Besuch bekomme, weil konfliktträchtige Challenge, die muss ich das vorher anmelden? Und Wir bedanken uns für die gute die Machtverhältnisse des Konzepts wenn ja, wieso? Bin ich ein Häftling? und beiderseits befruchtende in aller Härte demaskiert! Es geht um Wo bekomme ich Infos und Hilfe, Zusammenarbeit und planen bereits die mangelnde Information bzw. die siehe Challenge 1, 3 und 4. die nächsten Staffeln. Unkenntnis der eigenen Rechte und Pflichten. Was ist erlaubt und was 5. Seit langen Wochen drängen Hochachtungsvoll nicht, wo begehe ich eine folgenreiche wir darauf, Zimmerschlüssel zu „Verfehlung“ aus Unkenntnis? Was bekommen, um ein Minimum an Ihre steht mir zu, wie komme ich an Privatsphäre zu haben; es passiert offizielle Informationen oder Anträge, nichts... Wer hilft uns? (Challenge 1, GamsBYart Media AG wie setze ich meine Ansprüche durch? 3, 4) Wer übersetzt mir den Papierkram? Wer ist für was zuständig und wie


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No2 • 10/2010 2010

VOICE FOR REFUGEES

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Impressum

3.Jahrgang, 3.Ausgabe, 05 / 2013 Redaktion: Addis Mulugeta, Abay Kiros Redaktionskontakt: contact@heimfocus.net

VIVOVOLO reach out your hand for refugees …

Hund oder Mensch?

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Manche Menschen glauben immer noch, ihre Rasse sei allen anderen überlegen und habe eine Monopolstellung auf diesem Planeten … weiter auf S.24

04 / 2011

Erscheinungstermin: 01.05.2013 Erscheinungsweise: vierteljährlich Auflage: Exemplare 2500

N o6 • 07/ 2011

VOICE FO

teilhabe R REFUGEES n-Teil we rden No 7 • 10 / 2011

Herausgeber: Eva Peteler c/o Ausländer-und Integrationsbeirat der Stadt Würzburg Rückermainstr.2 97070 Würzburg

No 8 • 1 / 2012

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S.34

Die Würde des Menschen unantastbar Teil 5

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Weiter auf S.5

Weiter auf S.36

Hund oder Mensch? Teil 6

e noch Arzt, sonIch bin weder Psycholog . Seit Jahdern einfach nur ein Flüchtling dieser Lager ren schon lebe ich in einem , Weiter auf S.20 in Bayern, ohne Hoffnung

Vertrauen ist wichtiger als Worte Die Würde des Menschen ist unantastbar Teil 6

… denn in der Herberge war kein Platz für sie … Weiter auf S.5

2 012 201 No 9 • 04/2

© Falk von Traubenberg

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Fotos: Redaktion Titelbild: Interkulturelle Woche Layout: Maneis Arbab, Anette Hainz Druck und Produktion: flyeralarm GmbH

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Hund oder Mensch?

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Zahlen … Weiter auf S.32

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No 12 • 02 / 2013

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Menschen brauchen Frieden! Mit Menschlichkeit und Gerechtigkeit – wie denn sonst?!

Die Würde des Menschen ist unantastbar Teil 10

Innen hui, außen pfui?

„Wer Mut zeigt, macht Mut!“

Friedensnobelpreis 2012 an die EU – Wie kommt diese Auszeichnung bei den Menschen an? Weiter auf S.6

„Am Anfang sind es oft nur wenige, die vorausgehen …“ Weiter auf S.4


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FRAGEN SIE INFORMIEREN SIE SICH HANDELN SIE

liegt in Würzburg aus bei/in: Rathaus

www.fluechtlingsrat-bayern.de www.proasyl.de

Stadtbücherei Falkenhaus

www.thecaravan.org

Akademie Frankenwarte

www.deutschland-lagerland.de

Weltladen

www.borderline-europe.de www.borderregime.eu

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www.fortresseurope.blogspot.com

Kath. Hochschulgemeinde

www.amnesty.de

Evang. Hochschulgemeinde

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Bücherei Am Bahnhof, Veitshöchheim Mainfrankentheater Kolping Augustinerkloster, Dominikaner Platz Ökumenisches Zentrum Lengfeld

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