Heimfocus #08 - 01/2012

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VOICE FOR REFUGEES teilhaben-Teil werden

Where is my home!? S.18

© Falk von Traubenberg

Vertrauen ist wichtiger als Worte … S.12 Die Würde des Menschen ist unantastbar Teil 6 … denn in der Herberge war kein Platz für sie … Weiter auf S.5

Hund oder Mensch? Teil 7 Eins, zwei, drei …einfach nur Zahlen … Weiter auf S.32


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Inhalt-Inside Pages Editorial ............................................................................................................................................ 3 DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR ......................................................................... 5 Exhausted sound – Stimme der Erschöpfung.....................................................................................8 DANKE!........................................................................................................................................... 11 Theater in drei Sprachen ................................................................................................................. 12 Wieso ist das bei uns möglich? ........................................................................................................ 14 500 Betten für 667 Asylbewerber .................................................................................................... 15 Appell aus Zirndorf ......................................................................................................................... 15 Ein Bett für jeden ist das Mindeste!................................................................................................. 17 Where is my home?! . ...................................................................................................................... 18 Nights of Rights .............................................................................................................................. 19 Bist du schon integriert?.................................................................................................................. 19 „Darum hatte ich nur eine Wahl: Die Flucht“ ....................................................................................20 Widerstand gegen die Unterdrückung: weiblich und klug ................................................................20 Flucht: umgekommen – angekommen, nicht willkommen! ............................................................. 22 Du hattest einen Namen ................................................................................................................. 24 Was kann ich tun? ........................................................................................................................... 25 Sie können selbst für sich sprechen ................................................................................................. 26 Sprich! ............................................................................................................................................ 27 Ihr braucht die Sprache – wir helfen euch! .......................................................................................28 Dog or Human? – Hund oder Mensch?............................................................................................. 32 Grenzenlose Solidarität mit Flüchtlingen statt beschränktem Nationalismus .................................. 34 Politische Karikatur als Medium gegen die Diktatur ........................................................................ 36 Rückkehrberatung als Unterstützung für Flüchtlinge ...................................................................... 38 Wer heißt schon einen Fremden willkommen? ................................................................................40 Impressum ..................................................................................................................................... 42

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Editorial

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Was ist Ihr Wunsch fürs Neue Jahr? Sind alle Ihre Weihnachtswünsche in Erfüllung gegangen? Ein neues Laptop, ein TV-Gerät, modische Kleidung oder was auch immer Sie sich erhofft haben? Und was sind Ihre Träume, Pläne und Vorsätze fürs Neue Jahr? Was möchten Sie verändern? Wünschen Sie sich einen sicheren Arbeitsplatz, Gesundheit und Harmonie für Ihre Familie, freuen Sie sich auf einen Traumurlaub? Eine andere Antwort auf diese Frage geben wohl die meisten Flüchtlinge in diesem Land. Sie sehnen sich nach dem „Pass“, einer beschränkten Aufenthaltserlaubnis. Und ihre Träume und Wünsche können auch so sein: Kürzlich traf ich einen Jungen, Mohammed Reje, der aus Afghanistan geflohen ist. Er strengt sich an und ist hier ein guter Schüler geworden. Ich fragte ihn nach seinen Wünschen fürs Neue Jahr. „Dass es meiner Mama in Afghanistan gut geht und dass sie gesund bleibt“, antwortete er. Ob seine Mutter überhaupt noch lebt, nicht einmal das wusste er. Er musste alleine fliehen. Ohne ein einziges Wort Deutsch zu können, kam er vor rund einem Jahr im Flüchtlingslager an. Nun beherrscht er die Sprache fast fließend. Aber der Schmerz tief drinnen ist sein ständiger Begleiter, diese Sehnsucht nach seinen Liebsten, nach seiner Familie und seinem Zuhause.

Land zu bleiben. Ob sie hier endlich ankommen dürfen, um sich ein neues Leben in Sicherheit und Freiheit aufzubauen. Oftmals reicht ihr Atem nicht, um sich einem ganzen Jahr zu stellen, sie schauen auf das Heute, das Morgen, den Tag danach. Sie ringen um ein Weiterleben, um das Leben an sich. Dafür brauchen sie engagierte Helfer und Freunde, die ihnen Wege öffnen uns diese vielleicht auch ein Stück weit mitgehen. Wenn Sie also Flüchtlinge nach ihren Neujahrswünschen fragen, werden sie eine klare Antwort bekommen.

Die Frage ist, haben die Neuankömmlinge Anteil an Ihren Vorsätzen und Plänen fürs neue Jahr? Werden Sie Ihre Verantwortung für die Mitmenschen ernst nehmen in der Zuwendung zu diesen Heimatlosen? Sie sind Ihren Händen anvertraut und suchen Unterstützung und Gastfreundschaft. Und wenn die vielen Stolpersteine auf ihrem Weg endlich zur Seite geräumt sind, wenn sie endlich die Chance dazu bekommen, werden diese Menschen mit aller Kraft ihre eigenen Wege suchen und finden und für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen. Sie bringen so viele Fertigkeiten und soviel Wissen mit, die sie diesem Land anbieten, für seine Unternehmen, für Touristik und Hotellerie zum Beispiel. Warum wird all dieses Potential verschleuWeihnachten und der Jahreswechsel dert? Ungeachtet der Qualifikatihaben ihren ganz eigenen mystischen on und Fähigkeiten brauchen wir Zauber. Es ist der Beginn von etwas Flüchtlinge ohne Unterschied Ihre Neuem, das noch unbekannt vor ei- Unterstützung, ganz einfach deshalb, nem liegt. Ein ganzes Jahr, zwölf Mo- weil wir Mitmenschen sind, die alles nate voller Verheißungen und Mög- verloren haben und die an Ihre Türen lichkeiten. Für Flüchtlinge ist das klopfen. Wir brauchen offene Hernach der unerfüllten Hoffnung des zen und Hände. Niemand, auch Sie vergangenen Jahres der Beginn einer nicht, kann in die Zukunft schauen. neuen bangen Erwartung, ob ihnen Wer kann schon vorhersagen, weldiesmal gestattet wird, in diesem che Wendungen sein Leben nehmen

wird und wo er einmal ankommt? Niemand hasst sein Land, wir alle lieben unsere Heimat. Aber wir alle leiden unter dem Virus, das unsere Heimatländer befallen hat und sich dort ausbreitet. Wie können wir dieses Virus besiegen? Obwohl Sie und Ihre gewählten Politiker die Medizin dafür in der Hand halten, wenden Sie Ihren Blick ab und lassen es wüten. Es kümmert Sie nicht, wie viele Menschen dort, weit weg von Ihrer Haustür, ihr Leben durch dieses Virus verlieren. Ja, es ist ein ganz besonderes Virus mit vielen Bedeutungen und Gesichtern, und das einzige Gegenmittel ist der Widerstand der Menschen. Nun, wir sind Bürger bestimmter Länder und Sie sind Einwohner eines anderen Landes. Wir sollten einander unterstützen, meinen Sie nicht auch? Wir Flüchtlinge fühlen uns einsam in unserer jetzigen Lage. Viele von uns haben ihre geliebte Familie zurück lassen müssen, ihr Heim und ihren Besitz, nichts anderes als Sie auch schätzen. Diejenigen, die einst selbst Flüchtlinge waren, verstehen und fühlen sehr gut, was ich meine, auch solchen Mitmenschen hier , die uns nahe stehen und uns unterstützen. Ich bin froh um diejenigen unter Ihnen, die Flüchtlinge zu Weihnachten oder zum Jahreswechsel besuchen oder sie gar zu sich nach Hause einladen. Das ist Menschlichkeit und Gastfreundschaft. Und hoffentlich werden diese Begegnungen zur Saat einer neuen, offenen Annäherung zwischen Menschen, die einander als gleichwertig begreifen, gleich welcher Hautfarbe und Kultur sie sind. Addis Mulugeta



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Die Würde des Menschen ist unantastbar

Teil 6

...denn in der Herberge war kein Platz für sie... Und es begab sich zu jener Zeit, da die Menschen des christlichen Abendlandes wieder die Menschwerdung ihres Erlösers feierten, dass sie beschloss, endlich anzukommen, wo ihr Platz war. An den Türen der Menschen wollte sie anklopfen, wie Josef und Maria auf Herbergssuche in den Krippenspielen. Denn ging es nicht gerade um sie selbst in der Botschaft dieses Gottessohnes, der Widerstand predigte und leistete gegen alles, was den Menschen klein macht, ausgrenzt, beschämt? Und in den wunderbaren Predigten von neuer Hoffnung, vom Heil der Welt, in dem ebenso frommen wie folgenlosen Friedenswunsch des Papstes „Urbi et Orbi“ an „alle Menschen des guten Willens“? Ihre Zeit war gekommen, dachte sie und klopfte an die Türen in der Gewissheit, diese würden ihr mit offenen, einladenden Gesichtern aufgetan werden. Mit Gesichtern, die die Frohe Botschaft von „Werde Licht!“ widerspiegelten. „Sie werden gebeten, die Gemeinschaftsunterkunft bis spätestens...zu verlassen. Bitte kommen sie der Aufforderung fristgerecht nach.“ Schon allein der „Brief vom Amt“ weckt Ängste, erst recht, wenn man nicht weiß, was darin steht, weil man die Sprache nicht versteht. Amt ist schlimm, das hat man hier schnell gelernt. Gestern noch keine Sprache lernen dürfen, keine Bewegungsfreiheit, Isolation, ein lächerliches Taschengeld und ein fremdbestimmtes Leben. Jetzt plötzlich, mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis: Suche dir eine Wohnung. Suche dir Arbeit. Komm klar da draußen in der komplexen deutschen Gesellschaft. Immerhin, endlich: Deutschkurs, Integrationskurs, Bewegung, Hoffnung. Aber Sprache lernen braucht Zeit. Natürlich gibt es, zumindest in großen Städten, Beratungsdienste, aber die sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Wohl dem, der deutsche Freunde oder Unterstützer hat. Aber wie viele hatten das Glück, schon in der Gefangenschaft des Lagerlebens solche Kontakte knüpfen zu können?

So hat sich der frischgebackene „Passbesitzer“ nun zügig eine eigene Bleibe zu besorgen, denn auf sein Bett im Lager warten schon in drangvoller Enge der Erstaufnahmeeinrichtungen neue Flüchtlinge. Dort verfügen viele von ihnen nicht einmal über ein eigenes Bett. Ausländer, schwarz oder zumindest erkennbar „undeutsch“, kaum Deutschkenntnisse, mit Hartz-IV-Budget, klopft also an unsere Türen, fragt, ist noch Platz in der Herberge? Ich bin neu da draußen und ich möchte nichts weiter als endlich mein Leben selbst in die Hand nehmen, eure Sprache lernen, Arbeit finden, mein Brot verdienen, meine Familie unterstützen, so gut ich kann. Ich bin kein schlechter Mensch, nur weil meine Haut dunkler ist als Ihre, weil ich anders aussehe. Ich will nichts weiter als in Frieden leben, eine Chance bekommen. Von meinem Hartz IV-Geld zahle ich jetzt ohnehin jeden Monat 195€

„Nutzungsgebühr“ für mein durchgelegenes Bett in der Massenunterkunft, für Mitbenutzung der Toiletten, Duschen und Küche. Und dann dieser bedrohliche Brief vom Amt! Der macht mir Angst. Was ist, wenn ich keine Bleibe finde finde? Von wem wird also dem Fremden aufgetan? Von denen, die gestern noch bei der Christmette sich und der Welt Frieden wünschten? Frieden wo? Durch wen? Wer gibt diesen zu uns geflohenen Menschen eine Chance? So gut wie niemand. Bestenfalls ein „Tut mir Leid, die Wohnung ist schon weg!“, wenn nicht gleich, nett umschrieben:“Sie passen nicht ganz in die Hausgemeinschaft!“ So wie in der wahren Begebenheit, als nach so einer „Ist schon weg...“-Absage postwendend der deutsche Freund als Interessent beim selbigen Vermieter anruft, sich als Jungingenieur ausgibt – und siehe an, die Wohnung ist natürlich gerne zu haben. Es ist beschämend und entlarvend, wie viel Rassismus und Fremdenfeindlichkeit noch unter uns zu finden ist. Flüchtlinge erwarten nicht, dass ihnen das Leben hier auf einem Silbertablett serviert wird, aber wie können sie die ersten Schritte bewältigen ohne unsere Offenheit und Solidarität? Wie sollen sie Annoncen in der Zeitung studieren können, verhandeln, besichtigen, wie im Internet auf Wohnungssuche gehen können? Sie sollen sich jahrelang eben nicht integrieren, Deutsch lernen, sie sollen isoliert in unwürdigen Massenunterkünften hausen, um ihre „Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland (zu) fördern“, so die bayerische Asyldurchführungsverordnung von 2002. Kann es sein, dass am


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ausgepackt, die Spenden verschickt, der Braten verdaut. Verstummt sind die frommen Lieder und Predigten. Das war‘s. Genug davon, entsorgt und weggeräumt zusammen mit den Christbaumkugeln, ganz weit nach hinten in den Keller. Aber im nächsten Advent, dann heißt es wieder: “Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt“ oder:“ Macht hoch die Tür, die Tor macht weit...“

Ende der einzige Ort, an dem Herkunft und Hautfarbe keine Rolle spielen, das Lager ist, das Exil außerhalb der deutschen Gesellschaft? Ein erbärmliches Zeugnis für uns alle. Weiter Gefangene wider Willen mit Auszugsbefehl - will-

Sie wird wieder auf Herbergssuche gehen. Vielleicht machen die Menschen diesmal auf. Vielleicht werden sie bis dahin stiller, demütiger, durchlässiger. Weil ihre übersatte Welt anders geworden ist. So lange wird sie an die Türen klopfen in der Hoffnung, diese werden ihr eines Tages aufgetan mit Gesichtern, die die Frohe Botschaft „Werde Licht!“ widerspiegeln. Von Menschen, kommen in Deutschland, willkommen die begriffen haben, was es bedeutet, in Würzburg. sie anzunehmen. Dann wird Platz sein Suchet, so werdet ihr finden. Klopfet in der Herberge für alle Menschen – an, und es wird euch aufgetan werden endlich. Auch für die Flüchtlinge. Und - aber bloß nicht hier bei uns. Weih- für SIE, die Menschenwürde. nachten ist vorbei, die Geschenke Eva Peteler

Dignity of Man is inviolable Part 6

…...but there was no room for them in the inn…. Even a letter from the government authority awakes fear in their hearts, especially when they have no idea what it means, as they are unable to read the language it is written in. The government authority is terrible, that’s what they have learnt here very quickly. So, a refugee receives this letter when he has obtained the much sought-after passport, with which he has received a restricted residence permit for Germany. Yesterday, he was not allowed to learn German, have work , had no freedom of movement, isolated , a pittance for pocket money and a life controlled by outside restrictions imposed on him. And now, suddenly, look by yourself for a place

to live, look for a job, go out there and do it ! How?? Finally, at least, offer of a German course, an integration course, freedom of movement, even hope. But learning a language needs time, time which has been wasted in those long mindless years of waiting. And now , they should suddenly be in a position to cope with the complexities of German society. Of course there is, at least in the larger cities, support offered by advice bureaus, but that is no more than a drop in the ocean. And thank God for those refugees who have German friends or supportive backers. But how many of them have had that luck within the imprisonment of camp life to find and socialise with

outside contacts ? And now, the new passport holder has to find a place to live as quickly as possible , as new refugees from the initial accommodation camps, who live in claustrophobic and confined living conditions , are desperately waiting for his bed. As some of them , even in Germany, if I may add , have not got even their own bed. Refugees, black or at least not German–looking, without any knowledge of the German language, living on Hartz-IV allowance are knocking at our doors and asking: Is there any room in the inn? I am new here. I don’t want to do anything wrong. I don’t wish to cause any inconvenience. I just


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want to take my life in my own hands, look and see, welcome, the apartment have been made and the turkey digelearn your language, find work, earn is available for rent ! It is shameful and sted. The pious hymns and sermons my own money and support my family hypocritical to find that there is so are silent and the Christmas and New , as well as I can. My rent is paid direct- much racism and xenophobia within Years wishes have faded away. That’ s ly from the government authorities our midst. Refugees do not expect, it. Thanks a lot and goodbye! Enough to your bank account! So don’t wor- their life here will be served on a silver of all that! Put away the Christmas dery. I am not a bad person because my plate , however, how can they take the corations back into the attic. But don’t skin colour is darker than yours. I just first steps without our open-minded forget next Christmas coming with the want to live in peace . A chance to start solidarity ? How should they be able to same old stories and carols of “ Peace again. That’s all. And from my Hartz read the advertisement in the newspa- on Earth for all men of good will”... So IV benefit, I have to pay a user fee of per, negotiate, view, find out how flat if the Saviour of Man knocks again on 195 € for the sagging and wornout bed hunting works on the internet ? They doors and hearts, who will open for in crowded conditions of the refugee can not be blamed that they are unab- His brothers and sisters? For those still camp; for the use of communal toilets, le to speak our language. They are pre- in search of an inn, just like in the Nashowers and kitchen. And then this vented from learning it year after year. tivity plays. letter arrives from the immigration They are kept isolated and housed Maybe one day the citizens of this agency telling you, now that you’re under terrible conditions, so that they country and city will open the door. free quit immediately! are “ ready to go back to their own Maybe they will be quieter then, humcountry”cited in the Bavarian Asylum bler and meeker because their vision So who will open his door for the for- Seeker Regulations 2002. Is it really of the world has changed. Maybe then eigner? Those who were at Christmas true and acceptable that the only place they will approach refugees with a welMass yesterday, celebrating “ The where birthplace and skin colour does coming, understanding, Christian face, Light of the World”? Those who wish not matter is the refugee camp? The that brings glad tidings and shows the peace ?… peace? Who feels responsi- exile outside German society the only proclaimed “light”. Showing in this ble for creating peace? Who is going to place you don’t feel minor and outcast way they finally have got the point of give us a chance ? As good as nobody. in the heart of a Christian country? humanity, equality of man and human At the very best “ I’m sorry , but the This is a pitiful and pathetic testimony dignity in all humans regardless their apartment has already been rented for us all. Imprisoned against their will diversity. Then finally ,there will be out” , when really and truthfully, it with a deportation order… welcome room in the inn… for real Christmas, means: “ You don’t fit in this place, get to Germany! Welcome to Würzburg! for refugees and for human dignity. out of here. What will the neighbours What was all this fuss about Christmas tell us if we let you in!” And so in a once more? Search and you will find? Adapted and translated true incident , after an “ apartment- Knock on the door and you will find by Janet Dehmer has-gone-rejection “, a German friend somewhere… but no, please not here. phones the very same landlord and Christmas has passed, the presents poses as a young engineer…and just have been opened, the donations

Wohnraum dringend gesucht !!!! Wir bitten alle Hausbesitzer und Wohnungsbaugenossenschaften eindringlich, Wohnraum für Flüchtlinge aus der Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg und Umgebung zur Verfügung zu stellen! Derzeit sitzen in der GU über 90 auszugsberechtigte Menschen zum Teil seit Jahren fest, Alleinstehende und Familien mit Kindern, weil sie auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance haben.

Bitte helfen Sie mit, wir vertrauen auf Ihre Solidarität! Übrigens: für diejenigen im Hartz IVBezug werden die Mietzahlungen direkt vom Jobcenter(ehem. ARGE) überwiesen. Angebote an den Ausländer-und Integrationsbeirat der Stadt Würzburg unter: auslaenderbeirat@stadt.wuerzburg.de Tel. 0931/ 37 3229


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Exhausted sound

part 7

A Christmas Letter to my wife My dear Sarah! Christmas in our country is not nearly as commercial as it is in the West, and indeed, our gifts for the family are purchased at the special church related Christmas shops, isn’t it? What I liked the most from Christmas celebration was going to the midnight service in the church together with you. But now there is a big distance between us to celebrate Christmas. So this is a Christmas letter for you, my sweetheart, from the distance. I hope, our house has been decorated with special Christmas decorations, I remember the spirit of Christmas hovering on our house. You are so lovely; do you know how much I love you from the bottom of my heart? Yes, that is the meaning of love in the time of difficulty. I still love you even more in the difficult situation at the moment. My sweetheart, my sweetheart, please kiss both of your lovely and softy cheeks on behalf of me. Just feel it, I am there at this very moment as you are reading this letter. It is not easy to find a quiet place to write this letter. It is just crowded here in the refugee camp. I am not the same person any more to do things at the right time and place. Plenty of unhappy things are going through my mind. Even to finish this single letter, it took days. I hope you aren’t angry about me for not writing you a letter for over three years. It is a beautiful letter! It brought tears to my eyes. Do you remember what you said at the airport before I parted for Germany? You asked me with tears in your eyes: “We won’t see us any more, isn’t it??” At this moment, I promised you, things are going to be okay, don’t worry; I told you that I am going to the most developed and democratic country, which is safe

Pic:Maneis Arbab

and reliable and far better than home. They proclaim human rights, freedom of speech, move or work. Hopefully they respect all of it, I said to you again. Give me a few months and I love to see your golden eyes and to kiss your softy cheeks once again. Please take care of my mother and visit her sometimes during the week and give my brothers and sisters some hope and strength. I feel such a pain in my heart now leaving and losing all that has been precious to me, like you, my lovely, my fa-

mily, friends, my country - everything. For now, please pray for me and for our future. I already felt exhausted starting from my first arrival place in this country. Forget about seeing you again within some months or even years. My life has ended up in a refugee camp without hope and future. I don’t know why my prayer is not still dropped into Heaven. Please pray for me. My life, even your life, our future, depend on one single


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1 / 2012 person who is going to decide on my status here. Do not ask me when this person is going to decide about my asylum case. Why has it been ignored for almost three years now? When I remember your tears flowing down your lovely and softy cheeks in the airport, it makes my horrible situation here unbearable. Do you like to share some of my experience of my present life here? Better not, let me tell you something simple. Most people here are very friendly, but it is disturbing for me when I meet some new native people, I should answer again and over again their questions, where are you from, what are you doing here? When did you come to Germany? Why don’t you speak the German language after having lived here already for three years? They are very nice questions to introduce oneself for the first time. The funny part here is, when I start to introduce myself saying I am a refugee, some people once they heard the word refugee, they disappear forever. Some avoid any contact with refugees, they are serious about it because they consider us like we are worthless, uneducated, greedy for social benefits, lazy - and unwanted. This is my status. Please laugh about it instead of crying. Was I worthless really, my sweetheart, when I met you? Was I unimportant when I kissed your lovely cheeks? Was I stupid and lazy when I worked in my

job and managed our life? To prepare you for laugh once again, when I say I am a refugee, I don’t know why, the voice of some people is going down and their body is shrinking. It is funny, isn’t it?

words in all those papers? “A refugee is a person who has been pushed away from his or her home and seeks refuge elsewhere”, they are fleeing their country either to the closest countries or democratic countries far away. It is hard, painful, no fun, so why countries For me it looks like the movement close their border on those persecutof people from one place to another ed people after having signed this kind has started with me three years ago. of conventions? The other question is But in reality migration is there since why officials there push people to go human kind started to live on earth. back to their risky countries or deport Sweetheart, to console you, let me tell them forcefully instead of respecting you that there are very honest, friend- the 1951 Refugee Convention which ly and very close people here as well. says; humans have the universal “ right They are supporting, helping and ca- to seek asylum (to ask another countring for refugees in any kind, of course ry to let you in to escape persecution except being able to help gaining the or the possibility of persecution, for “Passport”. Do not be confused, it is safety and protection); the right not the heart of refugees, the “Passport” to be forcibly returned to your home here means, it is just a paper and a country ...” certain permission written in it. For instance, the permission to work, move Oh my sweetheart, excuse me, it is a from on city to another city, to learn lot of painful and hard facts for you but the German language are new options just remember there are also some pogiven only by this “Passport”. Who can sitive things here. I can not write all of get it? Only those refugees blessed in them in this short letter. I will tell you the eyes of this one person who has in- one by one when I will get the chance terviewed them - and me - starting our to see you once again. Asylum process in the first refugee ar- For now, stay strong! riving place. God Bless you! Love you, my beloved one! For me, I can not find a single sentence in the declaration of any Human Yours Isaa Rights Organization supporting refugees telling people to turn a hostile and rejecting face on refugees. But Isaa Yakubu this our reality, so why writing nice

Stimme der Erschöpfung

Teil 7

Ein Weihnachtsbrief an meine Frau Meine geliebte Sarah! Bei uns daheim ist Weihnachten bei Weitem nicht ein Konsumfest wie hier im Westen; wir kaufen unsere Weihnachtsgeschenke für die Familie in einem dieser besonderen kirchlichen Weihnachtsläden, nicht wahr? Was ich an Weihnachten daheim am meisten liebte, war die Christmette um Mitternacht gemeinsam mit dir. Aber dem steht die unüberwindbare Entfernung

zwischen uns im Wege. Kein gemein- be? Wahre Liebe trägt durch schwere sames Weihnachten. So schreibe ich Zeiten hindurch. So liebe ich dich jetzt dir, meine Liebe, wenigstens diesen ganz besonders in meiner schwierigen Weihnachtsbrief aus der Ferne. Ich Lage. Meine Liebste, küsse deine liebhoffe, du hast unser Haus genauso lichen und zarten Wangen in meinem weihnachtlich geschmückt wie immer, Namen. Du wirst es spüren, ich bin bei ich weiß, wie dann dieser ganz beson- dir in diesem Augenblick, da du diesen derer Geist von Weihnachten in der Brief liest. Es ist nicht einfach, ihn zu Luft schwebte durch unser Haus. schreiben, überhaupt einen ruhigen Platz dafür zu finden; das Lager quillt Du bist mir so nahe; weißt du, wie über vor Menschen. Ich bin nicht mehr sehr ich dich von ganzem Herzen lie- wie früher, nicht mehr der Mensch, den


10 du kanntest, der alles zur rechten Zeit am rechten Ort erledigt. Viele traurige Dinge und Gedanken beschäftigen mich; allein um diesen Brief zu schreiben, habe ich Tage gebraucht. Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich dir drei lange Jahre keinen Brief geschrieben habe. Es ist ein schöner Brief geworden, und er hat meine Augen mit Tränen gefüllt. Kannst du dich noch erinnern, was du damals zu mir sagtest beim Abschied auf dem Flughafen, vor dem Flug nach Deutschland? Du hast mir mit Tränen in den Augen zugeflüstert: „Wir werden uns nie wiedersehen, nicht wahr??“ In diesem Moment habe ich dir versprochen, sei unbesorgt, alles wird wieder gut werden; ich erzählte dir, schließlich gehe ich in eines der am weitesten entwickelten Länder der Welt, in ein demokratisches Land, das sicher und verlässlich ist, viel besser als hier bei uns. Sie bekennen sich dort zu Menschenrechten, zu Meinungsfreiheit, Freizügigkeit und Recht auf Arbeit. Ich hoffe sehr,dass dies alles auch wahr ist, fügte ich noch an. Gib mir ein paar Monate und ich werde deine strahlenden Augen wiedersehen und deine zarten Wangen wieder küssen. Kümmere dich bitte um meine Mutter und besuche sie ab und an, und gebe meinen Brüdern und Schwestern Hoffnung und Zuversicht. Es tut mir jetzt so weh, alles, was für mich kostbar und wichtig ist, zurück zu lassen, dich, meine Liebe, meine Familie, Freunde, meine Heimat, alles. Bete du nun für mich und für unsere Zukunft. Schon an dem ersten Ort, an dem ich nach meiner Flucht untergebracht war, fühlte ich mich erschöpft. Vergiss es, unser Wiedersehen nach wenigen Monaten oder gar Jahren. Mein Leben endet hier in einem Flüchtlingslager, ohne Hoffnung und Zukunft. Ich weiß nicht, warum mein Gebet im Himmel noch immer nicht erhört wurde. Bitte bete für mich. Mein Leben, auch dein Leben, unsere Zukunft, hängt von einer einzigen Person ab, die hier über meinen Status entscheidet. Frag mich nicht, wann diese Person endlich über meine Asylantrag befinden wird. Warum wurde dieser seit fast drei Jahren noch immer nicht bearbeitet? Wenn ich mich an deine Tränen erinnere, die auf dem Flughafen über deine weichen

contact@heimfocus.net Wangen flossen, ist meine schreckli- lichkeiten, die man nur durch den Pass che Situation hier für mich fast uner- erhält. Wer kann ihn bekommen? Nur träglich. diejenigen Flüchtlinge, die vor eben dieser einen Person Gnade finden, die Möchtest du meine jetzigen Lebenser- sie zu Beginn des Asylverfahrens befahrungen mit mir teilen? Besser nicht, fragt hat und die alleine entscheidet. ich erzähle dir lieber etwas Harmloses. Die meisten Menschen hier sind Nicht einen Satz habe ich gefunden wirklich freundlich, aber es ist für mich in all den Deklarationen von Institutiverstörend, immer wieder die gleichen onen und MenschenrechtsorganisatiFragen zu hören und zu beantworten, onen, der dazu auffordert, Flüchtlinge wenn ich Einheimischen begegne: Wo so feindselig und abweisend zu bekommst du her, was machst du hier? handeln, wie es in Wirklichkeit an uns Wann bist du nach Deutschland ge- geschieht. Warum also all die schönen kommen? Warum sprichst du immer Worte, wenn sie nichts weiter als Papier noch kein Deutsch, wenn du hier schon sind? „Flüchtling ist, wer gezwungen seit drei Jahren wohnst? Das sind wirk- ist, sein Heim zu verlassen, um anderslich nette Fragen beim ersten Mal, um wo Zuflucht zu suchen“; entweder im sich vorzustellen. Aber dann wird es Nachbarland oder in weit entfernten eigenartig: Wenn ich erkläre, ich bin demokratischen Staaten. Das ist hart, Flüchtling, verschwinden manche Ge- schmerzlich, kein Spaß; warum also sprächspartner ganz schnell. Andere verschließen Länder ihre Grenzen vor vermeiden von vorn herein jeden Kon- diesen verfolgten Menschen, nachdem takt mit Flüchtlingen und sie meinen sie all diese Erklärungen unterzeichnet es sehr ernst damit, sie betrachten uns haben? Und warum weisen Behörden als wertlos, ungebildet, gierig nach dieser Länder Flüchtlinge ab und dränsozialen Wohltaten, faul - und unwill- gen sie in ihre gefährlichen Heimatkommen. Das ist meine Lage. Bitte länder zurück? Warum schieben sie lache lieber darüber anstatt zu weinen. sie mit Gewalt ab, anstatt die Genfer War ich wirklich minderwertig, meine Flüchtlingskonvention von 1951 zu reLiebe, als wir uns begegneten? War ich spektieren, die unmissverständlich erohne Bedeutung, als ich deine Wan- klärt: Menschen haben das universelle gen küsste? War ich dumm und faul, „Recht, ein anderes Land auf der Flucht als ich in meinen Job erfolgreich war vor Verfolgung oder drohender Verfolund unseren Lebensunterhalt sicher- gung aufzusuchen um der eigenen Site? Und um dich noch mehr zu erhei- cherheit und des Schutzes willen und tern: Manche Menschen sprechen nur dort um Asyl zu bitten. Sie haben das noch sehr leise und fallen richtig in sich Recht, nicht gewaltsam in die Heimat zusammen, wenn sie hören, ich bin ein zurückgeschickt zu werden...“ Flüchtling. Ist das nicht komisch? Mein Liebling, verzeihe mir, es sind so Ich fühle so, als ob die Wanderschaft viele schmerzliche und harte Dinge, von Menschen vor drei Jahren mit mir von denen ich dir erzähle; bedenke, ihren Anfang genommen hat. Aber in dass es hier auch erfreuliche ErfahrunWahrheit war Migration immer da, seit gen gibt. Ich kann dir in einem kurzen es den Menschen gibt. Mein Liebling, Brief nicht alles schildern; wir müssen um dich zu trösten, es gibt hier auch uns gedulden, ich werde dir alles erehrliche, freundliche Menschen, die zählen, wenn wir das Glück haben, uns uns sehr nahe stehen. Sie unterstüt- wiederzusehen. zen uns und kümmern sich um Flücht- Bleibe tapfer, Gott segne dich! linge in jeder Hinsicht, außer natürlich bei der Beschaffung des „Passes“. Du Ich liebe dich, meine geliebte Sarah! musst wissen, dieser ist die Sehnsucht, das Ziel jedes Flüchtlings. Im Grun- Dein Isaa de bedeutet der „Pass“ nichts als ein Stück Papier, auf dem die Erlaubnis für bestimmte Freiheiten erteilt wird. Isaa Yakubu Zum Beispiel dafür, zu arbeiten, von einer Stadt in die andere zu ziehen, deutsch zu lernen, das sind neue Mög-


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Danke!

Wir bedanken uns von Herzen bei allen Menschen, die uns mittragen und uns unterstützen in Wort und Tat. Wir haben gemeinsam mit anderen En- mehr Menschen sensibilisieren und nen, die nicht nachlassen, gegen den gagierten viel bewegt und erreicht in betroffen machen, Bürger der Stadt, Strom zu schwimmen und für menden letzten Monaten und Jahren, und Schüler und Studenten, Gruppen und schenwürdige Flüchtlingspolitik im es ist uns gelungen, das inakzeptable Organisationen und auch Politiker, die Freistaat zu kämpfen. Und zu guter Schicksal der Flüchtlinge mitten unter aufhorchen und genauer hinschauen Letzt ein Dankeschön an Flyeralarm uns immer mehr in den Blickpunkt der in einen Bereich, der bisher kaum Be- und Standpunkt e.V. - und auch an unÖffentlichkeit zu rücken. Da gehörtes achtung fand. Wir danken für jedes sere nervenstarke Layouterin. auch hin und wir werden weiter kämp- offene Ohr und für jede ausgestreck- Die Flüchtlinge und Asylbewerber fen, bis jedem Flüchtling Teilhabe an te Hand! Wir danken unseren tollen brauchen auch weiterhin dringend der Gesellschaft und ein eigenständi- Freunden und Helfern im Heimcafé Ihre/eure Solidarität und Freundges Leben in Würde und Wertschät- und bei den vielen Aktivitäten im La- schaft! Danke dafür! zung ermöglicht wird. Es gibt noch ger und den engagierten Menschen in viel zu tun, sehr viele Widerstände der Stadt, in Institutionen und Grupsind noch zu überwinden, aber nichts pen, die uns unterstützen und sich mit ist unmöglich, wenn viele es wollen. Herzblut für die Flüchtlinge einsetzen. Wir brauchen den Druck und den Ein- Unser Dank gilt auch unserem Obersatz empörter Bürger, eine lautstarke bürgermeister, Herrn Rosenthal, und Lobby für die Abgehängten und an denjenigen Mitgliedern der Stadtverden Rand Gedrängten – insbesondere waltung und des Stadtrates, die einauch für die Flüchtlinge, die ganz am stehen für einen asylpolitische Wende unteren Ende der Gesellschaft auf ein und für nachhaltige Veränderungen Leben mit Perspektive und in Würde vor Ort. Danke auch an diejenigen hoffen. So ist es gut, dass wir immer Landtagsabgeordneten aller Fraktio- Die Heimfocus-Redaktion

Ihnen/euch/ unseren Flüchtlingen und allen Menschen ein frohes, erfülltes und positives Neues Jahr!

Sie schätzen Heimfocus und Heimcafé? Werden Sie unser Dann helfen Sie uns! Förderer und „Pate“! Das Heimfocus-/Heimcafé-Team dankt für Ihre Wertschätzung und Ermutigung. Wir und mit uns viele andere Ehrenamtliche setzen uns gerne für die Flüchtlinge ein, weil wir überzeugt sind, dass jeder Mensch wertvoll ist und Respekt, Unterstützung und Solidarität verdient. Und wir bekommen sehr viel zurück an Einblicken in den Reichtum anderer Kulturen, an Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Wir arbeiten gerne ohne Lohn, aber nicht umsonst: Heimfocus und Heimcafé sind spendenfinanziert! Wir brauchen nicht nur Ihre Wertschätzung, sondern dringend auch Ihre konkrete Unterstützung: Spenden Sie uns monatlich den Gegenwert einer Kinokarte! Das genügt – wenn sich viele anschließen. Jeder Euro wird gebraucht. Und es kommt auch auf SIE an, ob es Heimfocus und Heimcafé weiter geben wird. Herzlichen Dank!

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Theater in drei Sprachen

Vertrauen ist wichtiger als Worte

„Was machen alle diese Leute schon wieder hier??! Ich habe es satt,ständig deine ganze Sippschaft um mich zu haben! Ich habe dich geheiratet, nicht die alle!“ Dieser sinngemäße Ausbruch eines weißen Ehemannes stößt bei seiner afrikanischen Ehefrau nicht nur auf empörtes Unverständnis, sondern wird vehement, laut und temperamentvoll pariert. Eindrucksvoll zeigt „Les Funérailles du Désert“ („Beerdigung der Wüste“),das gemeinsame Theaterprojekt des Mainfranken Theaters Würzburg und des C.I.T.O. im westafrikanischen Ougadougou / Burkina Faso, wie unterschiedlich die Lebenswelten, Wahrnehmungen und Prägungen in beiden Kulturen sind. In Würzburg ist das außergewöhnliche Theaterstück auf großes Interesse gestoßen und wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Es gehört Mut, Neugier und große Offenheit dazu, trotz der Gegensätze und aus ihnen ein so vielschichtiges Stück zu entwickeln, ohne Streben nach Dominanz und Wertung des anderen. Kultur ist hier ganz offensichtlich einfach universeller Brückenbauer zwischen Menschen, gleich welcher Sprache, Kultur oder Rasse. Das Publikum hatte keine Mühe, sich im babylonischen Gewirr dreier Sprachen zurecht zu finden. Es war nicht notwendig, auch nur eine davon zu können, um zu verstehen. So ausdrucksstark setzen die Schauspieler aus beiden Kontinenten die Thematik in Szene, so beeindruckend auch das Szenenbild. Die beiden Schwerpunkte der Handlung, die aus vielen Ideen beider Partner herausgearbeitet worden sind, waren die vitale Bedrohung der

Lebensgrundlagen durch Umweltzerstörung sowie das grundlegend verschiedene Verständnis von Familie. Die Umsetzung ging unter die Haut: Angesichts des apokalyptischen Wüstenreiters waren alle Protagonisten in einem dramatischen, beschwörenden Sprechgesang vereint und blickten der um sich greifenden Wüstenbildung fassungslos entgegen wie einem nahenden Tsunami. Im Gegensatz dazu die turbulenten, skurrilen, mal dramatischen, mal satirischen Familienbilder: pralles, lautes, Zusammenleben hier und mit sich und anderen ringende komplizierte Individualisten dort. Da bleiben Missverständnisse, Konflikte und Scheitern nicht aus. Und auch der Blick in persönliche und gesellschaftliche Abgründe. Aber auch witzige Momente und Spielen mit Klischees und Vorurteilen, wenn etwa die in ein Dirndl gezwängte dralle afrikanische Oma mit überschäumendem Temperament ihren neugeborenen Enkel mit magischen Ritualen stärken will und die weiße Schwiegertochter zur Weißglut bringt. Die offenkundigen und hintergründigen Bilder und Themen auf der Bühne sind zu Recht mit stehenden Ovationen bedacht worden und wirken hoffentlich nach. Und sie zeigen eindrucksvoll, wie viel Reichtum und Potenzial in interkulturellen Projekten dieser Art steckt. Mehr davon täte uns allen gut! Heimfocus hatte bei einem Begleitsymposium zum Stück die Gelegenheit, mit den Verantwortlichen des Kooperationsprojekts zu sprechen, Bernhard Stengele vom Mainfranken Theater in Würzburg und Martin Zongo vom C.I.T.O. in Ougadougou.

Bernhard Stengele und Martin Zongo

Wie Vertrauen schaffen, Vorurteile abbauen? Wie finden Menschen zum offenen Miteinander auch ohne gemeinsame Sprache? Wie entdecken und entwickeln sie Gemeinsames trotz aller Verschiedenartigkeit? Und wie siegt Vertrauen über Misstrauen, wie Annäherung und Verständnis über Vorurteil und Distanz? Weniger über ambitionierte Hilfsprojekte und wirtschaftliche Unterstützung als durch Begegnung. Besonders durch kulturelle Begegnung, darin sind sich beide Gesprächspartner einig: Auf dem gemeinsamen Weg von der Entwicklung bis zur Umsetzung des Theaterprojektes haben alle viel gelernt über den anderen: Wie wichtig es ist, sich auch zurückzunehmen als Lernender, einfach offen zu sein, genau hinzuschauen und versuchen zu begreifen, ohne zu werten. Wie bereichernd es ist, einge-


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fahrene Denkmuster zu entlarven und aufzugeben und sich und mit Respekt auf andere Sichtweisen einzulassen. Künstlerische Kooperationen dieses Art seien für die Völkerverständigung und gegen die falschen Klischeebilder und Vorurteile auf beiden Seiten wichtig und überfällig, so Bernhard Stengele und Martin Zongo. So wie Afrika für Fröhlichkeit, Gastfreundschaft, Offenheit und Sonne stehe, werde es andererseits allzu schnell auf seine hinreichend bekannten dunklen Seiten wie Armut, Kriege, Dürre und korrupte, schlechte Regierungen reduziert. Genauso wenig wie es dieses pauschale „Afrika“ gibt, könnten „die Europäer“ auf die afrikanische Sicht von reich, kalt, verschlossen, individualistisch eingegrenzt werden. Die Verengung auf „typisch Afrikaner“, und „typisch Europäer“, sei falsch und gefährlich, bediene diffuse Ängste und Vorurteile und spiele denen in die Hände, die dies für ihre populistischen Zwecke nutzten. So zielte diese Kooperation von Anfang an darauf ab, das gemeinsam entwickelte Spiel als eine Brücke der Verständigung

und Solidarität zu sehen. Menschen machen so die Erfahrung, dass verschieden zu sein kein Hindernis für Freundschaft und Kooperation ist und Ängste und Abwehr nicht rechtfertigt. Sie tauschen sich aus, nehmen voneinander an und teilen sich mit, als Gleichberechtigte, geschätzte Partner und vielleicht Freunde. Genau Dieses erleben auch wir in unseren Projekten Heimfocus und Heimcafé, ebenso wie die Aktiven im Theaterprojekt „Traum vom Leben“, als Miteinander von Einheimischen und Flüchtlingen aus der Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg. So haben sich Letztere über die Einladung von Frau Rosenthal zur Premiere von „Les Funérailles du Désert“sehr gefreut, inspiriert und ermutigt doch alle die gleiche Erfahrung von Verständnis und Freude an dem, was wir gemeinsam erfahren, bewundern und schätzen lernen. Addis Mulugeta Alle Bilder von der Theateraufführung: © Falk von Traubenberg


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Wieso ist das bei uns möglich?? Gymnasiasten in der ZAE (Zentrale Erstaufnahme-Einrichtung für Asylsuchende und Flüchtlinge) in Zirndorf Die Schülerinnen und Schüler des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in Oberasbach haben sich im Oktober 2011 im Rahmen ihres Praxisseminars mit der ZAE in Zirndorf beschäftigt. Ihre Eindrücke fassten sie so zusammen: „Ich fand es schön, dass wenigstens für die kleinen Kinder ein Platz zum Spielen und Toben vorhanden ist.“ „Besonders betroffen macht mich wie trostlos die Kinder dort leben müssen, da es vor allem draußen kaum Möglichkeiten zum Spielen gibt.“ „Ich kann nicht vergessen, dass die Menschen so wenige Beschäftigungsmöglichkeiten haben.“ „Ich kann mich nicht damit abfinden, wie wenig Geld die Asylbewerber im Monat bekommen.“ „Ich kann mich nicht damit abfinden, dass sich so wenige Menschen für die Menschen dort interessieren.“ „Es macht mich so betroffen, dass sich so wenige Außenstehende engagieren.“ „Es hat meinen Blick auf das Leben und die Verhältnisse der Asylbewerber, bzw. überhaupt den Blick auf die Asylbewerber deutlich geändert. Für mich sind sie keine „Ausländer“, sondern Menschen, die wirklich Schutz und Unterstützung benötigen.“ „Wieso ist es bei uns möglich, dass Menschen unter so schrecklichen Bedingungen leben müssen?“ „Besonders schlimm sieht auch das Gebäude für die Aufnahme aus. Es gibt den Ankömmlingen gleich das Gefühl unerwünscht zu sein.“ „Mich hat es besonders berührt, dass die drei Jungen ihr Zimmer so sauber gehalten haben und es uns unbedingt stolz präsentieren wollten.“ „Ich will mich nicht damit abfinden, dass Flüchtlinge auf engstem Raum, in zellenähnlichen Kammern hausen müssen.“ „Wieso ist es bei uns möglich, dass Menschen auf engstem Raum zusammen leben müssen und keine Privatsphäre haben?“

„Mich hat es schockiert, dass so viele Menschen auf so engem Raum ohne jegliche Privatsphäre zusammen leben müssen und das unter derartigen hygienischen Bedingungen.“ „Für mich waren auch die hygienischen Zustände erschreckend.“ „Ich hatte nicht erwartet, dass es in Deutschland Einrichtungen gibt, in denen Menschen derart beengt zusammen leben müssen.“ „Ich kann mir vorstellen, dass der Alltag sehr schwierig und anstrengend ist, wenn man keine Möglichkeiten hat, sich zurück zu ziehen und einen Moment allein zu sein.“ „Für mich war es besonders schockierend die Zustände im Männerhaus zu sehen.“ „Ich kann mich nicht damit abfinden, wie es im Männerhaus gerochen und ausgesehen hat.“ „In Erinnerung blieben mir vor allem die Küche mit den Nudeln an der Wand.“ „Gegen die derzeitige Situation in den Zimmern muss auch etwas unternommen werden.“

Doch Betroffenheit und Empörung sind nicht genug. Daraus entwickelten sich konkrete Ideen, die das Leben der Flüchtlinge in Zirndorf ein wenig erträglicher machen sollten: ein Basisdeutschkurs für Kinder, einen Kinderspieltag, ein Begegnungsprogramm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sowie eine Kleider- und Spielzeugsammlung. Und vielleicht lässt diese Erfahrung manche der jungen Menschen nicht mehr los und zieht Kreise. Die Hand direkt vor Ort zu reichen ist das Eine. Öffentlichkeit zu schaffen, die inakzeptablen Zustände in der ZAE und in den Gemeinschaftsunterkünften zu skandalisieren und Abhilfe einzufordern das Andere. Zu beidem braucht es Menschen, die hingehen, hinsehen und handeln. So wie die aktiven SchülerInnen des Dietrich-BonhoefferGymnasiums in Oberasbach mit ihrer engagierten Lehrerin Heidemarie Mielke.


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„500 Betten für 667 Asylbewerber – im Aufnahmelager Zirndorf herrschen menschenunwürdige Zustände: keine Privatsphäre, sozialer Stress, Hautkankheiten“

So titelten Katja Auer und Olaf Przybilla ihren erschütternden Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 02.12.2011. Eigentlich erübrigt sich mitten in Deutschland im 21. Jahrhundert jeder Kommentar – und gerade

deshalb müsste dieser Skandal eigent- Unterstützer an uns alle als Bürger lich alle Schlagzeilen beherrschen. dieses Landes und besonders an die Kann es sein, dass dies hinnehmbar ist, Verantwortlichen in der bayerischen dass es niemanden auf die Barrikaden Politik ins Schwarze. Im jeglichen Sinbringt? -Niemals, und gerade deshalb ne... trifft der Appell der in Zirndorf tätigen

Ehemaliger muslimischer Gebetsraum, jetzt als Schlafraum eingerichtet.

Zirndorf, 1. Advent 2011, 27. November 2011

Appell aus Zirndorf „... denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ (Lukasevangelium 2,7) Stehen Flüchtlinge über Weihnachten vor verschlossenen Türen? In Zirndorf liegt die Zentrale Erstauf- lel erfolgt die Asylantragstellung und Regierungsbezirken wurden in den nahmeeinrichtung für Asylbewerber Anhörung beim Bundesamt für Migra- letzten Jahren sukzessive geschlos(ZAE). Sie ist, neben der Aufnah- tion und Flüchtlinge (BAMF) in der Au- sen oder zusammengelegt, ohne meeinrichtung in München, für die ßenstelle Zirndorf. Die Aufenthalts- dass neue Unterkunftsmöglichkeiten Erstaufnahme, Unterbringung und dauer der Flüchtlinge beträgt in der gesucht bzw. zur Verfügung gestellt Weiterleitung von Flüchtlingen in Bay- Regel drei Monate. Danach werden sie worden wären. Verzögerungen bei der ern zuständig. Die Einrichtung gibt auf andere Gemeinschaftsunterkünf- Suche und Anmietung neuer Gemeinschaftsunterkünfte ergaben sich zum es seit 1955. Die Asylantrag stellen- te in Bayern verteilt. Teil auch aufgrund der Gründung eiden Flüchtlinge werden von der ZAE Bereits vor einem Jahr zeichnete sich nes landesweiten neuen ImmobilienZirndorf aufgenommen, in Gemeineine ansteigende Belegung der ZAE staatsbetriebes (Immobilien Freistaat schaftszimmern untergebracht, mit mit ihren maximal 550 Bettenplätzen Bayern). Die Anmietung oder ErrichEssen und Hygieneartikeln versorgt ab. Gemeinschaftsunterkünfte in den tung von Unterkünften für Flüchtlinge sowie amtsärztlich untersucht. Paral-


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16 des bayerischen Sozialministeriums wurde aber manchmal auch von loka- von Anfang November ist etwa die len Mandatsträgern bewusst verhin- Stadt Fürth bis heute ihrer Verpflichdert. tung nicht nachgekommen, die ihr zugewiesenen Flüchtlinge aus Zirndorf Nachdem sich die Belegungszahlen in dezentral unterzubringen. Insgesamt der ZAE Zirndorf über Monate hinweg könnten rund 200 der in der ZAE unbei etwa 600 Flüchtlingen einpendel- tergebrachten Flüchtlinge die Aufnahten, wurden die negativen Auswirkun- meeinrichtung sofort verlassen, wenn gen für die aufgenommenen Asylbe- sie in den vorgesehenen Kommunen werber immer belastender. Sechs bis und Landkreisen aufgenommen würacht Personen in einem Zimmer, Tren- den! nung der Familien sowie der Ehepaare und keinerlei Schonraum für kranke Derweil spitzt sich die Unterbringungsund behinderte Flüchtlinge sind nur situation in der ZAE Zirndorf weiter zu. ein paar Stichworte für die desolate 650 Flüchtlinge sind dort inzwischen Lebenssituation. Auch die Mitarbeite- aktuell untergebracht und weitere 100 rinnen und Mitarbeiter in den Behör- sind bereits für die Aufnahme vorgeden und sozialen Diensten sind von sehen. Trotz dieser ohnehin schon predieser Belastung immer mehr betrof- kären Lage muss die ZAE Zirndorf alle fen. Die im Vergleich zu der normalen ihr zugewiesenen Asylbewerber aufBelegung mit ca. 350 Flüchtlingen fast nehmen – mit fatalen Konsequenzen: doppelt so hohe Anzahl an Menschen Der seit gut zwölf Jahren bestehende mit dem gleichen oder sogar weniger Gebetsraum für muslimische FlüchtPersonal menschenwürdig zu verwal- linge musste bereits geräumt werden ten und zu betreuen, ist unter diesen und ist als Schlafraum zweckentfremUmständen nicht möglich. det worden (siehe Foto). In gleicher Deshalb haben die vier im Sozialzentrum tätigen Träger der sozialen Arbeit (der Caritasverband Nürnberg, das Diakonisches Werk Schwabach-Roth, die Rummelsberger Dienste für junge Menschen und die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Zirndorf) sich im August mit einem Brief an verantwortliche politische Mandatsträger und Regierungsstellen gewandt. Daraufhin waren MdL Brigitte Meyer (Sozialausschussvorsitzende), MdL Petra Guttenberger (Fürth) und MdL Renate Ackermann (Ansbach) zu einem Informationsbesuch in der ZAE Zirndorf. MdL Angelika Weikert (Nürnberg) und MdL Dr. Hans Jürgen Fahn (Würzburg) reichten im bayerischen Landtag Eingaben zur aktuellen Situation ein. MdL Hermann Imhof suchte das Gespräch mit dem bayerischen Sozialministerium. Alle diese engagierten Bemühungen blieben bisher leider ohne entsprechenden Erfolg. Obwohl die Regierung von Mittelfranken den Landkreisen Nürnberger Land und Roth sowie den Städten Fürth und Schwabach jeweils 15 Flüchtlinge zur dezentralen Unterbringung zuwies, erfolgte deren Aufnahme nur zögerlich. Nach Auskunft

nen als auch der neu ankommenden Flüchtlinge ist aber weiterhin eine ungelöste Aufgabe. Müssen Flüchtlinge also das Weihnachtsfest in Zirndorf in einem Massenquartier mit 30 oder 40 anderen Personen oder gar vor verschlossenen Türen verbringen? Wer Frieden auf Erden und vor Ort will, muss für die Menschen Orte schaffen, die sie bergen. Und dazu gehört, dass Flüchtlinge, die aus friedlosen Gegenden dieser Erde geflohen sind, bei uns eine menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und soziale sowie religiöse Begleitung finden. Christliche Kapelle und muslimischer Gebetsraum gehören mit zu diesen bergenden und geschützten Orten für Flüchtlinge, ebenso wie eine Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse Kranker, Behinderter und Traumatisierter.

Die Asylgruppe St. Rochus Zirndorf appelliert deshalb erneut an alle politisch und administrativ Verantwortlichen, ihre Verantwortung für Flüchtlinge in Art war auch eine Umfunktionierung angemessener Weise zu übernehmen der katholischen Kapelle St. Paul in der und für eine rasche Entlastung der ZAE ZAE im Gespräch – sie wurde erst vor Zirndorf zu sorgen. Das bayerische Sosechs Wochen vom Bamberger Erzbi- zialministerium, die Regierungen der schof Dr. Schick anlässlich ihres 50jäh- Bezirke, die Kommunen und Landkreirigen Weihejubiläums besucht. se müssen sich endlich gemeinsam ihrer Pflicht stellen und gemeinsam für Bei der Erstaufnahmeeinrichtung für eine menschenwürdige Lebens- und die unbegleiteten minderjährigen Unterbringungssituation für FlüchtlinFlüchtlingen (EAE-UMF) wurde bereits ge bei uns sorgen. eine Wohnung zur anderweitigen Belegung abgezweigt, so dass sich bis zu Asylgruppe St. Rochus Zirndorf sechs Minderjährige jetzt ein Zimmer Trägerin des Ehrenamtspreises der teilen müssen. Die Belegung der So- Evang.-Luth Kirche in Bayern 2011 zialräume im Sozialzentrum der ZAE Ehrenzeichen für Verdienste im Ehwurde ebenfalls kurz erwägt. Der Kin- renamt des Bayerischen Ministerdergarten des Caritasverbandes Nürn- präsidenten 2011 berg sowie die Cafeteria der Evange- Trägerin des Ehrenamtspreises des lisch-Lutherischen Kirchengemeinde Diakonischen Werkes Bayern 2010 wären als Erstes davon betroffen wor- EhrenWert-Preis der Nürnberger den. Gerade den Flüchtlingskindern, Nachrichten 2009 die schon wegen der erlittenen Flucht und den beengten Wohnverhältnissen Evang.-Luth. Kirchengemeinde Zirnsehr leiden, wäre ihre einzige „Oase“, dorf die Kinderbetreuung der Caritas, ge- Erwin Bartsch, Gemeindepädagoge nommen. Nachdem der Schulbesuch Pfarrhof 3 für die Flüchtlingskinder in Zirndorf 90513 Zirndorf verboten ist, träfe dies auch die älte- Tel.: (0911) 60 93 36 oder 0163ren Kinder, die im Kindergarten mit 6093360 betreut werden. Zwar sind diese Plä- Fax.: (0911) 600 25 67 ne mittlerweile vom Tisch, die men- Mail: asylgruppe-zdf@web.de schenwürdige Unterbringung sowohl www.zirndorf-evangelisch.de der bereits in Zirndorf aufgenomme-


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...und bereits vor einem halben Jahr: Zirndorf, im August 2011

Ein Bett für jeden ist das Mindeste! Die Unterbringungssituation für die Flüchtlinge in der ZAE Zirndorf spitzt sich immer weiter zu. Bereits seit letztem Jahr wird notgedrungen die Trennung von Ehepaaren und Familien in der ZAE praktiziert: Statt jedem Ehepaar bzw. Familienverband mindestens ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu stellen, werden bis zu sechs Ehemänner in einem Zimmer der Männerunterkunft untergebracht, ihre Ehefrauen (und ggf. die Kinder) in einem anderen Zimmer in den Familiengebäuden. Andere Familien bzw. Alleinerziehende mit Kindern bekommen zwar ein eigenes Zimmer, jedoch mit weniger Betten als Personen. So mussten sich mehrere Kinder jeweils ein Bett teilen. Die Unterbringungskapazität in der Männerunterkunft im Haupthaus in Zirndorf, wohin permanent auch männliche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausweichen müssen, ist ebenfalls mehr als erschöpft: In Sechsbettzimmern werden bis zu acht Personen untergebracht. Zudem wird die gesetzlich vorgesehene Verweildauer von drei Monaten in der Erstaufnahmeeinrichtung häufig und deutlich überschritten. Die Konsequenzen aus dieser Situation sind vielfältig und immens: Es fehlt jegliche Privatsphäre und es kann noch nicht einmal ein eigenes Bett für jeden Asylbewerber dauerhaft garantiert werden, was allein aus hygienischen Gründen untragbar ist: Hauterkrankungen und Ausschläge sind nach Berichten eines in der ZAE tätigen Arztes weit verbreitet. Weitaus schlimmer und weitreichender ist jedoch der soziale Stress, der bei der Unterbringung so vieler Menschen auf so engem Raum entsteht. Konflikte, Streit und Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert, die unterschiedlichen Herkunftskulturen, Ethnien, Sprachen, Weltanschauungen und Religionen, Gewohnheiten und Bedürfnisse erhöhen das Konfliktpotenzial um ein Vielfaches. Das Spektrum reicht von sozialer Ausgrenzung und verbalen Attacken bzw. Drohungen bis hin zu Handgreiflichkeiten. In den letzten Monaten kam es wiederholt zu gewalttätigen Konflikten und Auseinandersetzungen in der ZAE. Was die Situation jedoch noch weiter

verbände gewährleistet ist, - dass bei der Unterbringung verstärkt Rücksicht auf Nationalitäten, Religionszugehörigkeiten und Ethnien genommen wird und ein Mindestmaß an Privatsphäre gewährleistet ist, - dass die besonderen Bedürfnisse von Schwangeren, Kranken und Asylbewerbern mit Behinderungen verstärkt bei der Unterbringung berücksichtigt werden, - dass jedem Asylbewerber in der ZAE Zirndorf wieder ein eigener Schlafplatz zur Verfügung gestellt werden kann, - dass Familien, Ehepartner und Alleinerziehende je ihr eigenes Zimmer für eine gemeinsame Unterbringung erhalten, - dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht mit erwachsenen Asylbewerbern in einem Zimmer untergebracht werden,

verschärft, ist die häufig anzutreffende psychische Instabilität der Flüchtlinge. Nicht wenige von ihnen sind traumatisiert, mussten selbst Schlimmstes am eigenen Leib erfahren oder hilflos mit ansehen, wie Familienangehörige, Freunde oder auch Fremde gefoltert, misshandelt oder getötet wurden. Gerade diese Menschen haben ein besonders hohes Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe, sind sehr schreckhaft bzw. leicht in Panik zu versetzen, werden nachts von Albträumen geplagt und - dass Familien mit schulpflichtigen Kinmüssen erst wieder lernen, Vertrauen zu dern möglichst schnell in eine Unterkunft anderen Menschen aufzubauen. Für sie ist oder Wohnung verteilt werden, da erst die derzeitige Situation mit der allgegen- nach der Aufnahmeeinrichtung ein Schulwärtigen Anspannung in den Gebäuden besuch für Kinder möglich ist. und auf dem Gelände und der unvermeidlichen Geräuschkulisse eine ganz enorme Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Belastung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der im Wir bitten Sie deshalb, nach Ihren Mög- Sozialzentrum vertretenen Träger lichkeiten mitzuhelfen auf die verantwort- in der ZAE Zirndorf lichen Stellen einzuwirken (Bayerisches Rothenburger Straße 31 Staatsministerium für Arbeit und Sozial- 90513 Zirndorf ordnung, Familie und Frauen, Regierungen der einzelnen Bezirke in Bayern, Bür- Asylgruppe St. Rochus Zirndorf Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit germeister und Landräte usw.): - dass die Verpflichtung der Regierungen in den Bezirken gemäß dem bayerischen Caritasverband Nürnberg e.V. Aufnahmegesetz wahrgenommen und Flüchtlingsberatung rasch umgesetzt wird („Gemeinschaftsunterkünfte sind von den Regierungen Diakonisches Werk des Evang.-Luth. entsprechend dem Bedarf zu errichten Dekanatsbezirkes Schwabach e.V. Projekt BASIC und zu betreiben.“), - dass Städte und Landkreise geeignete Gebäude für die Unterbringung von Asyl- Evang.-Luth. Kirchengemeinde Zirndorf bewerbern zur Verfügung stellen und sich Projekt BASIC nicht durch undurchsichtiges politisches Rummelsberger Dienste für junge MenHandeln ihrer Verantwortung entziehen, - dass bei neu zu eröffnenden Gemein- schen gGmbH schaftsunterkünften eine ausreichende Flüchtlingsberatung soziale Betreuung durch die Wohlfahrts-


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Where is my home?! I am an Iranian journalist now living in exile. So many individual stories of immigration, of seeking asylum somewhere in the world: Each of these stories has its own meaning and all of them could fill books. But after having lost my country of origin, just tell me really, where is my home? If I speak the language of a given country, does it mean I am from there? Is home just the place you were born in? Do I belong to a specific ethnic group through Prison. After I have been temporarily this place of birth or through how I released I was still banned from wrilook like? So many questions… ting and the University administration told me that I could not continue my After all those years in exile I am still studies and graduate although I had looking for my home and I feel and I only one semester left, after about hope there is something inside which four years including financial and means my home. After I had finally other costs. Eventually, after so much found a small flat in Berlin, does it re- fighting back, I managed to get my ally mean this is my home? Maybe... bachelor degree in cinema. However, As a political refugee with no job you continuing my education, professional face a big, big challenge looking for journalistic work, and even my daily an apartment in Berlin. It is just one life has become impossible. So finally of the general problems of refugees, I left Iran for Germany. Here I first resihow to find a place to rent in addition ded under the «Writers in Exile» proto the difficulty to find a job. It is a vici- gram that is run by the German P.E.N. ous circle: Living on small money from Centre and the Human Rights Office the Jobcenter,it is difficult to compe- of the city of Nuremberg and then te with the locals and usually the flat finally I applied for political asylum. owners prefer persons who have a job Now I live in Berlin in exile and I try to with a good salary anyway. I know that continue my professional work as a many Germans are facing the same journalist who is the voice of his nation. challenge, but it is much harder for re- Exiles, refugees, immigrants - though fugees of course. So as a refugee even these names have specific meanings after your case is accepted and you are they are still unified in one question:. free to move, to find your ways into Where is the real “home” now? I have the German society and normal life, never identified the meaning of home for instance to rent an own place to as being merely a defined country. I live, is another challenge. have been wandering through the world looking for a homeland. AnyMy story is an evidence exemplary for way, you must be an active member so many of my fellow citizens spread of the given society first, enabled to around the world not by their own communicate by a good knowledge desire but due to their vital problems of the language and then you can say in Iran. It is a story of paying a high pri- where you live, then you find the color ce for standing up against the regime. of your new place. For me, the color of In summer 2007 Security Agents sear- Germany is grey. The fight for survival ched my home and took away my com- continues. What about tomorrow, this puter, my writings, telephone book, question is always on my mind. The private letters, books, archives etc. temporary status cannot be continuFinally I was detained and sent to Evin ed after four years in my small flat in

Berlin now. I am still not in a stable situation. I am doing my best not to lose hope and confidence. More than anything I fear falling into what Iranian journalists call “the exile syndrome”. My understanding of Iran would be frozen in the moment of leaving, and I’d be unable to keep up with events on the ground. No doubt the government expects this from all of us. But still in the town I live now you can recognize signs giving you hope if you keep your eyes open: For decades this city had been cut into two parts by the Berlin Wall, no chance, no exit. Now that it inevitably collapsed an exiled Iranian journalist can sit next to the young guys from Germany and Spain and Greece and Israel and Italy and Portugal and US etc. in the Alex square facing the slogan of “Real Democracy Now”. The struggle for democracy and social justice still continues, in any place of the world. Will the young generation rise up? Some of them are students, others may be immigrants, refugees... The next picture goes back to the shelter of refugees in Berlin. One of my friends, an Iranian woman from that revolutionary generation is working in this place located in south of Berlin with people from all over the world living there, most of them from the developing and still underdeveloped countries - and even some Germans who could not find their own place yet. Life is going on, somehow, with one question still waiting for the answer: Where is my home?! Soheil Asefi


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NIGHTS OF RIGHTS:

ERSTER ABEND VOLLER ERFOLG

Unser Fazit für den ersLehrstuhlinhaber der ten Filmabend im Stanbildenden Künste an dard: Tolle Stimmung, der Universität in Teinteressiertes Publikum heran war, beschrieb - zumindest in unseren detailliert die RepressiAugen eine gelungene onen des Regimes auf Veranstaltung! die Künstler des Landes. Rund 90 Interessierte Arash Zehforoush, der kamen am 31.10 zum zu dieser Zeit Journalist Film Persepolis und und Wirtschaftsdozent blieben auch gespannt an der Universität in beim anschließenden Teheran war, erläuterte, Vortrag von Arash Zehdass man durch die Reforoush, (ehemaliger) volution politische FreiWirtschaftsdozent und heit erreichen wollte, Journalist und Maneis jedoch dadurch alle FreiJugendgeschichte der Regisseurin Arbab, iranischer Künstler. heitsrechte verlor. Beide iranischen während und nach der Islamischen ReIn einem sehr gut gefüllten Standard volution im Iran. Zeitzeugen äußerten sich besorgt feierte die Amnesty Hochschulgrup- Die rund 70 Besucher konnten im um die momentanen Umwälzungen pe einen gelungen Start in ihre Film- Anschluss an den 90 minütigen Film in der arabischen Welt und zogen die reihe über Menschenrechte. Nach noch in einer Diskussionsrunde ira- Parallele zu ihren Erfahrungen in der einer kurzen Einleitung durch zwei nische Zeitzeugen der Revolution iranischen Revolution. Letztendlich Amnesty-Mitglieder zeigte der fran- nach ganz persönlichen Erfahrungen ein Abend, der sehr zum Nachdenken zösische Zeichentrickfilm Persepolis fragen. Maneis Arbab, der nach der anregte und den Fokus auf Menschenvon Marjane Satrapi die Kindes- und iranischen Revolution Professor und rechte zentrierte. Johannes Schmidgen

Bist du schon integriert? Ein satirischer Blick auf Deutschland

Wollten Sie schon immer einmal wissen, wie Sie völlig korrekt eine offensichtlich nicht in Deutschland geborene Person anreden sollen? Also, wenn Sie auf einen Nichtteutonen treffen, dann fragen Sie ihn doch einfach, woher er denn komme. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob Sie diesen Menschen schon einmal gesehen haben oder er Ihnen noch völlig fremd ist. Diese interkulturelle Begrüßungsfrage passt immer und ist überall anwendbar. An der Reaktion können Sie sofort erkennen, wie integrationswillig sich Ihr Gegenüber verhält. Erteilt diese Person freudig Auskünfte über die Herkunft, vielleicht auch über den Stammbaum und die Farbe der Unterhose, dann können Sie einen hohen Integrationswillen voraussetzen. Damit sind Sie auf einen guten Weg. Aber bleiben Sie am Ball und achten Sie auf den Gesprächsfluss. Sie sollten sofort Fragen über das Elternhaus, die Religion und über seine

Essgewohnheiten nachschieben. Ihr Gegenüber wird rasch erkennen, welch' ein geschickter Brückenbauer zwischen den Kulturen Sie sind. Integration kann manchmal so einfach sein. Anders sieht es schon aus, wenn auf Ihre anfänglich gestellte Frage das Gesicht verzogen wird. Meist kommt dann eine freche Antwort wie „Ich komme aus Würzburg-Heidingsfeld“ oder einfach nur „Aus Mama“. Jetzt ist Vorsicht geboten! Hier unterstellt Ihnen jemand, dass Ihrer Frage kein wohlgemeintes Interesse zugrunde liegt. Hier hat jemand noch nicht den notwendigen Integrationswillen entwickelt. Helfen Sie dieser Person, anzukommen! Sagen Sie doch einfach, dass Sie schon ewig hier leben. Also nicht ab Geburt, sondern bereits seit den Anfängen des Germanentums. So ein wichtiger Hinweis wird sicherlich verstanden werden, denn schließlich haben Sie ja nicht gefragt, wie lange er überhaupt zu bleiben gedenke.

Was, das Eis ist immer noch nicht gebrochen? Dann kann nur noch das große Loblied auf die gut gesprochene deutsche Sprache helfen. Warüm – Darüm! Nicht fragen – versuchen Sie es einfach. Ihr gegenüber kann ja schließlich nicht in Deutschland geboren sein, denn sonst würde er ja irgendwie deutscher aussehen. Und wer nicht hier geboren ist, muss sich ja unter Mühen diese universelle Sprache beigebracht haben. Vielleicht am Goethe-Institut in Özalp. Das liegt im Osten der Türkei. Aber bitte sagen Sie nicht „Goethe-Institut“, sondern „Alman Kültür Merkezi“. Wieso? Ganz einfach „Göt“ bedeutet nämlich auf Türkisch „Arsch“. Sollte das Eis jedoch nicht geschmolzen sein, dann bleibt Ihnen nur noch eins: Rennen Sie um Ihr Leben und informieren Sie umgehend den Staatsschutz. © Br. Jürgen Heß OSA


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„Darum hatte ich nur eine Wahl: Die Flucht“ In einem Gespräch schildert die Iranerin für Männer seien. Mina Aryaee Nejad, derzeit lebend in der Wenn wir Frauen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Iran, Entschulin Würzburg, die Situation der Frauen im digung, in der Iran an Hand eigener Erfahrungen: islamischen ReDie islamische Republik Iran sei ein Land publik Iran, einwie ein Gefängnis, berichtet sie. Die Mul- fach in der Stadt lahs, die Machthaber, hätten das Land bummeln und dazu gemacht; besonders schlimm sei einkaufen gehen die Situation der Frauen. Seitdem sie möchten, werin Deutschland sei, habe sie die innere den wir auf der Freiheit, über sich und die Menschen in Straße von den der Heimat nachzudenken. Wenn sie islamischen Sitdie beiden Länder miteinander verglei- tenwächtern der che, verstehe sie, was Paradies und Hölle Pasdaran (IslamHaus als Pfand hinterließen und ich somit bedeuteten. „Ich kann mich gut daran Beschützer), von den Regierungsanhänfreigekauft werden konnte. erinnern, als meine Schwester, meine gern oder auch einfach von männlichen Hier in Deutschland habe ich manchmal Mutter und ich ins Schwimmbad gingen, Passanten begutachtet und kontrolliert, das Bedürfnis, meine Wut gegen diese da war im Wasser so viel Chlor, dass viele ob unser Tschador oder die Kopftücher irre geleitete und menschenverachtenProbleme mit dem Atmen, den Augen richtig die Haare bedecken, denn das de Auslegung des Islam und gegen das und der Haut bekamen, und so musste bringe die Männer in Verlegenheit und Terrorregime im Iran in die Welt heraus der Betreiber die Notärzte bzw. die Ers- ist laut Islam verboten. Eines Tages, auf zu schreien, weil diese schuld daran sind, te Hilfe rufen. Die Sanitäter haben nichts meinem Heimweg von der Arbeit, haben dass ich meine Heimat und meine Familie Besseres zu tun gehabt, als sich um die die Pasdaran mich angehalten und weverlassen und hier Asyl suchen musste.“ Kleidung der Frauen zu kümmern, und gen nicht richtig bedeckter Haare festgedanach erst die Kranken zu untersuchen, nommen. Ich war zwei Tage und Nächte Mina Aryaee Nejad weil spärlich bekleidete Frauen irritierend im Gefängnis, bis meine Eltern unser Navid Zabihi und Renate Stahl

Widerstand gegen die Unterdrückung: weiblich und klug Die Frau im Islam am Beispiel Iran, gestern und heute

Es gibt einen Gott: Allah. Mohammad freundlich zu einander zu sein und sich Im Diesseits jedoch sind die Menschen, ist sein Prophet. Der Koran ist das Wort gegenseitig zu helfen. Kein Moslem wie gesagt, nach der Aussage des Islam Gottes, um die Menschen zu führen. darf den anderen vorsätzlich angreifen nicht gleich. Die Männer haben Macht, Deshalb ist der Koran wichtig und jeder oder töten. Aber: Für Gott darf man tö- und die Frauen müssen geschützt werMoslem sollte ihn lesen können. Alle ten oder muss getötet werden. Es gibt den. In erster Linie wohl vor den Blicken Muslime sind vor Gott gleich; aber in feste Prinzipien, die ein Moslem einhal- fremder Männer, da ein Moslem seine der Gesellschaft sind die Menschen ten muss, z.B.: täglich zu Gott beten, Frau als sein „Eigentum“ betrachtet, nicht gleich. Jeder muss seine Pflicht einen Monat im Jahr fasten, keinen Al- das er schützen will. Der Mann ist vertun, und Belohnung oder Strafe erfolgt kohol trinken und kein Schweinefleisch antwortlich für seine Frau. Im Gegenim Jüngsten Gericht, wo entschieden essen, Armen helfen, rein leben, ande- zug muss sie ihm dienen. Und genau wird, ob jemand ins Paradies oder in re auf den guten Weg führen und vom hier liegt das Problem. Selbst im 21. die Hölle kommt. Der Islam ist eine Bösen abhalten. Der Schwerpunkt im Jahrhundert schreit deswegen die Seetotalitäre Religion, die alle Lebens- islamischen Glauben liegt nicht in der le der muslimischen Frau auf: Ist ihre bereiche des Gläubigen bestimmt. Es Gleichheit oder Ungleichheit von Mann Stellung innerhalb der Familie auch gibt keine Lebenssituationen, für die und Frau, sondern im Islam werden die unangefochten und angesehen, so erder Islam keine Regel hat, von der pri- Menschen danach beurteilt, wie gläu- fährt sie außerhalb der Familie ständig vaten intimen Sphäre bis hinein in Po- big sie sind. Die größte Belohnung für Demütigungen und Benachteiligungen litik, Wirtschaft, Handel, Wissenschaft einen gläubigen Moslem ist ins Para- bis hin zu menschenunwürdiger Beu.s.w. Der Koran lehrt die Moslems, dies zu kommen, was die Nähe zu Gott handlung. Ständig erlebt sie, dass sie Gott zu fürchten und ihm zu gehorchen, bedeutet. selbst in unserer heutigen Zeit noch ein


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1 / 2012 Mensch „zweiter Klasse“ ist. Der Islam fordert beispielsweise, dass im öffentlichen Leben Frauen und Männer getrennt sein müssen. Aus welcher männlichen Angst auch immer geboren: Die Frauen müssen sich verschleiern, um die Männer nicht in Versuchung zu führen. Ein Mann kann vier Frauen haben und unzählige Nebenfrauen, aber er soll zu allen gerecht sein. Die Vorstellung von dem, was als „gerecht“ gilt, ist in der Islamischen Welt je nach Ort und Zeit sehr, sehr unterschiedlich. Im Erbrecht bekommen die Töchter nur die Hälfte – zur damaligen Zeit war auch das bereits ein Fortschritt - von dem, was die Söhne bekommen. Vor Gericht ist die Frau als Zeuge nur halb soviel wert wie ein Mann, das heißt zwei Frauen als Zeuginnen sind soviel wert wie ein Mann. Im Scheidungsrecht ist es so, dass der Mann sich von seiner Frau ohne Aufwand scheiden lassen kann, aber die Frau nicht! Wenn sie von ihrem Mann geschlagen oder vergewaltigt wird, muss sie Zeugen dafür haben; dabei kann es sehr problematisch sein, sich überhaupt an ein Gericht zu wenden. Nach der Scheidung werden die Kinder dem Mann zugesprochen. Der Vater und später der Ehemann haben das Recht über die Frau zu bestimmen. Voreheliche Beziehungen sind verboten und werden bestraft. Besonders die Frau wird sehr hart bestraft, bis zur Steinigung. Allerdings hat der Islam für Männer ein „nettes“ Schlupfloch bereit. Die Ehe auf Zeit. Da natürlich Prostitu-

tion nicht vorgesehen ist, umgeht man das Problem der kurzfristigen sexuellen Befriedigung – natürlich nur für die Männer - durch diese zeitweilige Einrichtung. Bestimmte Berufe sind den Frauen verschlossen, z. B. Richter und leitende Positionen. Öffentliche Auftritte sind den Frauen nicht erlaubt, z. B. Tanz und Gesang. Der offizielle Name des Iran nach der Revolution 1979 heißt Islamische Republik Iran. Das zeigt deutlich, dass dieses Land sich als ein islamischer Staat versteht, auch wenn manche islamistischen Gruppen ihn nicht dafür halten. Eine Gesetzgebung, die zur „SchahZeit“ eine Verbesserung für Frauen bedeutete, wurde nach der iranischen Revolution wieder rückgängig gemacht. Die Ungleichbehandlung von Mann und Frau wurde täglich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durchgesetzt. Das Tragen des Schleiers (Hedjab) wurde Pflicht für die Frauen, und wer sich nicht danach richtet, wird hart bestraft. Es wurde eine bestimmte Kleidung für die Frauen eingeführt. Lange, breite Hosen und Mäntel, Kopftuch, alles in einheitlichen dunklen Farben. Zumindest was die Farben betrifft, scheinen sich manche, insbesondere junge Frauen, zum heutigen Zeitpunkt selbst eine gewisse „Lockerung“ erkämpft zu haben. Sport für die Frauen wurde schwierig, Radfahren und Schwimmen beispielsweise wurde fast unmöglich. Ein Mann und eine Frau dürfen nicht nebeneinander auf der Straße gehen oder sich ins Café oder in den Park set-

Schon den tollen Video-Clip auf unserer Homepage www.heimfocus.net gesehen?? DANKE an Christina Haas und Dominik Förster für die großzügige Unterstützung!

zen, wenn sie nicht Ehepaar oder Geschwister sind. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation jedoch konnte die Regierung die Frauen nicht in ihren Häusern einschließen, mehr Frauen als früher müssen arbeiten und für ihre Familie sorgen – vor allem junge Frauen. Das heißt, trotz aller Unterdrückung und Diskriminierungen sind die Frauen nicht passiv geworden, sondern sie versuchen, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und sich im beschränkten Rahmen Freiheit zu erkämpfen. Der passive Widerstand der Frauen wandelt sich langsam immer mehr in einen aktiven. Und es ist keine Übertreibung zu sagen, dass es heute die Frauen sind, denen man eine gewisse stille „Gegenrevolution“ zuschreiben kann. Im heutigen Iran führen die Frauen ihren Kampf als Einzelne oder in kleinen Gruppen. Sie sind nicht untereinander organisiert, und nicht in eine allgemeine politische Bewegung eingebunden. Aber jede Frau, ob gläubig oder nicht, steht in Opposition zur Islamischen Republik, denn ihre Rebellion ist der gewichtige Teil der allgemeinen Rebellion gegen die Misere. So sind Frauen mit ihren klugen, kleinen oder großen und oft individuellen Taktiken ein unlösbares Problem für die Regierung. (Nicht ganz untypisch für eine Iranerin!) Sie sind somit „ der Stachel im Auge der Regierung“ und die Hoffnung eines ganzen Volkes. Und darüber hinaus der ganzen Welt! Navid Zabihi und Renate Stahl


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Fluch hculF

umgekommen angekommen, nicht willkommen!

Flüchtlingskirche bei der „Nacht der offenen Kirchen“ in Würzburg

Abertausende von Namen auf einem endlos langen weißen Band, in Kleinschrift, dicht an dicht, in Wellen wie die Brandung des Meeres, drapiert auf einer langen Bahn aus blauem Stoff. Fremde Namen, Männer, Frauen, Kinder: Limbaya, 32; David, 17; Yadav, 4; Amadou, 19; Esther, 7 Mon.; Jonathan, 20; Maria, 20... Es sind Namen von Menschen, die dort, wo ihre Heimat gewesen war, nicht mehr (über-)leben konnten und keinen anderen Ausweg für sich sahen, als sich auf den gefährlichen Weg in die Fremde zu machen - angetrieben vom Hunger nach Leben, Leben in Freiheit, Sicherheit und Frieden. Die Namen wiederholen sich teilweise auf kleinen weißen Zetteln, hingeworfen auf den blauen Stoff wie Ertrinkende in die Fluten. Tankuba, 17; Gheorge, 23; Tatiana, 21; Karol, 18 Mon.; Nuur Sayed, 18; Adam, 26... Jeder davon steht für ein verlorenes Leben. Für ein Leben, das ein jähes Ende gefunden hat in den Tiefen des Mittelmeeres oder Atlantiks, weil es nur noch diese lebensgefährliche Möglichkeit gab. Weil wir jährlich rund hundert Millionen Euro dafür ausgeben, damit in unserem Namen überfüllten Flüchtlingsbooten in Seenot nicht geholfen wird, damit sie zurück gedrängt werden aufs offene Meer. Damit an schwer bewachten Grenzzäunen Menschen brutal abgewehrt werden, noch bevor sie eine Chance haben, ihren Fall und ihre Fluchtgründe vorzubringen. Wir sind es, die ihnen ihr Menschenrecht auf ein Asylgesuch vorsätzlich verweigern, weitab von unserer Öffentlichkeit und sie dann auch noch als

„illegale Einwanderer“ diffamieren. Es ist nicht ihre Entscheidung, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, wir lassen ihnen keine Wahl.

Ökumenischen Asylkreises, der sie bei der Nacht der offenen Kirchen am 02.10.2011 in eine Flüchtlingskirche verwandelt hat. Den ganzen Weg eines Flüchtlings von Zuhause bis nach So zeigte sich die Franziskanerkirche Europa, nach Deutschland, konnten im Herzen von Würzburg ihren Besu- die Besucher nachgehen und nachspüchern noch nie: Als Gastgeberin des ren. Er führte von der Heimat, die man


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zurück lässt, von all dem, was Heimat und eigene Identität ausmacht, zu den Fluchtgründen und unserem beachtlichen Anteil daran. Dann symbolisch weiter über die Meere, insbesondere das Mittelmeer, das größte Massengrab der Nachkriegsgeschichte vor den Küsten Europas: Eine beklemmende Herausforderung für die Besucher, dieser lange, nur mit Kerzen ausgeleuchtete Weg durch das Kirchenschiff, vorbei an den Tausenden von Namen jeder gestern noch ein lebendiger, einzigartiger Mensch, dem sein junges, hoffnungsvolles Leben genommen wurde. Dazu die Einladung, dabei eines der Namenskärtchen mitzunehmen und es neben dem gestrandeten Schlauchboot an der Kanzel in einem Grab symbolisch zu bestatten. So sollte bewusst dieses einen Toten gedacht, der niemals ein würdiges Grab haben wird, von dem die Angehörigen oft nicht einmal wissen, dass er nicht mehr lebt.

Nussschalen mit Asylsuchenden und Flüchtlingen abzuwehren und diese oft genug in den sicheren Tod zu treiben. Und wenn man überlebt hat, wenn man sich glücklich wähnt, Europa, Deutschland, also diese starke, freiheitliche Demokratie erreicht zu haben? Wie das Leben des Flüchtlings hier weitergeht, was von dieser Illusion eines neuen Lebens in Würde und Freiheit übrig bleibt, das konnte man unter der Überschrift: „Nicht umgekommen, angekommen - nicht willkommen!“, sehen. Das neue Leben als realer Albtraum. Abschließend bot nach diesen aufwühlenden Eindrücken wenigstens die Weltkarte als Ort der symbolischen Begegnung mit Freunden und Verwandten über Meere und Kontinente hinweg Nähe und Trost, Raum für Reflexion und vielleicht auch für ein Gebet.

Doch der Weg des Flüchtlings war nicht der einzige Programmpunkt an diesem langen Kirchenabend. Im Dazu stumm anklagende Bilder des Zentrum der Veranstaltung stand tödlichen Flüchtlingsdramas in einer die „Afrikanische Messe“, ein Requiendlosen Projektion und die “Fron- em, komponiert von dem Togolesen tex-Säule”. Sie informierte scho- Dr. Assion Lawson im Gedenken an nungslos, wie sich die hochgerüstete all die tausende Menschen, die auf der Militärmacht EU mit riesigem finan- Flucht umgekommen sind, irgendwo ziellen Aufwand zu helfen weiß, die in den Wüsten, Lagern und Meeren,

und deren Familien niemals ein Grab, einen Ort zum Trauern haben werden. Still und betroffen lauschten die Besucher im Dunkeln der vollbesetzten Kirche den bewegenden, auch kritischen Texten im Wechsel mit afrikanisch geprägten Kirchengesängen. Wohl nur wenige Menschen hat dieses Erlebnis nicht im Innersten aufgewühlt und berührt. Es bleibt hoffentlich nicht bloß bei dieser Betroffenheit. Das Sterben vor unserer Haustür geht weiter, in diesem Augenblick, in dem Sie den Artikel lesen. Das Leiden und das Unrecht gehen weiter in den vielen Flüchtlingslagern in Ihrer Nachbarschaft, in diesem Augenblick. Wir stehen in der Verantwortung. Es liegt an uns, ob wir weiter hinnehmen, was an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in unserem Namen geschieht. Die Botschaft der Flüchtlingskirche hallt hoffentlich nach im Gewissen und im Herzen ihrer Besucher; dann hat sich unser Einsatz gelohnt. Eva Peteler


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DU HATTEST EINEN NAMEN DU WARST SO JUNG, DAS GANZE LEBEN NOCH VOR DIR. DEIN TRAUM VON EINER GUTEN ZUKUNFT DU HATTEST EIN RECHT DARAUF, WIE WIR ALLE.

DU WARST EIN MENSCH, WIE JEDER VON UNS. DEIN TRAUM WAR NICHT ANDERS ALS UNSERE TRÄUME.

ALLES HAST DU AUF DICH GENOMMEN MIT DEM MUT DES VERZWEIFELTEN, MIT DER KRAFT DES ENTSCHLOSSENEN, MIT DER ZUVERSICHT DER JUGEND ALLES FÜR DIESE EINE CHANCE.

ALLES HABEN SIE DIR GERAUBT: DAS STRAHLENDE LACHEN, DIE KRAFT UND ZUVERSICHT, DEN GLAUBEN AN DIE MENSCHLICHKEIT, DAS LEBEN.

DU WARST SO JUNG, SO VOLLER HOFFNUNG. DEIN TRAUM VON EINER GUTEN ZUKUNFT ES WAR NUR EIN TRAUM.

DU WARST SO JUNG, DAS GANZE LEBEN NOCH VOR DIR DEIN TRAUM VON EINER GUTEN ZUKUNFT RUHT IN DEINEM NAMENLOSEN GRAB.

ERTRUNKEN IM MITTELMEER ODER ATLANTIK, VERDURSTET IN DER WÜSTE, VERBLUTET AM STACHELDRAHT DER GRENZZÄUNE, UMGEKOMMEN IN LAGERN UND GEFÄNGNISSEN, GESTORBEN DURCH SELBSTMORD AUS VERZWEIFLUNG.

DU BIST NICHT VERGESSEN DU HATTEST EINEN NAMEN DU WARST EIN MENSCH MENSCH DU


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Was kann ich tun??? Wohltätigkeit ist nicht Gerechtigkeit! Was kann ich tun? Diese Frage wird im- wir uns nicht einreden, wir wären ohnmer wieder gestellt aus Betroffenheit mächtig, wir wären klein. Das sind wir und bisweilen vor Empörung So auch nicht. Und immer mehr Menschen wanach der Flüchtlingskirche. Das ist gut chen auf: Schluss mit dem Schweigen so, denn nur wenn unhaltbare Zustän- und Erdulden! Wir müssen die Zukunft de öffentlich gemacht und skanda- selbst in die Hand nehmen, wenn wir lisiert werden, wenn sich Menschen den Istzustand der Welt nah und fern empören und engagieren, verändert so nicht gutheißen, so nicht akzeptiesich etwas. - Ja, was kann ich tun?? ren. Es gibt viele Bezeichnungen und Was vom Menschen gemacht ist, kann Sprüche dafür: Farbe bekennen, das vom Menschen verändert werden. Je- berühmte Zitat von Erich Kästner: „Es der kann etwas tun, das ist die gute gibt nichts Gutes, außer, man tut es“ oder von Hans Scholl: „Nicht, es muss Nachricht.Eins sollte uns klar sein: Wohltätigkeit allein schafft keine Ge- etwas geschehen, sondern: Ich muss etwas tun.“ Es ist wie bei der Wahl: rechtigkeit! Wohltätigkeit allein ist keine nach- Wer nicht wählt, wählt auch. Wer nicht haltige Solidarität, mitunter hilft sie handelt, lässt anderen freie Hand. In sogar, ein zutiefst ungerechtes gesell- der weltweiten „Occupy“- Bewegung gehen endlich Menschen gemeinsam schaftliches System zu stützen. auf die Straße gegen das globale WirtAuf Flüchtlinge bezogen heißt es kon- schafts- und Finanzsystem, das die kret: Sie brauchen uns als Mitmen- Gesellschaften zugrunde richtet, ihre schen, die sie aufsuchen, die hinhören, eigene und auch die am anderen Ende mitgehen, teilen, unterstützen. Aber der Welt, da, wo dann Flucht zur Überzuallererst heißt es, die Wurzeln des lebensfrage wird. Unrechts zu bekämpfen, denn nur das erzwingt nachhaltigen Wandel. Die Was kann ich also tun? Wurzel des Übels ist in diesem Fall Sehr viel: die Menschenrechte grob verletzen- Wissen Sie, dass wir allein in Bayern de, unserer selbst unwürdige Asyl- rund 120 Lager für Flüchtlinge haben? politik auf allen Ebenen; in der EU, in Wissen Sie, wo in Ihrer Nähe? Die allerDeutschland, in Bayern. Lassen wir meisten sind abgelegen, gut verboruns nicht einreden, die paar (oft genug gen vor Ihnen. Warum eigentlich?? zudem gut ausgebildeten) Flüchtlinge, Also: die es bis nach Europa schaffen, bedrohen unsere Gesellschaft, unseren als mündiger Bürger aktiv werden: Wohlstand, unsere Kultur. Umgekehrt - sich informieren, hingehen, hinsehen, wird ein Schuh daraus. Unser Wohl- nachfragen, hartnäckig bleiben stand existiert nur auf dem Rücken - andere informieren, sich mit anderen ihrer ausgeplünderten Heimatländer. zusammen tun Wir müssen uns endlich unserer Ver- - Missstände und Unrecht laut publik antwortung bewusst werden. Und machen,seine Abgeordneten in Bund handeln, Widerstand leisten gegen und Land mit dem Unrecht konfronUnrecht und Ungerechtigkeit. Lassen tieren und zum Handeln auffordern

- seine (Kirchen-) Gemeinde, Verein, Nachbarn, Freunde aktivieren - Öffentlichkeit schaffen: Leserbriefe, Offene Briefe, Info-Veranstaltungen, Kampagnen, konkrete Aktionen, Mahnwachen... die Hand reichen: Nicht Altkleider spenden, sondern sein Interesse, seine Zeit, und sei sie auch so beschränkt; Sie bekommen mehr zurück, als Sie geben... - zu den Flüchtlingen gehen, mit ihnen ins Gespräch kommen, offen sein für ihre Kultur, und den Reichtum, den sie mitbringen - einen Flüchtling ungezwungen zum Kaffee, auf ein Bier in der Stadt einladen, zuhören, erkunden, was er braucht, unterstützen, da sein, einfach von Mensch zu Mensch. - sich örtlichen Gruppen anschließen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Initiativen und Organisationen unterstützen, die sich für Flüchtlinge, Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen. Vor Ort und überregional. Eine Auswahl finden Sie auf der vorletzten Seite von Heimfocus. Vor allem: Augen, Ohren und Mund nicht verschließen. Trauen Sie sich, Sie können mehr bewegen, als Sie glauben! Alle gemeinsam können wir viel mehr, als wir glauben! Eva Peteler


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Sie können selbst für sich sprechen Flüchtlinge erheben ihre Stimme bei der Lagerland-Konferenz am 05. und 06.11.2011 in Würzburg.

Die Teilnehmer der Lagerland Konferenz „Ich versuchte, mein Anliegen bei dem Beamten der Ausländerbehörde vorzubringen, so gut es eben ging mit meinem schlechten Deutsch. Ich lebe in einer kleinen Unterkunft auf dem Lande, keine Betreuung durch Ehrenamtliche, keine Chance auf Deutschkurs. Der Mann wiederholte ständig, er verstehe mich nicht – und auch kein Englisch. Ich solle eben wiederkommen, wenn ich Deutsch kann!“, so - stellvertretend für viele – die Schilderung eines Flüchtlings. Ähnlich ein Asylbewerber aus Oberfranken: Er solle doch einen Dolmetscher mitbringen. Dolmetscher? Woher denn? In seiner Unterkunft gibt es nur einen Landsmann, und der kann genauso wenig Deutsch... Absurde Geschichten ohne Ende, Hilflosigkeit, aber auch Fassungslosigkeit über das Gesicht, das dieses Land den Schutzsuchenden zeigt – und Wut. Wer könnte das den Menschen verdenken, im Angesicht der vielfältigen Schikane und Beschneidung ihrer

Rechte? Es gehört schon viel Mut dazu, sich in seiner ungewissen Situation als Flüchtling öffentlich zu äußern und die Missstände und Menschenrechtsverletzungen im Gastland zu diskutieren. Aber das machen sie ja nicht zum ersten Mal. Hätten sie in der Heimat still und angepasst alles Unrecht hingenommen, hätten die Mutigen aus vielen Ländern nicht alles aufgeben und fliehen müssen. Diesen Preis haben sie in ihren Heimatländern gezahlt für Zivilcourage und politische Opposition. Und jetzt sind sie hier und sehen sich einer Asylpolitik ausgeliefert, die sie wieder wie politische Gefangene behandelt. Wie vielfältig sich dies äußert, allen medialen Beteuerungen zum Trotz, zeigte die Auswahl der Themen, die gemeinsam mit den deutschen Unterstützern von den rund hundert Teilnehmern der Konferenz diskutiert wurden: Das inakzeptable Asylbewerberleistungsgesetz und die reglementierte Bewegungsfreiheit genauso wie Abschiebungen und – hoffnungsfroh –

Möglichkeiten von Bildung und Arbeit und des Kampfes gegen Isolation. Es ging in den zwei Tagen unter Federführung des Bayerischen Flüchtlingsrates nicht nur darum, sich über die allgegenwärtigen Probleme und Schikanen auszutauschen. Nein, es ging auch um Gemeinschaft, auch um die Stimmen derer, die in weit abgelegen Lagern sonst nie Gehör finden – und um Solidarität, um Lösungsansätze. Wer von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung wirklich erfahren will, was die Wirklichkeit da draußen ist, wofür er mit Verantwortung trägt wenn er über Asylpolitik debattiert und beschließt, hier wäre er genau richtig. Die lebhaften Diskussionen zeigten ferner, wie viel Energie und Potenzial in den Asylbewerbern steckt, wie viel wachen Geistes und Engagements. Warum haben sie nicht das Recht und die Möglichkeit, alles das hier in die Gesellschaft einzubringen? Heimfocus-Redaktionsteam


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1 / 2012 Netzwerk Deutschland-Lagerland – für die Rechte und die Würde der Flüchtlinge in Bayern

auch, möglichst breite gesellschaftli- und Vorschriften gegossen und von che Bündnisse vor Ort zu mobilisieren, deren Schreibtischtätern (mitunter um aus der Öffentlichkeit heraus die mit aller Gewalt) umgesetzt wird, Missstände zu skandalisieren. Gleich- kommt leider auch aus Teilen der zeitig pflegt das Netzwerk starke Mitte der Gesellschaft. FlüchtlinDas Netzwerk aus Flüchtlingen und Kontakte zu den Medien und versucht ge haben mit eben diesem tief ververschiedenen Unterstützer-Gruppen immer wieder, mit Aktionen seinen wurzelten Rassismus Tag für Tag zu kämpft seit 2005 in Bayern gegen Protest zum Ausdruck zu bringen und kämpfen. Die unhaltbare AbschreLagerzwang, Residenzpflicht, Asylbe- die Öffentlichkeit für die Anliegen der ckungspolitik soll sie zermürben und werberleistungsgesetz, Abschiebun- Flüchtlinge zu gewinnen. kaputt machen. gen und für ein Bleiberecht. Die AktivistInnen des Netzwerks © Netzwerk Deutschland-LagerEin aktuelles Ziel ist es, öffentlichen Deutschland-Lagerland machen im- land Druck auf die politische Ebene auszu- mer wieder die gleichen Erfahrungen: üben zwecks Abschaffung der rassis- Der von Flüchtlingen erlebte Rassis- www.deutschland-lagerland.de tischen Sondergesetze und Diskrimi- mus, der von Ämtern und Behörden, nierungen. Zu den Zielen gehört es Parteien und Verwaltung in Gesetze

Sprich! hebe deinen Kopf denke, überlege lass deinen Mund sprechen und befreie deine Stimme sag es auf Deutsch: „Nein!“ sprich, dass du nicht Deutsch kannst oder antworte mit einem „Nicken“, und lass dich einfach mal überraschen willst es sprechen und verstehen darfst es nicht lernen, sollst aber sprechen sag „Alles klar?“, sprich „Egal!“ zu anderen sprich „ Mist!“, sag „Schade!“ zu den Leuten “Mist“, „Scheiße“, “ Nein“ ist nicht fein “egal“, „schade“, “nicken“ ist auch nicht schön, aber wenn man die Sprache nicht lernen darf, was kann man denn anderes machen? sprich immer, nicht mehr schweigen! sprich das Deutsch, das du dir selbst beibringst, damit jeder weiß, dass du auch etwas schaffen kannst sprich Deutsch, sage “JA“ auf Deutsch, die Sprache ist in diesem Land deine Zukunft Abay Kiros


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Interview

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Ihr braucht die Sprachewir helfen euch! Abay Kiros

(Ehemalige) Flüchtlinge geben Deutschkurse für Landsleute in der GU in Würzburg „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen“. Dieser bekannte Spruch von Konfuzius beschreibt wohl am besten, was seit wenigen Monaten durch die Initiative engagierter Landsleute für Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft möglich geworden ist. Der Hunger nach Deutsch ist groß, die politisch beabsichtigte sprachliche Isolation der Flüchtlinge auch. Wer Integration verhindern will, erreicht sein Ziel ganz einfach, indem er Ausländern den Zugang zur Landessprache verweigert.Doch es gibt Mittel und Wege, um wenigstens Einige von ihnen aus der Sprachlosigkeit zu führen. Neben den geschätzten Angeboten aus Reihen der ehrenamtlichen Unterstützer erfreuen sich nun Deutschkurse für Äthiopier, Iraner und Afghanen in ihrer Muttersprache großer Beliebtheit. Abay Kiros, Wahid Feizy und Navid Zabihi heißen sie, die ihre Zeit und ihr Herzblut einsetzen, um ihren Landsleuten in der GU (Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber) in Würzburg Deutsch beizubringen. Abay ist selbst noch Flüchtling im Lager, Wahid und Navid leben schon lange hier in Würzburg, sind bestens integriert und erfolgreich. Die Resonanz auf ihr Angebot ist enorm, der Lerneifer und die Freude an den stetigen kleinen Fortschritten auch. Und das Erklären in der Muttersprache erleichtert vielen den Zugang, für Manche ist das der entscheidende Punkt. Addis Mulugeta und Eva Peteler von Heimfocus freuen sich über die Gelegenheit, mit den engagierten Deutschlehrern ins Gespräch zu kommen.

einige kleine Unterkünfte gesehen. Keine Betreuung , keine Deutschkurse, gar nichts. Deswegen sage ich immer Wahid Feizy: Mein Name ist Wahid Feizy, Ich komme zu meinen Landsleuten: erkundigt aus Afganistan, bin seit ca. 10 Jahren euch, nehmt so viele Angebote wahr in Deutschland und studiere derzeit an wie möglich und kämpft zuerst darum, der FH Würzburg Bauingenieurwesen. die Sprache zu lernen . Abay Kiros: Schon lange versuche ich, Flüchtlinge Navid Zabihi: Ich heiße Abay Kiros, ich bin 24 Jah- zu unterstützen. Es ist schwierig, sich Mein Name ist Navid, ich komme aus re alt und nun seit fast zwei Jahren in in die Gesellschaft hier zu integrieren. dem Iran und bin seit 21 Jahren in Deutschland, davon die meiste Zeit Und ohne Sprachkenntnis geht gar Deutschland. In meiner Heimat war hier in Würzburg. Deutsch habe ich be- nichts. Ich habe mir damals jeden Tag ich politisch gegen das Regime akreits in meinem Heimatland Äthiopien stundenlang alleine Deutsch beige- tiv, und so hatte ich wie viele andestudiert und hatte die Gelegenheit, es bracht, das Fachabitur gemacht und re schließlich keine andere Wahl, als hier in Würzburg in Sprachkursen an studiere jetzt. Die GU in Würzburg mein Land zu verlassen. Über Umweder Uni bis zum C1-Niveau weiter zu mutet geradezu als ein Paradies an im ge bin ich dann nach Berlin gekommen lernen. Für diese Gelegenheit und die Vergleich zu anderen Lagern. Ich habe und weiter über unterschiedlich Orte

Bitte stelle dich als Deutschlehrer für Landsleute in der GU Würzburg kurz vor. Wie hast du selbst als (ehemaliger) Flüchtling Deutsch gelernt?

Hilfe vieler Unterstützer bin ich sehr dankbar.


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Sophia Löble und Wahid Feizy

Navid Zabihi

in Baden-Württemberg schließlich auch früher schon gebeten worden, nach Bad Mergentheim. Mir war vom hier als Muttersprachler Deutschunersten Tag an klar, dass ich unbedingt terricht anzubieten, hatte aber Zweifel, und sofort anfangen muss, deutsch ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin. zu lernen, egal wie. So habe ich mir Als mich nun immer mehr Flüchtlinge die Sprache alleine während der neun aus Afghanistan und auch aus dem Monate in Bad Mergentheim so weit Iran über Wochen bedrängt haben, beigebracht, mit Zeitungen, Fernse- musste ich aktiv werden. Das Problem hen und Wörterbuch, dass ich nach war die große Zahl der Interessenten Erhalt meines Passes in Konstanz so- und ihre unterschiedliche Vorbildung. fort die Aufnahmeprüfung fürs Kolleg Aber alle, alle sehnten sich so danach, bestanden habe, die Vorstufe für die Deutsch zu lernen und gaben nicht auf. Fachhochschule. Dort habe ich dann Als ich mit der Medizinstudentin Soim Anschluss Versorgungstechnik stu- phia Löble eine engagierte und komdiert. Über persönliche Verbindungen petente Mitstreiterin gewonnen habe, bin ich schließlich nach Würzburg ge- konnten wir endlich loslegen. kommen und hier geblieben. Navid Zabihi: Vor ungefähr zehn Jahren wurde dann Wie bist du dazu gekommen, durch einen Zeitungsartikel auf die Deutschunterricht für Flüchtlinge problematische Situation vieler neuer Flüchtlinge hier in Würzburg aufanzubieten? merksam. Ich wollte wenigstens meiAbay Kiros: Ich war hier in der Gemeinschaftsun- nen Landsleuten Hilfe anbieten, fand terkunft wohl der Erste, der vor rund jedoch kaum jemanden aus meiner fünf Monaten damit begonnen hat, Heimat vor. Dafür haben die anderen meinen Landsleuten Deutschunter- Flüchtlinge so viele Sorgen und Proricht anzubieten. Ein Freund aus der bleme an mich herangetragen, dem GU hat mich auf die Idee gebracht, konnte ich mich einfach nicht entmeine Fortschritte in der Sprache mit ziehen. Der Deutschunterricht nahm den vielen Landsleuten hier zu teilen. vor wenigen Monaten seinen Anfang Jetzt kommen wir jeden Samstag von durch die Schauspieler des Theater9-13 Uhr zusammen; anfangs war er stücks “Traum vom Leben“. Für dienotwendig, zwei vom Niveau her un- ses musste ich viele Originaltexte der terschiedliche Gruppen anzubieten, Flüchtlinge übersetzen und sie baten aber nun haben die Anfänger aufge- mich, ihnen Deutsch beizubringen. holt und es können alle gemeinsam Wir begannen mit einer kleinen Gruppe quasi auf der Bettkante in einem weitermachen. der Flüchtlingszimmer. Schließlich Wahid Feizy: durften wir den Unterricht in einem Dass die Sprachlosigkeit und so auch Klassenraum fortführen, jetzt sind es die Hilfsbedürftigkeit der Asylbewerzwischen 25 und 40 Iraner oder auch ber ein riesiges Problem ist, war mir Afghanen. Beide Nationalitäten verschon lange klar. Und öfters bin ich

stehen Persisch. Die Schwierigkeit besteht in der inhomogenen Vorbildung der Schüler: Vom Analphabeten bis zum Akademiker ist alles vertreten. So muss auch die Unterrichtsgestaltung variabel sein: Mehr Herausforderungen und Anspruch für die einen, ohne aber die anderen vorzuführen und zu frustrieren.

Wie läuft der Unterricht ab? Wo sind die Schwerpunkte und wie gehst du praktisch vor? Abay Kiros:

Ich bereite mich gut auf den Unterricht vor und wir erarbeiten die Themen gemeinsam. Allen ist bewusst, dass sie ohne Sprachkenntnis verloren sind, dass die Sprache der Schlüssel zu allem ist. Aber es soll auch Spaß machen; meine Schüler kommen gerne.

Wahid Feizy:

Zuerst stellten wir ein Konzept auf, das die inhomogene Klassenstruktur berücksichtigt und den Schwerpunkt auf praxisorientierte Dialoge legt. Im Zentrum stehen Alltagssituationen der Flüchtlinge wie z. B. Termin in einer Behörde, beim Arzt, Formulare ausfüllen usw. Die Themen werden gemeinsam mit den Flüchtlingen ausgewählt und erarbeitet. Zur Konversation und Erweiterung des Wortschatzes wird immer auch ein grammatikalisches Thema eingebaut. Wichtig ist der Spaß am Lernen und das Ausprobieren des Gelernten in kleinen Gesprächen. Auch kulturelle Themen werden nach und nach eingebaut, so sollen die bisher völlig isolierten Flüchtlinge die deutsche und europäische Kultur kennen lernen und auch von ihrer eigenen


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30 bei der Sache, aber wir sind es ja gewohnt uns Herausforderungen zu stellen und sie zu lösen. Es wäre wichtig und wünschenswert, wenn die Menschen mehr Kontakt zu Deutschen hätten, um das Gelernte auch anwenden zu können und zu üben. Daran mangelt es sehr.

Navid mit seinen Schülern

Kultur und Tradition erzählen können.

Navid Zabihi:

Ich versuche, meinen Schülern Deutsch so beizubringen, wie ich es selbst gelernt habe: Wir pauken die Grammatik richtig von Grund auf und wenden sie sofort an. Der Reihe nach stellen die Schüler ihrem Nachbarn immer die gleiche Frage, die jeder individuell beantwortet und weitergibt. So ist dann diese durch die vielen Wiederholungen verinnerlicht. Leider fehlen uns Wörterbücher. Diese werden in der Unterkunft wirklich dringend benötigt, damit die Flüchtlinge auch selbst aktiv lernen können. Und ohne Erklärungen in der Muttersprache kommen viele anfangs nicht zurecht, das ist genau das Problem der anderen Kursangebote, so gut sie auch gemeint sind.

Wie ist die Resonanz? Und wie kommt der Unterricht bei den Schülern an? Welche Herausforderungen ergeben sich und wie löst du sie? Abay Kiros: Meine Schüler schätzen es, dass ich ihnen die Unterrichtsinhalte in ihrer und meiner Muttersprache Amharisch erläutern kann; das macht es für viele überhaupt erst möglich, den Einstieg in die Fremdsprache zu finden. Sicherlich kommt mir dabei auch zugute, dass ich selbst Deutsch studieren durfte und diese Erfahrungen in den Unterricht einbringen kann. Natürlich mangelt es an Unterrichtsmaterialien, auch an Wörterbüchern. Aber wir machen das Beste daraus und die Resonanz ist sehr gut. Ich bin kein studierter Pädagoge und mitunter sind manche Schüler nicht konstant genug

gerecht werde. Die rege Nachfrage zeigt, sie sind alle sehr froh, nun endlich voranzukommen.

Wie engagierst du dich sonst noch für Flüchtlinge? Abay Kiros:

Ich bin im Redaktionsteam des Heimfocus-Magazins und nach Möglichkeit auch im Heimcafé in der GU. Seit langem bin ich auch beim bayerischen Flüchtlingsrat aktiv. Und vor Ort bin Wahid Feizy: ich gefragt als Begleiter und ÜbersetIch bin sehr zufrieden mit meinen zer für Landsleute bei Arztbesuchen, Schülern, sie sind sehr wissbegierig bei Behörden usw., wo ich eben geund motiviert. Es werden immer mehr, braucht werde und helfen kann. von Woche zu Woche. Und der Kurs Wahid Feizy: verändert ihr Leben: Letzte Woche hat Meine Unterstützung ist sonst indimir eine afghanische Frau überglück- vidueller Art: Amtsbriefe übersetlich erzählt, sie sei seit mehr als sechs zen, Telefonate mit Anwalt, Arzt oder Monaten in Deutschland und nun kön- Behörde führen oder die Flüchtlinge ne sie zum ersten Mal einen ganzen dorthin begleiten. Das bleibt nach wie Satz auf Deutsch sagen, nicht nur ein- vor ein wichtiger Teil meines Engagezelne Wortbrocken. Das motiviert uns ments. natürlich sehr, weiterzumachen. Und Navid Zabihi: es freut mich ganz besonders, dass Großteil sind Übersetzungen, Erklänun immer mehr afghanische Frauen rungen von Behördenschreiben, Beregelmäßig zum Kurs kommen. Sie gleitdienste zum Rechtsanwalt, zu leben traditionell sehr zurückgezogen Ämtern, in die Schule usw., solange es und jetzt öffnen sie sich und trauen meine Zeit erlaubt. Es geht nur, weil sich. Das ist mir ein wichtiges persönlimich dabei meine Familie und mein ches Anliegen. Chef nach Kräften und mit Herzblut Die Vorbildung und Erfahrung mit unterstützen und hinnehmen, dass ich Unterricht und Lernen sind sehr indafür soviel Zeit aufwende. homogen. Es stoßen zudem immer neue Flüchtlinge dazu, das macht das Vorankommen schwierig. Wir haben Es gibt viele Migranten, die sich gar auch einige Analphabeten dabei, die nicht für Flüchtlinge interessieren, sich sehr bemühen. Bei ihnen konzent- nicht einmal für die Landsleute. Was rieren wir uns auf mündliche Übungen, möchtest du ihnen mitteilen? auf Gespräche. Wir halten die Schüler Abay Kiros: auch gezielt an, nach vorne an die Ta- Mir macht es Freude, andere zu unfel zu kommen, sich zu trauen, vor den terstützen, so gut ich kann, und ich anderen miteinander zu sprechen. Das bin überzeugt, die eigenen Fähigist für manche eine echte Herausfor- keiten sind auch Verpflichtung, sie derung, wie halten es aber für wichtig, für andere einzusetzen. Jeder ist diese Scheu abzulegen und frei spre- irgendwo angewiesen auf andere chen zu lernen. und braucht jemanden, der mitgeht Navid Zabihi: und hilft. Für Flüchtlinge trifft dies Die individuellen Unterschiede in der in besonderem Maße zu. Es wäre Bildung erfordern eine besondere Sen- schön, wenn sich auch die anerkannsibilität. Ich bestehe darauf, dass sich ten Flüchtlinge, die bereits draußen alle in den gestellten Aufgaben gleich leben dürfen, daran erinnerten, wie einbringen, damit sich keine Gruppen dankbar sie früher für Zeichen der und Leistungsklassen einspielen, die Hoffnung und Solidarität waren und andere entmutigen. Gleichzeitig be- etwas von ihrer Zeit und Erfahrung kommen die Stärkeren von mir Son- den Menschen, den Landsleuten im deraufgaben, damit ich auch ihnen Lager zukommen ließen.


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Wahid in der Schule

Wahid Feizy:

Das Desinteresse oder die Distanz haben sicher sehr individuelle Gründe. Die meisten werden wohl damit argumentieren, sie hätten keine Zeit. Das kann ich so nicht stehen lassen. Bei uns sagt ein Sprichwort: Wer keine Zeit, hat in seinem Leben nichts wirklich geschafft. Ich kann nur an alle appellieren, in sich zugehen und sich solidarisch zu erklären. Und natürlich ist es nicht nur für den Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft von Vorteil, wenn sich z.B. iranische oder afghanische Flüchtlinge hier möglichst schnell integrieren. So verändert sich auch das mit Vorurteilen belastete Image der Ausländer. Das halte ich für ganz wichtig. Denn das hilft, endlich den Blick zu wenden von den Problemfällen zu den vielen gebildeten, integrierten, sehr erfolgreichen Ausländern hier.

Navid Zabihi:

sind gegen Unterdrückung, als uns die Sich in der Kneipe treffen, zusammen Polizisten durch die Straßen gejagt, Kaffee trinken, Billard spielen usw., misshandelt, gefoltert haben, sind die einfach ohne Tisch und Tafel Deutsch Menschen achtlos vorbei gegangen, reden. Es geht, man kann sich immer als wäre nichts. Alles ist wertlos ge- besser verständigen, es wächst Vermacht worden, auch das Menschliche. trauen und man erkennt, wo man sie Vielleicht ändert sich das eines Tages, unterstützen kann. Und Sprache lerwenn die Menschen wieder frei sind. nen geht dann so nebenbei. Für alle Bei vielen anderen Nationalitäten ist diejenigen, die sich zeitlich nicht festlegen wollen und sich vielleicht auch es genauso. nicht trauen, ist das die einfachste Was können deutsche Mitbürger vor Art, unspektakulär, von Mensch zu Ort tun, um Flüchtlinge zu unter- Mensch.

stützen? Abay Kiros:

Navid Zabihi:

Es geht immer im das Eine: Sprache, Sprache, Sprache. Ich sage meinen Landsleuten: Ihr müsst damit am ersten Tag beginnen, wenn ihr angekommen seid, sofort, egal wie. Wartet nicht auf andere, tut es selbst. Ihr seid Erwachsene, ihr habt nicht Zeit wie die Kinder. Jeder Tag ohne Fortschritt ist ein verlorener Tag. Ihr seid verantwortlich. Alles andere kommt später. Und zu den Deutschen: Da können sie wirklich helfen, ermutigen, unterstützen; pensionierte Lehrer ebenso wie einfach Menschen, die sich Zeit für Gesprächsrunden, für Begegnungen nehmen.

Deutsche sollten erst einmal ihre Vorbehalte überwinden und Flüchtlinge kennenlernen, sich selbst einen Eindruck verschaffen. Sie werden dann schnell merken, soviel unterscheidet uns alle nicht, wir haben als Menschen ähnliche Wünsche, Pläne und Ziele. Aber als Flüchtling befindet man sich in einer Ausnahmesituation, in einer Lage, die den Menschen hier völlig unbekannt ist. Und genau hier werden die Einheimischen dringend gebraucht, um sich gegenseitig kennen zu lernen, sich über die Kultur, die eigene Geschichte und vieles mehr zwanglos auszutauschen und die vorgefassten Sie klagen nicht über die Dunkelheit, Bilder, die uns trennen, abzubauen. sie werden sie auch nicht besiegen Die direkte individuelle Begegnung können, aber sie zünden – gemeinsam ist wichtig. Ich bedanke mich sehr bei mit vielen anderen – jeder ein Licht an. allen Menschen, die mir genau so auf Und wenn viele es tun, wird es heller meinem Weg geholfen haben. im Leben der Flüchtlinge.

Das ist wohl eine sehr, sehr schlechte Eigenart, die scheinbar nicht nur in meiner Heimat weit verbreitet ist. Im Iran gibt es einen Spruch, der sinngemäß lautet: „Wenn ein Bauer seinen Esel über die Brücke getrieben hat, schaut es nicht mehr zurück.“ Also, schaue nur auf dich und nicht auf andere. Das ist zumindest im Iran natürlich auch eine Folge dieses Regimes, dass jeder nur auf sich bedacht ist und darauf, sich selbst halbwegs sicher durchzubringen. Misstrauen und Angst sind Wahid Feizy: groß, Solidarität klein. Diese bittere Wenn man will, geht es ganz einfach Erfahrung habe ich schon damals in und ohne viel Aufwand. Das machen meiner Heimat gemacht und das ist z.B. einige Studenten so: Sich einmal heute auch noch so: Nichts ist von die Woche irgendwo in der Stadt mit Wert, Bildung schon gar nicht, SolidaFlüchtlingen verabreden, damit sie aus rität ebenso wenig. Als wir damals als dem Lager kommen und das normale Studenten auf die Straße gegangen Leben hier überhaupt kennenlernen.

Das Heimfocus-Magazin dankt allen engagierten Sprachlehrern in der Gemeinschaftsunterkunft für ihren Einsatz und den Interviewpartnern für ihre Bereitschaft, sich unseren Fragen zustellen.


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Dog or human? Part 7

One, two, three…are simple numbers but for me they are the years that I left everything behind to end up in a refugee camp with losing hope and future.

just sitting somewhere and I started to think of those refugees who are living alone without any visitor. For us, Christmas and New Year’s Eve simply are coming and going. The question is what At home you can be a star but then as kind of change do they bring for us? We a refugee you are looked on like a dog, are still struggling for survival. even lower than dog. When I came to this country as a refugee, I expected In this crowded place I met a friend of a genuine welcoming face, but the mine, she lives in the city. Thanks to God opposite is true, the difficulties have she invited me for a coffee in her apartstarted right after my arrival in the first ment. That was a clean air breathing refugee camp. I am not saying some- moment outside the refugee camp. We one should come to the airport with a discussed a lot of things, from the famibunch of flowers and say, Mr. Kibwana, ly where we come from, to the different welcome to our country. That was not opportunities before and after having my expectation at all, I was well aware the “passport”, from celebrating holithat things are going to be handled in days here to our country. a refugee camp. The only thing that I brought in this country is a full spirit As a former refugee herself, I asked her and the capacity of saving my life and how was the refugee situation in her giving it a meaning. But the attitude time five years ago? She said, it is betof some officials towards refugees is ter now in your time; she was laughing inhuman. In addition to putting unne- deadly and she said, you know what cessary painful words in humans’ minds comes in my mind right now? I shook like this official person: “I do not have my head and said, please tell me. So the time and energy to talk to you and she started to tell me hard-to-believe to respond your immediate questions stories: ”I could never forget this moright now because I want to save my ment, especially one thing: we were time and energy to play with my dog”, standing in front of the Social Office there are also very small hurting details to have new clothes every six months. in different refugee offices. They metered our bodies with a measuring device, each and every part of our Let me ask you one question, do you body to have our size. Simply the office have a favourite day from the days looked a sewing house instead of the of the week? In our case as a refugee, social office. One of the funny parts Sunday is our favourite day, it is a day of was, most refugees did not find their hope, and it is a day of waiting the week size. I remember that I ordered my size with full expectation if there is a positi- of jeans, underwear and bra, nothing ve change in our asylum case. Most of was fitting me with my size. On the us do not like Friday to come. All refu- other hand, due to this regulation the gee supporting offices are closed. To camp looked like a military camp. Most get out from all this stress for a while, I refugees wore the same clothes and decided to go out to the city one Friday shoes. People could easily identify us afternoon. It was a crowded Friday, I who we are when we went to the city. have never seen these numbers of peo- Most refugees did not go out to the city ple so far in the city, and people were so for this particular reason. I can say that busy buying gifts for Christmas. I was most people threw most clothes in a

big rubbish container next to the social office. It was funny isn’t it?” What about now? Of course it is better now compared with what my friend explained to me, we have a voucher for clothes of 120 Euro every six months. But the funny part is, we are not allowed to buy in all shops or to invest the voucher in two or three pieces of clothes only. Rather they insist to buy a large variety of clothes for six months even if we – being adults after all - don’t see the need for it. Tomorrow is another day, please give us hope for a self-determined future and do not forget us in your Christmas celebrations. Abasi Kibwana


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Hund oder Mensch? Teil 7

zu haben, um ihm einen neuen Sinn zu geben. Die Einstellung mancher Behördenmitarbeiter zu Flüchtlingen jedoch ist unmenschlich. Nicht nur diese unnötigen schmerzlichen Worte eines Beamten: „Ich habe weder Zeit noch Energie, jetzt mit Ihnen zu reden und Ihre Fragen zu beantworten, weil ich meine Zeit und Energie für das Spielen mit meinem Hund schonen will“, sondern auch unzählige kleine verletzende Begebenheiten in den Amtsstuben.

Eins, zwei, drei....einfach nur Zahlen , aber für mich sind es die Jahre, die ich, nachdem ich alles aufgegeben und hinter mir gelassen habe, nun ohne Hoffnung und Zukunft in einem Flüchtlingslager friste. Zu Hause kannst du ein Star sein, aber als Flüchtling wirst du mitunter als ein Hund angesehen, manchmal auch weniger als ein Hund. Als ich in dieses Land kam, hoffte ich als Flüchtling auf ein ehrliches Gesicht des Willkommens, aber das Gegenteil ist der Fall; die Schwierigkeiten begannen unmittelbar nach meiner Ankunft im Erstaufnahmelager. Damit will ich nicht sagen, ich hätte auf dem Flughafen jemanden mit einem Blumenstrauß erwartet und mit Worten wie: “Herr Kibwana, herzlich willkommen in unserem Land!“ Nein, so dachte ich wirklich nicht, es war mir bewusst, der Weg führt durch ein Flüchtlingslager. Aber alles, was mir blieb und was ich mitbrachte, waren Zuversicht und die Hoffnung, mein Leben gerettet

Sagen Sie mir, haben Sie in der Woche einen Lieblingstag? Für uns als Flüchtlinge ist es der Sonntag. Es ist ein Tag der Hoffnung, ein Tag der Erwartung, dass die neue Woche vielleicht eine positive Wendung in unserem Asylverfahren bringen möge. Die meisten von uns mögen die Freitage nicht. Die Amtstuben und auch die Stellen ,die uns unterstützen, schließen für das Wochenende, wir sind uns selbst überlassen. Um dem Stress, der sich dann mitunter ausbreitet, zu entgehen, entschloss ich mich an einem Freitag Nachmittag, in die Stadt zu gehen. Es herrschte drangvolle Enge in der City, ich habe dort noch nie so viele Menschen gesehen. Sie waren so beschäftigt damit, Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Ich setzte mich einfach irgendwo hin und dachte an die vielen Flüchtlinge, die alleine und ohne Besuch bleiben würden. Für uns bleibt Weihnachten und Neujahr alles beim Alten; welche Veränderungen werden sie schon bringen wollen? Wir kämpfen nach wie vor ums Überleben.

„Pass“ bis hin zu der Art, Weihnachten zu feiern – hier und zu Hause. Auch sie war früher als Flüchtling im Lager untergebracht, und ich fragte sie, wie sie diese Zeit vor fünf Jahren empfunden habe. Sie erwiderte, heute wäre es besser als damals. Dann lachte sie plötzlich laut auf und sagte: “Weißt du, was mir gerade in den Sinn kommt?“ Ich schüttelte den Kopf und bat sie, zu erzählen. Und so schilderte sie mir eine Geschichte, die kaum zu glauben ist: „Ich werde dieses Bild niemals vergessen: Alle sechs Monate gab es neue Kleidung für uns und so drängten sich dann alle vor dem Büro der Sozialbehörde. Dort wurden öffentlich von den Angestellten alle unsere Körpermaße ermittelt mit dem Metermaß, jedes nach unserer Empfindung intime Detail. Es sah dort an diesem Tag aus wie in einer überfüllten Schneiderwerkstatt. Und das Komische daran war, kaum etwas von der Kleidung passte dann wirklich. Ich kann mich noch erinnern, ich bestellte ein Jeans, Slips und BH, nichts davon passte auch nur annähernd. Zudem waren wir dann alle uniformiert wie in einem Militärlager, fast alle Flüchtlinge trugen notgedrungen die gleiche Kleidung und Schuhe. Die Bürger konnten mit Leichtigkeit erkennen, wer wir sind, wenn wir uns in die Stadt wagten. So bleiben die meisten Flüchtlinge lieber verschämt im Lager. Und wer konnte, entsorgte die Kleidung in den Abfallbehälter direkt neben dem Büro der Sozialbehörde. Ist das nicht komisch?“ Und nun, wie ist es heute? Sicherlich hat sich im Vergleich zu diesen Zuständen Einiges verbessert, wir erhalten alle sechs Monate einen Kleidergutschein über 120€. Aber wir können ihn nur in einigen Geschäften nutzen und es ist uns nicht gestattet, ihn nur für zwei, drei Kleidungsstücke zu verwenden. Wir werden angehalten, dafür viele Einzelstücke zu erwerben, auch wenn wir als Erwachsene doch am besten wissen, was wir brauchen und wollen.

An diesem geschäftigen Ort traf ich dann zufällig eine Freundin, die in der Stadt wohnt. Zum Glück lud sie mich zu sich auf einen Kaffee ein, das war ein Ort zum Durchatmen, eine Zuflucht jen- Morgen ist ein neuer Tag; bitte geben seits des Flüchtlingslagers. Wir haben Sie uns Hoffnung auf eine selbstbeüber Vieles gesprochen, von unseren stimmte Zukunft und vergessen Sie Familien daheim über den Unterschied uns nicht an Ihren Weihnachtstagen. an Lebenschancen ohne und mit dem Abasi Kibwana


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Grenzenlose Solidarität mit Flüchtlingen statt beschränktem Nationalismus No-Border-Camp in der bulgarischen Grenzregion zur Türkei und zu Griechenland Einer der gefangenen Asylsuchenden hielt uns zum Abschied einen Fetzen Stoff mit den Worten „Thank you“ durch die Gitterstäbe des Fensters entgegen.

Es war ein mulmiges Gefühl, diesen Platz wieder zu verlassen. Es war ein bewegender Abschied und es war hart, diese Realität zu ertragen: Auf der einen Seite unsere Gewissheit, dorthin gehen zu können, wohin wir wollen, und auf der anderen Seite die Menschen, denen dies nicht vergönnt ist nur aufgrund der zugeschriebenen „Zugehörigkeit“ zu einer falschen Nation. Man kann viel über das Unrecht und Leid diskutieren und streiten, das Grenzen und die willkürliche Aufteilung der Welt in Nationen mit sich bringen, aber erst wenn man direkt den Menschen gegenübersteht, die wirklich davon betroffen sind, geht diese Unmenschlichkeit einem selbst richtig nahe. Auch wenn wir den Gefangenen nicht direkt helfen konnten, haben wir ihnen wenigstens etwas Hoffnung und die Gewissheit gegeben, dass es Menschen gibt, die von ihrer Situation wissen und diese nicht länger hinneh-

men wollen. Das war also unser letzter Tag des „NoBorder-Camps“ Ende August 2011 in der bulgarischen Grenzregion zur Türkei und zu Griechenland, der bewegendste Tag für uns alle: Lyubimetz, „Detention Center“, ein relativ neues Gefängnis für bis zu 150 Menschen, für Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens und gegebenenfalls vor ihrer Abschiebung.

alle 300 Teilnehmer des Camps aufgebrochen. Auf dem Weg schlossen sich uns immer mehr Menschen aus einer nahe gelegenen Roma-Siedlung an. Wir wiesen die Gefangenen in verschiedenen Sprachen mit Hilfe eines Megaphons und mit verschiedensprachigen Transparenten auf ihre Rechte und auf eine kostenlose Telefonnummer für Rechtsbeistand hin. Mehrere Stunden verbrachten wir so auf dem

Nach deutscher Rechtsauffassung ist es Gemeinschaftsunterkunft und Abschiebeknast in einem. Flüchtling zu sein in einem Gefängnis ohne jegliche Ausgangserlaubnis, das macht das Leben zur Hölle. In ständiger Unsicherheit leben zu müssen, von großen Teilen der Bevölkerung als Kriminelle stigmatisiert, das bringt die Europäische Flüchtlingspolitik nicht zufällig mit sich, sondern es ist ihre immanente Absicht. Zu diesem Ort der Menschenrechtsverletzung sind fast

Platz, hielten Kontakt zu den Eingesperrten und tauschten uns mit den Roma aus. Dieses Bild begleitet uns jetzt noch im Rückblick auf das „NoBorder-Camp“, an dem wir als AktivistInnen aus Würzburg teilgenommen haben. Dieses Camp wird jährlich vom No-Border-Netzwerk organisiert, einem europaweiten Zusammenschluss von Gruppen, die sich mit den Themen Migration, Asyl und weltweite Bewegungsfreiheit auseinandersetzen. Es findet jedes Jahr in einem anderen EU-


1 / 2012 Mitgliedsstaat statt, im nächsten Jahr in Schweden. Das Anliegen des Camps in Bulgarien war es, die Bevölkerung in der Grenzregion auf Gründe von Flucht und Migration aufmerksam zu machen, Solidarität mit Flüchtlingen zu zeigen und ein Zeichen für ein positives Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft zu setzen. Außerdem wurden die menschenverachtenden Grenzsicherungsmaßnahmen und die verantwortungslose Politik der EU thematisiert, skandalisiert und vielfältiger Protest dagegen auf die Straßen getragen. Da Bulgarien ab 2012 zum Schengen-Raum gehören und somit zu einem neuen Außenposten der EU-Abschottungspolitik wird, fand das Camp folgerichtig in der Nähe der bulgarisch-türkischen und bulgarisch-griechischen Grenze statt. Dass sich die Verschiebung der Außengrenzen auf die Fluchtrouten und auf die Zahl der nach Bulgarien kommenden Flüchtlinge auswirken wird, ist keine Frage. Gerade deshalb stand die Aufklärung der örtlichen Bevölkerung im Mittelpunkt, auch die Vermittlung von Informationen über Fluchtgründe und Flüchtlingsströme. Dies wollten wir aus gutem Grund nicht der menschenfeindlichen und rassistischen Propaganda der bulgarischen bzw. der europäischen Politik überlassen, sondern unsere Kritik an Grenzaufrüstung und -sicherung deutlich machen. Deswegen war das Camp nicht nur ein intensives Erlebnis von fünf Tagen lebhafter Diskussion, politischer Aktion und solidarischen Zusammenlebens. Es ging nicht um uns, es ging darum, die lokale Bevölkerung zu sensibilisieren und gegen das Unrecht vor Ort zu mobilisieren. Daher fuhren am zweiten Tag des Camps fast alle der 300 Camp-TeilnehmerInnen nach Svilengrad, der nächstgrößeren Stadt, wo wir durch Straßentheater, Aktionen und Flyer auf unser Anliegen aufmerksam machten. Vor der Station der ortsansässigen Grenzpolizei, zu der wir abschließend eine Demonstration veranstalteten, wurden alte Schuhe und Kerzen abgelegt, um an Flüchtlinge zu erinnern, die bei ihren Versuchen, die Grenzen zu überqueren, ums Leben gekommen sind, auch durch Einwirkung der Polizei.

35 ganze Camp über stattfanden, kamen unter anderem Themen der Asyl- und Migrationspolitik in Osteuropa zur Sprache und die dortige Situation der Roma. Gerade dieses Thema zeigt seit mehreren Wochen mit den pogromartigen Übergriffen auf Roma in Bulgarien, aber auch in weiteren Ländern Osteuropas, besondere Brisanz. Der in Bulgarien weit verbreitete Antiziganismus, der uns bereits bei unserer Ankunft in Sofia direkt aufgefallen war, stellt ein unglaublich großes aber oftmals unbeachtetes Problem in ganz Europa dar, welchem alle emanzipatorischen Bewegungen entschlossen entgegenwirken müssen. Der Kampf für eine grenzen- und klassenlose Weltgesellschaft muss und wird weitergehen, auch wenn es manchmal schwer fällt und die Perspektiven oftmals durch starke Repression zu verschwinden scheinen. In eiAm dritten Tag zogen wir an der ner Welt, in der Waren mehr zählen als türkisch-bulgarischen Grenze die Menschenleben, ist es unsere Pflicht, Aufmerksamkeit der Reisenden mit dagegen aufzubegehren. GrenzenTransparenten und gespielten Ab- lose Solidarität statt beschränktem schiebungen auf uns. Auch am Grenz- Nationalismus – eine andere Welt ist übergang nach Griechenland fanden möglich! Aktionen statt, einigen AktivistInnen gelang es sogar, die Grenze mehrmals ohne Passkontrolle zu passieren. Anna und Arthur In verschiedenen Workshops, die das


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Bild als Waffe gegen Sprachlosigkeit

Politische Karikatur als Medium gegen die Diktatur

Er zahlte einen hohen Preis für den Mut, auf seine Art das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung wahr zu nehmen: Die Schergen des syrischen Regimes entführten im August 2011 den berühmten syrischen Karikaturisten Ali Farzat an einen geheimen Ort, folterten ihn und brachen ihm schließlich beide Arme. Und viele erinnern sich noch an den Fall des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard der nach Erscheinen seiner Mohammed-Karikatur um sein Leben fürchten muss. Ahmadinedschad bei den Vereinten Nationen

Die Sprache der Bilder ist mächtig, oft mächtiger als Worte. Und subtiler. Hinter einem Bild verbergen sich Welten, Geschichten, auch verbotene Gedanken und Aussagen. Wer verstehen will, versteht. Erst recht bei politischer Karikatur. Die Unterdrücker sind sich der Macht dieser versteckten Botschaften durchaus bewusst, fühlen sich in ihrer Macht bedroht und schlagen zurück. So auch in meiner Heimat, dem Iran. Nach dem Triumph der Islamischen Revolution 1979 kamen unter der Herrschaft des Ayatollah Khomeini die geistlichen Führer, die Mullahs, an die Macht. Von da an gab es keine Trennung mehr zwischen weltlicher und religiöser Macht. So wurde auch die islamische Rechtsprechung eingeführt. Das Regime duldete keine abweichende Meinung; jede Satire oder Kritik war gleichgesetzt mit einer Beleidigung oder einem Angriff auf die Mullahs und letztendlich auf den Islam selbst.

Der Schleier ist im Iran Pflicht

So erlitt der geschätzte iranische Karikaturist Nikahang Kosar im Jahre 2000 grausame Folter und Kerkerhaft durch das islamische Regime, da eine seiner Karikaturen als Beleidigung des Ayatollah Mesbah gedeutet worden ist: Das Bild


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eines Krokodils interpretierte das Regime in diesem Sinne, da sich im Persischen die Worte „Mesbah“ und „Temsah“ für Krokodil im Klang ähneln. So klagten sie den Künstler an, mit seiner Karikatur Propaganda gegen die islamische Geistlichkeit und somit gegen den Islam selbst zu betreiben. Ein weiterer iranischer Karikaturist, der einen Preis für seine künstlerische Aktivität zu zahlen hatte, ist Mana Neyestani. Nur einen Tag nach der Veröffentlichung einer seiner Karikaturen in der Tageszeitung „Iran“ begann seine Verfolgung durch staatliche Stellen, die ihn schließlich zur Flucht zwang. Warum fürchten alle Diktaturen die Karikatur, warum belegen sie diese mit einer strengen Zensur? Weil sie für einen unterdrückten Intellekt oftmals das einzig verbleibende Medium ist, verbotene Botschaften verschlüsselt, doch für viele offenkundig, zu verbreiten. Eigentlich ist die Karikatur ein subtile, vielschichtige „bildliche Form der Satire, die sich als parteiische Kritik an bestehenden Werten oder politischen Verhältnissen versteht und oft als „Waffe” in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verwendet wird. Oftmals nimmt die Karikatur zu einem aktuellen Sachverhalt sarkastisch-ironisch Stellung.“(Wikipedia). Durch die „Überladung“, Übertreibung eines an sich unverfänglichen Sachverhalts mit versteckten Aussagen kann sie prägnant bestehende soziale und politische Missstände analysieren und anprangern und so den Menschen Informationen liefern, die auf keinem anderen Weg vermittelt werden können. Symbolhaftes wird bewusst eingesetzt und übertrieben, Wahrnehmungen von Gegensätzen wie Gut und Böse, Recht und Unrecht, Gleich und Ungleich überzeichnet. So gelingt es auch, die Verwerfungen und die innere Spaltung der von einem totalitären Regime gewaltsam verformten, künstlichen Gesellschaft abzubilden. Daher fürchtet jedes

Die britische Botschaft in Teheran

Ali Khamenei und Nuklearwaffen

Regime wie das des Iran diese Waffe und verfolgt deren Urheber gnadenlos, entweder mit Druck, das Land zu verlassen, mit Haftstrafen oder gar mit Todesurteilen. So auch im Fall von Kurt Westergaard. Die kulturelle und soziale Zensur verschärfte sich noch unter der Herrschaft des derzeitigen iranischen Regimes unter Mahmud Ahmadinedschad. Welche Auswirkungen diese Strangulierung vieler Bereiche der Gesellschaft wie Bildung, Kunst und Kultur im weitesten Sinne auf Dauer haben wird, bleibt abzuwarten. Eines ist sicher: Jede Diktatur ist eine Tragödie für den Menschen und für die Menschheit. Karikaturen und Text

Maneis Arbab

(Mohammad Hossein Tehrani)


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Rückkehrberatung als Unterstützung für Flüchtlinge Ergebnisoffen und unabhängig enten auch nach ihrer Ausreise als Ansprechpartner zur Verfügung, u.a. bei Fragen zur weiteren Finanzierung von medizinischer Versorgung oder zur Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen.

Das Angebot der Rückkehrberatung richtet sich an Asylbewerber, geduldete Flüchtlinge, anerkannte Flüchtlinge, Menschen ohne Papiere sowie weitere Migranten (z.B. Aussiedler, jüdische Kontingentflüchtlinge). Die Menschen, die sich an unsere Beratungsstelle wenden, haben unterschiedliche Gründe, weshalb sie eine Rückkehr in ihr Heimatland überlegen oder planen. Manche warten bereits seit längerer Zeit auf den Bescheid, ob sie in Deutschland bleiben können, und sehen hier keine Perspektive mehr. Andere haben die Nachricht erhalten, dass sie zur Ausreise verpflichtet sind, da ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist. Bei einer weiteren Gruppe stehen persönliche Motive im Vordergrund, z.B. die schwere Erkrankung eines Angehörigen im Heimatland oder die Einsamkeit, in der sie in Deutschland ohne ihre Verwandten leben. In jedem Fall stehen unsere Klienten vor einer wesentlichen Entscheidung für ihr weiteres Leben.

Die Klienten bestimmen selbst, ob sie ihre Lebensperspektive in Deutschland oder in ihrem Heimatland sehen. Entscheiden sie sich für einen Verbleib in Deutschland, können wir sie an die zuständigen Fachberatungsstellen vermitteln. Wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren wollen, bieten wir vor allem folgende Hilfen an: - Unterstützung bei der Beschaffung von Reisedokumenten; - Vermittlung im Umgang mit Behörden, u.a. Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern, Ausländer- und Sozialämter; - Beantragung finanzieller Rückkehrhilfen z.B. beim Freistaat Bayern und der Internationalen Organisation für Migration (IOM); - individuelle Hilfen, vor allem bei Krankheit oder Behinderung; dazu zählen im Einzelfall die Organisation einer medizinischen Begleitung bei der Ausreise oder der Einkauf eines Vorrats der benötigten Medikamente; - Förderung von Existenzgründungen; - Vermittlung von Weiterbildungsangeboten für die berufliche Qualifizierung (z.B. Solarko-cherbaukurs); - Unterstützung bei der Organisation der Reise, z.B. durch Begleitung zum Flughafen; - Herstellung von Kontakten im Herkunftsland u.a. über Partnerorganisationen.

Unsere Beratung hat zum Ziel, gemeinsam mit den Klienten individuelle Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Dazu ist es zunächst erforderlich, Fragen zu ihrer persönlichen Situation zu klären, wie zum Beispiel: Haben sie Chancen auf einen Aufenthalt in Deutschland? Auf welche Situation werden sie im Heimatland treffen, beispielsweise im Hinblick auf Unterkunft, Sicherung des Lebensunterhalts, medizinische Versorgung, Kontakte? Es ist uns wichtig, die Klienten in Gesprächen zu begleiten und zu unterstützen, falls sie Sorgen oder Zweifel über ihre Zukunft haben. Die Gespräche sind vertraulich, und die Mitarbeiter unterDarüber hinaus stehen wir unseren Kliliegen der Schweigepflicht.

Zur Veranschaulichung unserer Arbeit soll folgendes Beispiel dienen: Herr M. reiste von Weißrussland über Italien nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte aufgrund des Dublin II.-Abkommens die Durchführung eines Asylverfahrens ab und drohte ihm die Ausweisung nach Italien an. Er wandte sich daraufhin an unsere Beratungsstelle. Herr M. wollte eine Ausweisung vermeiden, auch eine Rückkehr nach Weißrussland kam für ihn jedoch aufgrund der politischen Verhältnisse nicht in Betracht. Da die Russische Föderation erleichterte Einreisebestimmungen und ein Einbürgerungsverfahren für weißrussische Bürger anbietet, war es uns möglich, für Herrn M. die Ausreise in die Russische Föderation zu organisieren. Wir stellten für ihn Anträge auf Bewilligung des Flugtickets und finanzieller Rückkehrhilfen für seinen Lebensunterhalt. Da Herr M. an einer Krankheit leidet, für deren Behandlung regelmäßige ärztliche Untersuchungen notwendig sind, beantragten wir zusätzliche finanzielle Mittel, um seine weitere medizinische Versorgung zu ermöglichen. Kurze Zeit nach seiner Ausreise teilte Herr M. uns per E-mail mit, dass er in der Russischen Föderation einen Aufenthaltstitel erhalten und einen Arbeitsstelle gefunden hat. Er ist mit seiner Arbeit und seinem Leben dort zufrieden.


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1 / 2012 Zum Team unserer Beratungsstelle gehören: - Martina Blomberger, Dipl. Sozialpädagogin, Caritasverband für die Diözese Würzburg e.V. - Tatjana Geist, Dipl. Sozialpädagogin, Kreisverband Würzburg des Bayer. Roten Kreuzes - Klaus Oßwald, Dipl. Sozialarbeiter, CaritasverbandfürdieDiözeseWürzburge.V. - Erika Seidel, Verwaltungsfachangestellte, Regierung von Unterfranken

Die Zentrale Rückkehrberatung für Flüchtlinge in Westbayern

(ZRB Westbayern) wurde im Oktober 2004 im Rahmen eines EU-Projekts gegründet. Seit August 2011 liegt die Trägerschaft Team der Rückkehrberatung: beim Caritasverband für die Diöze- Klaus Oßwald, Martina Blomberger, Erika Seidel, Tatjana Geist (v. l. n. r.) se Augsburg mit folgenden weiteren Projektpartnern: Caritasverband für nen sich an unsere Beratungsstelle die Diözese Würzburg, Kreisverband Sowohl Klienten aus dem Regierungswenden. bezirk Unterfranken als auch aus der Würzburg des Bayerischen Roten KreuStadt und dem Landkreis Coburg könzes und Regierung von Unterfranken. Das Team der ZRB Westbayern

Rückkehrberatung für Flüchtlinge in Würzburg

Solarkocher-Baukurs

Friedrich-Spee-Haus

Röntgenring 3 97070 Würzburg

Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber

Sprechstunden nach Vereinbarung:

Veitshöchheimer Str. 100 97080 Würzburg

UND

Tel. 0931 / 9802–287, -290, -291

Tel. 0931 / 386 58-100, -150, -151, -152, -153

Sprechstunden Dienstag und Donnerstag 9:30 – 12:00 Uhr


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Wer heißt schon einen Fremden willkommen? Wenn du einmal weit von Zuhause weg bist, dann bemerkst du, dass es in jeder Kultur Verhaltensweisen gibt, die überall gleich sind. Aber du spürst genauso schnell eine kulturelle Einzigartigkeit, an die du keinen Anschluss hast. Was macht dich zum Fremden für die Leute in deinem Gastland und umgekehrt? Natürlich gibt es dort Menschen, die dich auf der Straße anlächeln, wenn sie dich sehen. Sie sorgen dafür, dass du dich willkommen fühlst und versuchen mit dir zu reden. Wenn du Glück hast, hält die freundliche Umgangsweise an und wandelt sich vielleicht zu einer Freundschaft zwischen euch. Es wäre das Beste, was Dir passieren könnte, denn in ihrer Gegenwart wirst du dann froh und nicht mehr gänzlich ein Fremder sein. Vielleicht entschlüsselst du so ihre kulturelle Einzigartigkeit. Trotzdem sind auch deine neuen Freunde viel beschäftigte Leute, sie haben bereits ihren Platz und damit ihre Verpflichtungen in den Netzwerken ihrer Familien und ihrer Heimat. So groß ihr Bemühen, dich in ihre Gesellschaft zu integrieren, auch sein mag, ihre zeitlichen Möglichkeiten sind limitiert, früher oder später wirst du auf dich zurückgeworfen sein, ohne dass sie ihre Zeit mit Dir verbringen oder dir weiterhelfen können. In dieser Situation gilt: Bloß nicht einsam fühlen und es persönlich nehmen, wenn die unbekannten Menschen um dich herum nicht immer ein Lächeln des Willkommens zeigen, dich übersehen oder nicht grüßen. Auch wenn Gastfreundschaft bei ihnen eine großen Stellenwert haben mag, sie haben ihre eigenen Sorgen oder sie haben Angst, mit dir nicht kommunizieren zu können. Englisch fällt ihnen nicht leicht und die Lokalsprache wiederum ist ein Hindernis für dich. So entstehen Distanz, Fremdsein, Unsicherheit. Woher weißt du jetzt, wem du vertrauen

kannst? Wieso fühlst du dich eigentlich allein, wenn dich doch so viele Leute umgeben? Für eine Weile war ich auch weit weg von meiner Heimat. Obwohl ich über die Kultur in meinem Gastland viel gelesen habe, deren Küche nicht verschmäht und versucht habe, ihre Dialekte zu lernen, war ich für die Menschen in meinem Gastland immer noch ein Fremder - wahrscheinlich einfach nur wegen meines äußeren Erscheinungsbildes: Ich bin groß und weiß. Und doch war ich für diese Menschen ein anderer Fremder, als sie es in meiner Heimat wären. Mein Aussehen erzählte Ihnen: Ich bin reich, habe mehr als alles, was ich brauche, und da ich die Sprache wichtiger Leute spreche, bin ich es auch. Egal was ich ihnen mitteilen wollte, diese Botschaft kam immer zuerst an. Zu meiner Überraschung war es jedoch keine Barriere zwischen uns. Die Menschen wollten mir trotzdem immer noch helfen und waren gastfreundlich, trotz aller Unterschiede, trotz meiner vermeintlichen Überlegenheit. Manchmal war es für mich schwer zu begreifen, dass sie so offen und nett waren. Diese Haltung, die ich umgekehrt von meinem

Land so nicht kenne, bleibt ein Rätsel für mich, diese Zuversicht, voneinander zu lernen und miteinander Spaß haben zu können. Warum behandeln wir bei uns Fremde so anders? Wenn wir uns endlich entschließen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, erkennen wir doch, dass sie zwar, so wie unsere eigenen Brüder und Schwester, anders sind als wir selbst, ansonsten aber genau solche Menschen wie wir. Auch dass wir nicht versuchen von ihnen zu lernen, bleibt mir unverständlich. Wären wir offen genug, würden wir schnell erkennen, dass wir miteinander auch feiern und lachen können, dass sie uns vieles beibringen können, was uns fehlt und dass ihre Lebenseinstellung viel mehr wert ist als all die Waren in unseren Kaufhäusern. Maximilian Csef (Maximilian arbeitete nach dem Abitur ein Jahr in einem Slum auf den Philippinen)


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Who welcomes a stranger? If you are far away from home, you at you or greet you. They are too much matter sometimes. People were still find many things in life which are the worried about their own needs and willing to help me and hospitable at same in every culture, but quickly you struggles and they may be afraid they the same time. How could they be so notice a cultural uniqueness which cannot talk to you in an appropriate friendly after all? It is still a mystery to you are unfamiliar with. What is it that way. English sometimes is a hard lan- me, that they, in contrast to my home makes you a stranger for the people in guage for those people and the local country, showed this open mind and your host country and vice versa? language is a big barrier for you. How confidence to learn from and have a Of course, there are people in the can you get along in those moments good time with me. streets who look at you and smile. far away from home and how can you Why is it, that strangers in my country They make you feel welcome and try to know whom you can trust? Why do are not treated the same way? When communicate with you. If you are lucky, you feel lonely although there are so we get in contact with them we see that they are different in some way, this friendly contact will persist and many people around you? develop into a friendship. This is the I was far away from home for a while. but are identical in many ways- just best thing that can happen to you. In Often I was a stranger to the people in like our brothers and sisters. It also is their presence you will feel happy and the other country, although I had read mysterious to me that we don’t seek you will no longer be a stranger. And about the other culture, ate their food to learn from them. If we were openmaybe in addition you will learn what and tried my best to use their local lan- minded, we probably would notice the other culture is all about. But your guage. Maybe only because of my out- fast that we can have a pleasant and new friends are often busy, because ward appearance: I am tall and I am precious time with them and that their they have their position and their res- white. Honestly, I have to tell you that attitude to life carries treasures much ponsibilities in all the networks of their I was a different stranger than those more valuable than all goods in our families and their home country alrea- people who are strangers in my home stores. dy. Even though they give their best to country. My outward appearance said: Maximilian Csef integrate you into their communities, I am rich, I have more than everything your friends will at some point will not I need and I am important, because I be able to spend time with you or to speak the language of important peo- (Maximilian spent a year as volunteer help you. In those moments: Don’t ple. No matter what I wanted to tell in a slum in the Philippines) feel lonely because you notice that the people, my outward appearance spoother people around you do not smile ke the first words. Surprisingly it didn’t

Allen Flüchtlingen hier in Deutschland und auf der ganzen Welt wünschen wir fürs Neue Jahr - eine neue Heimat, die euch willkommen heißt, - ein gesichertes, selbstbestimmtes Leben - Wertschätzung und Respekt eurer Würde als Mensch, - überall!

Our New Year‘s wishes for all refugees in Germany and all over the world: - may you find a new home with a welcoming face - may your life be secured and independent - may you be appreciated and treated with respect for your human dignity - everywhere! The Heimfocus Editorial Team

Die Heimfocus-Redaktion


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Impressum

No2 • 10/2010

VOICE FOR REFUGEES

2.Jahrgang, 2.Ausgabe, 1 / 2012

teilhaben – Teil werden

Redaktion: Addis Mulugeta, Abay Kiros Redaktionskontakt: contact@heimfocus.net VIVOVOLO reach out your hand for refugees …

Erscheinungstermin: 01.01.2012 Erscheinungsweise: vierteljährlich Auflage: Exemplare 2500 Herausgeber: Eva Peteler c/o Ausländer-und Integrationsbeirat der Stadt Würzburg Rückermainstr.2 97070 Würzburg Fotos: Redaktion Titelbild: Redaktion Layout: Maneis Arbab, Anette Hainz Druck und Produktion: flyeralarm GmbH Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung der Redaktion in irgendeiner Form reproduziert werden. Die Beiträge geben eine persönliche Meinung des Autors wieder, die nicht mit der der Herausgeber übereinstimmen muss. Die Verantwortung für den Inhalt der Beiträge liegt ausschließlich beim Verfasser.

cont. on p 20

Hund oder Mensch? Manche Menschen glauben immer noch, ihre Rasse sei allen anderen überlegen und habe eine Monopolstellung auf diesem Planeten … weiter auf S.24

04 / 2011

N o6 • 07/

VOICE FO

2011

REF teilhabe n-Teil weUGEES rden R

2011 geht enspreis urger Fried das „HeimfocusDer Würzb geta und ulu M nge“ tli dis an Ad für Flüch – Stimme Magazin

No 7 • 10 / 2011

Die Würd e unantastb des Menschen ist ar

Teil 4 Ich habe wo kämeja nichts gegen Aus man den n hin … länder, aber Weiter auf S.

5

Theater „Traum

vom Leb

en“ S.38

Hund od er Mensc h? Stellen Teil 5

VOICE FOR REFUGEES teilhaben-Teil werden

Haus verSie sich vor, der zunehm lier t sein gan Baum vor Ihre zes end dür r und kah Laub und wirm d l… Weiter auf

S.34

Der Bischof in der GU

Von Flüchtlingen für Flüchtlinge

Weiter auf S.36

Die Würde des Menschen ist unantastbar Teil 5

Hund oder Mensch? Teil 6

Die Gummikarottenstory

Ich bin weder Psychologe noch Arzt, sondern einfach nur ein Flüchtling. Seit Jahren schon lebe ich in einem dieser Lager in Bayern, ohne Hoffnung, Weiter auf S.20

oder : Soviel Luxus wie Hartz IV muss wirklich nicht sein... Weiter auf S.5


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liegt derzeit aus bei/in: Rathaus Weltladen Stadtbücherei Falkenhaus Bücherei Am Bahnhof, Veitshöchheim Mainpost-Geschäftsstelle Plattnerstraße Mainfrankentheater Kolping Kath. Hochschulgemeinde Evang. Hochschulgemeinde Augustinerkloster, Dominikaner Platz Ökumenisches Zentrum Lengfeld Buchhandlung „erlesen“, Grombühl Buchhandlung Neuer Weg, Sanderstraße Buchhandlung Knodt, Semmelstraße Stephansbuchhandlung, Stephanstraße Standard Unicafé Kult Café Klug Wunschlos Glücklich Café Lavazza Moonlight Mass,Augustinerkirche, So 21h RA Michael Koch, Textorstraße

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