Komplex N°9 2016

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«Die Reitschule hat sich bewährt. Hier feiern jedes Wochenende Tausende von Jugendlichen friedlich ihre Partys. Leider gibt es dort wie bei jedem Fussballspiel auch einige Dutzend Chaoten und Idioten, die der ganzen Institution schaden. Aus diesem Grund können wir die Reitschule aber nicht generell infrage stellen. Auch weil wir auf dem Areal Hunderte von Jugendlichen aus den umliegenden Gemeinden zu Besuch haben. Das Ganze ist ein gesellschaftliches Problem. Wenn man überall eine Halbliterdose Bier für 60 Rappen und einen Liter Wodka für 10 Franken kaufen kann, ist es logisch, dass dies zu Problemen führt.» Wann wird die Fusion der Berner Kulturinstitutionen, welche vom Gemeinderat beschlossen wurde, umgesetzt? «Wir sind auf gutem Weg. Die Gespräche laufen, die Umsetzung einer Fusion braucht jedoch Zeit. Unser Ziel ist es, die Qualität und das Programm zu verbessern. Für die Museen benötigen wir eine gemeinsame Leitung, beim Theater geht es um die Verknüpfung von Produktion und Vermarktung.» Der Staat hat den bernischen Kantonsbau­ meister kürzlich weggespart – finden Sie das eine gute Idee? «Ich mische mich grundsätzlich nicht in die Belange des Kantons ein. In der Stadt brauchen wir einen Stadtbaumeister – alleine schon wegen unseres architektonischen Gewissens. Ich denke, dass hier die öffentliche Hand eine Verantwortung für die Erstellung und Erhaltung qualitativ guter Bauten übernehmen muss.» Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden und dem Kanton Bern? «Auf informeller Ebene funktioniert sie ausgezeichnet. Die Gemeinden haben natürlich eine Autonomie, was den Bau und die Planung ihrer Vorhaben anbelangt.» Welche Erfahrungen haben Sie mit den Investoren von Bauvorhaben gemacht? «Die Investoren sind im Normalfall nicht das Pro­ blem, grundsätzlich ist genug Geld vorhanden. Bern ist ja ein attraktives Pflaster. Die Risiken bei Investitionen halten sich in Grenzen. Unser Pro­ blem liegt vielmehr bei den fehlenden Arealen.» Ende des Jahres geben Sie Ihr Amt als Stadtpräsident von Bern ab. Haben Sie als Abschiedsgeschenk noch eine aussergewöhnliche Idee im Köcher?

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«Der gemeinnützige bremst den privaten Wohnungsbau nicht, wenn er im vernünftigen Ausmass betrieben wird. Wenn ein Drittel aller Wohnflächen gemeinnützig erschlossen wird, bringt das eine gute soziale Durchmischung im Quartier. Genau darauf müssen wir achten. Schliesslich wollen wir keine Verhältnisse wie in Amerika, wo mehrbessere Quartiere mit Zäunen abgegrenzt werden.» Kürzlich zählte die Stadt Bern erstmals wieder über 140 000 Einwohner. Sie peilen sogar 155 000 Einwohner an. Wie wollen Sie das erreichen? «Bern kann problemlos moderat weiterwachsen. Die Flächen und die Infrastrukturen sind vorhanden. Den Zeitplan dafür kann man allerdings nicht bestimmen, weil über alle Raumplanungsfragen die Stimmbürger an der Urne entscheiden. Der Souverän gibt hier nur den Takt an.» Die Pläne für Überbauungen im Gaswerkareal und im Viererfeld oder die Erweiterung Ost im Saali sind ins Stocken geraten. Wieso? «Im Viererfeld sehen viele Leute das Land als Grünraum und beanspruchen es für sich. Dabei wurde es ja von einem Bauern gepachtet und ist vollständig privatisiert. Die Überbauung ist jetzt zu einer ausserordentlich emotionalen Angelegenheit geworden. Beim Gaswerkareal bin ich zuversichtlich. Hier muss etwas geschehen, das leuchtet allen ein. Grundsätzlich ist es so, dass die Bevölkerung Angst vor einer Verdichtung hat. Weil das noch mehr Leute, mehr öffentlichen Verkehr und weniger Wohlstand bedeutet.» Apropos Gaswerkareal. Sie gelten auch als sportaffin und haben sich für diverse Sportstätten starkgemacht: die PostFinance-Arena, das Stade de Suisse, die Ballsporthalle Weissenstein. Wann kommt das Hallenbad mit dem 50-Meter-Becken? «Klar ist: Es gibt zu wenig Raum zum Schwimmen und Schlittschuhlaufen. Im Gaswerkareal sind die Voraussetzungen für ein neues Schwimmbad nicht optimal. Der Grundwasser- und der Aarespiegel sind zu hoch, und das Gebiet ist verkehrstechnisch nicht gut erschlossen. Wir versuchen nun, einen geeigneteren Standort zu finden, zum Beispiel im nördlich der Stadt gelegenen Neufeld-Gebiet.» Themawechsel: Die Nutzung der Reitschule ist eine Angelegenheit mit verhärteten Fronten. Wie wird man hier jemals einen Konsens finden können?


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