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Der (erfolgreiche) Kampf gegen Krisenherde?

China war für lange Zeit das Maß der Dinge. In der Volksrepublik ging es wirtschaftlich nur nach oben. Doch spätestens mit Ausbruch von Corona haben sich diese Vorzeichen verändert. Es ist zunehmend Sand im Getriebe. Die entscheidende Frage lautet, wann und mit welcher Kraft die Erholung stattfindet. Ein Zwischenfazit kurz vor dem bevorstehenden 20. Parteitag.

„Mehrere große chinesische Städte haben ihre Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie verschärft und damit Sorgen vor erneuten wirtschaftlichen Schäden geschürt“, titelte die Deutsche Welle (DW) Ende August 2022. Das mag im globalen Kontext skurril erscheinen. Die Pandemie und ihre Konsequenzen sind global gesehen etwas in den Hintergrund gerückt, aber im Reich der Mitte hat die Corona-Bekämpfung nach wie vor oberste Priorität. Zero-COVID ist das Schlagwort. Und die Folgen dieser rigorosen Politik sind ablesbar. In den Vor-Coronajahren waren es nach offizieller Lesart immer noch um die 7 % Wachstum p. a. Die Pekinger Führung hatte die Zügel stets im Griff. 2022 liegt das ehrgeizige Wirtschaftswachstumsziel bei 5,5 %. Und auch das ist mittlerweile in weite Ferne gerückt.

Kampf an mehreren Fronten

Der wirtschaftliche Rückgang ist aber nicht monokausal begründet. Auch das Sorgenkind des heimischen Immobilienmarkts drückt Stimmung und Aussichten. „Chinas Wirtschaftsrückgang im 2. Quartal spiegelte die Auswirkungen der strengen Corona-Politik wider, die

Lieferketten und Wirtschaftstätigkeit ins Straucheln brachte. Seitdem sind jedoch einige Lichtblicke zu erkennen, da die Beschränkungen gelockert wurden und die Großstädte ihre vorübergehenden Schließungen aufhoben. Aus unserer Sicht ist es noch zu früh für deutliche Anzeichen einer Erholung der chinesischen Wirtschaft. Aber wir bleiben optimistisch, was die wirtschaftlichen Aussichten angeht“, sagt Nicholas Yeo, Director and Head of Equities China, bei abrdn. Warren Hyland, Portfolio Manager, Muzinich & Co. sieht die aktuelle Lage ähnlich und verweist mit Blick auf 2023 auf eine Wachstumsrate von 4,5 %.

Mittel der Zinssenkung

Zweifellos, ganz abgesehen von der aktuellen Krise, ist das Wirtschaftswachstum strukturell niedriger als im letzten

Research Analyst Columbia Threadneedle Investments

Yeo Director and Head of Equities China abrdn

Warren Hyland Portfolio Manager Muzinich & Co.

Kennzahlen zu China

• Einwohnerzahl China 2021: 1,4 Mrd. Menschen

• Chinas Exporte 2021: 3,36 Bio. US-Dollar

• Chinas Handelsbilanzüberschuss 2021: 676,43 Mrd. US-Dollar

• Chinas Staatsquote 2021: 33,00 %

• Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (2021): 12.358,80 US-Dollar

Jahrzehnt. Nicht die reine Quantität, sondern die Qualität der Wachstumsdynamik steht im Vordergrund. Im Gegensatz zu vielen westlichen Ländern hat Peking aber die Möglichkeit der Zinssenkung und macht davon auch Gebrauch. „Die People‘s Bank of China ist eindeutig darauf bedacht, die Wirtschaft zu stützen, wie die jüngste, überraschende Zinssenkung zeigt, wirft Portfoliomanager Hyland ein. Erst Ende August griff die chinesische Zentralbank mit einer erneuten Zinssenkung der von der Immobilien- und Corona-Krise geschwächten Wirtschaft sprichwörtlich unter die Arme. Der Schlüsselsatz für einjährige Kredite (LPR) wurde auf 3,65 % gesenkt, derjenige für fünfjährige Kredite fiel auf 4,30 %. Die Frage wird sein, inwieweit die bereits vorgenommenen Zinssenkungen wirken (können). Geht es bei gesenktem Niveau automatisch wieder aufwärts mit der Wirtschaftsleistung? Jin Xu, Portfoliomanager Asian Equities, und Lin Jing Leong, Research Analyst bei Columbia Threadneedle Investments kommentieren in diesem Zusammenhang: „Weitere Zinssenkungen werden die Nachfrage am Rande unterstützen, aber sie reichen nicht aus. Das mangelnde Vertrauen in die Zukunftsaussichten dämpft die Kreditnachfrage, nicht die Fi- nanzierungskosten. Die Regierung muss mehr Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Immobiliensektor ergreifen, um das Vertrauen der Hauskäufer (in die tatsächliche Übergabe ihrer neuen Häuser) wiederherzustellen und kurzfristige soziale und systemische Risiken zu vermeiden”.

Die Probleme auf dem chinesischen Immobilienmarkt sind keineswegs trivial. Zwischenzeitlich verweigerten viele Bürger die Hypothekenzahlungen für nicht fertiggestellte Wohnungen. Ihr Zorn richtet sich in erster Linie gegen die Bauträger, die in Schieflage geraten sind. Nachdem Präsident Xi Jinping in der Vergangenheit gegen große Technologieunternehmen vorgegangen ist und hierfür deren Marktstellung zum Anlass nahm, ist nunmehr die Politik gefordert, an dieser Stelle Klartext zu reden. Will Peking sämtliche taumelnde Bauträger finanziell helfen oder lässt man einige in die Pleite gehen. Das ist die zentrale Herausforderung.

ESG nimmt weiter an Fahrt auf

Zukunft hätten. Morningstar berichtete im Frühjahr 2022, dass durch Zuflüsse und die Auflegung neuer Fonds die Vermögenswerte der in China gelisteten Klimafonds ein Rekordhoch von knapp 47 Mrd. US-Dollar erreichten, was einem Anstieg von 150 % gegenüber den Zahlen von 2020 entspricht. Im Vergleich dazu wuchs das Vermögen der US-Klimafonds im Jahr 2021 um 45 % auf 31 Mrd. US-Dollar, so die Ratingagentur. Berücksichtigen sollte man aber in diesem Zusammenhang, dass das Reich der Mitte einen Anteil von 28 % an den globalen CO2-Emissionen hat und erst im Jahre 2060 kohlenstoffneutral sein möchte. (ah)

Fazit

Jin Xu

Portfoliomanager Asian Equities Columbia Threadneedle Investments

Forciert wird indes seitens der Regierung die Bewegung hin zu einer „grünen“ Revolution. „COVID-19 erinnert uns daran, dass die Menschheit eine grüne Revolution in Gang setzt und sich schneller eine umweltfreundliche Lebensweise aneignen sollte“, sagte Staatspräsident Xi Jinping vor zwei Jahren. abrdn-Experte Yeo bemerkt, dass China ein Vorreiter bei Erneuerbaren Energien, Batterien, Elektrofahrzeugen, der dazugehörigen Infrastruktur und dem Umweltmanagement sei, die allesamt eine glänzende

Zero-COVID, Lieferengpässe, Straucheln am Immobilienmarkt und schwindendes Vertrauen. Peking und Machthaber Xi Jinping sehen sich im Herbst 2022 gewaltigen Herausforderungen gegenüber. Die Möglichkeit, notwendige geld- und fiskalpolitische Impulse zu setzen, um auf Spur zu bleiben, besitzt die Regierung. Die politischen Machthaber wissen um ihre Einflussmöglichkeit und werden am Ziel, die weltweit größte Volkswirtschaft zu werden, festhalten. Das ist auch die Botschaft, die vom bevorstehenden 20. Parteitag ausgehen sollte. Der Aktienmarkt bleibt spannend; Konsumtitel könnten neben grünen Transformationswerten profitieren.

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