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Frauen, kommt in die Finanzbranche! – Roundtable

Frauen, kommt in die Finanzbranche!

Neben Vertrauen geht es Chadya Kamal um einen systemischen Blick auf die Situation der Kunden. Diese erleben durch Chadya, was eine Blickwinkelveränderung bei ihren Finanzen möglich macht. Speziell bei Frauen geht es ihr um das Recht auf Umgang mit Geld auf Augenhöhe.

Lan Anh Nguyen ist PR-Managerin bei Engel & Völkers und lehrt als Dozentin an der Hochschule in Hannover. Mit großer Leidenschaft engagiert sich die Miss Germany Finalistin für die Finanzbildung, um die Investmentkultur mitzugestalten und insbesondere Frauen für die Börse zu begeistern.

Luisa Griwatz ist Geschäftsführende Gesellschafterin bei G&P GmbH und nennt sich „Deine Leadmaschine“. Makler und Vermittler, die keine Lust mehr auf Kaltakquise und gekaufte Leads haben, werden bei ihr glücklich.

Daniela Landgraf ist Rednerin, Trainerin, Autorin und IHK-Prüferin. Bereits seit 2006 lehrt sie als Dozentin bei der Going Public! Akademie für Finanzberatung AG. Weiterhin ist sie als Dozentin für die Deutsche Fachakademie der Immobilienwirtschaft tätig.

Tra My Cheng hat MA Money gegründet, um Finanzen salonfähig zu machen. In ihrer eigenen Kunstgalerie bietet MA Money ganz unkonventionell Finanzcoaching für Frauen an. Finanzen sollen nicht mehr länger mit negativen Gefühlen wie Unwohlsein und Ängsten verbunden werden, sondern Spaß machen. MA Money steht für selbstbewusste Frauen, die ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen und ihren ganz eigenen finanziellen Weg gehen.

Lenard von Stockhausen: Wie konnte es denn nur passieren, dass ihr in der Finanzwelt gelandet seid? Luisa Griwatz» Bei mir war es tatsächlich mehr oder weniger Zufall. Nach meinem Abitur wollte ich auf jeden Fall Karriere machen. Da war es für mich die logische Schlussfolgerung, in die wirtschaftliche Richtung zu gehen, und da war dann der Schritt zur Versicherungsbranche nicht mehr so weit. Es hat mir gut gefallen, deswegen bin ich auch dort geblieben. Daniela Landgraf» Bei mir ist es damals sehr ähnlich gewesen. Ich wollte allerdings nach meinem Abitur unbedingt studieren. Ich wollte Journalismus studieren oder Tierärztin werden – zwei sehr naheliegende Fächer (lacht). Dann hieß es: ‚Kind, mach erst mal eine kaufmännische Ausbildung‘. Und so habe ich nach einer Ausbildung geschaut, bei der möglichst viel bezahlt wird und bin bei der Allianz gelandet. Schnell habe ich dort die schönen Seiten kennengelernt, vor allem, wenn man mit Kunden zu tun hat. Chadya Kamal» Als Arbeiterkind aufgewachsen in einer Arbeiterwohngegend, die einen hohen Ausländeranteil hatte, fragte ich mich immer schon, warum haben meist die Deutschen Eigenheim mit Garten und ein schönes Leben und wir drehen immer das Geld mehrfach um, deshalb habe ich für mich entschieden zu verstehen, wie man zu Geld kommt und daher faszinierte mich naheliegend das Finanzwesen und daher meine Ausbildung zur Bankkauffrau. Also ich wusste immer, ich will ganz schnell viel Geld verdienen! Ich bin in einer typischen Arbeiterwohnsiedlung groß geworden und hatte in der Grundschule dann Freunde, die auf der anderen Seite des Sprengels wohnten. Die hatten diese wunderschönen Einfamilienhäuser mit Trampolin im Garten. Warum geht es denen so gut? Meine Eltern haben von ihrem kulturellen Hintergrund heraus sowieso immer gesagt: ‚Du als Frau wirst eher mal heiraten, Kinder kriegen und zu Hause bleiben.‘ Aber mich hat das Thema ‚Geld‘ fasziniert und mein erstes Ziel war dann natürlich eine Ausbildung in der Bank. Danach ging es nur noch tiefer in die Finanzbranche. Der Umgang mit Geld kann ich halt am besten. Und es macht mir Spaß. Lan Anh Nquyen» Bei mir ist das ähnlich, weil ich ebenfalls aus einem konservativen Haushalt komme, wo man Sparen gelernt hatte, aber nie, wie man Geld investiert. Im Corona-Lockdown habe ich die Börse für mich entdeckt. Ich habe mich eingelesen, aber das Thema ist schon irgendwie sperrig. Ich war nie gut in Mathe und mein Mathelehrer würde es niemals glauben, was ich jetzt mache. Aber für jemanden, der lifestyle- und markenaffin ist, gibt es viele Parallelen. Also habe ich angefangen, eigene Aktienartikel zu schreiben

und die Finanzaufklärung für mich entdeckt. Im Zuge meiner Teilnahme bei Miss Germany treibe ich meine Mission mit großer Passion voran.

von Stockhausen: Finanzaufklärung und Miss Germany: Passt das zusammen? Wieso macht das für dich Sinn? Nguyen» Durch das neue Konzept von Miss Germany macht das für mich durchaus Sinn. Denn das lautet ‚Be part of the Movement‘. Es geht nicht mehr nur rein um Schönheit, wie es früher war, sondern jede der Kandidatinnen hat eine gesellschaftsrelevante Mission. Mein Crossover aus Fashion und Finanzen kommt gut an. Durch den offenen Umgang mit meinen Investitionen möchte ich Frauen und Männer für Aktien begeistern und die Investitionskultur hierzulande voranbringen. Denn Deutschland hat viel Aufholpotenzial, wenn es um das Heranwagen an Kapitalmarktinvestitionen geht. Griwatz» Ich glaube, das gibt den Frauen ein bisschen mehr Mut, sich mit dem Thema zu beschäftigen, wenn Finanzen mit Mode leichter zugänglich werden. Tra-My Cheng» Der perfekte Übergang für mich, denn ich komme aus der Modebranche. Ich war lange Zeit Abteilungsleiterin für ein großes Modeunternehmen. Ich habe BWL und Finanzen studiert, aber eigentlich wollte ich Modejournalismus studieren. Aber das ging nur auf einer Privatschule und ich kam auch aus sehr armen Verhältnissen. Meine Mama war alleinerziehend mit drei Kindern. So bin ich später in die Finanzbranche gekommen, weil ich Vermögen für meine Kinder aufbauen wollte. Denn mein Junge geht zum Fußball, geht Musik machen und meine Tochter geht zum Ballett, und sie können alles ausprobieren. Also ganz anders als in meiner Kindheit. Das war eine extreme Passion für mich, für meine Kinder und für ihre Ausbildung Vermögen aufzubauen. Seitdem mache ich das für andere Eltern und alleinstehende Frauen auch.

von Stockhausen: Um die Frage anders zu formulieren: seid ihr eher reingerutscht in die Branche oder habt ihr euch wirklich aktiv dafür entschieden? Landgraf» Bei mir war es damals nur Mittel zum Zweck. Ich wollte irgendeine Ausbildung machen, um quasi zu zeigen: Ja, jetzt habe ich die Ausbildung und jetzt darf ich auch studieren. Doch dann ging mein Weg relativ ‚straight‘ weiter. Ich bin dann in den Versicherungs-Außendienst gegangen und danach in den mobilen Vertrieb der Deutschen Bank. Also irgendwie war mein Weg immer von der Finanzbranche begleitet und als ich aktiv versucht habe, mal rauszugehen, hat mich die Branche quasi festgehalten und so bin jetzt mit fast 50 immer noch in der Branche.

von Stockhausen: Ich finde, es ist auch eine sehr dankbare Branche… Griwatz» Und die Branche ist wirklich spannender als man denkt. Ich bin nämlich auch reingerutscht. Ich habe geschaut, welche kaufmännischen Berufe gibt es und habe mich erst bei einer Bank beworben. Und wo es am Ende die Versicherung geworden ist, bekam ich von meinem Umfeld das Feedback: ‚Äh, du fängst bei einer Versicherung an? Bist du dir sicher, dass Du das machen willst? Als Frau? Außerdem ist das doch total trocken.‘ Aber es macht mega Spaß. Ich war Gott seid Dank bei einem Makler, das heißt, wir hatten schon ein sehr breites Portfolio, das wir unseren Kunden anbieten konnten. Da merkt man schon, dass man damit den Kunden auch wirklich helfen kann. Denn viele denken ja, dass Versicherungen schlecht sind, aber ich finde, es ist genau das Gegenteil der Fall.

von Stockhausen: Und wenn schon… Meistens sind schlechte Versicherungen immer noch besser als gar keine. Zum Beispiel die Riesterrente: Selbst eine schlechte Riester ist besser als gar keine Altersvorsorge. Kamal» So lange kein Kapital vernichtet wurde, wie bei ein paar Beteiligungen.

Luisa Griwatz

Absolut, ja. Nachdem ich meine Karriere in der Bank gestartet habe als Bankkauffrau, habe ich anschließend auch den Bankfachwirt gemacht. Da habe ich mich als Bankdirektorin, die in irgendeiner schönen Filiale sitzt, gesehen. Dass ich da so sitze und die Kunden kommen zu mir. Aber eines Tages habe ich mich selber von einem unabhängigen Berater beraten lassen. Ich habe dann meine Verträge der Bank und die meines unabhängigen Beraters unter die Lupe genommen und genau analysiert und dann festgestellt: Ohja, was verkaufst du denn für Schmarrn in der Bank?

von Stockhausen: Mist, der ist ja besser... Ja, ja... Kamal» So habe ich mich dann mit 23 Jahren selbstständig gemacht als Maklerin. Und das wird ja nicht langweilig. Faszination Geldsystem und ich hatte immer Freude daran, Menschen zu

Chadya Kamal

beraten, das gab meiner Arbeit einen Sinn. Griwatz» Tatsächlich nicht. Das hat mich auch gewundert, die Themen haben mir gefallen. Und weil es so spannend war, hat man freiwillig gelernt. Ich glaube, der Grund, warum ich in der Branche geblieben bin, war einfach, weil alles so abwechslungsreich ist und Spaß macht. Cheng» Also ich habe immer schon kreativ gearbeitet: Marketing, Social Media und Website für Finanzberater, denn die sind schon ein wenig altbacken und jetzt erst durch Corona – endlich – digital. Und die Frage war: wie kann ich als Finanzberater ein Branding machen? Um das Branding zu machen, musste ich natürlich den Arbeitsalltag verstehen und bin tiefer in die Materie gegangen. Und hatte oft das Gefühl, dass ich das besser könnte (lacht). Deswegen habe ich mich in die Produkte eingelesen und bin so in der Branche gelandet. Wir haben MaMoney gegründet, wo wir nur auf Frauen spezialisiert sind und arbeiten in unserer eigenen Galerie und lassen die Kunst einfließen in unsere Finanzberatung, so dass das Thema weniger steif ist. Landgraf» Geniales Projekt. Nguyen» Sehr inspirierend! Ich bin als Pressereferentin für das internationale Immobilienunternehmen Engel & Völkers tätig und an Vorgaben gebunden. In meinen Artikeln lebe ich meine Kreativität mehr aus.

Lisa Brunner: Warum ist es sinnvoll, als Frau in der Finanzbranche zu starten? Cheng» In den letzten fünf Jahren ist einfach so viel passiert. Da sieht man zum Beispiel ‚Madame moneypenny‘ vor fünf Jahren durchgestartet. Die musste noch richtig kämpfen, damit sie Aufmerksamkeit bekommt. Wie groß die geworden ist, zeigt, was es dort eigentlich für ein Potenzial gibt. Als Frauen haben wir natürlich extreme Chancen, unsere Sichtweisen wirklich mal einzubringen, unsere Kreativität und weil wir ja unsere eigene Zielgruppe sind. Nguyen» Ja, wir wissen, was bei uns ankommt. Landgraf» Für mich gibt es kaum eine Branche, die für Frauen so viele Chancen bereitet. Wenn ich das sage, dann meine ich vor allem den freiberuflichen Außendienst, also Finanz-, Finanzierungs- und Vermögensberaterinnen. Denn in keiner anderen Branche gibt es so viel Gleichberechtigung. Es gibt die gleichen Provisionen, völlig egal, ob jemand weiblich, männlich oder divers ist. Es ist völlig egal, was du vorher gemacht hast. Deine Vergangenheit, ist deine Vergangenheit. Und es ist sehr familienkompatibel. Ich konnte beispielsweise mit Babykörbchen zum Kunden fahren und mit meinem Mann Arbeitszeiten flexibel absprechen. Es gibt kaum einen familientauglicheren Job. Du kannst inzwischen auch Videoberatung machen. Du bekommst Weiterbildungen ohne Ende in der Branche. Also es ist echt eine Branche, die unglaublich viele Chancen bietet und deswegen finde ich es so schade, dass ich immer wieder erlebe, dass im freiberuflichen

Daniela Landgraf

Bereich die Quote oft 1:5 (bezogen auf Männer und Frauen) oder schlechter ist. Cheng» Ich war die erste Frau in unserem Office, unter 30 Männern. Jetzt hat sich mittlerweile etwas getan. Aber damals, als einzige Frau, wurde ich auf Händen getragen. Aber viele Frauen haben natürlich Angst, wenn da so viele Männer sind. Aber ich habe so viel Zeit mit meinen Kindern und deswegen habe ich mir gesagt: ‚Cool, kann ich Karriere und Familie so gut unter einen Hut bringen.‘ Landgraf» Nenne mir irgendeinen anderen Job, in dem das möglich ist. Ich kenne keinen. Und deswegen sage ich auch immer wieder: ‚Frauen, kommt in die Finanzbranche!‘ Kamal» Naja, ich war dynamisch, jung und erfolgshungrig nach finanzieller Unabhängigkeit. Ich hatte nichts zu verlieren – es war ja nichts zu verlieren dagewesen – Ich habe mich mit Anfang 23 selbstständig gemacht, mit 25 Jahren die erste Immobilie gekauft. Ich sehe es an meinen Kundinnen. Meistens widmen die sich erst mit Mitte 30 ihren Finanzen. Es gibt einfach Ereignisse im Leben, die kannst du nicht planen und wenn du als junge Frau diesen Job ausübst, dann bist du einfach gut aufgestellt im Leben. Klar kann man sich das Vermögen von einem Experten aufbauen lassen... das mache ich ja auch mit meiner Querdenkerei bei meinen Kunden.

von Stockhausen: (unterbricht) Du meinst Heirat? Kamal» Das ist ja auch kein Erfolgsgarant heutzutage. Reichtum ist damit nicht garantiert und deswegen kann ich Frauen nur anraten, in diesen Beruf zu gehen. Ich selber habe in meinem Büro nur Frauen. Wir beraten ganz anders, sowohl bei Männern als auch bei Frauen, weil wir immer das Ganze sehen. Wir haben einfach die Emotionale Intelligenz. Dieser fürsorgliche, empathische sowie vorausschauenden Anteil. Der macht uns zu guten Beraterinnen.

von Stockhausen: Es ist noch mehr. Ich glaube, dass man sich in einer weiblichen Beratung ganz anders gibt als Frau sowieso, aber ich glaube auch, einige Männer geben sich da auch ganz anders. Landgraf» Es gibt es ja auch entsprechend Statistiken, dass viele Menschen gerne von Frauen beraten werden wollen. Viele Frauen wollen von Frauen beraten werden, aber auch Männer. Griwatz» Man merkt, dass die Frauen in der Branche immer beliebter werden. Ich kriege etliche Anfragen von Vertrieben, die sagen: ‚Hey, möchtest du nicht bei uns arbeiten? Das ist irgendwie total cool, wie du das machst.‘ Und ich habe das Gefühl, immer mehr Unternehmen wollen unbedingt Frauen mit ins Boot holen. Landgraf» Und das ist genau die Chance. Man braucht sieben Kontakte. Und das ist das, was über Social Media so einfach ist. Erstelle ein paar Posts, mach coolen Content, wähle tolle Bilder dazu aus, und dadurch lernen dich die Leute mehr und mehr kennen. Sie haben dein Gesicht vor Augen und mit der Zeit immer mehr das Gefühl, dich schon gut zu kennen. Wenn sie dann mal etwas brauchen, überlegen sie nicht lange, an wen sie sich wenden könnten. Auf die Frage, wer die richtige Person für die Beratung sein könnte, denken sie im Optimalfall direkt an dich. Es ist in der Vergangenheit noch nie so einfach gewesen, an Neukunden heran zu kommen, wie aktuell durch Social Media.

von Stockhausen: Musstet ihr härter kämpfen als Männer in der gleichen/ ähnlichen Position? Musstet ihr euch härter anstrengen, mehr beweisen? Cheng» Ich hatte nicht Gefühl, das ich härter kämpfen muss. Du hast Recht, es gibt keine Branche, die so gleichberechtigt ist. Man wird nach Leistung bezahlt und das finde ich ganz toll. Gerade als Asiatin bin ja eh total leistungsorientiert. Aber wofür wir eher

kämpfen mussten, deswegen finde ich die Frage super interessant, ist eher für unsere Kundinnen. Wir müssen eher dafür kämpfen, dass das Money mindeset, dieses Selbstwertgefühl gerade nach der Elternzeit, wie viel verdiene ich denn, oder wie viel kann ich denn eigentlich verlangen. Das sind einfach so die negativen Glaubenssätze, die die Frauen einfach so vom Elternhaus mitbekommen haben, wo ich eher sage, dass wir da mal ganz viel arbeiten müssen und gar nicht als Finanzberaterin selber, sondern an unseren Kunden/ Kundinnen, um die einfach zu stärken und zu sagen: Hey, ihr könnt genau so viel leisten, ihr verdient genau so viel wie, sag ich mal, wie das Pendant, also als Mann. Landgraf» Innerhalb des Teams habe ich nicht das Gefühl gehabt, ich müsse mich mehr beweisen als andere. Aber wo ich es ganz klar gemerkt habe, ist

Lan Anh Nguyen

in den höheren Ebenen. Also, wenn beispielsweise ein Geschäftsführer, ein Manager, ein Vorstand verhandelt, dann macht er dieses leider, so meine Erfahrung, in vielen Fällen lieber mit einem – gefühlt gleichgesinnten – Mann als mit einer Frau, vor allem, wenn diese wesentlich jünger ist. Zumindest in meiner Generation. Heutzutage habe ich zum Glück nicht mehr das Problem, dass mir irgendjemand meine Kompetenz anzweifelt, aber als ich so Mitte zwanzig Anfang dreißig war, da musste ich sehr wohl kämpfen, wenn ich in die High Class, sprich Kunden mit höheren Vermögenswerten oder Geschäftsführer beraten wollte. Kamal» Natürlich wirst Du als attraktive Frau gerne gesehen, aber nicht auf Augenhöhe. Teilweise unterschätzt und meist erlauben sich die Männer Anmachen, mal von dem dämlichen zweideutigen Wortgefecht. Oft wirst du in eine Schublade gepackt, nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen, die deinen Erfolg neiden. Du musst dich überwiegend über Fachkompetenz beweisen, Wissen ist Macht! Ja, das kenne ich auch so. Cheng» Wir sind in Berlin ansässig, wo die Start-up Szene weit verbreitet ist. Deshalb haben meine Mitgründerinnen und ich nicht das Gefühl, dass es so ist. Hier gibt es so viele junge Gründer und Gründerinnen mit innovativen Ideen, die erfolgreich und in ihrer Branche etabliert sind. Wir lernen auf vielen Netzwerk-Events Gründerinnen aus anderen Bereichen kennen und tauschen uns regelmäßig aus, um voneinander zu lernen. Derzeit sind wir mit einer blutjungen und inspirierenden Gründerin, Anastasia von FeMentor, im Gespräch und planen unser erstes gemeinsames Event am 20.01.2022 in Berlin. Sie hat ihr Unternehmen mit 21 Jahren gegründet und ihr Unternehmen ist schon fünf bis sieben Millionen wert – einfach unglaublich. Nicht das Alter, sondern die Leidenschaft für das, was man tut, ist entscheidend. Wir sind sehr dankbar so viele tolle Unternehmerinnen kennenzulernen und stärken uns gegenseitig. Da gibt es so viel Bewegung und gerade unsere Kreativität und dass wir es anders angehen und vielleicht auch für andere Naivität, das bringt uns voran. Natürlich muss man auch etwas kämpfen, aber wenn es eine Leidenschaft ist, habe ich nicht das Gefühl, dass ich dafür kämpfe, sondern ich mache es gerne und sehe, dass wir mit unserem Konzept gut ankommen. Kamal» Ich denke, dass ist jetzt auch dem Social Media-Zeitalter geschuldet und der damit verbundenen Transparenz, sowie der immer mehr zunehmenden Unabhängigkeit der Frauen, dass alles definitiv etwas lockerer geworden ist. Ich fühle mich ganz wohl als Frau, so ist es nicht, aber ich habe damals auch ein paar big Deals verpasst; eben weil ich eine Frau bin. Cheng» Und gerade als attraktive Frau, denke ich, wird man nicht ernst genommen, sondern eher so... Griwatz» Höchstens als Datematerial! Also eher so: Die lade ich mal auf einen Kaffee ein.

Kamal» Sie verbringen gern Zeit mit Dir, aber closen tut der männliche Kollege, der eigentlich nicht mal die Fachkompetenz, Empathie und die Fähigkeit hat. Die gehen dann ‚einen saufen‘ oder gehen in eine Zigarren-Bar und da werden die big Deals abgeschlossen. Landgraf» Ja, so Boys Club.

von Stockhausen: Das ist leider ein Phänomen, vor allem in der Immobilienbranche. Als Beispiel sei die Expo Real genannt. Da wurden so einige Deals eher hinter verschlossenen Türen, in einer „intimeren“ Umgebung gemacht. Griwatz» Es gab ja nicht umsonst so viele Skandale. Ich hab es selbst auch erlebt, dass Leute, die meine Ansprechpartner waren, auf einmal in so einen Skandal verwickelt sind und man sich denkt, ‚Ah, so einer bist du also...‘ Kamal» Also ich bin schon mal erfolgreicher als viele Männer, die mit mir die Karriere gestartet haben oder sogar länger dabei sind als ich. Zum Erfolg gehörte einfach Fleiß, Disziplin und Ehrgeiz. Nguyen» Zudem gibt es einen Überraschungseffekt. Als Frau wird man oft nur aufs Äußere reduziert: Ach ja, die ist nur so ein Modepüppchen und dann kommst du aber mit fachlicher Kompetenz und überzeugst auf beiden Ebenen. Griwatz» Es ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es Männer, die deinen Erfolg viel mehr honorieren, gerade weil du eben eine Frau bist! Krass, du bist jung, du bist hübsch und du hast es sogar noch drauf! Aber ich habe auch die andere Seite erlebt, wo viele neidisch auf den Erfolg reagiert haben und dann genau hinschauen: Kann die das wirklich? Sieht die nur gut aus, oder kann die auch was?

von Stockhausen: Das ist mir auf der FondsFinanz-Messe aufgefallen, du hattest so einen Pulk an Männern um dich herum, so eine ganze Entourage. Griwatz» Das ist eigentlich schon ganz cool als Frau. Man fällt wirklich auf. Das erzeugt viel mehr Aufmerksamkeit und gerade, weil meine Zielgruppe ja leider aktuell noch mehrheitlich aus Männern besteht, da es nicht so viele selbstständige Frauen in der Finanzbranche gibt, habe ich allein auch deswegen eine größere Reichweite.

von Stockhausen: Das ist ein schöner Übergang, ihr habt das beide schon angesprochen. Im Kontext Beratung, da haben männliche Kunden ja vielleicht manchmal auch Schwierigkeiten, den weiblichen Rat anzunehmen. Oder was ich auch schon gehört habe heute: Nee, eigentlich wollen wir lieber den weiblichen Rat haben, weil wenn sich jemand mit Instagram auskennt, dann ja die Frauen, die sind ja eh immer da online. Da gibt‘s beide Positionen? Griwatz» Klar, es heißt dann: beim Thema Kreativität kannst du mir helfen als Frau, aber ich erlebe das auch ganz oft, dass zum Beispiel nicht eingesehen wird, dass man vielleicht gar nicht so erfolgreich ist, wie man hätte sein können und vielen fällt es schwer zu sagen: Ich glaube jetzt der Luisa, die ist 26, die erklärt mir jetzt, wie ich mein Business neu aufziehe. Da steht bei vielen das Ego ein bisschen im Weg. Landgraf» Interessant fand ich neulich den Kommentar von einem Mann auf einem meiner Social Media Profile. Er schrieb: Tolles, interessantes Profil (…) wenn denn alles so stimmt, was du so schreibst. Ja, schöne Unterstellung. Warum sollte es nicht stimmen? Cheng» Ich kann ich es total nachvollziehen, wenn die Mehrheit der Gesellschaft uns weniger Kompetenz zuschreibt. Eben weil es bis jetzt eine so männerdominierte Branche war und erst jetzt was passiert. Und deswegen auch nochmal dazu: Wir haben so große Chancen, jetzt richtig gut zu wachsen, weil das meiste sich jetzt gerade extrem verändert. (lvs/lb)

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