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Düstere Aussichten

Immer wenn die Wechselwochen bevorstehen, kommt die zentrale Frage auf: Wohin entwickeln sich die Prämien. In diesem Jahr – und wohl auch in den kommenden Jahren – fällt die Antwort ebenso leicht wie düster aus: Kräftig nach oben. Schuld daran haben auf indirektem Weg die Autofahrer selbst. Ihre Benzin- und Diesel-Fahrzeuge sind schlichtweg eine Provokation für das Klima.

Man muss keine Glaskugel haben und auch kein Prophet sein, um in diesem Jahr eine frühzeitige Prognose abzugeben. Die Prämien in der Kfz-Versicherung werden in Kürze steigen – und wie! Betroffen wird davon in erster Linie die Teilkaskoversicherung sein, und der Prämienanstieg wird mit Sicherheit um die 10 % betragen. Oder deutlich mehr. In erster Linie liegt das daran, dass der fahrlässige Umgang mit dem Weltklima sich bitter rächt und auf die Verursacher zurückschlägt. Und zu denen gehören nun mal an vorderster Front auch die Nutzer von Verbrennermotoren. Um hierzu Näheres zu erfahren, reicht ein Blick in die Saldenbilanz des GDV. Unwetter haben im vergangenen Jahr in Deutschland fast doppelt so hohe Schäden verursacht als im Durchschnitt.

„Wir haben 2021 rund 450.000 Schäden in Höhe von 1,7 Mrd. Euro an versicherten Kraftfahrzeugen gezählt“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Davon entfielen rund 1,3 Mrd. Euro auf Kfz-Schäden durch Sturm, Hagel und

Blitz. Die restlichen 400 Mio. Euro wurden durch Überschwemmungen verursacht. „Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Schadenjahr hat sich die Schadensumme fast verdoppelt“, sagt Asmussen. Im langjährigen Durchschnitt werden jährlich rund 390.000 versicherte Fahrzeuge beschädigt, die Schadensumme liegt bei rund 900 Mio. Euro. Verantwortlich für die hohen Schäden im vergangenen Jahr sind zwei Wetterextreme: die Unwetterserie im Juni und die Juli-Sturzflut im Ahrtal. „2021 hat sich erneut gezeigt, dass die Folgen des Klimawandels in Deutschland längst spürbar sind. Schon wenige extreme Wetterlagen können immense Schäden anrichten“, so Asmussen. Von der Flutkatastrophe besonders stark betroffen waren Fahrzeuge an Ahr und Erft. Für 50.000 Schäden leis-

2021 ist das teuerste Naturgefahrenjahr

Schadenaufwand in der Sach- und Kraftfahrtversicherung in Mrd. Euro1

Ab 2002: Sturm und Hagel

1 Sach: Sturm/Hagel, ab 2002 auch weitere Naturgefahren (Elementar); Kfz: Sturm, Hagel, Blitz und Überschwemmung; hochgerechnet auf Bestand und Preise 2020 in Mrd. Euro

2 KfZ: Bis 1983 Meldejahrsystematik, ab 1984 Ereignisjahrsystematik 3 vorläufig 4 Prognose, Stand Dezember 2021 Quelle: www.gdv.de teten die Kraftfahrtversicherer hier fast 400 Mio. Euro. „In den meisten Fällen waren es Totalschäden, die das Wasser an Motoren, Elektronik und am gesamten Fahrzeuginnenraum anrichtete“, sagte Asmussen. Die regionale GDVNaturgefahrenbilanz 2021 bezüglich Überschwemmungen führt denn auch Rheinland-Pfalz an, mit im Schnitt 4,1 Schadenmeldungen auf 1.000 kaskoversicherte Fahrzeuge. Dahinter folgt Nordrhein-Westfalen mit 2,9 Schadenmeldungen. Bremen steht am Ende dieser Liste, hier wurden die Autofahrer nahezu von Überschwemmungen verschont

Keine einmalige Momentaufnahme

Eines ist dabei so sicher wie die Verschlechterung des Klimas: Die Zahlen sind keine einmalige Momentaufnahme; sie werden auch künftig ähnlich ausfallen. Das Klima rächt sich also direkt bei all jenen, die es schädigen.

Doch damit nicht genug der schlechten Nachrichten. Aus einer gänzlich anderen Seite kommt eine weitere Breitseite – und sie betrifft auch die Kfz-Haftpflicht. Wie viele andere Staaten auch, ächzt Deutschland unter einer hohen Inflation, die sich auch nicht so schnell wieder in Luft auflösen wird. Die hauptsächlichen Ursachen sind der Krieg in der Ukraine und die extremen Probleme in den weltweiten Lieferketten, die sich bei den Ersatzteilen und in der Chip-Industrie niederschlagen. Eine schnelle Besserung der Lage ist aber nicht in Sicht. In der zuletzt vorgelegten Schadenbilanz des GDV war die Inflation mit all ihrer Wucht noch nicht eingepreist. Ersatzteile und Reparaturen verteuern sich enorm; und die Versicherer werden die teils 10 % höheren Kosten natürlich auf ihre Kunden umlegen (müssen). Und das ist noch längst nicht alles. Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Jahren zu einem verfälschten Bild geführt. Die Kraftfahrtversicherer hatten nicht unerheblich davon profitieren können, dass über lange Zeitstrecken Smartworking den Arbeitsalltag bestimmte und schlichtweg weniger Autos auf den Straßen rollten. Der positive Aspekt dabei: Es kam zu deutlich weniger Straßenverkehrsunfällen. Laut Statistischem Bundesamt lag deren Zahl im Jahr 2010 bei 2,68 Mio. Im Jahr 2020 waren es coronabedingt zwar erfreulicherweise mit 2,24 Mio. deutlich weniger. Doch der Trend hat sich wieder gedreht. Im vergangenen Jahr ist die Zahl wieder auf 2,31 Mio. geklettert. Auch das belastet die Kalkulation der Kfz-Versicherer.

Wie man es auch dreht – rosige Aussichten sehen anders aus. Die anstehenden Prämienerhöhungen werden Autofahrern mit Sicherheit die gute Laune vermiesen. Abzuwarten bleibt nur, wie weit der Markt preislich auseinanderdriften wird. Selten zuvor jedenfalls war es so wertvoll, dies in den bevorstehenden Wechselwochen im Blick zu behalten. (hdm)

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