finanzwelt Ausgabe 02/2018

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wichtiger ist es natürlich, dass sie entsprechende Hilfe und Unterstützung bekommen. Die Verantwortung der Makler im Leistungsfall ist nicht klein, denn es geht ja in der Regel um die finanzielle Existenz des Kunden. finanzwelt: Heute sind bereits zahlreiche Versicherer mit besten Bedingungen geratet. Herr Wenzel, auf welche Klauseln kommt es denn aus Ihrer Sicht am meisten an, damit es im Fall der Fälle gar nicht erst zu Komplikationen kommt? Wenzel » Ich kann Bedingungen nach der Quantität der Leistungsauslöser oder nach Qualität der einzelnen Klauseln bewerten. Beides kann sinnvoll sein. In meinen Augen ist aber die Relevanz der Klauseln am wichtigsten. Das wären der Verzicht auf Meldefristen, ein fingierter Prognosezeitraum von 6 Monaten und auch der Verzicht auf die abstrakte Verweisung. Außerdem muss ich auf die Obliegenheiten achten. Muss der Kunde z. B. den Wegfall der BU melden oder sind Risikosportarten ausgeschlossen? In dem einen Fall muss der Kunde wissen, was BU ist und wann sie wegfällt, und im anderen, was der Versicherer unter einer Risikosportart versteht. Beides ist interpretationsbedürftig. Viele Klauseln sind für Zielgruppen wichtig: Die AU-Klausel für alle „Schreibtischtäter“ und die DU-Klausel für Beamte vereinfachen den Zugang zur Leistung enorm und können in einzelnen Fällen sogar schon vor der BU leisten. Neuere Klauseln, wie die Verlängerungsoption bei einer Verschiebung des Eintrittsalters der gesetzlichen Altersrente, sind interessant, aber nicht kriegsentscheidend. finanzwelt: Was sind aus Ihrer Sicht die gravierendsten Unterscheidungsmerkmale bei BU-Versicherern? Wenzel » Der wichtigste Punkt ist das Bedingungswerk, weil es am beständigsten ist. Papier ist geduldig. Es muss sauber und fair ausgearbeitet sein. Im Topsegment sind die Bedingungswerke in den wichtigen Punkten homogen. Wenn ich also keine Basis-

Stephan Kaiser

Classic-Smart-BU auswähle, decke ich den Bedarf des Kunden sicherlich nicht schlecht. Da gilt es nur noch, das Bedürfnis des Kunden zu erfüllen. Bei der Auswahl des Anbieters hinter den AVB muss ich drei Dinge hinterfragen: Ist er preis-aggressiv und versucht er etwa, in jeder Berufsgruppe der Günstigste zu sein? Hat er einen hohen BruttoNetto-Spread? Und, was auch gefährlich ist: Fährt der Versicherer viele Aktionen, um über eine vereinfachte Gesundheitsprüfung Geschäft zu generieren? Wenn nur einer dieser drei Punkte zutrifft, ist es kein Ausschlusskriterium, bei zwei Punkten wird es schon kritisch und ich beobachte den Anbieter für eine Weile, bevor ich ihn anbiete. „Patzt“ ein Versicherer bei allen drei Fragen, lasse ich lieber die Hände davon, denn das kann langfristig nicht ohne massive Beitragserhöhung funktionieren. Kaiser » Wie sieht es bei der Haftung aus? Wenn der Kunde das Angebot ohne Gesundheitsprüfung bekommt, kann ich dann die schwierigen Fälle dort unterbringen? Wenzel » Ja, klar kann ich. Aber erst, wenn ich auf anderem Wege alles versucht habe. Dann muss ich aber den Kunden darüber aufklären, dass wir ein vergiftetes Kollektiv haben und er damit rechnen muss, bald die BruttoBeiträge zu zahlen. Mir ist ein Ausschluss oder ein Zuschlag in einem gesunden Kollektiv oft lieber.

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finanzwelt: Welche konkreten Tipps haben Sie an die Vermittler für die richtige Vermittlung einer Arbeitskraftabsicherung? Kaiser » Ich sehe das immer aus der Sicht des Leistungsfalls. Da sind die Gesundheitsfragen immer ein Knackpunkt. Hier als Vermittler vernünftig zu agieren, ist nicht immer einfach. Denn der Kunde muss Fragen beantworten, die er aus dem Gedächtnis heraus gar nicht hundertprozentig beantworten kann. Also muss der Vermittler dem Kunden empfehlen, bei seinem Arzt die Krankenakte einzusehen, vielleicht sogar bei der Krankenkasse eine Auskunft einzuholen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass der Kunde das alles getan hat und beim Folgetermin dann die Fragen richtig beantworten kann. Bestenfalls hat er die Informationen gesammelt und schmeißt dem Vermittler alle Akten auf den Tisch, dann muss der Vermittler mit einer Krankenakte und der Auskunft der Krankenkasse klarkommen, und das ohne Medizinstudium. Also muss er lernen, zusammen mit dem Kunden eine vernünftige Beantwortung der Gesundheitsfragen zu erreichen. Was muss angegeben werden und was nicht? Das ist haftungsrechtlich gesehen nicht ganz ohne. finanzwelt: Was wäre denn eine vorstellbare Haftungssituation? Kaiser » Stellen Sie sich den Leistungsfall vor: Es wurde eine Vorerkrankung


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