FILM-DIENST 14/2012

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AUS HOLLYWOOD nem kommerziell bedeutenden Faktor wurde. Universal, das damals längst der Talent-Agentur MCA gehörte, erkannte die neuen Möglichkeiten und stürzte sich in die Produktion von TV-Movies und TV-Serien wie kein anderes Studio in Hollywood. Die wechselseitige Promotion seiner Fernsehserien in dem durch realistische Tour-Attraktionen wie „Jaws“ und „Earthquake“ populär gewordenen „Theme Park“ und umgekehrt seiner Studio Tour im Fernsehen katapultierten den Namen Universal ins Bewusstsein aller Amerikaner. Kinofilme wie „Airport“, „The Sting“, „Back to the Future“, „Out of Africa“ und „Jurassic Park“ stabilisierten den Ruf des Studios, das bis dahin hauptsächlich für seine Horror- und Science-Fiction-Filme bekannt war, bei den Filmfans überall in der Welt. Und in den USA waren es nicht zuletzt TV-Serien vom Schlage „Ironside“, „Kojak“ und „Columbo“, mit denen das Publikum Universal identifizierte. Universals Erfolgsgeschichte war mehr noch als die der anderen Hollywood-Studios von einem beständigen Auf und Ab gekennzeichnet, aus dem einige Perioden nachträglich als deutlich erkennbare Höhepunkte hervorstechen: die „Frankenstein“- und „Dracula“-Periode, die Jahre der Doris-Day- und Rock-Hudson-Erfolge, Hitchcocks kommerzieller Höhepunkt mit „Psycho“, „The Birds“ und nicht zuletzt seiner jahrelangen „Alfred Hitchcock Hour“ und schließlich die Ära der Katastrophenfilme, die mit „Airport“ und „Earthquake“ aus der Taufe gehoben wurde. In der Geschichte des Studios spielten Stars wie Jane Wyman, James Stewart und Gregory Peck eine große Rolle sowie hinter der Kamera Regisseure wie Don Siegel, George Roy Hill und immer wieder Steven Spielberg. Oft wird über den spektakulären Namen und Titeln vergessen, dass das Management-Team Lew Wasserman und Sidney Sheinberg, das Universal in den 1970er- und 1980er-Jahren zu einer Hochblüte führte, nicht nur für die Entdeckung und Förderung Steven Spielbergs verantwortlich war, sondern auch die Entstehung einiger künstlerisch und gesellschaftlich hoch beachtlicher Filme ermöglicht hat: „The Last Temptation of Christ“, „Born on the Fourth of July“, „Do the Right Thing“ und „Field of Dreams“ erhielten damals grünes Licht.

Individualität geht verloren Viel von dem, was Universals Film- und Fernsehproduktion wie auch deren Höhe- und Tiefpunkte beeinflusst hat, lässt sich vor allem in den beiden letzten Jahrzehnten auf das unbeständige korporative Schicksal des Studios zurückführen. Wie auch andere Hollywood-Studios hat Universal häufiger, als ei-

nem großen Produktionsunternehmen gut tun kann, den Eigentümer gewechselt. Die konservative MCA verpasste zur Zeit der um sich greifenden Diversifikation der Medienbetriebe in vielen Dingen den Anschluss, was sie für einen Zugriff durch die japanische Elektronikfirma Matsushita prädestinierte. Deren großer Konkurrent Sony hatte gerade mit der Übernahme des Columbia-Studios gezeigt, dass eine Kombination von Hardwareund Filmproduktion Sinn machen könnte. Zwei Jahre, nachdem die Japaner MCA (und damit Universal) gekauft hatten, änderte sich abermals die Strategie in der Branche. Nicht mehr die Verbindung von Hardware und Software galt Anfang der 1990er-Jahre als der Weisheit letzter Schluss, sondern die Einbindung der Filmstudios in umfassendere Organisationen, die in der Lage waren, Produktion und weltweite Distribution in allen Medien gleichzeitig zu kontrollieren. Statt sich aber zum Beispiel zusätzlich bei einem Fernseh-Network oder einem Kabelunternehmen zu engagieren, entschloss sich Matsushita lieber zum Verkauf. So wanderte MCA-Universal 1995 an den kanadischen Whisky-Hersteller Seagram, bald darauf an das französische Konglomerat Vivendi und im Jahr 2004 an General Electric, die Muttergesellschaft des NBC-Networks. In einem Aktiendeal ging schließlich im Januar 2011 eine Mehrheit von 51 Prozent an den Kabelkonzern Comcast. Auf dem steinigen Weg dahin verließen einige der besten Executives – freiwillig oder unfreiwillig – das Unternehmen, sehr zu dessen Schaden. Der gravierendste Verlust war wohl die Trennung von Steven Spielbergs Produktionsbetrieb DreamWorks, der sich zunächst mit Paramount liierte und heute mit Disney verbunden ist. Ausgerechnet im Augenblick seines hundertjährigen Jubiläums geschieht es Universal nun, dass seine Filme kaum einen nennenswerten Anteil an den kommerziellen Hits dieses Jahres stellen. Nach bitteren Enttäuschungen der Hoffnungsträger „Cowboys & Aliens“, „The Thing“ und „Battleship“ an den Kinokassen ist „Snow White and the Huntsman“ die erste Universal-Produktion, mit der das Studio wieder Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Wie so oft in der Geschichte Hollywoods zeigt sich am aktuellen Beispiel von Universal abermals, dass neue Eigentümer, deren Hauptinteresse nicht die Filmproduktion ist, auch solide fundierte Studios rasch in Misskredit bringen können. Nachdem kenntnisreiche Mitarbeiter wie Stacey Snider, Marc Shmuger und David Linde Universal verlassen hatten, setzte Comcast auf das Team Adam Fogelson und Donna Langley, die in der Branche nicht gerade als Innovatoren be-

kannt sind. Deren Buchhalter-Mentalität bewegte sie denn auch prompt, die Produktion von Guillermo Del Toros Projekt „At the Mountains of Madness“ einzustellen, in dessen Entwicklung das Studio bereits viel Geld und Zeit investiert hatte, und auf die ambitionierte Stephen-King-Verfilmung „The Dark Tower“ zu verzichten. Die Palette ihrer Produktionen für die beiden nächsten Jahre hat wenig Individualität und verlässt sich in viel zu hohem Maß auf Angebote der mit Universal kooperierenden Produktionsbetriebe, Firmen wie Relativity Media und Village Roadshow. Das Schwergewicht liegt eindeutig auf der Fortsetzung bereits reichlich strapazierter Franchises von „Jurassic Park“ über „Fast and Furious“ bis zu „Transformers“. Universals Glanzlichter stecken in der mehrere tausend Filme umfassenden „Library“. Aber ein Studio, das gerade mit gehörigem Pomp ein neues Jahrhundert betreten will, kann nicht allein von seinem Archiv leben. Hoffentlich sehen das auch die branchenfremden Okkupanten von Comcast bald ein, die heute über Carl Laemmles Erbe das Sagen haben. Franz Everschor

Hollywood spricht über ... James Bond wird 50

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in weiteres Jubiläum steht in diesem Jahr vor der Tür: James Bond wird 50. Seit „Dr. No“ 1962 auf der Leinwand erschien, hat nach Ansicht der Statistiker die Hälfte aller Erdbewohner mindestens einen James-Bond-Film gesehen. Heutige Franchises mögen es pro Film auf mehr Geld bringen, aber ob sie in 50 Jahren immer noch für neue Kino-Abenteuer gut sind, wie es der „Geheimagent Seiner Majestät“ schafft, darf bezweifelt werden. Immerhin, 3,5 Mrd. Dollar sind schließlich auch kein Pappenstiel. So viel haben die bisherigen Bond-Filme kumulativ eingebracht. Von Sean Connery bis Daniel Craig haben sechs Schauspieler den weltgewandten Helden mit dem unstillbaren Appetit auf Frauen und Wodka-Martinis ihr Gesicht geliehen. Und dabei ist David Niven in dem satirischen Außenseiter „Casino Royale“ nicht einmal mitgezählt. Bonds Aston Martin ist ebenso zum Luxussymbol der Fans geworden wie John Barrys musikalisches Titelmotiv zur Inspiration einer ganzen Generation von Filmkomponisten. Sogar Staatspräsidenten gehörten zu den Bond-Anhängern: John F. Kennedy soll höchstpersönlich „From Russia With Love“ als zweiten Bond-Film vorgeschlagen haben. Wenn im November „Skyfall“, der 23. BondFilm, in die Kinos kommt, wird zur Feier des halben Jahrhunderts auch eine Jubiläumsbox mit 22 frisch restaurierten Blu-rays aller bisherigen Filme plus 130 Stunden Bonus-Material erscheinen, genug, um die Fans glücklich zu machen, auch wenn das Vergnügen 199 Dollar kosten soll. Ev. film-dienst 14/2012

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