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Ebenen der Wirklichkeit

Naturwissenscha : Gerd Ganteför meint, die Physik könne keinesfalls Allwissen beanspruchen stellt er verschiedene Aspekte der Zelle vor, vom Anfang der Forschung bis zu gegenwärtigen medizinischen Anwendungen – und mit Ausblicken, wie wir uns mit dem Wissen über unsere Bausteine sozusagen neu zusammensetzen könnten, um gesund zu bleiben.

Ein Abschni ist der Corona-Pandemie gewidmet, die wütete, während Mukherjee das Buch schrieb. Er würdigt die Triumphe der Messenger-RNATechnologie, gesteht aber ein: „Die Pandemie hat der Immunologie einen neuen Schub verliehen, aber auch klaffende Lücken in unseren Kenntnissen offengelegt. Sie hat uns ein notwendiges Maß an Demut gelehrt.“

Sprachlich bleibt Mukherjee bei all dem vermittelten Fachwissen stets einfach und klar. Die Balance zwischen stringenter Schritt-fürSchritt-Erklärung und anekdotischer Abschweifung beherrscht er virtuos. Nur manchmal kann die Fülle des Materials etwas müde machen. Was der Autor so poetisch als „Lied der Zelle“ betitelt, ist ein Orchesterwerk für viele Stimmen, die sich auf fesselnde Weise ineinander ranken und ein großes Thema erhellen.

ANDREAS KREMLA die Existenz „potenziell gewaltig großer Zonen der Realität aus, über deren Beschaffenheit sich bestenfalls mutmaßen lässt“. Und er fragt sich, ob schwierig zu definierende Begriffe wie Information, Wissen und Geist als Brücke hin zu anderen Ebenen der Wirklichkeit dienen könnten.

Die Physik ist die Paradedisziplin der exakten Wissenscha en, deren Weltbild sich auf mathematisch beweisbare Gesetze stützt. Ihre teils hochabstrakten Theorien können zwar allermeist nur noch Experten und Expertinnen nachvollziehen – sie werden aber o als ebenso unverrückbare Wahrheiten dargestellt wie die Erkenntnis, dass die Erde rund und Teil unseres Sonnensystems ist. Den Glauben an die Allmacht dieses Denkens diskutiert und hinterfragt nun ausführlich der emeritierte deutsche Physikprofessor Gerd Ganteför in seinem neuesten Buch.

Der Experte für Nanotechnologie und Clusterphysik, der immer auch wissenscha spolitisch engagiert auftritt, rekapituliert zuerst das Wissen seiner Disziplin über Raumzeit, Elementarteilchen, Krä e, Gesetze oder Naturkonstanten sowie die Vorstellung, wie das Universum entstanden ist. Ausführlich diskutiert er dann alle offenen Fragen in seiner Disziplin, von Gravitationswellen und Gammablitzen über Antimaterie oder Dunkle Energie bis zur Quantentheorie der Gravitation. Als interessierter Laie erhält man so einen gut verständlichen Physik-Schnellkurs, der bereitstellt, was den Forscher gedanklich umtreibt.

Mit solch abstrakten Gedanken steht er nicht allein. Auch der Wiener Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger bezeichnete Information schon als „Urstoff “ des Universums. „Wir tun noch immer so“, sagte er 2013 in einem Interview mit dem ORF, „als ob Raum und Zeit ein Theater wären, in dem sich die Dinge abspielen. Raum und Zeit sind aber von den Dingen in ihnen nicht unabhängig.“ Information könne „nicht unabhängig von dem gedacht werden, dessen Information sie ist“. Und wenn das stimme, so Zeilinger, „behandelt die Physik nicht alleine die Welt ,da draußen‘, sondern besitzt eine subjektive Komponente“.

Gerd Ganteförs Buch bietet Hilfe, um solch merkwürdig anmutende Ideen besser nachvollziehen zu können.

ANDRÉ BEHR

Siddhartha Mukherjee: Das Lied der Zelle. Ullstein, 672 S., € 34,–

Dies ist die Geschichte der Halben Welt, die Utopie wurde Wirklichkeit. Die Grenzen sind gezogen, das Territorium geräumt, Menschen dürfen nur noch in ihrer Hälfte der Erde leben, die andere Hälfte wurde zum Naturschutzgebiet erklärt. Ein interessanter Roman über Moral und Wissenschaft, der die Geschichte der Gegenwart fortspinnt und die Zukunft in einer geteilten Welt entwirft.

Die Halbe Welt verwebt Fakten und Fiktion. Wer darf bestimmen, wie das Zusammenleben auf Erden aussehen soll? Liegt die Zukunft darin, dass Menschen zugunsten der Natur in ihrem Lebensraum und ihren Aktivitäten beschnitten werden? Wie es das „Half-Earth-Projekt“ des weltberühmten Biologen Edward O. Wilson plant? milena-verlag.at

Die zentrale Botscha des Buchs lautet: Die Physik kann keinesfalls Allwissen beanspruchen. Die Theorie eines „Urknalls“ beispielsweise, aus dem unser Universum entstanden sein soll, erklärt laut Gerd Ganteför „zwar vieles, nur eben den Urknall nicht“. In unserem Universum macht er Indizien für

DAS HALBE-ERDE-PROJEKT. EINE HÄLFTE FÜR DIE NATUR UND DIE ANDEREN HÄLFTE FÜR DIE MENSCHEN. EIN ABSOLUT AKTUELLER UND ZU DISKUSSIONEN ANREGENDER ROMAN.

David Bröderbauer

DIE HALBE WELT Roman ISBN 978-3-903460-08-9

Gerd Ganteför: Das rätselha e Gewebe unserer Wirklichkeit und die Grenzen der Physik. Westend, 204 S., € 24,70