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„Das Regime hat schon verloren“

Iran: Hier passiert „feministische Weltgeschichte“, so Gilda Sahebi. Sie bietet einen erschü ernden Überblick benerfassung und ein geradezu lückenloses Parteikader-Kontroll- und Spitzelsystem.

Die Terrorbürokratie der Partei, der ethnische Minderheiten zunehmend als Schwachpunkte eines Han-chinesisch dominierten Nationalismus gelten, regiert willkürlich. Religiosität ist ihr ebenso verdächtig und Verhaftungsgrund wie das Beantragen eines Passes, zu hoher Stromverbrauch oder zu viel Besuch. Aus „Deradikalisierungs“- und Umerziehungslagern, in denen Uiguren und andere „vertrauensunwürdige“ Angehörige von Minderheiten durch Mandarin-Kurse und Parteipropaganda auf Linie gebracht werden sollen, werden rasch MassenGefangenenlager mit Gewaltexzessen, Folter, Vergewaltigung und Hunger. Nach Schätzungen waren seit 2017 zwischen sieben und 15 Prozent der Erwachsenen in Xinjiang inha iert.

Bölinger skizziert nicht nur detailreich die Orwell’sche Logik der paranoiden chinesischen Parteipolitik, er zeichnet auch die Vorgeschichte all dessen sehr genau nach, vom Kaiserreich über die wechselvollen Jahre der chinesischen Republik bis zur Machtübernahme der Kommunisten 1949 und der Ära Xi Jinping: Es ist die Geschichte einer langsamen Radikalisierung des Han-chinesischen Parteiapparats gegenüber den Minderheiten des Landes, die in den Massenverha ungen der letzten Jahren gipfelte.

JULIA KOSPACH

Das ist ein Schlachtfeld“, rappt Toomaj Salehi, „unser Schwert ist Liebe.“ Im Oktober wurde der iranische Rapper verha et und Berichten zufolge schwer gefoltert. „Sein Bein und seine Finger sollen gebrochen worden sein, sein Gesicht verletzt und sein Auge so schwer beschädigt, dass er seine Sehkra verloren haben soll.“ war, laut Regierung nach ihrer Festnahme an einer Herzerkrankung gestorben sein. Jedoch: „Geleakte CTAufnahmen und Fotos aus dem Krankenhaus zeigen starke Verletzungen im Kop ereich. Die junge Frau muss massive Gewalt erfahren haben.“ Jegliche Opposition gegen die Regierung werde zudem als verdorben betrachtet und sexualisiert, erklärt Sahebi. So habe ein islamischer „Intellektueller“ erklärt, die Forderung der Protestierenden „Frau, Leben, Freiheit“ bedeute in Wirklichkeit „Frau, Prostitution, Unzucht“. In den Gefängnissen werde „systematisch sexualisierte Gewalt ausgeübt“.

Von dem Rapper hat sich Gilda Sahebi den Titel für ihr neues Buch „Unser Schwert ist Liebe. Die feministische Revolte im Iran“ geliehen. Sahebi, 1984 im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen, ist Journalistin und Expertin für Menschenrechte und die Lage der Frauen im Iran. Auch im Podcast „Das Iran Update“ informiert sie aktuell über die Situation im Land. In ihrem Buch will sie die Geschichten der Menschen im Land erzählen, damit „sie nicht mehr im Dunkeln verschwinden“.

Und so nennt sie Inha ierte und Hingerichtete beim Namen: zum Beispiel Mohammad Mehdi Karami, der im Dezember zum Tode verurteilt wurde.

Sahebi gibt auch Menschen eine Stimme, die das Regime mit besonderer Härte verfolgt, wie einer non-binären Transfrau. Mit historischen Abrissen zeigt sie außerdem, dass „es nie ruhig war in diesem Land“. Sie berichtet etwa von Verha ungen und Massenhinrichtungen in den ersten Jahren der Islamischen Republik.

Mathias Bölinger: Der HightechGulag. Chinas Verbrechen gegen die Uiguren.

C.H. Beck, 256 S., € 18,50

Der 22-Jährige soll seinen Vater noch aus dem Gefängnis angerufen und gebeten haben, der Mutter nicht zu sagen, dass er die Todesstrafe bekommen hat. Sahebi berichtet über die Gräueltaten der Regierung: „Es sind Polizisten und die berüchtigten BasijMilizen, die die Proteste niederschlagen und die Menschen auf den Straßen des Landes töten. Sie gehen mit gnadenloser Härte auch gegen Kinder vor.“ Im Anhang des Buches findet sich eine „Liste der Todesopfer“ mit 489 Namen, beginnend mit „1 Jina Mahsa Amini (22) † 16. 9. 22, Teheran, in Ha gestorben“.

Sahebi deckt die Mechanismen eines Regimes auf, das leugnet und Falschmeldungen verbreitet. So soll auch Mahsa Amini, deren Tod Auslöser der aktuellen Protestbewegung

In einer reichlich unübersichtlichen Lage bietet die Autorin so einen erschütternden Überblick. Das Buch empfiehlt sich für alle, die die aktuelle Protestbewegung und die lange Geschichte der Unterdrückung in der Islamischen Republik besser verstehen wollen. Sahebi ist sicher: „Es kann Monate dauern. Jahre. Aber das Regime hat schon verloren. Die Menschen. Seine Existenzberechtigung.“

DONJA NOORMOFIDI

Gilda Sahebi: Unser Schwert ist Liebe. Die feministische Revolution im Iran. Fischer, 256 S., € 24,70

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